Volkskirchen werden Minderheiten: Der religiöse und kulturelle Umbruch in Deutschland und Europa.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 25. November 2023.

EIN VORWORT:
Dieser Hinweis bezieht sich auf die aktuelle Situation der Kirchen in Deutschland und Europa im November 2023. Diese Kirchen befinden sich, soziologisch gesehen, zweifelsfrei im Niedergang, sie sind – statistisch – am Verschwinden.
Dabei steht hier der Katholizismus im Mittelpunkt der Beobachtung und Kritik. Warum? Den Katholizismus kenne ich seit meinem Theologie – Studium am besten.
Es ist offensichtlich: Religionen (waren und) sind gefährlich für eine humane, demokratische Entwicklung der Menschheit auch heute, weil sich Religionen und Kirchen oft fundamentalistisch abkapseln. Aber es sind immer fundamentalistisch verblendete MENSCHEN, fromme Leute und ihre Gemeinden, die wegen ihrer Propaganda, ihrer Ideologie, gefährlich werden, weil sie sehr oft dazu neigen, politisch radikalen Ideologen zu folgen… wegen mangelhaftem kritischen Reflexions-Vermögen. Sie folgen also verwirrten, destruktiven Politikern, die eine Bedrohung der Menschheit sind, ich nenne nur Trump, den angeblich Evangelikalen, und Putin, den angeblich Russisch-Orthodoxen, oder den von Evangelikalen unterstützten Evangelikalen Bolsonaro, Brasilien, von Polens ultra – katholischen PIS – Politikern müsste gesprochen werden usw. Vom fundamentalistischem Wahn unter Muslims und jüdischen Gruppen sprechen viele Religionswissenschaftler…
Hier aber geht es darum: Was bedeutet der Niedergang des Katholizismus (und des Protestantismus) in Deutschland und Europa? Und es geht auch um eine bisher eher verdrängte, weil provozierende Frage: Kann dieser Niedergang der Kirchen in Europa so weit reichen, dass diese Kirchen nicht nur schrumpfen, sondern verschwinden und – beinahe ? – sterben?

Am 27.11.2023 verfasst: Vieles spricht dafür, dass das Ende dieser vom Klerus beherrschten Kirche mindestens in Deutschland und West/ Südeuropa naht. Die Sturheit der katholischen Klerus-Herrscher ist maßlos, also doch wohl unerträglich für den verbliebenen katholischen Rest. Siehe dazu den Kommentar des katholischen Theologen und Psychologen Wunibald Müller zu einer jüngsten Reform-Verbots Stellungnahme aus dem Vatikan., durch Kardinal Parolin, einem der ganz Wichtigen im Vatikan und der ganzen Kirche.   LINK:

Am 1.12. 2023 ließen die Herren der Kirche im Vatikan verlauten: Am Zölibatsgesetz für Priester wird nicht gerüttelt. LINK.  Das Motto der Herren Kleriker: “Wer es (das Zölibatsgesetz) fassen kann, der fasse es”, angeblich ein Zitat aus dem Munde Jesu. Ein Freund von mir sagte: Wer sie (die römische Klerus-Kirche) fassen kann, der fasse sie, bitte schnell”…

 

1.
Eine grundlegende soziologische Untersuchung zur Mitgliedschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Katholischen Kirche in Deutschland wurde im November 2023 publiziert.  LINK

2.
Die Ergebnisse dieser Studie sind auch religionsphilosophisch und damit von allgemeinem kulturellen Interesse. Denn sie zeigen die Bedeutung des kirchlichen Glaubens in der Gegenwart Deutschlands und erlauben eine gesicherte Prognose für die kommenden Jahre. Auch für Westeuropa heißt die Prognose etwa für die katholische Kirche: Sie wird, wenn sie so weitermacht wie seit 1.700 Jahren als klerikale Institution, langsam verschwinden, mindestens auf den Status einer Sekte schrumpfen.

3. Einige Fakten der Studie „Wie hältst du es mit der Kirche?“ 
Auf knapp 100 Seiten wird untersucht, wie eng die Bindung an die beiden christlichen Kirchen in Deutschland noch ist. Für diese Studie wurden rund 5.000 Personen intensiv befragt. Das Ergebnis: 25 Prozent nennen sich Mitglieder der katholischen Kirche, 23 Prozent Mitglieder der evangelischen Kirche. Noch einmal: Weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland sind noch Mitglieder der beiden Kirchen, einst „Volks“ – Kirchen“ genannt. Die Bereitschaft der Mitglieder der Kirchen, bald aus ihrer Kirche auszutreten, ist beachtlich: 75 Prozent der Katholiken und 67 Prozent der Evangelischen schließen einen Kirchenaustritt nicht aus…Selbst unter den Kirchenmitgliedern verstehen sich nur noch 4 Prozent der Katholiken beziehungsweise 6 Prozent der Evangelischen als gläubig und kirchennah. Das ist eine Sensation: Nur 9 Prozent der Befragten erklären, sie hätten Vertrauen in die katholische Kirche, bei der evangelischen Kirche waren es immerhin 24 Prozent. Die Hochschätzung der Kirchen (also das globale Vertrauen in diese Institution) ist extrem bescheiden, im Fall der katholischen Kirchen sogar minimal, nur dem Islam vertrauen noch weniger Menschen in Deutschland… 43 Prozent nennen sich konfessionslos. Die übrigen gehören anderen Religionen, wie dem Islam oder den jüdischen Gemeinden an.
Für 56 Prozent der Bevölkerung spielt Religion (offenbar ist gemeint: in der sichtbaren, institutionellen Form) keine Rolle. Nur 13 Prozent haben eine „kirchlich-religiöse Einstellung“.

4.
Unter den „Noch-Mitgliedern“ der katholischen Kirche werden fast zu 100 Prozent dringend radikale Kirchen – Reformen gewünscht, wie etwa die Aufhebung des Zölibatsgesetzes, die Einrichtung synodaler Strukturen, mehr Gleichberechtigung für die Frauen auch in kirchlichen Ämtern, die üblichen Forderungen also, seit ca. 60 Jahren permanent und in denselben Worten von den Laien und einigen Priestern vorgebracht, ergebnislos seit all diesen Jahren. Und man wundert sich, woher immer noch einige Katholiken (oft sind es hauptamtliche, gut bezahlte Kirchen – Angestellte) die Kraft nehmen, wie Sisyphus, seit Jahrzehnten immer die gleichen Themen zu debattieren, um Reformen die Herren der Kirche zu „erbitten“. ,
Erhellend die Erfahrungen und Einsichten eines katholischen Pfarrers einer Kölner Gemeinde (siehe Fußnote 2. )

5. Volkskirchen werden Minderheiten
Die Erkenntnisse sind für die Kirchen selbst insgesamt niederschmetternd. Die Studie weist die „Volks“ – Kirchen in die Position von Minderheiten. Das hat Konsequenzen auch für das soziale und kulturelle Leben: Kirchengemeinden, die auch Orte von Gemeinschaft und Nachbarschaft waren, werden zwar nicht verschwinden, aber in der geringen Anzahl kaum noch relevant sein. Gerade in diesem Moment, am 26.11.2023, wird die um 1960 errichtete Kirche ST. Albertus Magnus in Berlin – Halensee geschlossen und die dort, in Wilmersdorf, rund um den Kurfürsten Damm, lebende Gemeinde hat nicht nur keine Kirche mehr, sondern auch keinen Gemeindetreffpunkt. (Weiteres: FUßNOTE 1.)
Kirchengebäude und Gemeindehäuser werden immer weiter aufgegeben, verkauft, abgerissen. Weil es keine Kleriker gibt… Dass Laien die Gemeinden leiten könnten, diese richtige theologische Idee wird nicht realisiert. Es ist die totale Klerus-Herrschaft…Kirchengebäude verschwinden aus dem Stadtbild, manche Leute werden sich noch wehmütig an Glockengeläut erinnern… Klöster werden seit Jahren schon aufgegeben und für teures Geld verkauft wegen „Nachwuchsmangel“, mit dem Geld werden die kranken und sterbenden Mönche und Nonnen versorgt. Theologisch gebildete Gemeindeleiter, also PfarrerInnen, die eigentlich auch SeelsorgerInnen sein sollten, werden noch seltener als bisher anzutreffen sein. Das Durchschnittsalter des katholischen Klerus in Deutschland und aus Deutschland ist sicher bekannt, die Pfarrer, Patres usw… sind mehrheitlich schon über 65 Jahre alt.

6. Ein kultureller Bruch
Die Studie markiert einen tiefen kulturellen Bruch. Es gilt Abschied zu nehmen von der üblichen Vorstellung, Deutschland sei kirchlich geprägt. Ob es auf neue Art christlich geprägt bleibt, ist die Frage! Wie stark in naher Zukunft noch Traditionen der Bibel angesprochen und reflektiert werden, ist ebenso fraglich. Wie viele theologische Fakultäten an den Universitäten es in Zukunft – angesichts des Mangels an Studenten und auch an qualifizierten Professoren – noch geben wird, ist offen. Katholische Theologie an den Universitäten war ohnehin durch ihre Abhängigkeit von Bischöfen und Papst keine umfassend freie Wissenschaft. Die gut ausgestatteten kirchlichen Akademien werden in dieser Vielzahl kaum nicht finanzierbar sein. In den letzten Jahren fanden sie ohnehin nicht sehr viel öffentliche Beachtung, weil sie, wie etwa die Katholische Akademie Berlin, kaum aktuelle, die Berliner Bevölkerung bewegende Fragen debattierten. Die alte Macht der Kirchen, auch ihr politischer und öffentlicher Einfluß, wird weiter schrumpfen. Wie lange werden noch kirchliche Theologen in Ethikkommissionen vertreten sein? Und es wird die Frage diskutiert: Ist denn die Ethik der Monotheisten (also der Juden, Christen, Muslims) faktisch so großartig, so friedfertig, Frieden tatsächlich stiftend, wie nachweislich hat sie eigentlich die häßlichen Ausmaße des Neokapitalismus wirksam begrenzt? Man untersuche doch bitte empirisch und detailliert, wie viele Kirchenthemen noch in den großen Nachrichtensendungen von ARD und ZDF überhaupt noch ausführlich vorgestellt werden, verglichen etwa mit der noch sehr umfassenden Kirchen – Berichterstattung vor etwa 20 Jahren. Diese Themen, so vermuten die Redaktionen, interessieren nur noch Minderheiten. Dabei ist der Niedergang der Kirchen tatsächlich ein großes, allgemein interessierendes Thema zu einem gesellschaftlichen Wandel.

7. Abschied von den alten Dogmen
Am wichtigsten ist für uns ein Hinweis dieser Studie, er betrifft die starke Ablehnung der kirchlichen Dogmen bzw. vorgegebenen Glaubenslehren selbst unter Mitgliedern der Kirche. Was den Glauben an Gott angeht: Da sagen nur 19 Prozent, „dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gibt.“ 29 Prozent sagen, „dass es ein höheres Wesen oder eine geistige Macht gibt“. 33 Prozent meinen, „dass es keinen Gott gibt und auch kein höheres Wesen“, 20 Prozent „wissen nicht so richtig, was sie glauben sollen“.

