Der Mensch ist böse… und von Gott geschaffen. Ein religionsphilosophischer Salon

Der religionsphilosophische Salon Berlin nimmt sich am MITTWOCH, den 26. Oktober 2016, ein schwieriges Thema vor, bei dem schon jetzt absehbar ist, dass man da nicht mit klaren Definitionen die Diskussion beruhigt verlassen kann. So ist das mit der Philosophie: Sie fördert das weitere Fragen und Suchen! Kant sprach vom “Hang (Tendenz) zum radikal Bösen im Menschen”: Wie lässt sich das be-greifen und wie “bewältigen”?

Wegen der Veranstaltungen der Galerie Fantom können wir diesmal nicht an einem Freitag, wie sonst eher üblich, zusammenkommen. Ich hoffe, auch dieses Datum am Mittwoch “passt”. Und nochmals Danke an den Verein der Galerie Fantom, dass wir nun schon seit einigen Jahren die Räume der Galerie Fantom zur Miete nutzen können. Solche Großzügigkeit ist ja nicht selbstverständlich in Berlin (wo es, nebenbei gesagt, immer noch kein eigenes “Haus der Philosophie” gibt, hingegen mehrere Literaturhäuser…)

Der Ort unseres Salons: Hektorstr. 9 in Wilmersdorf. Beginn: 19 Uhr. Studenten haben freien Eintritt. Die anderen sollten, wenn möglich, 5 Euro für die Raummiete zahlen.

Das Thema “Der Mensch ist böse…. und von Gott geschaffen” ist bewusst kurz vor dem Reformationstag (am 31.10.) gewählt. Wir nehmen Bezug auf neue philosophische Arbeiten zum Bösen, etwa auf das Buch von Bettina Stangneth “Böses denken” (Rowohlt 2016), aber auch auf die umstrittene, aber allgemeine christliche Lehre von der Erbsünde. Und wir fragen uns, ob eine christliche Spiritualität, ob christlicher Glaube möglich und sinnvoll ist, ohne das seit Augustin gängige, sich orthodox nennende Konzept der Erbsünde. Luther (und Calvin) sah das Verderben der Erbsünde so total, dass er für die freie philosophische Überlegung (als Hilfe im Leben) nichts übrig hatte. In dieser Überlegung werden uns auch die Studien des Philosophen Kurt Flasch inspirieren. Schon jetzt dazu herzliche Einladung. Details folgen. In jedem Fall plädieren wir, vom religionsphilosophischen Salon,  selbstverständlich für die Gültigkeit der freien Form der Philosophie, die nicht nur “von der Sünde Verdorbenes” hervorbringt…

Zur Ergänzung: Der Text des newsletters, der an 420 AbonnenTinnen am 16.10. gesendet wurde: 

Der nächste Salon findet ausnahmsweise an einem Mittwoch statt, am Mittwoch, den 26. OKTOBER 2016 um 19 Uhr in der Galerie Fantom, Hektorstr. 9 in Wilmersdorf. Dazu herzliche Einladung! Für die Raummiete bitte ich um 5 Euro.

Unser Thema, durchaus wieder aktuell:

„Gott ist gut – aber die Menschen sind böse“.

Es geht also um die Frage: Wie lässt sich in philosophischen Reflexionen zum (moralisch) Bösen Stellung nehmen? Hilft der biblische, immer noch kirchlich vertretene Mythos der Erbsünde da weiter? Darauf spielt der Titel an. Oder kann das böse Tun der Menschen auch in der Begrenzung auf den Menschen selbst verstanden – und möglicherweise eingeschränkt werden? Wird das Böses-Tun reduziert oder gar verhindert, wenn die kritische Reflexion des Menschen auf sich selbst gepflegt, gebildet und Allgemeingut wird? Das war dich der Anspruch der uns so wichtigen AUFKLÄRUNG!

Ist das moralisch Böse an die dumme Gedankenlosigkeit in einer für Kritik blinden Gesellschaft gebunden? Liegt darin der tiefere Sinn des Wortes von der „Banalität des Bösen“? Ein Wort, das die Philosophin Hannah Arendt auf den eigentlich zur Selbstreflexion unfähigen, für sich selbst gedankenlosen „Schreibtischmassenmörder“ Adolf Eichmann anwandte? Auch auf Kants Wort vom „radikal Bösen“ werden wir uns beziehen, um so Impulse zu geben, für eine etwas tiefer gehende Klärung des moralisch Bösen. Dabei werden wieder einmal, auch explizit, die Größe und die Grenze philosophischer Reflexion deutlich.

Nebenbei: Der Titel mit Blick auf den biblischen Mythos der Erbsünde wurde auch wegen der Nähe zum Reformationsfest am 31. Oktober gewählt. Bekanntlich spielte die Erbsünde (leider) eine entscheidende Rolle im Denken der Reformatoren Luther und Calvin. Ihre polemische Abweisung von der teuflischen Vernunft und der Philosophie hat darin ihren Grund. Ob ein Christentum ohne den Mythos Erbsünde aus kommt, könnte sich im Verlauf unserer Debatten zeigen. Zum Thema Luther und die Philosophie habe ich einen kl. Beitrag verfasst, zur Lektüre klicken Sie bitte hier.

Ich bitte um Anmeldung per email,nicht nur wegen der begrenzten Plätze in dem Philosophischen Salon, sondern auch, um den angemeldeten TeilnehmerInnen vorher noch ein paar kurze Texte zur notwendigen gedanklichen Vorbereitung zuzusenden. Wer sich eine sehr sinnvolle und wertvolle philosophische Lektüre gönnen will, was ich ja für unseren Salon eigentlich immer empfehle: Sollte das neue Buch der Philosophin Bettina Stangneth „BÖSES DENKEN“ (bei Rowohlt 2016 erschienen, Preis: 19,95 €) lesen.