8. Die vielen Dogmen haben Christen aus den Kirchen getrieben
Das ist ein Thema, das leider in den Debatten über den Niedergang der Kirchen kaum debattiert wird: Die Fülle der Dogmen, die heute von beiden Kirchen noch gelehrt und oft auch auch in Predigten verbreitet werden, ist auch für viele Christen in Deutschland nicht mehr akzeptabel. Diese Dogmen/Lehren/Vorschriften erhellen das aktuelle Leben nicht, sie deuten das Leben in dieser verrückten Welt mit so vielen Katastrophen nicht in nachvollziehbarer Sprache … diese Lehren und Dogmen sind heute so etwas wie ideologischer Ballast. Übergestülpt, eingepaukt oder daher- geredet, in Kirchenliedern noch besungen, zumal in der Weihnachtszeit, als romantische Regression in Kindheitszeiten. Was ist Ideologie in der so genannten Glaubenslehre? Das gilt etwa für die Erbsündenlehre (LINK) und damit eng zusammenhängend die Lehre von der Erlösung, in dem Sinne: Dass der Gottessohn, Jesus, vom „Gott-Vater“ aus dem Himmel gesandt, sich aufopfert und hinrichten lässt, um die Menschen von dieser Erbsünde zu befreien. Um daran Anteil zu haben, müssen alle Menschen getauft werden, also kirchliche Christen werden. Man denke daran, dass etwa am Karfreitag immer noch in den evangelischen Gottesdiensten das Lied „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld der Welt und ihrer Kinder“ gesungen wird; mit Lämmlein ist der sich hinschlachtende Jesus gemeint. Dass Jesus aus politisch -religiösen Gründen sterben musste, wird nicht gesagt…(vgl. Evangelisches Kirchengesangbuch Nr. 83.)… Ostern ist für uns das Fest des „Ewigen im Menschen“.  LINK
Unser Vorschlag: Wenn man Jesus von Nazareth in Verbindung mit Erlösung bringen will: Dann etwa: Jesus von Nazareth ist in mancher Hinsicht ein Vorbild, ein Weisheit – Lehrer mit Anregungen für eine humane, solidarische Lebenspraxis. Die dann befreiend von Zwängen, also „erlösend“ sein kann.
Und wenn man vom Bösen sprechen will, um das Böse dreht sich ja die „Erbsünden – Ideologie, dann vielleicht so: Das Böse entsteht durch die freie oder auch zwanghafte, seelisch kranke Tat der Menschen. Wer das Böse bekämpfen will, etwa die sinnlosen Kriege und das auch von Religionen unterstützte Morden und Töten: Dann nur: Indem diese religiösen Menschen so human gebildet werden, dass Friedfertigkeit identisch mit humanem Menschsein wird.
Von absonderlichen katholischen Lehren, wie dem Dogma von der Unfehlbarkeit de Papstes, der Höherstellung des Klerus gegenüber Laien, der erstarrt wirkenden Liturgie, der verstaubten Sprache in diesen Liturgien, von der immer noch päpstlichen Lehre „Homosexualität ist Sünde“, „Abtreibung ist Sünde“ und so weiter soll hier gar nicht weiter gesprochen werden. Zu diesen Themen ist eigentlich alles Vernünftige und Nachvollziehbare gesagt, aber nichts ändert sich, weil der Klerus seine Macht nicht abgeben will!
Der Jesuit und Schriftsteller Alfred Delp (1907 -1945) schrieb kurz vor seiner Hinrichtung als Widerstandskämpfer gegen die NAZIS: „Die Kirchen scheinen sich … durch die Art ihrer historisch gewordenen Daseinsweise selbst im Weg zu stehen“ (Quelle: Alfred Delp: „Im Angesicht des Todes“. )

9. Werden nun alle Atheisten?
Die genannte Studie kann zu grundlegenden, vielleicht sogar grundstürzenden Fragen führen, die eine Antwort finden müssen, wollen die Kirchen vermeiden, endgültig in einem kulturellen Getto zu landen, sozusagen in einer Nische von Fundamentalisten, denen selbst die absonderlichsten Dogmen und Morallehren noch normal und nachvollziehbar erscheinen.
Sind die vielen Menschen, die die Kirchen verlassen (haben), etwa Atheisten? Viele der Befragten verneinen das selbst. Wer ist eigentlich ein AtheistIN, gegen welchen Gott wehrt er/sie sich?
Religionsphilosophisch ist deutlich: Jeder Mensch schafft sich seinen Gott, seinen eigenen Gott. Oder verehrt einen namenlosen Gott der Mystik.
Und ist Transzendenz nur in den Religionen anzutreffen? Es gibt viele Formen der Transzendenzerfahrungen: Wir leben in einer neokapitalistischen Weltordnung, in der das grenzenlose Wachstum ein schädlicher Glaube ist an eine unendliche Transzendenz des Immer Mehr und des ständigen ökonomischen Wachsens. Der Glaube an einen verdinglichten Gott ist vielfältig: Sport, Fußball zumal, kann wie eine göttliche Autorität geliebt und verehrt werden; die Autos, immer noch, können je größer je besser absoluter Mittelpunkt des Lebens werden. Sex, Arbeit, alles kann zu einer Art göttlichem, also absoluten Mittelpunkt im Leben werden. Wie wird man diese negative Transzendenz als Bindung an einen verdinglichten Gott überwinden? Wie stark und prägend ist aber die positive Transzendenz? Musik und Kunst und Literatur wollen wir hier nur erwähnen. Auch das Gespräch, den Dialog, Die höchste Transzendenz wird in der Liebe erfahren, nicht nur im eros, auch in der diakonia…Hat der dogmatisch korrekt, „wahre“ Gott der Christen von einst diese Welt und ihre Menschen nachweislich friedlicher, reifer, vernünftiger, „erlöster“ gemacht? Die Bilanz „2000 Jahre etabliertes, meist klerikales oder dann auch fundamentalistisches Christentum“ fällt unseres Erachtens negativ aus.

10.
Es gibt, philosophisch gesehen, kein geistiges Leben der Menschen ohne die Beziehung zu Göttern und das Schaffen von Göttern und eben auch den Gedanken an den einen Gott. Die Menschen sind also „immer schon“ irgendwie über alles Weltliche hinaus…Und dann stellen sich dann die Fragen: Was sind die Kriterien wahrer, d.h. befreiender Transzendenz? Das sind keine religilsen, theologischen Kriterien, sondern philosophische, vor allem die Erklärung der Menschenrechte (von 1948). LINK

Siehe auch das Interview mit dem Theologen Wilhelm Gräb: LINK

11. Wenn die Kirchen sterben…
Die Frage muss gestellt werden: Zeigt sich in den letzten Jahren eine alt gewordene Kirche, schwach und krank und morsch und eher nur ein Gerüst oder fast schon ein Skelett und nur noch künstlich am Leben erhalten? Werden die Kirchen (in Deutschland, in Europa) sterben?
Wir beziehen uns hier „nur“ auf den römischen Katholizismus. Er hat zwar weltweit, so wird nicht ohne Stolz von offizieller Seite betont, eins Komma vier Milliarden Mitglieder. Aber diese Kirche ist trotz zahlreicher Basis-Initiativen, besonders in der Caritas, erstarrt: Diese Kirche hat überall die gleiche klerikale Struktur, es herrschen überall die gleichen klerikalen Machtverhältnisse. Fast alles, was kirchliches Leben bestimmt, wird letztlich im Vatikan entschieden. Überall wird die Messe in der gleichen Form gefeiert, überall gilt das römische Kirchenrecht, überall wird der römische Katechismus studiert und eingeschärft mit seinen 800 Seiten voller Belehrungen und moralischer Verurteilungen. Überall wachen päpstliche Nuntien, dass nur ja der wahre, der römische Glaube gelehrt und praktiziert wird und so weiter. Lebendigkeit, Kreativität, Freiheit: sieht anders aus!

12.
In Deutschland und in Europa ist die katholische Kirche seit Jahren schon aufgrund der stetig sinkenden Zahl ihrer aktiven Mitglieder und wegen des vergreisenden Personals, der Priestern, in einer tödlichen Krise. Noch wird oft so getan, die alte Welt der Volkskirchen bestehe weiter, die Milliarden der Kirchensteuer fließen ja noch. Noch… Diese Kirche wird künstlich am Leben erhalten durch den Einsatz von einigen tausend Priestern aus Indien, Afrika, den Philippinen, Indonesien in den sterbenden europäischen Kirchen. Werden sie etwas dort nicht gebraucht? Sie sind in Europa so eine Art „gut bezahlter Gastarbeiter“, die einen Teil ihres in Deutschland üppigen Gehaltes in die Heimat schicken (müssen). Auch viele Nonnen aus den genannten Ländern, sogar aus Korea, versuchen den katholischen Betrieb in Europa aufrecht zu halten.

13. Der Klerus zerstört die katholische Kirche
Die mögliche Todesursache der katholischen Kirche nicht nur in Europa ist der seit vielen Jahren bekannte sexuelle Missbrauch (an Kindern und Jugendlichen vor allem) durch katholische Priester … und die Kooperation vieler Bischöfe mit diesen Priestern. Tiefer kann eigentlich diese Institution nicht sinken, die die Priester immer als „Hochwürden“ oder gar als „Geistliche“, also außerhalb der bürgerlichen Welt lebend, betrachtete, Priester galten fast schon als heilige Personen.
Und dann die vielen Katastrophen und Skandale in fast allen so genannten neuen geistlichen Gemeinschaften, es geht auch dort um den sexuellen Missbrauch durch hoch und heilig verehrte Gründergestalten mit ihrer oft sektiererisch oder spinös wirkenden Spiritualität . Alle diese neuen, angeblich geistvollen „charismatischen“ Gruppen wurden von den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. als „Sturmtrupps“ der „neuen Evangelisierung Europas“ betrachtet… Und dann das Desaster. In Frankreich hat der Bischof von Fréjus – Toulon (Dominique Rey von der Charismatischen Gemeinschaft Emmanuel) zahlreiche seltsam – spinös erscheinende Charismatiker – Priester – Gemeinschaften in sein Bistum geholt, die nachdenklichen Katholiken dadurch vertrieben…LINK   Jetzt sind die Zustände in diesem „Charismatiker – Bistum“ so verheerend, dass Rom jetzt eingreifen muss und Bischof Rey endlich aufs Abstellgleis setzt…

14.
Wer ist schuld am langsamen Sterben der katholischen Kirche?
Das langsame, aber systematische Sterben der katholischen Kirche in Europa ist sozusagen „hausgemacht“, es sind nicht die „bösen Atheisten“, die dieser Kirche das Ende bereiten, es ist die Kirche selbst aufgrund ihrer inneren Verfassung, die sich aufs Sterbebett gelegt hat und nur noch Leute um sich sammelt, die der sterbende Kirche einreden: Alles nicht so schlimm, diese Kirche besteht schon weiter. Der liebe Gott hat doch persönlich diese Kirche gewollt.
Nur ein Beispiel aus Polen: Der Jesuit und Therapeut Jazek Prusak äußert sich über den aktuellen Zustand der Katholischen Kirche in Polen, also dem Land, das immer als absolut treu – katholisch galt und das sich wegen des Polen Johannes Paul II. einredete, etwas ganz Besonderes zu sein. Dabei ist die Dummheit, auch die materielle Gier vieler polnischer Bischöfe längst bekannt und in den Medien präsent. LINK. Der genannte Jesuiten -Pater Prusak gibt also zu der Aussage des Journalisten: „Manche Publizisten und auch Politiker sagen, dass jetzt ein frontaler Angriff auf die Kirche stattfindet“ diese Antwort: „Das ist eine Verteidigungsreaktion. Das sagen diejenigen, die es nicht zu echten Reformen in der Kirche kommen lassen wollen. Was ist das für ein Angriff auf die Kirche, wenn wir uns in der Kirche mit den Opfern der Kirche befassen? Wir haben es mit der größten Krise in der Katholischen Kirche seit der Reformation zu tun, eine Krise, die wir auf eigenen Wunsch geschaffen haben. Es sind doch keine Außerirdischen, die Kinder in der Kirche missbrauchen, noch tragen ihnen dies die Feinde der Kirche auf! (Quelle: https://www.laender-analysen.de/polen-analysen/239/das-gericht-kommt-anna-goc-und-artur-sporniak-im-gespraech-mit-dem-priester-und-psychotherapeuten-jacek-prusak-sj/

15.
Diese Kirche klerikaler Herrschaft (die sich bis heute offiziell lobt, nicht demokratisch zu sein!) zerstört sich selbst gerade durch ihre klerikale Herrschaft. Diese Kirche verschwindet langsam…Ist dieser Gedanke skandalös? Für Fundamentalisten vielleicht, für andere nicht. Die Kirche in Nordafrika ist etwa im 8. Jahrhundert verschwunden, durch die aggressive Mission des Islams. In manchen Regionen Frankreichs, wie in Guéret, Département Creuse, ist die Kirche de facto verschwunden, das gilt auch für Barcelona oder Amsterdam usw…

16. Eine Auferstehung des Glaubens?
Ist der Gedanke an eine sterbende Kirche in Europa so unangenehm, wenn man denn theologisch – spirituell an die Dialektik glaubt, dass aus dem Tod dieser Kirche wieder neues Leben einer einfachen, jesuanischen Kirche entsteht? Ist der Glaube an Tod und Auferstehung nur auf die einzelnen Menschen bezogen oder gilt er auch für Kirchen – Institutionen?