Mit freundlichen Grüße und auf ein Wi(e)dersprechen,

Christian Modehn

Bitte schon vormerken: Der Salon im November findet wegen der Nähe zu dem von uns traditionell gefeierten Welttag der Philosophie schon am FREITAG, den 18. November 2016 um 19 Uhr statt. Am 14. November denken alle Philosophen an den 300. Todestag des großen LEIBNIZ, darum werden wir aus dem Umfeld seines Denkens debattieren, Näheres folgt.

Pater Klaus Mertes für ökumenisches Abendmahl: Katholiken können am evangelischen Abendmahl teilnehmen

Ein Buchhinweis von Christian Modehn

Ausführliche Briefe, über drei Monate (bis Februar 2016) hin und her geschickt zwischen zwei prominenten Theologen, sind heute – nicht nur in Zeiten der absolut vorherrschenden emails – eine Seltenheit. Und noch seltener ist, wenn man so sagen kann: Dass diese Briefe auch als Buch publiziert werden. Die Kategorie Briefwechsel spielt ja in heutigen Verlagsgeschäften keine große Rolle mehr.

Nun haben die protestantische Theologin und Grüne-Politikerin Antje Vollmer und der Jesuitenpater Klaus Mertes ihre Korrespondenz veröffentlicht. Sie dreht sich immer wieder um das Problem der Gebundenheit an christliche Konfessionen, also evangelisch und römisch-katholisch. Und je länger der freundliche Brief-Austausch dauert, um so mehr nähern sich die theologischen Positionen an. Für die protestantische Theologin Antje Vollmer ist es eigentlich selbstverständlich, dass Katholiken an einem evangelischen Abendmahl nicht nur als Gäste dabeisitzen, sondern sich eben das Abendmahl von einem protestantischen Pfarrer reichen lassen. Ökumene, als versöhnte Verschiedenheit, wird so greifbar. Es gibt eigentlich nur noch wenige theologisch Gebildete, die eine solche Feier der Einheit der Christen ablehnen. Das müssen schon Dogmatiker der uralten Schule sein oder Angestellte der vatikanischen Aufsichts-Bürokratien, die bis nach Deutschland ihren Einfluss haben. Aber es ist eben im Katholizismus zweierlei: Man kann als katholischer Theologe eine richtige Meinung zur Praxis der ökumenischen „Mahl-Gemeinschaft“ haben, aber man darf diese nicht öffentlich sagen, geschweige denn öffentlich praktizieren. Das ist eben das viel besprochene Klima der Angst, das den Katholizismus bis heute bestimmt bzw. innerlich vergiftet und aus Glaubenden eben Mutlose und Verängstigte macht, solche Leute also, die um ihres Jobs in der Kirche/Caritas wegen auf ihre (ökumenische) Meinung und ökumenische Praxis doch besser verzichten. So entstehen gespaltene Persönlichkeiten…

Pater Klaus Mertes kennen und schätzen so viele, er gehört zu den Mutigen, den Offenen, den Aufgeschlossenen. Er hatte 2010 die unglaubliche Courage gehabt, „pädophile“ Vergehen durch Jesuiten an dem Jesuiten-Gymnasium in Berlin öffentlich zu machen. Er wusste: Allein die Freilegung der Tatsachen ist hilfreich. Er löste wohl als einer der wenigen Mutigen, die die Wahrheit sagen, ein mittleres Erdbeben in der römischen Kirche aus. Es dauert bis heute…Man denke an die Skandale der immer noch agierenden Ordensleute der „Legionäre Christi“, “Millionäre Christi” oft genannt, die von einem pädophilen Verbrecher gegründet wurden…

Nun zu dem Buch: Da ist es keine Überraschung, dass Pater Mertes am Ende des Buches, also ab S. 154, in aller Deutlichkeit für die „ökumenische Gastfreundschaft sich einsetzt“. „Ich bin überzeugt, dass es einem katholischen Christen im Gewissen frei steht, die Einladung zum evangelischen Abendmahl anzunehmen… Ich lasse mir nichts zu schulden kommen, wenn ich einer (protestantischen) Person nach dem „Amen“ die Kommunion reiche. Im Gegenteil, ich ließe mir etwas zu schulden kommen, wenn ich es nicht täte“, so Pater Mertes (S.155). Die theologische Begründung für diese richtige Haltung liefert er im Buch!

Diese Aussage weist in die Zukunft. So sehr vielleicht auch weniger religiöse Zeitgenossen über das Thema schmunzeln und sich sagen: Was haben diese getrennten Christen denn noch für Sorgen! Gibt es wirklich nichts Dringenderes? Gibt es natürlich!

Trotzdem ist diese Stellungnahme von Pater Mertes innerkirchlich gesehen ein wichtiger Durchbruch: Denn es kann ja sein, dass nun Katholiken in sich gehen und den Worten des Jesuiten folgen. Viele tun es längst, heimlich natürlich!

Diese Worte von Pater Mertes haben großen Wert für den kommenden evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin: Da wird es dann hoffentlich auch viele katholische Teilnehmer geben, die am evangelischen Abendmahl teilnehmen. Der Streit um den katholischen Professor Gotthold Hasenhüttl, der 2003 beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin Protestanten die Kommunion reichte, wird sich so nicht mehr wiederholen. Es wäre auch eine Blamage, wenn nicht Katastrophe, für die Herren der Kirche, nun auch 2017 beim Reformationsgedenken wieder hart durchzugreifen. Prof. Hasenhüttl wurde von dem damaligen Trierer Bischof Reinhard MARX (jetzt München) vom Priesteramt suspendiert….Dass es einen suspendierten Pater Mertes geben könnte, ausgerechnet im Luther-Jubiliäum, befürchtet irgendwie die besorgte Protestantin Anje Vollmer, sie schreibt: „Dieser Briefwechsel darf nicht dazu führen, dass Sie, Pater Mertes, damit in unabsehbare Schwierigkeiten mit Ihren Kirchenhierarchien kommen“ (S. 145). Wird er wohl nicht, denn er hat himmlischen Beistand: Seinen sehr berühmten Mitbruder, den Theologen Pater Karl Rahner: Er hat zusammen mit dem katholischen Theologen Heinrich Fries (München) 1983 eine bedeutende Studie verfasst: Veröffentlicht ebenfalls in dem katholischen HERDER Verlag, mit dem alles sagenden Titel „Einigung der Kirchen – reale Möglichkeit“. Also: Kircheneinigung ist JETZT möglich, alles offizielle katholische Gerede vom Warten und immer wieder weiter Beten usw… entpuppt sich klerikale Ideologie des konfessionellen Machterhalts. Theologie muss endlich Ideologie-Kritik werden. Dieses große Buch von Karl Rahner hat zwar 5 Auflagen erlebt, hat meines Wissens aber nicht den Verstand und das Herz der katholischen Hierarchie erreicht. Sie hielten diese großen Vorschläge „Ökumene JETZT“ für Theologengeschwätz. Es ist diese Ignoranz der Hierarchen gegenüber der Theologie, die so manchen erschüttert. Nur der Ungehorsam, siehe Luther, führt wohl in versteinerten Systemen ins Freie.

Die Ökumene stagniert, kaum noch jemand interessiert das und kaum noch jemand interessiert sich leidenschaftlich insgesamt noch für die Kirchen… Weil die katholische Hierarchie in ihrer dogmatischen Fixierung alles wirkliche Weiterführende in der Ökumene verbietet. Die Kirche selbst vertreibt die Gläubigen…wie damals, zu Luthers Zeiten!

Nun kommt also noch mal ein Vorschlag von Pater Mertes, zu sehr später Stunde möchte man sagen, wo sich die Kirchen in Deutschland tatsächlich leeren und nur noch die Kirchensteuergelder bestens fließen. Man kann nur hoffen, dass Pater Mertes nicht wie der Augustiner Pater Martin Luther gezwungen wird zu sagen: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“. Bevor dies hoffentlich nicht passiert, sollte das Buch gelesen werden: Es behandelt selbstverständlich nicht nur dieses Thema.

Buchempfehlungen: Klaus Mertes, Antje Volmer, Ökumene in Zeiten des Terrors. Streitschrift für die Einheit der Christen. Herder Verlag 2016, 2169 Seiten.

sowie immer noch lesenswert und zur Praxis empfohlen: Karl Rahner und Heinrich Fries, Einigung der Kirchen – reale Möglichkeit. Herder Verlag 1983. 156 Seiten.

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon Berlin

Marsch für das Leben in Berlin mit Erzbischof Koch. Kritisches zu diesem politischen, rechtslastigen “Marsch”

Ein Kommentar von Christian Modehn. Veröffentlicht am 15. 9 2016.

Wer am so genannten „Marsch für das Leben“ am 17.9.2016 in Berlin teilnimmt, befindet sich auf einer Veranstaltung der AFD bzw. jener rechten (katholischen und evangelikalen) Gruppen und Kreise, für die die CDU/CSU nicht rechts genug ist.

Der Organisator des Marsches, der Journalist Martin Lohmann, EX-CDU, ist Mitarbeiter der rechtslastigen Wochenzeitung „Junge Freiheit“, sie steht bekanntermaßen der AFD sehr nahe.

Auch Frau von Storch AFD ist wieder bei dem „Marsch“ dabei. Sie wird nicht die einzige von der AFD sein.

Wenn katholische Bischöfe (Koch, Voderholzer; 2015 schon Weihbischof Laun, Salzburg, ein öffentlicher FPÖ Freund) bei dem Marsch als Mit-Läufer dabei sind, entsteht wie von selbst der Eindruck: Diese Bischöfe unterstützen diese (letztlich AFD nahe) Veranstaltung. Es entsteht weiter der Eindruck: Bischöfe machen also indirekt Wahlpropaganda. Und das einen Tag vor der Wahl in Berlin. Ist dies noch das Amt eines Bischofs, darf man wohl als Theologe fragen. Haben diese Bischöfe bei deutschen Rüstungsfirmen protestiert in einem Protestmarsch für das Leben derer, die mit deutschen Waffen abgeknallt werden in Syrien, Saudi-Arabien, Mexiko usw. usw.? Oder wollen diese Herren nur das ungeborene Leben schützen? Ist ja auch viel einfacher, als die Macht der Waffenproduzenten öffentlich zu kritisieren?