17.
Die Frage ist: Wird es ich Menschen geben, angesichts des Zusammenbruchs, des Verschwindenden der Kirche, die den einfachen Lebensweisungen Jesu von Nazareth persönlich folgen wollen, weil sie ihn als einen Lehrer der Weisheit schätzen lernen? Wo wird es Schulen der Spiritualität geben, in denen die Psalmen oder die Weisheitsbüchern und Prophetenbücher der Bibel studiert und meditiert werden oder auch die buddhistischen Weisheiten oder Aspekte der Philosophien usw. Werden die spirituell Interessierten die Kraft haben, selbst spirituelle Gesprächsgruppen einzurichten? Wird es gelingen, in einer neuen freien Spiritualität das Leben zu verstehen, Gesellschaft kritisch zu betrachten, Widerstandsreserven gegen Hass und Krieg aufzubauen?

18. Ein Hinweis auf Friedrich Nietzsches treffende Prognosen:
Friedrich Nietzsche erzählt in seiner „Fröhlichen Wissenschaft“ vom „tollen Mann“, der die Frage stellt: „Wohin ist Gott? Ich will es euch sagen: Wir haben ihn getötet, ihr und ich“. Dann heißt es weiter im 3. Buch der Fröhlichen Wissenschaft“, Nr. 125 am Ende: „Man erzählt noch, daß der tolle Mensch desselbigen Tages in verschiedene Kirchen eingedrungen sei und darin sein Requiem aeternam deo angestimmt habe. Hinausgeführt und zur Rede gesetzt, habe er immer nur dies entgegnet: »Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?«. Der tote Gott wird also nicht in den Kirchen(gebäuden) ausgestellt
Der niederländische Augustiner Robert Adolfs hat diesen Gedanken weitergeführt und vor vielen Jahren das Buch mit dem Titel geschrieben: „Wird die Kirche zum Grab Gottes ?“ Die Frage kann heute durchaus mit Ja beantwortet werden: Der Gott der Kleruskirche und der hierarchischen Herrschaft und des Fundamentalismus ist, in ein Grab gesperrt, tatsächlich gestorben. LINK

19.
Aber: Es könnte auch der göttlichen Gott, der Gott über diesem begrenzten Gott zu entdecken sein: Und der/die/Es ist das namenlose Geheimnis des Lebens, eine Art Schöpfer der Welt, Ursprung des Menschseins in seiner Freiheit und damit Ursprung der Transzendenz – Erfahrungen. Wer sich daran halten kann, hat schon viel gewonnen in seinem Leben. Er/sie ist religiös, ist christlich in einer großen geistigen Weite der Toleranz, er /sie spürt, erlebt und denkt einen tragenden Grund im Leben: Daraus kann Zuversicht „trotz allem“ entstehen, Hoffnung vielleicht und Kraft zum Widerstand gegen kriegerische, mörderische Situationen in der Welt.

20.
Eine einfache Religion, ein einfaches Christentum ohne Hierarchien und Klerus könnte entstehen, mitten im Leben des säkularen Alltags, das da nach dem Tod der altgewordenen Kirchen entsteht. Darf man in der Weise darüber nachdenken? Selbstverständlich. Leider tun das wenige, auch so wenige, die sich Theologen nennen. Dietrich Bonhoeffer hat darüber nachgedacht, wenige Wochen vor seiner Hinrichtung durch die deutschen Nazi – Verbrecher.

21. Menschenrechte als Grundlage der Kirchenlehre
Die klein und sehr klein werdenden Kirchen brauchen zu ihrem Neustart, einer Auferweckung post mortem, nicht nur die historisch – kritische Lektüre der Bibel. Sie brauchen die regelmäßige Lektüre und die daraus folgende Praxis der universal geltenden MENSCHENRECHTE in der Erklärung von 1948. Diese Menschenrechte sind alles andere als eurozentrisch, sie sind nicht neu – kolonialistisch. Sie entspringen dem richtigen Geist der philosophischen Aufklärung. Auch wenn die Menschenrechte von unfähigen Politikern so oft ignoriert und missbraucht wurden und werden: Sie haben in sich die Fähigkeit der weiteren Entwicklung zugunsten der Menschheit, sie sind der Basistext für eine Menschheit, die überleben will.

Die Kirchen sollten die Menschenrechte als Teil ihrer wertvollen Schriften achten und neben die üblich für heilig gehaltenen Mythen der Bibel stellen. Auch die Menschenrechte haben eine heilige Aura… Siehe dazu ein Interview mit dem protestantischen Theologen Prof. Wilhelm Gräb: LINK

Fußnote 1 zur Schließung der Berliner St. Albertus – Magnus – Kirche.
Die eher alten Gottesdienstteilnehmer müssen also rund 2 Kilometer zur nächsten katholischen Kirche laufen, fahren, humpeln, wie auch immer. Der Grund für die Schließung: Es gibt keine Priester, die die Messe in St. Alberts Magnus dort lesen können, bisher haben sehr alte pensionierte Priester noch „ausgeholfen“, aber sie haben keine Kraft mehr. Und es gibt kein Geld für eine Sanierung der Kirche. Nebenbei: Für die Renovierung der Hedwigskathedrale in Berlin -Mitte stehen 43 Millionen Euro bereit – auch staatliche Gelder! – sowie mehr als 20 Millionen Euro für den Neubau eines Kirchenzentrums “Lichtenberg-Haus” direkt neben der Kathedrale. (Quelle: Tagesspiegel 2.11.2023, Seite B 9).

Und auch dies: Im aktuellen Gemeindeblättchen der Groß – Gemeinde St. Ludwig wird die Schließung der Alberts Magnus Kirche mit keinem Wort erwähnt. Es wird nur vermerkt: Am 26.11. 2023 findet um 8.30 Uhreine Messe des Kaplans dort statt. Kein Kommentar. Dann ist Schluss, basta. So geht eine sterbende Klerus – Kirche mit den noch verbliebenen Mitgliedern um…Bürokratisch halt, wie allzu oft. (Quelle: https://www.pfarrei-deutschland.de/pfarrbrief/?pariCode=HGNHUEJQ)

Fußnote  2. Zur aktuellen Erfahrung der Kölner katholischen Gemeinde St. Peter:
Der Ausgangspunkt: Mit 522.821 Katholiken, die 2022 aus der Kirche austraten, wurde der bisherige Rekordwert aus dem Jahr 2021 deutlich überschritten.
„Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: 2022 haben mehr als 20.000Kölner*innen ihre Kirchenmitgliedschaft gekündigt, in NRW eine Steigerung der Austritte um 44 %. Das einst ‚Hillje Kölle‘ und das Katholische Rheinland sind definitiv Geschichte. In der BRD sind erstmals weniger als 50% der Gesamtbevölkerung Mitglied einer Kirche. Menschen ziehen einen Schlussstrich und wollen sich nicht mit einer Kirche identifizieren, der man nicht vertrauen kann. Ist es die Botschaft oder der Apparat? 2022 haben 90 Menschen aus Sankt Peter die Kirche verlassen: 30 Personen, die im Pfarrgebiet wohnen, und 60 Personen, die in unserer Kirche getauft wurden. Neun Taufen stehen im vergangenen Jahr neun Bestattungen gegenüber. Sicher ist es ein Zeichen der Ermutigung, wenn 2022 in Sankt Peter 40 Kinder und Jugendliche durch Taufe, Kommunion und Firmung Schritte der Eingliederung in die Kirche gegangen sind. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Sozialgestalt dieser Kirche stirbt, und zwar rasant. Trotz der zurzeit wachsenden Zahl der Gottesdienstbesucher*innen in Sankt Peter hat auch unsere Gemeinde wertvolle Frauen und Männer verloren. Sie gehen uns ab, sie fehlen. Wer sich als unter 60 Jährige*r in einen Gottesdienst verläuft, ist Minderheit. Einerseits sind diese nüchternen Fakten nur Statistik, die die vielfältige und vitale Lebenswirklichkeit unserer Kunst , Gottesdienst und Musikgemeinde nicht wirklich abbildet. Andererseits können diese Daten nicht darüber hinwegtäuschen, dass etwas im Argen liegt und schief läuft. Schuld an der Misere ist jedenfalls nicht bloß der bischöflich beklagte Glaubensverlust oder der Trend der Säkularisierung. Nein, in der Kirche herrschen handgreifliche Missstände. Das berührt auch den inneren Lebensnerv unserer Gemeinde und mich als Seelsorger…“
Quelle: SANKT PETER KÖLN Kirche der Jesuiten __ Kunst-Station __ Rubens-Kirche. Gemeindebrief Nr. 1/2023 _____ 5.2.2023, ein Auszug eines Beitrags von P. Stephan Kessler SJ.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin, www.religionsphilosophischer-salon.de

 

 

 

Katholiken sind niemals Freimaurer! Ein Verbot des „progressiven” Papstes Franziskus!

Neue päpstliche Attacken gegen die Freunde des Humanismus und der Toleranz.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 15.11.2023

Die oberste katholische Glaubensbehörde schlägt wieder zu: Am 15.11.2023 veröffentlicht der neue Chef der einstigen Inquisition, der Freund des Papstes und auch er ein Argentinier, also der frisch ernannte Kardinal Victor Fernandez, eine Erklärung: „Katholiken dürfen nicht Mitglieder der Freimaurer – Logen sein. Sind sie Mitglieder, werden sie vom Empfang der Kommunion ausgeschlossen, katholische Freimaurer befinden sich in einem Zustand schwerer Sünde“ (Zum Vatikan-Text: Siehe unten Fußnote 1)

Die Welt heute hat eigentlich sehr viel dringendere Probleme, als sich mit dieser neuen päpstlich abgesegneten Verbots-Erklärung zu befassen.
Aber sie verdient, doch Beachtung selbst bei Menschen, denen eigentlich der Katholizismus ziemlich egal geworden ist. Man sollte also wissen:

1.
Der Kampf der katholischen Kirche gegen die Freimaurer im allgemeinen dauert schon seit Jahrhunderten. Es sind vor allem die katholischen Traditionalisten und Reaktionär-Katholiken aus dem Gefolge von Erzbischof Marcel Lefèbvre, die im 20.Jahrhundert zu den erklärten Feinden der Freimauer und ihrer Logen gehören. Man vergesse nicht: Der große Durchbruch der liberalen Freiheiten, etwa zu Beginn der Französischen Revolution, war auch Leistung von Freimaurern. Und wer Mozarts Musik schätzt, der liebt die Musik eines Freimaurers. Also: Bitte keine Mozart Messen mehr in katholischen Kirchen! (Siehe Fußnote 2 zur Geschichte von Katholizismus und Freimaurer)

2.
Bescheidene Versuche einer Annäherung an die Freimaurer auch von offizieller katholischer Seite im späten 20. Jahrhundert, durch so genannte Dialog-Konferenzen, werden seit etlichen Jahren von Rom ausgebremst. Kardinal Gianfranco Ravasi hatte sich freundlicherweise darum bemüht (Quelle: https://katholisches.info/2016/02/16/kardinal-ravasi-an-die-logen-liebe-brueder-freimaurer/), früher auch Kardinal König von Wien.

3.
Tatsache ist, dass zum Beispiel in Spanien viele Katholiken auch Priester, Mitglieder der Freimaurer – Logen sind. Bekannt ist auch, dass ohne Probleme protestantische Theologen und Pfarrer Mitglieder der Logen sind. (Quelle zu Spanien: Die wichtige Zeitschrift VIDA NUEVA: https://www.vidanuevadigital.com/2023/11/15/el-ultimo-acercamiento-a-la-masoneria-fue-con-el-cardenal-ravasi-que-en-2016-la-llamo-a-un-dialogo-sincero-con-la-iglesia/)

4.
Die Freimaurer Logen verstehen sich trotz aller Pluralität der unterschiedlichen Logen als Orte des Dialogs ideologisch verschiedener Männer und auch Frauen (auch sie sind in Logen) im Respekt vor dieser Pluralität. Logen wollen ihre Mitglieder ermuntern, im individuellen Leben das Beste für die Menschen zu tun … im Sinne der universal geltenden Menschenrechte. Deswegen waren Logen nicht nur im Katholizismus, sondern auch in faschistischen und kommunistischen Diktaturen verboten.