Da helfen selbst allgemein gehaltene, sanft-kritische „Grußworte“ von Erzbischof Koch, Berlin, bei dem “Marsch” nicht viel, wenn er einen humanen Umgang mit Flüchtlingen anmahnt. Allein schon dieses militärische Wort “Marsch”, da klingt das Aggressive automatisch schon an…

Aber der so genannte Schutz „des“ „ungeborenen“ Lebens ist seit Jahrzehnten Mittelpunkt eines konservativen christlichen Glaubensbekenntnisses geworden. Mutter Teresa ist förmlich die hoch verehrte Kirchenlehrerin für alle um das ungeborene Leben kämpfenden Marschierer. Sie können eben, aus Faulheit, Dummheit?, nicht unterscheiden: Was ist Leben im allgemeinen? Was ist menschliches, geistvolles Leben. Und wann beginnt dieses. Da gibt es, wenn man denn nuancieren kann und will, eben Unterschiede. Und vor allem: Diese Marschierer für das ungeborene Leben sind rabiat gegenüber Frauen, die in einer Demokratie ihre freien und eigenen Entscheidungen treffen. “Pro Life” in den USA ist bekanntermaßen gewalttätig gegen Ärzte und Kliniken. Diese Marschierer sind letztlich Gegner demokratischer Entscheidungen. Für Religionskritiker ist es interessant zu wissen: Es gibt in den USA eine breite, auch katholische Bewegung “Pro Choice”, sie respektiert die Würde und Wahlfreiheit der Frauen. Bei Pro Choice sind auch katholische Nonnen dabei; sie sind “selbstverständlich” ständig von der Exkommunikation durch Bischöfe und Päpste bedroht.

Bezeichnenderweise haben katholische Bischöfe in fast allen Ländern Lateinamerikas dafür gesorgt, dass dort die unmenschlichsten Gesetze erlassen wurden, die den Schwangerschaftsabbruch rigoros verbieten. Die reichen katholischen Damen lassen in den USA oder Puerto Rico „abbrechen“, die armen Frauen sind auf Pfuscher in aller Heimlichkeit angewiesen. Diese armen Frauen, Opfer einer Macho-Unkultur, sterben oft bei diesen Eingriffen. das ist die Konsequenz dieser frommen Lebensschützer, abgesehen davon, dass fast alle Kinder in menschenunwürdigen Slums in Lateinamerika überleben müssen….

Mit anderen Worten: Diese Marschierer für das ungeborene Leben gehören zu einem weltweiten Netz von Menschen, die den Schutz des ungeborenen Lebens nur als Vorwand benutzen, um antidemokratische, ungerechte Strukturen zu verfestigen. Und etliche Christen und Bischöfe fühlen sich in einem solchen “Milieu” offenbar sehr wohl. Wer da seine kritische Stimme erhebt, wird sofort als “Feind des Lebens” hingestellt.

Wird dieser Marsch am 17.9. 2016 ein wichtiges Datum sein, ein Tag, an dem zum ersten Mal katholische Bischöfe mit der AFD gemeinsam marschierten? Wer wird sich darüber freuen?

PS: Wir freuen uns, dass die Leitung der Berliner protestantischen Kirche offiziell nicht bei diesem Marsch dabei ist.

copyright:Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Thomas Müntzer – der (fast) vergessene Reformator als Theologe der Revolution

Von Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin, 2016.

Dieser Beitrag erschien in kürzerer Form in der Zeitschrift PUBLIK FORUM am 9. September 2016.

1.

Der erste „Theologe der Revolution“ war auch einer der ersten Liturgie-Reformer. Vor Martin Luther hat er bereits 1523 die Messe auf Deutsch gefeiert: Thomas Müntzer wollte seine Gemeinde in Allstedt (Südharz) von „magisch wirkenden“ Texten befreien, um zur Erkenntnis des wahren Gottes zu führen. Dabei sollte zur Gewissheit werden: Die auserwählten Christen sind im heiligen Geiste eins mit Gott. Diese mystische Erfahrung bestärkte seinen politischen Kampf. Darum unterstützte Müntzer auch in Allstedt die empörten Bauern und Tagelöhner: Sie wollten „den wohllebenden Mönchen keinen Zins zahlen“ und gründeten einen „Widerstandsbund“. Gegen die Allmacht der Herrscher hatte sich ihr Pfarrer schon andernorts heftig ausgesprochen. Müntzer gehörte selbst zu den Verarmten. Für sie war er „Der Knecht Gottes“.

In den deutschen Messen zu Allstedt wurden zwar noch die alten, gregorianischen Melodien – auf Deutsch – gesungen. Aber das Volk war begeistert und strömte zu den Predigten. Dass Thomas Müntzer gleich nach der Liturgiereform die ehemalige Nonne Ottilie von Gersen heiratete, störte nur die katholischen Grafen der Umgebung.

2.

In seiner „Fürstenpredigt“ im Schloss Allstedt (13.7.1524) ermahnte er, biblische Propheten zitierend, Fürst Johann von Sachsen und die anderen: Sie sollten sich der Protest-Bewegung des Volkes anschließen. Denn das Volk habe bei seiner Unterdrückung ein heiliges Recht auf Widerstand. Wenn die Fürsten an ihrer Herrschaft festhielten, gelten sie als Gottlose, die das Volk bekämpfen und vernichten wird.  Müntzer sah die Ursache allen Elends bei den Herrschenden.Wenn er Gewalt unterstützte, dann nur als Reaktion auf vorhandenes Unrecht der Fürsten und der Kirche bzw. Klöster. Dass “Gott die Mächtigen vom Thron stürzt”, wie das Magnificat Marias im Neuen Testament sagt, nahm Müntzer wörtlich! Er fühlte sich – mit den Ausgegrenzten – auf der Seite Gottes! So wie die Fürsten (und Luther) das Wort der Bibel wörtlich nahmen vom “Gehorsam der Untertanen unter (jede) Gewalt”…und dieses Wort rabiat durchsetzten um des eigenen Machterhaltes willen.

3.

Es ist bezeichnend, dass von Müntzer, diesem „theologischen Revolutionär“ (H.J. Goertz), kein authentisches Porträt überliefert ist. Im Vergleich zu zahllosen Luther-Porträts ein Beleg, wie heftig er auch von den Wittenberger Reformatoren ausgegrenzt wurde. Selbst sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt: Um 1489 wurde Müntzer in Stolberg (Harz) geboren. Biografische Details fehlen oft. Erst in den letzten Jahren wurde begonnen, eine kritische Gesamtausgabe seiner wenigen Bücher und zahlreichen Briefe herauszugeben. Er studierte Theologie in Leipzig und Frankfurt/Oder, 1513 wurde er zum Priester für das Bistum Halberstadt geweiht. Seit der Zeit, bis zu seiner Hinrichtung am 27. Mai 1525, war er ruhelos unterwegs, um für die Einheit von Mystik und Revolution einzutreten. In etwa 30 Städten, zwischen Prag und Braunschweig, Wittenberg und Basel, Zwickau und Frankenhausen, hat er sich aufgehalten, immer auf der Suche nach einer Predigerstelle. Müntzer ist der Heimatlose, überall wurde er verjagt und verfolgt.

3.

Seit 1521 ist der eine Mittelpunkt seines Denkens offensichtlich: Der heilige Geist wirkt in jedem Glaubenden; es gibt eine Gottunmittelbarkeit, der Klerus spielt dabei keine Rolle. Aus der Gottunmittelbarkeit folgt die grundlegende Veränderung der Gesellschaft und das Ende der Gewaltherrschaft der Fürsten. Und sogleich ergoss sich der öffentliche Zorn Luthers über ihn, den Müntzer seinerseits ebenso heftig beantwortete. Inzwischen haben, dank der Studien etwa von Hans-Joachim Goertz, die alt vertrauten Müntzer Klischees keine Chance mehr: Er ist weder der sozialistische Held des Bauernkrieges noch der „Erzteufel“, wie ihn Luther und seine Kirche lange Zeit hinstellte.

4.

Entscheidend ist heute: Müntzer war ein eigenständiger Reformator. Darum sollte 2017 über ihn umfassend diskutiert werden. Themen gibt es genug: Im Unterschied zu Luther galt ihm die je eigene, geistvolle Erfahrung des lebendigen Gottes alles. Er dachte oft wie die Mystiker des Dominikanerordens, vor allem Johann Tauler. Das Wort Gottes, auch die Lehre von der Rechtfertigung, waren für Müntzer nur ein äußerer Anstoß, Gottes Geist „in mir“ zu erleben. Und diesen Geist sah er im Widerstand der Armen politisch am Werke. Einzig dem Projekt „Reich Gottes auf dieser Erde am Ende unserer Zeiten“ wollte er dienen. Dabei dachte er wie andere Reformatoren apokalyptisch. Er sah im Aufstand des unterdrückten Volkes eine Art Notwehr. Denn einzig bei den Fürsten nahm die Gewalt ihren Anfang. Müntzer verteidigte „das Gewaltrecht der Guten“, also der leidenden Christen. Dass der staatskonforme Luther mit seiner Sympathie für die Fürsten letztlich auch nicht den Frieden förderte, ist eine Tatsache. Heute wünscht man sich, die vernünftigen Humanisten hätten mehr Einfluss gehabt in dieser apokalyptisch aufgewühlten Zeit. Vernünftiges Denken, Klarheit der Begriffe, Selbstkritik und philosophische Logik hatten bei dem Reformator Luther und seinem Kreis keine Chance. Und sie waren im Gefolge Augustins stolz darauf, Verächter der Philosophie und des Humanismus zu sein!

5.

Thomas Müntzer wurde schließlich im „Endkampf“ aufseiten der Bauern in Frankenhausen (11. Mai 1525) gefangen genommen und in Mühlhausen am 27.Mai 1525 hingerichtet. Luther, aber auch Philipp Melanchthon, stachelten die Fürsten sogar noch an, diesen “Unmenschen” Müntzer zu töten. Diese direkte Aufforderung zur Tötung eines andersdenkenden Reformators ist – aus heutiger Sicht – ungeheuerlich. Diese Mordaufrufe Luthers werden offiziell in lutherischen Kirchen überhaupt nicht “behandelt”. Der Müntzer Spezialist und Historiker Hans-Jügen Goertz schreibt: Luther stand explizit und kämpferisch aufseiten der Fürsten und warnte diese eindringlich vor Müntzer als dem “lügenhaften Teufel, Weltfresser, Schwindelgeist”. “Luther tilgte alle menschlichen, individuellen Züge Müntzers”(Goertz, S. 254). Noch schlimmer: “Luther ließt sich die Gelegenheit nicht nehmen, den Gotteslästerer und Aufrührer Müntzer literarisch hinzurichten, bevor das Urteil gesprochen war und der Henker sein Schwert erhoben hatte. …Luther unterdrückte jeden Zweifel an dem martialischen Abschlachten der fliehenden Bauern bei Frankenhausen. Luther wollte allen Regungen von Mitleid und Nachsicht zuvorkommen. Dem Teufel und dem Antichristen (Müntzer) durfte niemand mit Verständnisund Erbarmen begegnen” (Goertz  S. 254 f.) “Seither, (also durch Luthers Polemik verursacht, CM) geistert die Kunde von dem Mordpropheten Müntzer durch die Zeiten…und die Deutschen haben gelernt, Nonkonformisten, Dissidenten und Revolutionöären mit Abscheu zu begegnen”. (Goertz, S. 257).

6.

Nur vereinzelt fällt heute sein Name unter den Theologen der Befreiung. Sie wissen wie er: Die Kirche muss mit den mit den Unterdrückten Gerechtigkeit realisieren, sonst bleibt all ihr Tun gottlos. Eine Kirche aufseiten des Staates, eine Kirche, die den Staat sozusagen automatisch unterstützt, noch schlimmer: eine Staatskirche, ist in dieser Sicht eine Art Gotteslästerung; siehe etwa auch die entsprechenden Verbrechen in katholischem Milieu in der Zeit der katholischen Franco-Diktatur in Spanien.