5.
Warum also das erneute Verbot aus Rom? Das ist entscheidend:
Weil den dortigen Theologen vor allem die Philosophie der Freimaurer höchst unangenehm ist: Es wird in vielen dieser Logen vorgeschlagen, an ein „höchstes Wesen“ zu glauben, das wichtiger und größer ist als der Gott jeder einzelnen Konfession und Religion. Sozusagen geht es zuerst um den allgemeinem Gott der einen Menschheit, vor allem dieses höchste Wesen soll respektiert und verehrt werden. Die klassische Theologie kann sich mit diesen Gedanken nicht anfreunden: Da wird die Trinität nicht beachtet, heißt der römische Vorwurf, da wird Jesus Christus nicht als Gottessohn verehrt? Aber gibt es nicht auch Größeres und Höheres als diese Dogmen? Der Gedanken fällt Rom schwer!
Die immer aktuelle Position der Philosophen der Aufklärung steht also zur Debatte. Und ohne diese Philosophie, die alle, aber auch alle Positionen und Konfessionen relativiert, selbst die vatikanisch-klerikale Hierarchie, wird es keinen Beitrag für einen Weltfrieden geben. Das sah Kant auch schon in seiner Lehre von der „unsichtbaren Kirche“.
Das also ist die richtige Überzeugung der meisten Freimaurer: Jeder und jede kann seiner humanen Ideologie, religiösen Konfession etc. verbunden bleiben, aber jeder und jede muss wissen: Es gibt etwas viel Größeres Absolutes als meinen mir wichtigen Glauben. Nur so kann der tödliche Fundamentalismus überwunden werden.

6.
Dass Freimaurer in der romanischen Welt, Lateinamerikas vor allem, eine wichtige Rolle spielten im Kampf der Unabhängigkeit ist bekannt. Die Privilegien des Klerus standen dabei zur Debatte.
Das historische Thema der Freimaurer, der Anti-Klerikalismus, ist etwas, das Romjetzt noch empört. Dabei spricht doch Papst Franziskus so oft in letzter Zeit selbst gegen (!!) die Macht des Klerikalismus…

7
Die jüngste Erklärung aus Rom gegen die Logen der Freimaurer ist also, auch theologisch gesehen, ein großer Schritt zurück, ein Schritt der den Reaktionären in der Kirche gefällt, also Konfessionellsten, den Fundamentalistischen, nicht aber den universell Denkenden.
Man muss ja kein Freund sein gegenüber einigen Üblichkeiten der Logen, etwa ihr Verschweigen darüber, wer Mitglied ist oder auch: was die Versammlungen im einzelnen bedeuten. Aber man muss immer wissen: Auch das katholische Opus Dei (70.000 Mitglieder weltweit, treffend als Geheimclub bezeichnet) schweigt sich aus, wer Mitglied in diesem geheim agierenden, politisch rechtslastigen Verein ist. Und auch die Katholiken aus der katholischen Neokatechumenalen Gemeinschaft haben Jahre lang ihre Samstag-Abend-Messen, stundenlang, hinter verschlossenen Türen gefeiert. Sie brauchten halt auch ihren eigenen., geschlossenen Raum… Und ist der Vatikan insgesamt, auch was seine Finanzaktionen tatsächlcih auch im Blick auf die kirchlichen Immobobilien in Rom angeht, nicht auch ein Geheimclub?

8.
Ich möchte gern diese Herren von der vatikanischen Glaubenskongregation fragen, was sie eigentlich von Lessings „Nathan der Weise“ denken. Eigentlich müssten sie, bei diesem ihrem Weltbild, diesen wunderbaren Text auf den sicher bald wieder zu veröffentlichenden „Index” setzen.

9.
Man stelle sich vor, die jetzt tötenden Israelis und muslimischen Palästinenser würden wahrnehmen und realisieren: Unsere jeweiligen Religionen sind ja ganz nett. Aber sie sind nicht das Höchste! Über unseren jeweiligen Religionen (wie auch der Christen!) gibt es sozusagen den einen „göttlichen Gott“ aller. Es gibt also keine herausragende, keine besondere Religion: Alle Konfessionen sind gleich viel wert oder auch unwert.
Das lehren die Freimaurer … und sie werden deswegen diskriminiert. Rom schießt gegen die Freimaurer, aber das tragen sie wohl voller Gelassenheit. Es gibt ja wohl Wichtigeres als Rom und den Vatikan mit seinen Verboten. Und das alles nachdem die Weltsynode so hübsch und nett und so liberal im Vatikan getagt hat…

Fußnote 1:

https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2023-11/vatikan-freimaurer-katholiken-glaubenslehre-klarstellung-verbot.html?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=NewsletterVN-DE

Fußnote 2:

Die schnelle Ausbreitung der Freimaurerei rief bald von Seiten der katholischen Kirche wie des Staats Kritik und zahlreiche Verbote hervor. So war die Maurerei in Neapel 1731, in Polen 1734, in Holland 1735, in Frankreich 1737, in Genf, in Hamburg, in Schweden und von Kaiser Karl VI. in den österreichischen Niederlanden 1738 sowie in Florenz 1739 untersagt. Am konsequentesten ging die spanische und portugiesische Inquisition gegen die Freimaurer vor.
Der 1738 gegen die Freimaurerei erlassene päpstliche Bannfluch In eminenti apostolatus specula (päpstliche Bulle) Clemens XII. forderte die staatlichen Mächte auf, die Freimaurerei zu verbieten. Kardinal Firrao ließ infolgedessen 1739 durch den Henker Freimaurerbücher öffentlich verbrennen, und im selben Jahr wurde der Dichter Tommaso Grudelli in Florenz der Inquisition als Häretiker denunziert und im Gefängnis gefoltert. Später kam er auf Betreiben des Großherzogs wieder frei, erlag mit 43 Jahren dennoch den Folgen der Haft.
Am 18. Mai 1751 bestätige Papst Benedikt XIV. die Bulle seines Vorgängers mit der Bulle Providas romanorum und unterstrich die Verurteilung der Freimaurerei, indem er allen Katholiken unter Androhung der Exkommunikation jeglichen Kontakt verbot, die ohne Erklärung erfolge und bis zum Tode ihre Gültigkeit behalte, woraufhin Karl III. (Spanien) im Königreich beider Sizilien die Freimaurerei verbot. Giacomo Casanova, der 1750 in den Bund der Freimaurer aufgenommen worden war, wurde am 27. Juli 1755 in Venedig wegen Freimaurerei verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, ohne dass ihm das Strafmaß mitgeteilt wurde. Aber schon am 1. November 1756 gelang ihm die Flucht aus den Bleikammern.[28] 1783 wurde der Marchese Vivaldi in Venedig wegen Freimaurerei verhaftet, im Gefängnis erdrosselt und seine Leiche öffentlich mit der Aufschrift ausgestellt: „so behandelt die Republik die Freimaurer“.
Auch Pius IX. erneuerte die Verurteilung der Freimaurerei mit Ecclesiam a Jesu Christo ebenso wie Leo XIII. in diversen Enzykliken. (siehe auch: Liste päpstlicher Rechtsakte und Verlautbarungen gegen die Freimaurerei und Geheimbünde)

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Kaiser Wilhelm II. und der Genozid in “Deutsch-Südwestafrika”.

Ein Hinweis von Christian Modehn zur Bedeutung Kaiser Wilhelm II. im Völkermord der Deutschen Kolonialherren in Afrika.

1.

Wir haben in zahlreichen Beiträgen auf dieser Website gefordert, LINK, dass die bekannte “Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche” in Berlin (KWG genannt) endlich einen anderen, ein würdigen Namen erhält. Die Kirchenleitung sollte sich also endlich trennen von der Bezeichnung eines so genannten “Gotteshauses” mit einem Rassisten und Kriegstreiber. Die Forderungen blieben erfolglos, es gab noch nicht einmal irgendeine Reaktion auf unsere e-mails an entsprechende kirchenleitende Büros… Es ist die Angst der Kirche vor den heutigen Hohenzollern, die sich da äußert?  Das wäre wahrlich skandalös. Die Kirche spricht heute manchmal sehr erregt über die Schande des Kolonialismus, der Sklaverei etc., sie hat aber nicht die Kraft, für sich selbst als Kirche daraus sichtbare Konsequenzen zu ziehen… Dann müßte man auch das unselige Kirche-Staat-Bündnis (der Kaiser, König, als oberster Kirchenchef) aufarbeiten…LINK

2.

Die Veränderung des Namens dieser Kirche am Breitscheid-Platz in Berlin ist unabhängig davon, dass dieses Gebäude eigentlich an Kaiser Wilhelm I. erinnern soll. Aber der Beschluss zu diesem Titel kam von Kaiser Wilhelm II. Und im übrigens ist Kaiser Wilhelm I. auch keine so hervorragende, so heiligmäßige Gestalt, dass nach ihm bis heute ein evangelisches Gotteshaus benannt werden darf.

3.

Manche LeserInnen haben uns gefragt, ob denn Kaiser Wilhlem II. wirklich so kriegstreiberisch, so rassistsich war. Ich will nun auf ein Intervies hinweisen zum Thema Kolonialismus und Kaiser Wilhelm II., das im Humboldt Forum im Juni 2023 stattfand. Da gibt es eigentlich keinen Raum mehr für Zweifel. Denn die Worte Kaiser Wilhelm II. sind bekanntlich Taten…

Der Spezialist für dieses Thema, der Historiker Prof. Jonas Kreienbaum (F.U. Berlin), sagte im Gespräch mit Alfred Hagemann (Humboldt-Forum) am 8. Juni 2023:

„Ich glaube, dass der Kaiser im sprachlichen Bereich am deutlichsten zu dem sich entwickelnden Genozid beiträgt. Er ist berühmt dafür, sehr martialisch aufzutreten – auch sprachlich – und das berühmteste Beispiel ist die sogenannte „Hunnenrede“.
Im Grunde fordert er die Soldaten auf: Macht keine Gefangenen! Bringt alle um, auf die ihr trefft, was zumindest an der Grenze zu einer genozidalen Aufforderung liegt.
Ich glaube, dass solche Aussagen bei kolonialen Militärs den Eindruck erweckt haben, an allerhöchster Stelle wird brutales, wenn nicht sogar genozidales Vorgehen toleriert, sogar gewünscht. Und ich glaube, genau auf dieser Ebene trägt der Kaiser dazu bei, einen diskursiven Rahmen zu schaffen, der diesen Völkermord denkbar und dann ausführbar werden lässt.
Zweitens kann man hinzufügen, dass der Kaiser auf einer symbolischen Ebene stark in den Völkermord involviert ist. Ich glaube, das wird nirgends so deutlich, wie wenn wir uns den „Vernichtungsbefehl“ Trothas anschauen. Der unterschreibt ihn nämlich, und das ist kein Zufall, mit der Formel „Der große General des mächtigen deutschen Kaisers“. Diese Vernichtungspolitik wird also im Namen des Kaisers durchgeführt und das ist ganz typisch für den kolonialen Kontext, wo das Deutsche Reich immer wieder in der Person des Kaisers symbolisiert wird.“

Quelle: LINK  

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin   LINK  

Franz Hengsbach, ehem. Bischof und Kardinal von Essen: Des sexuellen Missbrauchs angeklagt, ein Freund des Opus Dei und ein Feind der Befreiungstheologie…

Ein Hinweis von Christian Modehn am 20.9.2023 …. zu bis bisher ungenannten Aspekten des so genannten „Oberhirten“. Zu den zahlreichen Beiträgen über den sexuellen Missbrauch durch Bischof Hengsbach:  LINK.

Immerhin: Die (äußerst kitschige) Statue an der Essener Münsterkirche, die Kardinal Hengsbach als Kleriker in voller Montur darstellt, soll nun (Stand 24.9.2023) entfernt werden, an der Stelle soll ein Gedenkort an die Opfer sexueller Gewalt entstehen.    LINK

Ist diese Aktion ein Vorbild für andere Kirchen  (etwa in Berlin), die sich etwa nach Kaiser Wilhelm nennen, einem ungleich noch häßlicheren Verächter der Menschlichkeit, um es milde auszudrücken…

Man darf gespannt sein, wie das “Opus Dei”, diese katholische Geheimorganisation, auf den “Fall Hengsbach” und dessen nun offizielle kirchenamtliche Degradierung reagiert, war Hengsbach doch spätestens seit Beginn der 1970 Jahre wenn nicht sogar Mitglied, so doch engstens verbunden mit diesem so genannten “Werk Gottes”. Und gestaltete in dessen Sinne auch “Adveniat”. (Siehe Fußnote 2).