7.

Ob es im Reformationsgedenken (ab 31. Oktober 2016 ein ganzes Jahr lang) auch ein Müntzer-Gedenken geben wird, ob er eine Rolle spielen wird in den zahlreichen (evangelischen) Akademien-Veranstaltungen oder beim Kirchentag 2017, wäre zwar wünschenswert, ist aber angesichts dieser seiner „störenden Theologie“ eher unwahrscheinlich. Müntzers Theologie ist deswegen störend, weil mit ihm die ständige Staatsnähe des Luthertums (bis heute) kritisch diskutiert werden müsste. Müntzer würde heute von kirchlicher, also wohl christlicher Seite, diese Frage an die C-Parteien stellen: Seid ihr christlich, ihr so genannten Christlichen Parteien? Was soll dieses “C”? Diese Frage würde er angesichts des Umgangs mit Fremden und Flüchtlingen stellen, angesichts der von C Parteien nicht kritisierten und verhinderten Rüstungsproduktion, der geringen staatlichen Beiträge für eine unwirksame Unterstützung armer Länder, der zunehmenden Armut auch in Deutschland usw. Das Ergebnis wäre nicht nur für Müntzer niederschmetternd. Er würde wohl für die Streichung des “C” aus dem Titel der  beiden Christlichen Parteien plädieren. Wäre auch ein hübsches Thema im Reformationsgedenken 2017…

Die „Thomas-Müntzer-Gesellschaft“ hat ihr Büro in Mühlhausen, dort erscheinen zahlreiche Studien. Etwa: Alejandro Zortin, “Thomas Müntzer in Lateinamerika.” 2010., 44 Seiten.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Luthers Bindung an die Fürsten: Die Sicht niederländischer Forscher

Wer sich mit der Reformation in den Niederlanden im frühen 16. Jahrhundert befasst, ist überrascht: Trotz zahlreicher Freunde und Sympathisanten Luthers in den Niederlanden (und Antwerpen) damals, hat die lutherische Form, Kirche zu sein, dort um 1520 und später keinen zahlenmäßigen Erfolg gehabt. Und das liegt daran, so die Autoren der Studie „Ketters en Papen onder Filip II.“ (herausgegeben vom Rikjsmuseum Het Catharijneconvent Utrecht, 1986), dass Luther 1531 etwa ausdrücklich die Antwerpener Lutheraner warnte: Sie sollten auf versteckte, aber der Öffentlichkeit bekannte Zusammenkünfte verzichten; sie sollten entweder völlig privat, in aller Stille ihre Gottesdienste feiern oder das Land verlassen und dort hin gehen, wo das Wort Gottes frei verkündet werden kann. „Dieser Standpunkt schließt ganz an Luthers Neigung an, Unterstützung zu suchen bei den Fürsten. So ist die lutherische Reformation fast überall das Werk der regierenden Fürsten gewesen. In Deutschland geschah die Reformation von oben nach unten, nach dem Willen und dem Beschluss der Landesherren. Und diese Fürsten behielten die Leitung bei der Sicherung des reformatorischen Geistes. In den Niederlanden war so etwas ausgeschlossen… Das niederländische Volk wandte sich mehr den radikalen Bewegungen der Wiedertäufer zu und später dem militanten Calvinismus“. (S. 45 im genannten Buch, Beitrag von J. Decavele).

Wir erinnern an diese starke Bindung Luthers an die Fürsten, um noch einmal seinen tiefen Hass gegen den sozial-orentierten Reformator Thomas Müntzer (und seine Forderung, dass die Fürsten ihn verhaften und verbrennen) deutlich zu machen.

Copyright: Christian Modehn

Ein Gerichtsprozess im Vatikan: Der Legionär Christi Pater John O Reilly

Ein Hinweis von Christian Modehn

Im Rahmen unserer nur exemplarisch zu verstehenden religionskritischen Studien hat der „Religionsphilosophische Salon Berlin“ seit über 10 Jahren über den offiziellen katholischen Orden „Legionäre Christi“ wie über die mit ihm verbundene Laien-Bewegung „Regnum Christi“ berichtet. Weil sich kein anderes publizistisches oder religionswissenschaftliches oder wenigstens theologisches Zentrum in Deutschland ausführlich und ständig um diese weltweit einflussreichen Gruppen kümmert, nun also hier ein weiteres Kapitel aus diesem klerikalen Sumpf…

Jetzt wird erneut einem prominenten Priester, Pater O Reilly aus Chile, wegen pädophiler Verbrechen der Prozess im Vatikan gemacht. Das berichten am 9. August 2016 „Le Monde“ und „Figaro“.

Zur Erinnerung: Schon gegen den ebenfalls „betroffenen“ Nuntius in der Dominikanischen Republik, Erzbischof Jozef Wesolowski, wollte ein päpstliches Gericht ein Urteil fällen, aber der pädophile Erzbischof verstarb am 27.8.2015 kurz vor Prozessbeginn in Rom … an „Herzstillstand“, so heißt es …. Während Nuntius Wesolowski sich den Knaben „zuwandte“, hat sich der aus Irland stammende Pater John O Reilly an Mädchen vergriffen. Das haben Gerichte in Chile erwiesen. Weil dem Priester die Ausweisung aus Chile droht, soll er nun sozusagen im sicheren Vatikan „untergebracht“ werden… Konkrete Daten für den Prozess gibt es noch nicht.

Pater John O Reilly LC, 69 Jahre, wurde schon von chilenischen Gerichten verurteilt. In den Jahren 2010 bis 2012, so wissen die Gerichte, habe er als „spiritueller Meister“ im Legionärs Kolleg “Cumbres” mehrfach ein ihm anvertrautes Mädchen von 9 Jahren sexuell missbraucht. Er wurde im November 2014 zu 4 Jahren „überwachter Freiheit“, „liberté surveillée“, wie Le Monde schreibt, verurteilt. Seine chilenische Staatsbürgerschaft wurde ihm im März 2015 aberkannt, nun soll er aus Chile abgeschoben werden. Ist das Grund, dass der Vatikan den alsbald wohl staatenlosen Pater zu sich holt? Oder sind die Hintergründe der Tat so belastend, dass sie besser im sehr schweigsamen Vatikan verhandelt werden? Warum also diese Sonderbehandlung für Pater O Reilly? Denn allein in Chile sind über 20 pädophile Priester nun auch kirchenamtlich „enttarnt“. Wenn allein diese im vatikanischen Gefängnis untergebracht würden, wären die eher bescheidenen Gefängniskapazitäten des Vatikans wohl bald erreicht … und der „Apostolische Palast“ müsste umgebaut werden…

Merkwürdig ist, dass die pädophilen Aktivitäten von Pater O Reilly aus dem Orden der Legionäre Christi auch dann kein Ende fanden, als der Ober-„Verbrecher“ im Orden, so fast wörtlich Papst Benedikt XVI., also der Gründer Pater Marcial Maciel, zahlreicher Untaten 2006 definitiv überführt wurde und der Orden danach sozusagen auf der Kippe stand: Denn viele kluge Leute meinten, dieser katholische Club solle besser aufgelöst werden. Aber Pater O Reilly wurde wohl in seinem Tun „gedeckt“; er war offenbar unersetzlich, denn er galt als wichtiger „Geldeintreiber“ im bekanntermaßen geldgierigen Orden. Sie leben in den teuersten Vierteln von Santiago, etwa Las Condes. Über den Reichtum des Ordens allein in Chile haben die Journalisten Andrea Insunza und javier Ortega ein Buch publiziert: “Los Legionarios de Cristo en Chile. Dios, Dinero y Poder”,

John O Reilly wurde in der Nähe von Dublin geboren, sein Vater widmete sich vor allem der Hühnerzucht. Das Kind wurde bei den Großeltern erzogen. „Aber von seiner sehr bescheidenen Vergangenheit sprach er in Chile nie“, berichten ehemalige Bekannte, wie der Ex-Legionär Glenn Favre. 1965 trat O Reilly in den Orden der Legionäre Christi ein. An dem bewiesenen verbrecherischen Leben des Ordensgründer Maciel hatte er stets seine Zweifel, BBC zitiert O Reilly aus dem Jahr 2006: “Nadie duda de la absolutísima inocencia del padre Marcial Maciel, por su vida y por sus obras, por lo que ha entregado a cada uno de nosotros, a la Iglesia y al mundo”, comentó O’Reilly en 2006 en entrevista con el sitio web Emol al conocerse la decisión vaticana“… „Niemals zweifle ich an der aboluten Unschuld Pater Maciels….“

Nach Chile kam O Reilly 1984, er arbeitete in den Kollegien „für Kinder aus reichem Hause“. Die Tageszeitung „El Mercurio“ beschrieb 2002 die Beziehung des Priesters zu den ihm anvertrauten Mädchen:“ “Parece una gallina con sus pollos, rodeado de niñitas que le conversan y le piden ‘nosotras queremos quedarnos contigo, padre’: „Er erschien wie ein Huhn mit seinen Hühnchen, umringt von kleinen Mädchen, die ihn unterhielten und ihn baten: Wir bitten, bleibe mit uns, Pater“., so BBC, http://www.bbc.com/mundo/noticias/2014/11/141111_perfil_oreilly_legionarios_millonarios_ch

Mit dem bevorstehenden Prozess im Vatikan wird erneut das öffentliche Interesse auf die Aktivitäten der Legionäre Christi und des Regnum Christi in CHILE gelenkt. Dieser Orden kam erst 1980 nach Chile, zu der Zeit, als der Diktator Pinochet (seit 1973) herrschte. Der Journalist Alfonso Torres Robles berichtet in seinem Buch „La prodigiosa aventura de los Legionarios de Cristo“ (Madrid 2001), Seite 58 f., dass die Legionäre in Chile sofort Anschluss fanden an zahlreiche große Unternehmer und Politiker. Vor allem mit dem rechtsextremen Innenminister Pinochets, Carlos Cáveres Contreras (geboren 1940), gab es enge Kontakte. Dieser Herr hat noch den Diktator Pinochet in seinem Londoner Gefängnis besucht und unterstützt. Bekanntlich setzte sich der so genannte „Heilige Stuhl“ (Vatikan) ebenfalls für die Freilassung Pinochets ein. Unter der Herrschaft von Pinochet war Erzbischof Angelo Sodano Nuntius des Vatikans dort, mit Pinochet verband ihn eine herzliche Verbundenheit. So lernten auch die Legionäre und Erzbischof Sodano einander schätzen, was sich dann beim späteren Aufenthalt Sodanos im Vatikans sehr gewinnbringend für die Legionäre auswirkte, aber das nur nebenbei…