1.
Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie ist immer Religionskritik und Kirchenkritik. Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie also im Sinne der Philosophie der Aufklärung kann in aller Freiheit, im Unterschied zu katholisch gebundenen, von Angst vor „oben“ bestimmten Medien, umfassendere Informationen bieten. (Einige biographische Hinweise zu Franz Hengsbach und seiner steilen Karriere im Klerus siehe Fußnote 1)

2.
Umfassender als bisher müssen jetzt Fakten zum „Fall Erzbischof und Kardinal Franz Hengsbach“ genannt werden.

3.
Leider ist der Eintrag zu Bischof Franz Hengsbach in wikipedia sehr oberflächlich, es wird dessen umfassende Tätigkeit für das katholische Hilfswerk ADVENIAT zugunsten Lateinamerikas und sein Kampf gegen die lateinamerikanische Befreiungstheologie sowie seine explizite Freundschaft mit der katholischen Geheimorganisation OPUS DEI völlig verschwiegen LINK , gelesen am 20.9.2023 um 13.40 Uhr).

3.
Der Chefredakteur des katholischen „Dom Radio“ (Köln) Ingo Brüggenjürgen behauptet in seinem Kommentar vom 19.9.2023: „Hengsbach habe in zahlreichen Ämtern segensreich gewirkt – das ist unbestritten“. Und in “Christ und Welt” (Beilage “Die Zeit”) wird am 21.9.2023 sogar vom Chefredakteur von “Christ und Welt” behauptet, Bischof Hengsbach sei “links gewesen”. Als Opus-Dei Freund/Mitglied und Feind der Befreiungstheologie war er faktisch alles andere als links …. so werden in angesehenen Medien Unwahrheiten verbreitet…Und diese Falschmeldung noch nicht einmal korrigiert…

4.
Die Wahrheit ist: Hengsbach hat überhaupt nicht immer „segensreich“ gewirkt. Nicht nur der jetzt langsam von der Kirchenführung eingestandene Missbrauch des Bischofs Hengsbach (1953 wurde er Weihbischof in Paderborn, 1958 dann Bischof des neugegründeten Bistums Essen) ist alles andere als „segensreich“.

5.
Man denke an die Protektion Hengsbach für Missbrauchstäter im eigenen Umfeld: Etwa für den Prälaten Emil Stehle, er war von 1977 – 1988 als Geschäftsführer von ADVENIAT in Essen, ein sehr enger Vertrauter von Bischof Hengsbach. Wikipedia schreibt über Emil Stehle: „Stehle habe in mehreren Fällen durch Namenscodierungen, Tarnadressen und Unterhaltshilfen dafür gesorgt, dass wegen Sexualdelikten in Deutschland angeklagte Priester verdeckt in Lateinamerika bleiben konnten. Zudem habe Stehle selbst häufig vor allem jüngere, zum Teil noch minderjährige Mitarbeiterinnen sexuell bedrängt, oft unter Zuhilfenahme von Alkohol und im Schutz der selbstverständlichen Annahme, dass sein priesterlicher Stand und seine Position ihn ungestraft handeln lassen würden“  LINK,  gelesen am 20.9.2023 um 13.55 Uhr).

6.
Auch der Priester Peter Hullermann, des sexuellen Missbrauchs überführt, arbeitete bis 1980 als Priester im Bistum Essen, bevor in das von Joseph Ratzinger geleitete Erzbistum München übersiedelte und dort weiter seinen „Neigungen“ nachgehen durfte. LINK

7.
Erzbischof und Kardinal Hengsbach: Ein verlogener Typ also, ein klerikaler Karrierist. Das ist sehr unangenehm für die Kirche, in der Hengsbach alle Stufen der Kleriker- Karriere erfolgreich bewältigte und der als ein Intimus von Papst Johannes Paul II. galt. Und dieser hatte bekanntlich viel Sympathie und Zuneigung für klerikale Missbrauchstäter, man denke an die Hochschätzung des Papstes für den Gründer des Ordens Legionäre Christi, Pater Marcial Maciel. Diesen Verbrecher nannte der Papst öffentlich einen „Freund und Vorbild der Jugend“…

8.
Katholische Medienleute sollten sich die Mühe machen, und einige Seiten der Studie „Glaubenswächter“ von Peter Hertel lesen, das wichtige Buch ist im katholischen Verlag ECHTER in Würzburg im Jahr 2000 erschienen. Antiquarisch kann diese unersetzliche Dokumentation immer noch erworben werden…
Im Hengsbach – Bistum Essen fand 1968 ein Katholikentag statt, bei dem sich eine katholische Opposition gegen die Enzyklika „Humane Vitae“ laut stark bemerkbar machte und die katholische Einheit mit der CDU gestört wurde. Seit dem Katholikentag 1968 und einer dort sichtbaren linken katholischen Präsenz ist Hengsbach auf die Seite der konservativen und reaktionären Bischöfe gegangen, ein Schritt, der ihm große Karriere einbrachte.

9.
Als Chef des katholischen Lateinamerika Hilfswerkes ADVENIAT „blies Hengsbach 1972 im römischen Zentrum der Opus-Dei-Priester zum Kampf gegen die lateinamerikanische Theologie der Befreiung“ (Peter Hertel, S. 36).  „Der Oberhirte Hengsbach identifizierte Befreiung mit geistiger Emanzipation und attackierte dann beides. Diese Ideen seien gescheitert, da sie im Namen der Freiheit Böses taten… Marxistische und liberalistische Ideologen werden keine bessere Zukunft und keine wahre Befreiung des Menschen bringen“ (Peter Hertel S. 37). Diese Gleichsetzung von Marxismus und Liberalismus war eine zentrale politische Idee des polnischen Papstes, er verachtete beide, also auch die Demokratie…
Der Hengsbach Vortrag ist 1973, passend zur Opus – Dei – Connection, im Adamas Verlag des Opus Dei in Köln erschienen. Es waren die Jahre, in denen Hengsbach sehr eng mit dem Kölner Kardinal Joseph Höffner zusammenarbeitete (S. 38), auch hinsichtlich der Gründung der konservativen theologischen Fachzeitschrift COMMUNIO (später das Lieblingsblatt des Joseph Ratzinger. )

10.
Der Kampf gegen die Befreiungstheologie, angeführt durch Bischof Hengsbach, sammelte sich dann in dem, von ihm mit begründeten internationalen, extrem konservativen Studienkreises „Kirche und Befreiung“  im Jahr 1974. Von Bischof Franz Hengsbach ist das skandalöse Wort überliefert: „Die sogenannte Theologie der Befreiung führt ins Nichts. In ihrer Konsequenz liegt der Kommunismus…“ (KNA, 13.5.1977). Papst Johannes Paul II. glaubte an diese Einschätzung! ( Zum “Studienkreis Kirche und Befreiung”  und der führenden Rolle Bischof Hengsbachs dabei, siehe den Beitrag des kath. Theologen Norbert Greinacher “Wie es zum Konflikt um die Theologie der Befreiung kam”, in: „Konflikt um die Theologie der Befreiung“, Benziger Verlag 1985, Seite 51 – 61).

11.
Von diesem Hengsbach – Verein “Kirche und Befreiung” aus ergaben sich enge Verbindungen für den Essener Bischof mit hohen, ultra-reaktionären lateinamerikanischen Klerikern, wie etwa mit Erzbischof Alfonso Lopez Trujillo oder Bischof Dario Castrillon Hoyos. Kardinal Lopez Trujillo war einer der heftigsten Feinde gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen, er selbst war aber ständiger „Kunde“ von Strichern in Medellin wie später dann in Rom, das hat der Soziologe Frédéric Martel in seiner Studie„Sodom“ dokumentiert. Link

12.
Über den unerfreulichen Einfluss Hengsbach auf progressive katholische Kreise schreibt der progressive brasilianische Kardinal Aloisio Lorscheider in seinem Buch: „Lasst euer Licht leuchten“, erschienen in der edition ITP-Kompass, Münster: „Wir wussten, dass von Deutschland aus, vor allem von ADVENIAT, Druck gegen die Befreiungstheologie aufgebaut wurde. Das ging sogar so weit, dass der Erzbischof und spätere Kardinal Hengsbach aus Essen, dem Sitz von Adveniat, eine ganze Studienreihe mit diversen Büchern und Publikationen gegen die Befreiungstheologie organisierte. Einige Bischöfe Lateinamerikas standen auf seiner Seite. Es gab dann in Deutschland eine REGELRECHTE VERSCHWÖRUNGSWELLE, ausgehend von der Gruppe um Hengsbach. Sie verfügten über viel Geld…“

13.
Bischof Hengsbach, Chef des katholischen Hilfswerkes für die Armen in Lateinamerika, Adveniat genannt, empfing 1974 die Ehrendoktorwürde der Opus Dei-Universität von Pamplona, Spanien. UND: Vom Diktator Hugo Banzer in Bolivien (August 1971 – Juli 1978) erhielt Bischof Hengsbach im Mai 1977 in Bolivien eine sehr hohe staatliche Auszeichnung. Bekanntlich war der deutsche Naziverbrecher Klaus Barbie ein Mitarbeiter von Banzer in Bolivien. Wusste Bischof Hengsbach von diesen Verbindungen “Banzer und die Nazis”?

Quellenangabe: Im Mai 1977 wurde Bischof Franz Hengsbach in Bolivien von Banzer, dem Diktator Boliviens, der höchste Verdienstorden “Condor der Anden” verliehen, berichtet der katholische Theooge Norbert Greinacher in seinem Buch “Die Kirche der Armen”, Piper Verlag 1980, S. 158f. Über die Verfolgung kritischer Christen unter der Diktatur Hugo Banzers in Bolivien hat Enrique Dussel in seiner Studie “Die Geschichte der Kirche in Lateinamerika” etliche Beispiele genannt  (Mainz 1989, S. 390). “Landarbeiter und und Kleinbauern werden im Tal von Cochabamba am 25. Januar 1973 niedergemetzelt”, erstes prominentes Opfer der Repression wurde Pater Mauricio Lefevre, Profesor der Nationaluniversität , er wurde am 23.Oktober 1971 ermordet. Der päpstliche Nuntius in Bolivien Giovanni Gravelli zur Zeit der Banzer – Diktatur betonte: “Die Beziehungen zwischen Kirche und Staat sind herzlich”…

Wann wird eine umfassende Studie von unabhängigen Historikern über “Bischof Hengsbach und ADVENIAT” erscheinen?

14.
Kardinal Hengsbach ist wohl der erste Kardinal, der als Missbrauchstäter gelten könnte, wie einige Medien sicher treffend schreiben.Aber das ist die Sensation: Ein Opus – Dei – Freund als Missbrauchstäter – wie wird das Opus Dei reagieren, die Lieblingsorganisation von Hengsbach?

15.
Franz Hengsbach, Bischof, Erzbischof, Kardinal, sehr einflussreicher Bischof in Deutschland und auch in Lateinamerika, ein Mann, der über viel Geld verfügte (im Rahmen des Hilfswerkes Adveniat), Freund der Päpste und Mitglied der katholischen Studentenverbindungen, Autor einer theologischen Dissertation mit dem Titel: „Das Wesen der Verkündigung – Eine homiletische Untersuchung auf paulinischer Grundlage“…
Dieser hohe Kleriker führte nun, nachgewiesen, ein Doppelleben. Wem war es bekannt? Wer hat ihn gedeckt und geschützt? Und warum wohl wurde er so protegiert in der konservativen katholischen Kirchenführung?