Caveres Contreras jedenfalls wurde schon in den neunzehnhundertachtziger Jahren als einer der einflussreichsten Männer Chiles betrachtet, zugleich wurde Präsident des von den Legionären Christi gegründeten „Rates der unternehmerischen Generation“. Mit diesem elitären Finanz-Club wollte Marcial Maciel, der Legionärs Gründer, nach bewährter und bekannter Art „Kontakte knüpfen“ und sich beliebt machen in der Welt der Reichen und Einflussreichen. Warum wohl? Um, ebenfalls nach bekannter Manier, immer mehr Geld zu gewinnen. Gleichzeitig „kümmerte“ sich der Orden, seinem Hauptinteresse folgend, um gute Kontakte zum Militär und zur einflussreichen Tages-Zeitung „El Mercurio“. Darüber hinaus gründeten die Legionäre Collegien, etwa die in Chile ziemlich berühmten „Cumbres“ und „Everest“, „die von den Politikern der Rechten bevorzugt worden“, so in dem genannten Buch von Torres Robles, S. 60. Pater O Reilly arbeitete auch an dem Legionärs-Radiosender „Santa Maria de Guadelupe“ als Programmdirektor.

Im Umfeld des Prozesses gegen O Reilly in Santiago wurde ein psychologisches Gutachten erstellt, das ein journalistisches Netzwerk in Chile dann ausführlich publizierte. Darin heißt es über den Legionärs-Priester: „Se vincula con personas que posean poder, riqueza o influencia, en busca de prestigio personal y de mayor liderazgo”. „Er verbündete sich mit Personen, die Macht, Reichtum oder Einfluss besitzen, auf der Suche nach persönlichem Prestige und einer größeren Führungsrolle“. Quelle: http://ciperchile.cl/2015/01/22/el-desconocido-perfil-sicologico-de-oreilly-rasgos-narcisistas-sexualidad-infantil-y-busqueda-de-poder/

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“Menschen sind wie Objekte. Man kann sie vernichten”: Philosophisches zum Internationalen Tag der Indigenen Völker“

Menschen sind wie Objekte. Man kann sie vernichten: Philosophisches zum Internationalen Tag der Indigenen Völker“

Von Christian Modehn

Philosophisches Denken, wenn es lebendig ist, bezieht sich auf die Gegenwart. Und heute werden Menschen wie Objekte behandelt, die man irgendwo hinbestellen kann, verwalten kann, entlassen kann, fertigmachen kann usw. Diese Verdinglichung der Menschen durch das System der Herrschaft ist philosophisch oft, leider noch zu selten, analysiert und diskutiert worden.

Am „Welttag der Indigenen Völker“ am 9. August gibt es einmal mehr eine Chance, kritisch philosophisch nachzudenken. Denn indigene Völker sind in der Sicht der Herrschenden, also der Mehrheit, die quantité négligeable, sind die Restbestände wilder Wesen, wilder Menschen aus angeblichen Vorzeiten, die „man“ ignorieren kann.

Das wird besonders deutlich im Umgang der Herrschenden, und das sind nicht immer nur Politiker, sondern vor allem die gierigen Internationalen Konzerne, in Brasilien. Und sicher in vielen anderen lateinamerikanischen Staaten. Wer heute nach Rio blickt, zur Olympiade inmitten des Elends der Slums bei selbstverständlich gewordener Korruption, der sollte immer die Indigenas in den Wäldern rund um den Amazonas mit-bedenken und für sie eintreten. „Diese Völker sind nur noch ein Hindernis für die Modernisierung des Landes“, sagt der katholische Bischof Roque Paloschi. Er kümmert sich intensiv um die Menschenrechte der Indianer, in einer sicher verdienstvollen katholischen Organisation, die aber immer noch den Titel „Indianermissionsrat“ (CIMI) hat. Denkt man in diesen katholischen Kreisen nicht mit Grauen an die Mission, die im Zusammenhang der Kolonisierung und Auslöschung so vieler Millionen „Indianer“ seit 1492 betrieben wurde? Warum noch diese Sprache? Soll die Kirche doch sagen: Wir wollen keine Mission für diese indigenen Völker. Wir wollen mit ihnen solidarisch sein und sie unterstützen in eigenen Projekten…. aber das nur am religionskritischen „Rande“…

Die Rechte der Indigenas, ihr Lebensraum, ihre Kultur, das zählt nichts für den so genannten Fortschritt, den die Regierungen als ausführende Organe der internationalen Industrien betreiben. Dieser Fortschritt vernichtet die Natur, vernichtet die Menschheit, das ist tausendfach geschrieben worden, aber von den maßgeblichen Bürokratien nicht wahrgenommen worden.. Man lese die Hinweise auf den wichtigen Film von Martin Kessler über das Staudammprojekt Belo Monte! Die Ureinwohner am Amazonas, die eigentlichen Landeigentümer seit Jahrhunderten, werden einfach so mit einem bürokratischen Akt enteignet, vertrieben, angeblich „entschädigt“. Denn sie stehen der Ausbeutung der Rohstoffvorkommen im Wege. Von dem Profit bekommen die Indigenas selbstverständlich nichts ab, denn meist überleben sie nicht den rabiaten Zugriff auf ihr Land, ihre Wälder, ihre Tiere, ihr Wasser. Das Morden geht weiter, das Morden der Weißen, das Morden der Internationalen Firmen. Diese Institutionen, und die von ihnen bestens bezahlten Manager, haben keinen Sinn für den Menschen, den anderen, den Schwachen, den Kleinen, den Fremden, den Indianer oder den Schwarzen. Der Kleine als der andere gilt ihnen nichts. Die Geschichten zur Gentrifizierung in europäischen Großstädten erzählen auch vom Umgang mit „den anderen“. Eine weltweite Geschichte…”Menschen sind wie Objekte, man kann sie vernichten”, sagt so direkt niemand von den Herrschenden. Aber viele denken so und handeln so.

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