Fußnote 1:

Franz Hengsbach war von 1958 bis 1991 Bischof von Essen, zuvor war er seit 1953 Weihbischof in Paderborn. Er wurde 1910 geboren, gestorben ist er 1991.
In Essen wurde er in manchen frommen Kreisen fast wie ein Heiliger verehrt. Es gibt eine Statue von ihm am Essener Dom, Straßen und Plätze und kirchliche Zentren wurden nach ihm benannt.
„Ihr werdet meine Zeugen sein“, ist das Motto – ein Wort Jesu von Nazareth – aus neutestamentlichen Text „Apostelgeschichte”, das sich Hengsbach als sein Motto als Kardinal wählte. Jetzt treten endlich Zeugen öffentlich auf, die ihn anklagen. Jesus kommt später noch … (himmlisch?). Es gibt auch Zeugen für das alles andere als befreiende Engagement Hengsbachs für Lateinamerika — als Chef von Adveniat.

Fußnote 2:

In dem Buch “Kirche und Befreiung” (Pattloch Verlag, 1975), bemüht sich Bischof Hengsbach durch allerlei Zitate aus Konzilsdokumenten nachzuweisen: “Wer meint, im Namen Christi sich darauf beschränken zu können, die äußeren (gemeint sind die politisch-sozialen, CM) Verhältnisse zu ändern, tut sicherlich zu wenig, ja er tut etwas Falsches” (S. 26). Gemeint sind von Hengsbach die Befreiungstheologen in Lateinamerika, die sich angeblich vor allem um soziale und politische Veränderungen kümmern und angeblich nicht die “Innerlichkeit”, also die “innere Erlösung durch Christus” an erste Stelle setzen. Dass diese befreiungstheologischen Katholiken in Lateinamerika sich von rechtsextremen katholischen Militärs in Lateinamerika foltern und erschießen liessen, im Namen ihrer “Innerlichkeit”, ihres tiefen Glaubens, übersieht der reaktionäre Bischof Hengsbach natürlich…Dass es “Christenverfolgung in Lateinamerika” durch rechtsradikale katholische Militärs gab, war Bischof Hengbach als Chef des Lateinamerika – Hilfswerkes ADVENIAT offenbar unbekannt? … Vielleicht haben die dummen ideologischen Reflexionen Hengsbach zur Befreiungstheologie dann in Lateinamerika auch zu Verfolgung und den Mord an Befreiungschristen motiviert…

Dieser Text Hengsbach ist ein Stück üblicher, ideologischer und klassischer Innerlichkeitstheologie, der Text endet, wie sollte man sich wundern, mit einem lobenden Hinweis auf das Opus Dei und dessen Gründer, “Msgr Josémaria Escrivá ” (S. 28). Hengsbach meint, dieser Geheimclub leiste “einen Dienst an der Welt” (S. 28). Bloß welchen Dienst, für wen und in wessen Auftrag?

Wird Adveniat jemals die Kraft finden, von selbst, durch eine unabhängige Historiker – Kommission geleitet, die Verbindung Hengsbach – Opus – Dei und Kampf gegen die Befreiungstheologie bzw. die Basisgemeinden zu dokumentieren?

Ergänzung am 7.9.2025:

Die Schriftstellerin Ursula Krechel erwähnt in ihrem neuen Roman “Sehr geehrte Frau Ministerin” (Klett – Cotta, 2025) auch ausführlich den Essener Bischof Franz Hengsbach, auf den Seiten 327 ff. Auch über Bischof Franz Hengsbach als Missbrauchstäter wird berichtet. Ursula Krechel schreibt: ” Tatzeit:1954 – 1976, Taten eines Wiederholungstäters. Die Glasglocke war zerbrochen. Dreck klebte darunter, der nicht mehr wegzukratzen war, fettiger Ruß, kohlschwarz. Plätze im Bistum, die nach Hengsbach benannt worden waren, mussten schleunigst umbenannt werden…” (S. 329 f.). Leider erwähnt Ursula Krechel nicht die Feindschaft Hengsbachs, Chef des Hilfswerkes ADVENIAT, gegen lateinamerikanische Befreiungstheologen…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

 

Die Welt-„Synode“ im Vatikan: Eine große Illusion… und Frustration!

Dieser Hinweis, verfasst von Christian Modehn, Berlin, Initiator des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin, wurde am 3. Oktober 2023 veröffentlicht.

Ein Hinweis von Christian Modehn vom 17.9.2023 zum gleichen Thema wird gekürzt unten zur Lektüre noch einmal angeboten.

Ein Foto der Klerus-Versammlung zur Eröffnung der “Synode”: LINK

Ein Motto von Thomas Piketty, Ökonom und Soziologe: “Jedes Regime neigt dazu, die Prinzipien, die ihm dienen, möglichst unreformierbar zu machen und jeden Versuch, sie in Frage zu stellen, als illegal zu brandmarken” (“Eine kurze Geschichte der Gleichheit”, München 2022, Seite 126).

1.
Über die „Katholische Weltsynode“ im Vatikan vom 4. bis 29. Oktober 2023 ist schon von kritischen Beobachtern alles gesagt: Die Synode gibt sich nur den Anschein einer demokratischen Veranstaltung, das meint doch der jetzt übliche Begriff von Synode. Presseleute und damit die Öffentlichkeit ist während der Debatten nicht zugelassen. Eine geheime Veranstaltung. Diese so genannte Synode ist ein Treffen des führenden Klerus aus aller Welt. Die Laien, zumal die Frauen, sind in der absoluten Minderheit. Vor allem: Die Beschlüsse der Synodalen sind nichts als Bittgesuche an den Papst. Er allein als Chef der absoluten Papst-Monarchie kann alle noch so guten Reformbeschlüsse verwerfen und ablehnen oder ad aeternum verschieben, so geschehen nach den richtigen Beschlüssen der so genannten „Amazonas-Synode“ 2019.

Zu den Debatten der Synode sind Journalisten ausgeschlossen,  die Mitglieder müssen sich zum Stillschweigen verpflichten? Diese Weltsynode im Oktober 2023 ist also eine Veranstaltung, die Angst vor der Öffentlichkeit hat, und das passt gut zu all den üblichen bekannten Verschleierungen und Vertuschungen des Klerus. LINK

Kann die katholische Kirche ernst genommen werden, wenn sie sich nun selbst etwas um demokratischen, synodalen Anschein bemüht und sowieso nach außen als Verteidigerin der Menschenrechte auftritt? LINK
2.
Das vom Klerus ständig wiederholte, aber vernünftig nicht nachvollziehbare Standardargument heißt: Man müsse bei allen Reform-Entscheidungen doch die ganze Weltkirche Kirche mit ihren 1,5 Milliarden Mitgliedern respektieren. So wird dieser Hinweis auf die  komplexe und multikulturelle Welt-Kirche zu einer Art Universalentschuldigung alle Reformbeschlüsse vom Tisch zu fegen.
3
Aber sind Katholiken in Sri Lanka oder Paraguay wirklich so empört, wenn Katholiken in Deutschland einen anderen Ausdruck des Glaubens leben wollen, … weil sie eben in Deutschland und nicht in Sri Lanka oder Paraguay leben und – ohne Wertung ! – einen anderen kulturellen Horizont hochschätzen auch in ihrem Glauben als Europäer des 21. Jahrhunderts? Warum muss der bekannte Hass auch der katholischen Bischöfe Ugandas auf Homosexuelle mehr Beachtung finden als der Wunsch europäischer Katholiken für Segnungen homosexueller Paare? Warum werden in Rom und von den Bischöfen reaktionäre Positionen immer höher bewertet und eifriger respektiert als progressive Vorschläge? Ein Jammer, über den weiter nachzudenken eigentlich verlorene Zeit ist. Aber Religionskritik der Vernunft am undemokratischen Katholizismus ist nun mal eine Art Sisyphusarbeit, der man sich aber bald entledigen sollte. Sollen die Kleriker doch machen was sie wollen… Der Philosoph Voltaire, alles andere als ein Atheist!, sagte bezogen auf das damalige Kirchensystem im 18. Jahrhundert vor der Revolution: „écrasez l infame“…Man vergesse nicht: Die Kirche ist nicht nur seit ca 15 Jahren durch die Freilegung sexuellen Missbrauchs durch Kleriker in einer tiefen Krise, sondern schon seit Jahrhunderten gibt es diesen sexuellen Missbrauch. LINK:
4.
Der Papst und die Seinen verwenden die Ideologie der “Einheit der Kirche“ nur, um alles beim alten zu lassen, also die Kleruskirche unverändert fortzusetzen inclusive der nicht mehr nachvollziehbaren, überhaupt nicht mehr glaub—würdigen Dogmen. Diese sind längst als politische bedingte Ideologien von einst enthüllt, wie das furchtbare Erbsündendogma, die absurde Trinitätsdogmatik, die Unfehlbarkeit des Papstes, die Unbefleckte Empfängnis, die Aufnahme Marias in den Himmel, die Lehre „außerhalb der römischen Kirche kein Heil usw. usw… Hinzukommt: Die nur noch floskelhafte, erstarrte und nicht mehr verständliche Sprache der Spätantike in den Messen bis heute… : „Der Herr sei mit euch“, „Himmel und Erde sind erfüllt von deiner Herrlichkeit“, Jesus wurde „gezeugt, nicht geschaffen“ so das Glaubensbekenntnis , oder: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt“ usw…)
5.
Dabei könnte der Papst aufgrund seiner als Dogma sogar formulierten Macht sofort, innerhalb weniger Minuten, das Zölibatsgesetz für die Priester aufheben, er könnte sofort die Segnung homosexueller Paare erlauben. (Nebenbei: Dabei wäre nur die Homo-Ehe und die Ehe-Zermonie in einer Kirche für homosexuelle Paare die eigentliche heute übliche Form. „Segnungen von Homo-Paaren“ steht auf einem Niveau wie die seit langem übliche Segnung von Tieren oder Autos oder Waffen…
6.
Weiter:
Der Papst könnte sofort das gemeinsame Abendmahl mit Protestanten gestatten.
Weiter: Der Papst könnte sofort Frauen wenigstens als Diakoninnen eine offizielle Funktion gestatten. Nichts spricht theologisch dagegen, dass Frauen auch römisch-katholische Priesterinnen werden können. Mit dem versteinerten und verkalkten Ausschluss von Frauen von allem „Heiligen“ in der Sicht der offiziellen Theologie werden Frauen tatsächlich zu Menschen zweiter Klasse, mit schlimmen Folgen: Man bedenke die Gewalt gegen Frauen in den katholischen Ländern Lateinamerikas, die Femizide auch in katholischen Ländern, die Maria als prächtige Himmelskönigin (Göttin?) hochpreisen, aber reale Frauen verachten und ihnen Funktionen des „Heiligen“ (Priesterinnen) verwehren. Diese Zusammenhänge sollte man endlich genauer untersuchen. Stichwort: Die Liebe zur imaginären Maria und der Hass auf Frauen in der Macho-Welt Lateinamerikas.
7.
Diese Themen sind im Vatikan tabu. Stattdessen wird viel Zeit und viele Energie und viel Geld (die Flugkosten ! bezahlen wahrscheinlich die spendefreudigen Laien) in endlose Debatten im Vatikan verschleudert, alles mit der hübschen, immer permanent beschwichtigend vorgetragenen Begründung: „Es ist doch wichtig, dass so viele Kleriker einander zuzuhören“, unverbindlich zuzuhören, natürlich. Als könnte man nicht einander auch unverbindlich zuhören über das Internet usw…
8.
Aber das Wichtigste ist: Diese groß aufgebauschte Synode (man freue sich schon auf die prächtigen Bilder all der prächtigen Herren Bischöfe und Kardinäle beim feierlichen Einzug in den Petersdom), diese Synode wird wohl vor allem von inner-katholischen theologischen Problemen sprechen.
9.
Nicht etwa wird über die wirklich absolut drängenden Fragen der Menschheit gesprochen: Etwa: Was können alle katholischen Bistümer und alle Ordenshäuser für die Abwendung der Klimakatastrophe sofort tun? Was tun sie für eine gerechtere Gesellschaft, für die Umverteilung des Reichtums und die mögliche Begrenzung des Eigentums der Milliardäre, was tun sie in ihrer gemeinsamen Kritik am westlichen Neoliberalismus und deren ökonomisch-politischen Herrscher? Was tun sie für die Ausbildung möglichst vieler Katholiken zu Aktivisten des Friedens weltweit. Es müßte also auch um eine globale kritische politische Analyse gehen. Und die Rolle der Kirche dabei: Die stinkend reichen katholischen Kirchen des Nordens und die armen Kirchen im Süden, sind diese Verhältnisse etwa vorbildlich?
10.
Aber nein: Die Herren Kleriker und der „Heilige Vater“ (was für ein Wort, „Einer ist heilig, nämlich Gott“, sagt kein Geringerer als Jesus) diese Herren der Kirche also debattieren mit einigen wenigen erwählten Laien über Kirchenreförmchen, die dann vom Papst sowieso nicht akzeptiert werden.
11.
Man sollte Psychologen fragen, warum es immer noch so viele Laien auch Deutschland gibt, die sich das alles antun, dieses Ja zur Unterlegenheit in einer Herrschaftskirche, in einer Kirche, die sich ja auf Jesus bezieht, obwohl der gar keine Kirche wollte und keine gründete. Aber dieser Jesus lehrte als Weisheitslehrer genau das Gegenteil von dem, was heute und seit 1.900 Jahren Praxis der römischen Kirche ist: Herrschaft, die sich jetzt etwas freundlich, ein ganz klein Bißchen liberal, etwas großzügig zeigt: Ist es nicht toll: 45 Laien als SynodenteilnehmerInnen bei ca. 320 Klerikern. Und auch diese 45 Laien mussten sicher geloben, nichts zu verraten, was die Herren in der so genannten Synode da so alles geheim beraten…
„Was für ein Zirkus“, schrieb mir gerade ein theologischer Freund aus Rom…

Ich habe ihm geantwortet: “Es gibt auch eine einfache, eine vernünftige nicht klerikale Form eines christlichen Glaubens. Kant hat da seine Vorschläge, die nach wie vor aktuell und hilfreich sind.  LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin. www.religionsphilosophischer-salon.de

………………………..

Der gekürzte Hinweis von Christian Modehn zum gleichen Thema vom 17.9.2023:

Ca. 1,5 Milliarden Menschen nennen sich Mitglieder dieser Kirche, etwa 99 Prozent von ihnen sind Frauen und Männer, also so genannte Laien, in der Klerus-Sprache „das gläubige Volk“… Der Papst hat – welche Sensation ! – etwa 45 Laien als stimmberechtigte Mitglieder dieser Synode ausgewählt, alle anderen sind als Kleriker eng und gehorsam und als Kleriker meist ängstlich mit dem Papst verbunden: Es sind 275 Bischöfe und 50 weitere männliche Kleriker… Von einer repräsentativen Veranstaltung kann also keine Rede sein, einer Synode, die wirklich die Mitgliederverhältnisse der Organisation katholische Kirche spiegelt…
Die anwesenden theologischen Expertinnen und Experten dürfen nicht abstimmen.

Auf die Ergebnislosigkeit und deswegen auch Sinnlosigkeit dieser so genannten „Synode“ weisen kompetente Theologen und Kirchenhistoriker jetzt vermehrt hin. Etwa Prof.Hubert Wolf, Kirchenhistoriker an der Uni Münster. In einem Interview, im katholischen Dom Radio zu Köln am 16.9. 2023 publiziert, sagte Prof. Wolf u.a.: „Behauptet wird jetzt, dass Laien und sogar Frauen bei der Weltbischofssynode etwas entscheiden können. Das ist vollkommen falsch. Tatsächlich können sie den absolutistischen Herrscher nur demütig bitten, irgendetwas zu ändern. Es gibt noch nicht mal eine Tagesordnung…. Papst Franziskus kommt nicht aus einer europäischen, synodalen Tradition. Sein ganzer Regierungsstil zeigt: Er hält sich nicht an Regeln.Das zeigt etwa der Fall Woelki, wo der Papst laut Kirchenrecht innerhalb von drei Monaten über das Rücktrittsgesuch des Kölner Kardinals hätte entscheiden müssen.“
So sollte man mit guten Gründen denken, die Weltsynode hätte gar keinen Sinn. Aber vielleicht sorgt der heilige Pater Pio für ein Wunder oder vielleicht die heiligen Seherkinder von Fatima? Prof. Wolf meint richtig und theologisch ernüchtert: „Es braucht weder einen Synodalen Weg noch eine Weltbischofssynode. Das wird ein weiterer Debattierclub ohne rechtliche Vollmachten. Die großen Streitpunkte sind aus historischer Sicht längst geklärt… Es gibt in der Tradition verheiratete Priester – lasst uns sie also wieder zulassen. Es gibt in der Tradition Diakoninnen – lasst uns also wieder welche weihen. Es gibt in der Tradition alternative Leitungsmodelle für Gemeinde – lasst sie uns also praktizieren.
Meine Befürchtung ist: Nach der Weltbischofssynode wird es wieder viele Enttäuschungen geben.“
Quelle: https://www.domradio.de/artikel/historiker-nennt-synode-debattierclub-ohne-vollmachten.

Auch in „Christ und Welt,“, der Beilage von „Die Zeit“, am 14.9. 2023, Seite 4, befasst sich der Historiker, Prof. em. Volker Reinhardt, Fribourg (CH), mit dieser so genannten Weltsynode:
„Der Papst tut so, als gehe es in dem Gremium um Mitbestimmung. Dabei ist es eine pseudodemokratische Illusion“. Prof. Reinhardt dokumentiert genau die ablehende Haltung von Papst Franziskus gegenüber dieser „Synode“: Den „synodalen Weg“ in Deutschland etwa nannte er eine neue Art von Pelagianismus, also eine Ketzerei…
Demokratische Mitbestimmung wird absolut abgelehnt im Vatikan. „Denn sie verstößt gegen die himmlisch garantierte Grundordnung der Kirche….Vor allem: Inhaber unbeschränkter Gewalt geben diese nicht freiwillig ab“, so Prof. Reinhardt in dem genannten Beitrag.

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon.de

 

 

 

Viel zu viele Kirchengebäude in Frankreich

Nun sorgt sich der Staat um die Zukunft der Gotteshäuser
Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
Nicht nur in Deutschland, vor allem im Osten, in den „neuen Bundesländern“, gibt es viele hundert (Dorf)Kirchen entweder in einem desolaten architektonischen Zustand oder in trauriger, ungenutzter Leere. Die Kirchenmitglieder sind eine Minderheit.

2.
In Frankreich beginnt jetzt der Staat, sich um viele selten genutzte, oft verfallene Kirchengebäude zu kümmern. Sie kosten den Kommunen einfach zu viel Geld, wenn nicht neue Konzepte realisiert werden.

3.
Das Thema hat in Frankreich einen anderen Charakter als in Deutschland: Gemäß den Gesetzen der Trennung von Kirchen und Staat aus dem Jahr 1905 ist der Staat für den äußeren Erhalt der Kirchengebäude verantwortlich, aber nur für solche, die bis zum Jahr 1905 errichtet wurden. Um die später errichteten Kirchengebäude haben sich die Kirchen allein zu sorgen.
Aber es sind natürlich viele hundert Kirchen, die vor 1905 errichtet wurden, und die von den Kirchengemeinden genutzt wurden oder noch genutzt werden: Dabei sind die Bistümer für die Pflege und den Erhalt der „inneren Strukturen“ ihrer Kirchen (Mobiliar, Sauberkeit, Farbgebung der Wände etc.) verantwortlich. Und die Katholiken können dem Gesetz entsprechend „ihre Kirchen“ für ihre religiösen Veranstaltungen nutzen, wie sie es und wann sie es wollen. Darauf hat der Staat keinen Einfluss, er muss nur für den äußeren Erhalt der Kirchenmauern sorgen. Und das ist manchmal voller Probleme: Weil die Kommunen wenig Geld haben, machen selbst die noch genutzten Kirchen von außen (und manchmal leider auch von Innen) einen verwahrlosten Eindruck.

4.
Genaue Statistiken gibt es nicht, wie viele Kirchengebäude es denn in Frankreich heute noch gibt, zumal solche, die vor dem Jahr 1905 errichtet wurden. Lediglich die Vereinigung „Observatoire du patrimonie religieux“ verfügt über Schätzungen, danach gehörten etwa 40.000 Kirchengebäude den staatlichen Gemeinden, 500 sind bereits wegen Baufälligkeit total geschlossen, etwa 2.500 bis 5.000 befinden sich in einem bedenklichen architektonischen Zustand…Dazu liegt eine interessante Foto – Dokumentation vor. LINK.  Über umgewandelte Kirchengebäude in ITALIEN fand schon 2016 in Basel eine interessante Azsstellung statt: LINK.

5.
Über die ungewisse Zukunft der vielen (ungenutzten) Kirchengebäude beraten nun französische Politiker: Sie wissen: Wenn sich nur noch 29 Prozent der Franzosen katholisch nennen und die Teilnahme an der Messe in vielen Regionen minimal ist, dann muss gefragt werden: Wie können diese Gebäude, wenn sie denn vor dem Verfall bewahrt werden sollen, zu einer neuen Verwendung kommen. Es geht also um die Zukunft des „patrimonie culturel“, des Kulturerbes, zum dem auch das „patrimonial cultuel“, das religiöse („kultische“) Erbe gehört.
Die Frage ist: Sollen diese Kirchengebäude also der bislang einzigartigen Verfügung der Bistümer und Pfarrgemeinden entnommen werden, „wo es doch eine quantitative Überdimensionierung“ der Kirchengebäude gibt, wie eine entsprechende Studie aus den Editions L Harmattan im Jahr 2006 schon feststellte?

6.
Es gibt auch in Frankreich schon die Praxis, Kirchen, wenn sie denn nicht gut erhalten sind, als Orte für Konzerte und andere Kulturveranstaltungen zu nutzen. Allerdings protestieren dagegen in letzter Zeit immer wieder extrem konservative Katholiken, sie stören diese Kulturveranstaltungen, etwa Orgelkonzerte, in Kirchen. Die politisch und theologisch rechtsextreme Bewegung CIVITAS hat sich entsprechend „betätigt“ und sogar den Abbruch eines Orgelkonzerts als Kulturveranstaltung durchgesetzt. Zur rechtsextremen katholischen Bewegung CIVITAS: LINK.

7.
Die Bischofskonferenz Frankreich will sich im September 2023 mit dem Thema befassen. Die entsprechenden offiziellen „Blockaden“ zu einer erweiterten Nutzung der Kirchengebäude waren noch 1990 üblich, aber sie sind nun wohl angesichts des Zustandes dieser Kirche insgesamt wohl verschwunden.

8.
Die (katholische) Kirchenleitung ist in Frankreich wie auch in Deutschland nicht imstande, neue Konzeptionen für eine dauerhafte lebendige Gestaltung der Kirchengebäude zu entwickeln und genehmigen: Warum können nicht Laien zu Verantwortlichen „ihrer“ Kirchen ernannt werden, zu Moderatoren, zu Inspiratoren, die dann auch in den ebenfalls oft leerstehenden „Pfarrhäusern“ mit ihren Familien oder Partnern wohnen: Das müssen ja nicht Theologen sein, auch Pädagogen, Schriftsteller auf der Suche nach einem „Zusatzjob“, pensionierte Lehrer usw… Sind solche Überlegungen immer nur von dem Argument „kein Geld vorhanden“ abhängig? Wo können und sollten die Kirchenbehörden sparen, um den Menschen in den Dörfern ein lebendiges kulturelles und religiöses Leben in ihren renovierten Kirchen zu ermöglichen? Und warum können diese Kirchengebäude nicht auch anderen Religionen übergeben werden, Protestanten, Juden, Buddhisten, islamischen Sufis oder auch säkularen Humanisten?

9.
Der Abriss alter (Dorf) Kirchen wird selbst von vielen säkularen Franzosen noch als Problem erlebt, weil dann in den (kleinen), entlegenen Dörfern sozusagen alles über das unmittelbare Wohnen Hinausweisende verschwindet: Schulen sind schon geschlossen, die Postämter auch, die Bäckerei auch, die Cafés ebenso. Die Bussverbindungen sind miserabel… Verschwinden nun auch noch die Kirchengebäude und vielleicht auch die Reste einer Kirchengemeinde(- gemeinschaft!), dann ist der esprit, die Aura, der Geist, der Dörfer gänzlich am Ende, sagen manche Dorfbewohner. Dann ist alles nur noch grauer, schwarzer Alltag.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Kardinal Gerhard Müller – ein reaktionärer Theologe.

Müller wurde von Papst Franziskus in die Synode, “Synodaler Prozess”, (Oktober 2023) berufen.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 12.7.2023.
1.
„Es ist eine Anmaßung, wenn europäische Staaten unter dem Druck der Gender-Ideologie oder der Homo-Lobbys anstelle der menschlichen Vernunft oder der göttlichen Offenbarung definieren wollen, was Ehe ist.“
Wer hat wohl diesen Satz geschrieben? Die polnischen Politiker der reaktionären PIS Partei? Oder der ungarische Präsident Orban? Oder gar Putin vereint mit seinem Patriarchen Kyrill von Moskau? Sie dürfen dreimal raten.
2.
Vielleicht fällt Ihnen die Entscheidung leichter, wenn Sie die anschließende Zeile aus demselben Buchbeitrag lesen: „Den unmündigen Kindern einzureden, sie könnten ihr Geschlecht wählen und damit könnte man Manipulationen an ihren inneren und äußeren Geschlechtsorganen legitimieren, ist ein verabscheuenswertes Verbrechen an ihrer Würde“.
Was vermuten Sie nun? Haben diesen Blödsinn Politiker der AFD geschrieben? Oder rechtsextreme Politiker und Scharfmacher in Frankreich, wie Monsieur Eric Zemmour und Co? Oder gar Herr Erdogan (Türkei) oder einer der führenden „Theologen“ der islamischen Welt etwa Irans? Eine nette internationale Gesellschaft von reaktionär – fundamentalistisch Gleichgesinnten.
3.
Also: Diese Worte, oben Zitate, hat einer der höchsten und wichtigsten katholischen Theologen und Lehrmeister geschrieben. Kardinal Gerhard Ludwig Müller veröffentlichte diese Polemik schon im Jahr 2017 (!), damals war er oberster Chef der katholischen Glaubenslehre in Rom: Sein Freund Joseph Ratzinger hatte Müller als Bischof von Regensburg im Jahr 2012 nach Rom geholt und ihn zum obersten Chef der wichtigen Glaubenskongregation ernannt. Zugleich war Müller (vormals auch Theologieprofessor für Dogmatik an der staatlichen Universität in München) in Rom dann führend in der päpstlichen Bibelkommission tätig und der Internationalen Theologenkommission. Ein in jeder Hinsicht also der strammen römischen Theologie folgender Funktionär. Und der zeigt sein reaktionär theologisch-ideologisches Profil auch manchmal eher versteckt in seinem umfangreichen Buch mit dem Titel „Der Papst“, erschienen im Herder Verlag, dort stehen die Zitate auf Seite 403.
4.
Es kommt noch schlimmer: Wie der polnische Papst Johannes Paul II. hat auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller (geb. 1947) sehr grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der westlichen pluralistischen Demokratie: „Eine pluralistische Gesellschaft ist ein Experiment und es bedarf noch des Erfahrungsbeweises, dass sie glücken kann“ (S. 403). Besser (erfolgreicher, für wen?) als ein weltanschaulicher und religiöser Pluralismus ist im Denken des führenden katholischen Theologen Müller offenbar eher die alte, mittelalterliche Staatsreligion, die bekanntlich nur unter Diktatoren, wie Franco in Spanien oder Trujillo in der Dominikanischen Republik herrschte, blutig herrschte, gegen allen Respekt für die Menschenrechte. Also, was sagt der oberste katholische Lehrer Müller: „Eine verordnete Weltanschauung als Klammer, etwa im Laizismus oder Staatsatheismus, die (als Klammer) nichts anderes ist die Aufhebung der Religionsfreiheit, birgt schlimmere Risiken in sich als eine von oben verordnete Staatsreligion“ (S. 404). Wir brauchen also in Europa anstelle des demokratischen Pluralismus wieder eine Staatsreligion!
Von Müllers Deutung des Laizismus, meint er die laicité à la francaise, das ist etwas anderes, die nun ausgerechnet die Religionsfreiheit aufheben soll, wollen wir schweigen. Laicité ermöglicht doch gerade die Vielfalt und Gleichberechtigung der verschiedenen Konfessionen in einem Land…. In arabischen, muslimischen Ländern, aber auch in so genannten orthodoxen Staaten wie Russland, Georgien, Serbien etc. besteht die Staatsreligion faktisch schon wieder. Man kann dort beobachten, wie da die Menschenrechte verachtet werden. Solchen Wahn also propagiert ungeniert und kaum wahrgenommen einer der höchsten Lehrer der katholischen Theologie, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Nicht nur seine Freundin, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis in Regensburg, auch das große reaktionäre katholische Umfeld (bis in die USA) weltweit werden applaudieren.
5.
Warum dieser Hinweis auf einen der maßgeblichen katholisch-reaktionären Theologen und Kardinal Müller, der (geboren am 31.12.1947) immerhin noch am nächsten Konklave teilnehmen wird? Er hat einen internationalen Kreis von Freunden und finanzstarken Unterstützern auf seiner Seite. Wer den Katholizismus heute verstehen will, muss die Macht der Reaktionären und Konservativen kennen.
6.
Papst Franziskus ist der öffentliche Gegner (Feind?) von Kardinal Müller. Die Arbeit von Papst Franziskus hat er aufs schärfste öffentlich kritisiert, während der Corona-Pandemie hat er Verschwörungstheorien verbreitet usw. Aber es ist schon komisch: Papst Franziskus hat diesen öffentlichen Papst-Kritiker zwar als Chef der Glaubensbehörde 2017 abgesetzt, ihn aber dann 2021 zum Mitglied des höchsten kirchlichen Gerichts (der „Apostolischen Signatur) ernannt.
7.
Und nun hat Papst Franziskus persönlich Kardinal Müller auch noch als Mitglied in die große römische Synode (vom 4. bis 29. Oktober 2023) berufen. Es wird das Geheimnis des hin und her jonglieren Papstes Franziskus bleiben, warum er ausgerechnet diesen theologisch sozusagen rechtsaußen angesiedelten Theologen Kardinal Müller in dieses wichtige Gremium berufen hat. Will der Papst demonstrieren, wie liberal und großzügig er ist, dass er selbst einen seiner ärgsten Feinde in eine Synode ruft? Hofft der Papst, dass Müller in der Synode so richtig aufläuft und seine umstrittenen Thesen zur Demokratie, zu Kirchenreform usw. vorträgt und möglicherweise vieles blockiert? Hat der Papst Angst vor den reaktionären Klerikern im Vatikan, die wie Müller gegen ihn agieren, will er sie auf diese Weise besänftigen? Alles das ist bis jetzt Spekulation.
8.
Warum befasst sich der Religionsphilosophische Salon Berlin mit diesem Thema, mit dieser merkwürdigen reaktionären Gestalt Müller? Weil solche Leute nun einmal die katholische Kirche geprägt haben als Chefs oberster päpstlicher Behörden und bis heute prägen mit ihrem großen reaktionären Netzwerk. Nur wenn es wirklich einige Leute gibt, die diesen Katholizismus von außen ohne Vorbehalte und dogmatische “Bremsen” studieren, wird das wahre Gesicht der Papstkirche deutlich.

Diese Kirche wird immer Papstkirche bleiben, weil alle Führer dieser Kirche – zumindest nach außen bekennen: Gott selbst, höchstpersönlich, hat diese römische Kirche, so wie ist, gegründet und gewollt, also als Kleruskirche mit einem allmächtigen, unfehlbaren Papst und Wahlmonarchen des „Heiligen Stuhls“ an der Spitze. Daran rüttelt niemand in der Hierarchie, auch keine Synode im Oktober 2023 kann das verändern. Darum ist dieser Aufwand interessant, aber im letzten kann er nur ergebnislos bleiben.

Aber gerade die Überwindung der Papstkirche wäre heilsam und hilfreich – auch angesichts der „Austrittszahlen“ in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Hollands, Frankreichs, Spanien usw… Diese Katholiken verlassen doch wegen eines veralteten starren Glaubenssystem diese Kirche!
9.
Parallel zur Berufung des reaktionären Kardinals Müller wurde berichtet, dass der Papst auch einen italienischen Laien, einen „Linksextremen“ wie die katholische Presse schreibt, in die Synode berufen hat: Er ist ein Aktivist der Menschenrechte und „Seenotretter“: Der einst für die linksradikale Partei „Sinistra Italiana” kandidierte: Der 56jährige Luca Casarini (einst Hausbesetzer) gehört zur Gruppe der vom Papst bestimmten „Sonderdelegierten“ („delegati speciali“) an. Er hat das Recht auf der Synode zu sprechen. Abstimmen und mitentscheiden darf er nicht, das darf hingegen seine Eminenz Gerhard Kardinal Müller. Er ist ja Kleriker, sozusagen deswegen a priori ein wertvollerer Katholik….
10.
Über Kardinal Müller und seine Lobeshymne auf das Papsttum hat der Religionsphilosophische Salon schon einmal berichtet, auch über dessen „Freundschaft“ mit dem peruanischen Befreiungstheologen Gustavo Gutierrez: Und der musste sich vor der Allmacht des damaligen reaktionären Kardinals von Lima, Juan Luis Cipriani (nach eigener Aussage Mitglied des Opus Dei) in den Dominikanerorden retten…LINK

11.

Kardinal Müllers Position (zu Gender-ideologie, Homoehe etc.) wird selbstverständlich auch vom Nuntius des heiligen Stuhls in Deutschland, Erzbischof Nicola Etcovic, geteilt: In Aachen sagte der Nuntius  im Juni 2023: “Es gibt aber auch eine Ökologie des Menschen, wie Papst Franziskus im Anschluss an Papst Benedikt XVI. sagt, „denn auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. … Ebenso ist die Wertschätzung des eigenen Körpers in seiner Weiblichkeit oder Männlichkeit notwendig, um in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht sich selbst zu erkennen. Auf diese Weise ist es möglich, freudig die besondere Gabe des anderen oder der anderen als Werk Gottes des Schöpfers anzunehmen und sich gegenseitig zu bereichern. Eben deswegen ist die Einstellung dessen nicht gesund, der den Anspruch erhebt, den Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen, weil er sich nicht mehr damit auseinanderzusetzen versteht“ (LS 155).

Siehe auch:

Das katholische LSB+ Komitee kritisiert die Predigt des Kurienbischofs sowie Nuntius Nikola Etrovic bei der Heiligtumsfahrt in Aachen.  Juni 2023.

Autor: Luca Bruni

Das LSB+ Komitee ist ein christlich geprägtes Arbeitsbündnis, bestehend aus verschiedenen LSB+ Gruppen, welches sich geschlossen für die Gleichberechtigung sowie Gleichbehandlung von LSB+ Personen in der römisch-katholischen Kirche einsetzt. Es ist zusätzlich Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft katholischer Organisationen Deutschlands (AGKOD). Nun äußerte es scharfe Kritik an der Predigt des Nuntius und Kurienbischofs Nikola Etrovic auf der Aachener Heiligtumsfahrt. Etrovic reprudizierte homo- sowie transfeindliche lehramtliche Aussagen, beharrte auf Heteronormativität, diskreditierte geschlechtliche Vielfallt sowie mögliche Strukturreformen in der katholischen Kirche. Der Co-Sprecher des Komitees, Markus Gutfleisch äußerte diesbezüglich: „Die Predigt des Bischofs enthält für queere Menschen keine Worte des Glaubens, der Hoff­nung und der Liebe. Das Katholische LSBT+ Komitee ist entsetzt, dass die katholische Kirche er­neut in gefährliche Nähe zu rechtspopulistischen Kräften gerät, die geschlechtliche Vielfalt als An­griff auf die Familie konstruieren anstatt unterschiedliche Lebens- und Beziehungsformen an­zuerkennen. Lehre und Predigten der Kirche missachten trans*, inter* und nichtbinäre Menschen gewaltig.“. Auch Veronika Gräwe, ebenfalls Co-Sprecherin erklärt zudem: „Es ist nicht neu, dass Eterovic die im Synodalen Weg der katholischen Kirche Deutschlands be­schlossenen Reformen kritisiert. Wir hingegen ermutigen die deutschen Bischöfe und das Zentral­komitee der deutschen Katholiken, die Handlungstexte zu „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“ und zum „Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt“ zügig umzusetzen, damit die Kirche wenigstens ein bisschen Hoffnungsort für queere Menschen werden kann.“.

 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin