Beten und Gebete: Plädoyer für die Poesie.

Ein Hinweis von Christian Modehn

Gerade im Umfeld von Festen, die in unserer Gesellschaft manchmal noch einen gewissen religiösen Charakter bewahrt haben, wie Weihnachten, stellen manche die Frage: Was könnte denn meine persönliche Übung sein, auch spirituell diese Tage von Advent und Weihnachten zu gestalten? Eine Möglichkeit: Die eigene persönliche Poesie entdecken und sie ausdrücken, aussprechen, notieren: Diese persönliche Poesie kann vielleicht zum persönlichen Gebet werden.

Zuerst einige Andeutungen zum Problem, bevor das eigentlich Plädoyer formuliert wird:

Eigentlich gehört zur Poesie auch das Gebet. Man denke an die 150 Psalmen der Bibel. Dieser Zusammenhang von Dichten und Beten galt, so denke ich, bis ins 20. Jahrhundert, er war eher selbstverständlich, wenn auch dabei poetische Texte geschaffen bzw. propagiert wurden, die eher für den frommen, begrenzten Alltagsgebrauch im Gottesdienst bestimmt waren. Für diese Erbauungs-Poesie war das Reimen das Allerwichtigste: „Maria du feine, du bist ja die Reine“, „Gott du bist groß, drum lass uns nicht los“ usw. Solche Gebete werden als Lieder heute noch in Kirchen gesungen und so ähnlich in evangelikalen Songs als „Sacro-pop“ geschmettert. Dagegen ist im Rahmen kultureller und religiöser Freiheit gar nichts zu sagen. Nur haben eben diese schlichten Ergüsse den Gedanken blockiert, es gebe auch anspruchsvolle Poesie, die sich als Auslegung sehr persönlicher religiös gestimmter Lebensdeutung versteht, also als Gebet. Insofern haben die frommen Reimereien vieles seriöse Nachdenken übers Beten verhindert. Und das Gebet ALS Poesie fast ins Irreale abgeschoben.

Aber weil nun in unserer (angeblich säkularisierten) Kultur die Gottesfrage eher selten ins persönliche Fragen und Erleben gerät, sondern meist in der Abstraktion verweilt,  gibt es auch kaum schöpferische poetische Leistungen, die von sich behaupten: Das ist meine, aus der nachdenkend-glaubend-zweifelnden-suchenden Daseinsauslegung stammende Poesie: “Das sind meine Gebete. Also: Das ist meine Poesie, die aus dem Alltag erhebt, also transzendiert und mich dem Geheimnis des Lebens aussetzt”.

Hinzu kommt, dass viele allgemein Gebildete eben religiös und theologisch katastrophal ungebildet sind (und sich dessen auch nicht schämen) und etwa sagen und glauben, Gott Vater habe einen Bart, der heilige Geist sei eine Taube und zur Trinität gehören etwa Maria, Josef und Anna. In einer Kultur zerfallender religiöser Aufgeklärtheit und Bildung kann Gebet als persönliche Poesie gar nicht entstehen.

Wenn es heute Chancen gibt, poetische Texte zu erleben und dann auch zu schreiben und ins Gespräch zu stellen, dann ist eine Voraussetzung unabdingbar: Gebete sind Äußerungen von verschiedenen Menschen, von leibhaftigen Subjekten. Gebete sind nicht hübsch verpackte dogmatische Wahrheiten, wie sie im Katechismus stehen. Gebete, wenn sie denn ernst genommen werden sollen in der allgemeinen Kultur der Poesie, sind nur als Sprache des einzelnen denkbar, mit aller Freiheit, die das Sich-Aussagen nun einmal mit sich bringt: Also, heute ereignet sich Gebet als Poesie wie alle Poesie außerhalb der Gewöhnlichen. Auch Gebete ALS Poesie sind provokativ.

Einige Hinweise zur Sache selbst:

Nicht nur da, wo religiöse Poesie, wo Gebet drauf steht, ist immer auch Gebet enthalten. Oft stimmt das Gegenteil. Die sprachliche Weite des Gedichts öffnet beim Leser möglicherweise Inspirationen, Gefühle und Erkenntnisse des Transzendenten. “Nicht-religiöse” Gedichte können religiös sein. Das ist ein eigenes Thema, auf das hier hingewiesen wird. Deutlich ist die Aussage von Rose Ausländer in ihrem Gedicht „Die Auferstandenen“:

Wo sind

Die Auferstanden

Die ihren Tod

Überwunden haben

Das Leben liebkosen

Sich anvertrauen

Dem Wind.

Kein Engel

Verrät

Ihre Spur.

Selbst in der Abweisung von Transzendenz und Göttlichem, von bergendem Sinn, wie auch immer, drückt sich die Sehnsucht aus, die Sehnsucht nach unerreichbarer Ganzheitlichkeit, die Sehnsucht nach Liebe, die gilt; nach Sinn, der auch in der Verzweiflung noch trägt. Da ist das Schreien der Entrechteten, der Geplagten, der Gequälten. Man lese die Neuschöpfungen der Pslamen durch Ernesto Cardenal, geschrieben im Widerstand gegen das Somoza-Regime in Nikaragua.  Klage und seelische Not wird ausgesprochen auch im sehr frommen amerikanischen, aber viel gehörten Song von Elvis Presley „Precious Lord, take my hand…“

„Ich bin müde, ich bin schwach,

Bin getragen

Durch den Sturm, durch die Nacht…

Nimm meine Hand, Precious Lord,

und führe mich nach Hause“.

Anders klingt da schon die Verzweiflung, die sich an Gott wendet (!), im Psalm 22, den, so wird berichtet, noch Jesus von Nazareth, der Gerechte und schuldlos Verurteilte, am Kreuz gesprochen hat: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich heule; aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, so antwortest du nicht; und des Nachts schweige ich auch nicht…“

Früher kannten viele religiöse Menschen „ihre“ Psalmen und „ihre“ manchmal durchaus ansprechenden Paul-Gerhardt-Gedichte auswendig. Diese Menschen fanden ihre eigene Lebenssituation treffend ausgedrückt in diesen geschriebenen poetischen Texten. Gebet als Poesie war einmal Lebenshilfe. Das muss man doch nicht immer gleich als Opium verdächtigen! Diese Verbundenheit mit religiöse Poesie ist wohl verschwunden. Ein auswendig gekanntes Gedicht kann doch auch Ausdruck des eigenen Lebens sein. Und was erleben Menschen, die die Songs von Madonna oder Prince mit-singen? Erleben sie auch Erhebendes in dieser Poesie? Wurde diese Frage schon einmal –empirisch- untersucht?

Der protestantische Theologe Prof. Wilhelm Gräb (Humboldt-Universität Berlin) schließt sich der Neuinterpretation des Gebets ALS persönlicher Poesie an: Er sagt in einem Interview für den Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin zu der Frage: Kann Poesie die Form des Betens sein? “Da das Beten einen Form gesteigerter Selbstbesinnung und damit der Ausdrücklichkeit in der Bewusstheit unseres Lebens ist, kann es sich besonders gut in metaphorischer Sprache artikulieren. Metaphern bereichern unser Leben. Sie schreiben der Wirklichkeit einen Mehrwert zu. Sie drücken unsere Ängste und Hoffnung, Wünsche und Sehnsüchte aus. Insofern ist die Metaphorik religiöser Sprache gut geeignet, unsere tieferen Empfindungen und unser Wirklichkeitserleben auf dichte Weise zur Sprache zu bringen. Sie holt den Überschuss an Sinn ein. Die vom Reichtum der Metaphern lebende Poesie der Sprache öffnet die Dimension der Tiefe, aus der heraus unser Leben in einen letzten Deutungszusammenhang einrückt. So kann gerade die poetische, dichte Sprache zur Sprache des Gebets werden… Wer sein Leben vor Gott durchdenkt, dem fügt es sich ein in das Ganze eines Sinnzusammenhanges, der auch noch die negativen Erfahrungen mit einem positiven Vorzeichen versehen lässt. Das ist oft ein Ringen, eine Durchdenken von Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, aber vor Gott immer in der Hoffnung auf einen guten Ausgang der Dinge. Beten ist ein getröstetes Denken“.

Gebet als Poesie – es entspringt wie alle Poesie einer Frage-Bewegung. Das heißt: Im Gebet ist die göttliche Wirklichkeit, das absolute Geheimnis, das Göttlich, wie auch immer, eher sehr selten bereits vorausgesetzt. Aber: Gott kann nur deswegen als Frage formuliert werden, weil er bereits „in uns“ (im Geist) die treibende Dynamik der Frage ist. Der Mensch kann nur nach etwas fragen, wenn er es ansatzweise, ahnungsweise, bereits irgendwie als Vorverständnis kennt, siehe Gadamer, „Wahrheit und Methode“. Diese elementare Einsicht vergessen leider manche Leute.

Wenn ein religiöser Mensch seine Poesie als Bezug zum Göttlichen sagt, dann spricht er seine Beziehung aus, seine Liebe, seinen Wut, sein Ringen, wie das der niederländische Poet und Theologe Huub Oosterhuis in einem seiner Lieder „Die zegt God te zijn“ aussagt:

„Der da sagt, Gott zu sein.

So lass er doch zum Vorschein kommen

was wir denn an seinem Namen haben

Soll er doch auftreten, damit wir ihn sehn.

Die Stimme aus der Feuerwolke in der Ferne

reicht nicht aus

für diese Erde aus Scherben und Rauch

wo uns kein Leben gegönnt wird“ (Übers. Christian Modehn).

In den Gedichten von Huub Oosterhuis (Amsterdam) wird die „Kultur des poetischen Gebets“ gepflegt: „Beten ist aber viel mehr als Suchen. Beten ist eher Warten. Suchen ist immer noch Aktion und Ungeduld. Warten hingegen ist Aufmerksamkeit“ (Huub Oosterhuis)

Ein besonderes Thema ist die Poesie des Gebets als Bittgebet: Ich spreche mich dem Unendlichen gegenüber aus in der Form einer Bitte. Wenn diese Bitte nicht kleinlich, egozentrisch und albern ist, sondern eine Bitte um Frieden, um den Sieg der Vernunft in einer politischen Situation, wo der Wahn um sich greift, dann ist Bitten als Sich Wenden an die göttliche Wirklichkeit durchaus, anthropologisch gewendet, sinnvoll. Marina Alvisi in Berlin, Yogalehrerin und spirituelle und theologische Meisterin, sagte mir in einem Interview für das Kulturradio des RBB: „Das Bittgebet ist für mich wirklich ein Gespräch mit dem Geliebten, mit dem, der mir am nächsten ist und nach dessen Nähe ich mich sehne die ganze Zeit. Gott ist für mich das Allerliebste. In der Liebesbeziehung spreche ich einfach mit dem anderen Partner. Also ich sage zu meinem Geliebten auch: Du, bitte komm, hilf mir doch. Ich schaffe es nicht allein, komm her, ich brauch dich jetzt, ja. Obwohl man beieinander ist, obwohl man sich kennt. Und trotzdem, bittet man sich gegenseitig um Unterstützung, um Hilfe. Und Gott ist quasi der Geliebte. Es ist wirklich diese Sehnsucht nach Gottes Nähe. Wenn ich danach schreie, dann spüre ich oft auch diese innere Antwort wirklich als tiefe Empfindung, also als Entlastung, dass man sich gereinigt fühlt, dass man sich mehr angekommen fühlt, dass man sich selber wieder besser spürt. Du spürst es im Herzen. Die Antwort ist da, der Ruf ist erhört. In Form von einer starken Liebe, von einer starken Ruhe. Das ist einfach was Intensives“.

Natürlich gibt es auch andere Perspektiven: Wer glaubt, weiß sich in Gott geborgen, er braucht also gar nicht um weitere Geborgenheit zu bitten. Der Mystik-Spezialist Alois M. Haas (Zürich) schreibt: „Meister Eckart lehrt: Wer da um etwas anderes als nur um Gott bittet, der bittet unrecht. Wer immer um irgendetwas anderes bittet, der betet einen Abgott an“. Diese Einsicht überzeugt: Wer Bittgebete spricht, weiß sich “immer schon” vom Göttlichen getragen. Er bittet nicht um Wunder, die Gott an seiner Person und nur an seiner Person im Ausschluss von anderen Personen “leistet”. Für den Mystiker gibt es nur einziges Wunder: Dass Gott nahe, “inwendig”, ist. Da braucht man eigentlich kein Bittgebet mehr. Wahrscheinlich hat der Brauch, immer noch Bittgebete weiter zur sprechen, auch im Gottesdienst, ein eher probematisches, weil wenig-mystisches Gottesbild befördert: Wer Gott um Frieden im Gottesdienst bittet, die und der bittet letztlich darum, dass sie/er selbst – auch politisch – für den Frieden eintreten will, d.h.für eine gerechtere Welt sorgt … in den berühmten “kleinen Schritten”.

Ob explizit religiös oder nicht: Dabei bleibt es: Poesie ist die Sprache der Lebendigen, derer, die lebendig, geistvoll, bleiben wollen und dies auch aussagen in Versen und Fragen. Dieses Verständnis von Poesie ist entscheidend, sagte mir in einem Interview der Pariser Theologe und Dichter (und Dominikaner-Pater) Jean Pierre Jossua: „Die Poesie ist für unglaublich viele Menschen, und darunter sicher die besten, eine Form spiritueller Bewegtheit geworden. Sie könnte für sie gar die Religion ersetzen, die ihnen sonst wie tot vorkommt. Poesie könnte als ein Weg zu Gott, zum Absoluten, erscheinen. Tatsächlich könnte man sagen: Die Poesie hat die Funktion des Gebets angenommen“.

Ist Poesie, ist Lyrik, also immer “irgendwie” ein Gebet? Darüber ließe sich diskutieren. In jedem Fall sollten christliche Gemeinden, die irgendwie noch Interesse haben, dem theologischen Niveau unserer Zeit zu entsprechen, Poesie als offenes Sich-Aussagen der Glaubenden und Nicht-Glaubenden zu pflegen. Und mit den leeren, abgenutzten frommen Floskeln Schluss zu machen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

“Die Philosophie ist dem Glauben überlegen” Erinnerung an Averroes bzw. Mohammed ibn Ruschd, gestorben am 11.12. 1198

Wir müssen uns nicht nur als Philosophen, sondern im allgemeinen schon als Menschen dieses 21. Jahrhunderts endlich an die muslimische Philosophie erinnern, etwa an die Denker, die im 11. und 12. Jahrhundert in Europa lebten und arbeiteten und bis heute anregend und “aufregend” sind. Einer von den “ganz Großen” ist für uns Averroes bzw. Mohammed ibn Ruschd, geboren 1126 in Cordoba (heutiges Spanien), gestorben am 11. Dezember 1198 in Marrakesch. Averroes ist in vieler Hinsicht wichtig: Wir denken nur an seine Schrift gegen den muslimischen Philosophen Al-Gazali. Darin zeigt Averroes, dass die Philosophie dem religiösen Glauben überlegen ist: Schon unser menschliches Denken als Denken hat es mit Ewigem, Allgemeinen und Bleibenden zu tun. Geistige und philosophische Erkenntnis ist unabhängig von religiösen Büchern, wie der Bibel oder dem Koran. Religion kann für Averroes niemals die höchste Form menschlichen Wissens sein. Diese Sätze missfielen auch den christlichen Theologen, 1270 wurden seine Thesen in Paris verurteilt.  Averroes wurde von dem Kalifen aus seiner Heimatstadt Cordoba, dem blühenden kulturellen Zentrum, vertrieben, er starb förmlich in der Verbannung in Marrakesch am 11. 12. 1198. Wir erinnern an diesen großartigen, vielseitigen Denker. Ob man seine Bücher heute auch in islamistischen Kreisen liest? Averroes könnte Menschen zur Vernunft bringen! Auch für Christen der orthodoxen Dogmatik und der evangelikalen, absoluten Bibeltreue ist Averroes ein Impuls, über den sie ein paar Monate debattieren könnten: Die These, aktueller denn je: Für die Anhänger des Philosophen Averroes sind die religiösen Dogmen eine Art sehr schlichter, er würde sagen primitiver Vorläufer der allgemeinen, der allgemein menschlichen Philosophie. Dogmen und Bräuche sind also fürs Menschsein und für die Spiritualität – gegenüber dem klaren Denken – zweitrangig. Das heißt ja nicht, dass religiöse Praxis sinnlos ist. Nur: Keine Religion und Kirche darf als solche eine weltgestaltende, bestimmende politische Kraft sein. Deswegen wird an die Überlegenheit allgemeinen Denkens, also der Philosophie, und mit ihr der Menschenrechte, erinnert.

“Die größten Übeltäter sind jene, die sich nicht erinnern”: Hannah Arendt, verstorben am 4.12.1975.

Auf das politische Denken und damit die Philosophie Hannah Arendts (besonders in der Nähe zu Kant) wird niemand verzichten. In ihrer Vorlesung “Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik” (Ungekürzte Taschenbuchausgabe, PIPER Verlag) sagt sie diesen Satz: “Die größten Übeltäter sind jene, die sich nicht erinnern, weil sie auf das Getane niemals Gedanken verschwendet haben, und ohne Erinnerung kann nichts sie zurückhalten” (dort S. 77).

Am 4.12.1975 ist Hanna Arendt in New York gestorben, geboren wurde sie am 14.10. 1906 in Linden bei Hannover, 1933 musste sie als Jüdin Deutschland verlassen.

Auf unserer Website befinden sich mehrere längere Hinweise zu Hannah Arendt. Zweifellos würde sie die tieferen Dimensionen von Rassismus und Hass in den Worten von Mister Trump und seinem ebenso fühlenden Umfeld freilegen und anklagen. Wer berichtet hierzulande endlich über Philosophen in den USA, die im Sinne Hannah Arendts das sich in den USA etablierende Regime (obzwar demokratisch gewählt, wie man sagt) kritisieren? Insofern denken wir an Hannah Arendt, auch wenn es kein “runder Gedenktag” ist.

Heftig diskutiert wird jetzt auch – nach der Veröffentlichung der “Schwarzen Hefte” Martin Heideggers und nach der veröffentlichung des Briefwechsels mit seinem Bruder Fritz (erschienen im Herder-Verlag 2016) – die Frage: Wie ist das Verhältnis/die Beziehung (der Jüdin) Hannah Arendt (Heideggers früher -heimlicher – Geliebten, seit 1924) zu dem nun zweifelsfrei Nazi und auch Antisemiten zu nennenden Heidegger zu sehen? Dazu bietet die Hanna Arendt Spezialistin Antonia Grunenberg in dem genannten Buch aus dem Herder-Verlag (“Heidegger und der Antisemitismus”) wichtige Hinweise unter dem Titel “König im Reich des Denkens – oder Fürst der Finsternis. Wie Hanna Arendt das Denken Martin Heideggers auseinandernahm”.

Antonia Grunenberg zeigt eine Entwicklung auf:  1946 schreibt Arendt einen ersten politischen Essay entschieden gegen Heidegger. Seit der Zeit “war ihr Verhältnis über die Jahre von Widersprüchen und Brüchen gekennzeichnet”… 1969, anläßlich des 80. Geburtstages von Heideggers, verfasst Arendt einen Radio-Essay für den BR: In dem Text findet sie anerkennende, lobende Worte für die bleibende Bedeutung von Heideggers Denken: “Dies Denken hat eine nur ihm eigene bohrende Qualität…Heideggers denkt nie über etwas etwas; er denkt etwas…” “Es” (das Sein/Seyn) dachte also in ihm, wie er ja selbst behauptete. Arendt folgt dieser (esoterischen) Selbsteinschätzung eines Philosophen, die nichts anderes bedeutet: Heidegger hatte keinen Abstand zu seinen eigenen Einsichten. “Es” geschah ja mit ihm Wesentliches (Sein/Seyns-Geschick usw.). Die Frage stellt Hannah Arendt am Ende ihres Lebens und ihrer (liebenden) Beziehung zu Heidegger nicht: War denn auch seine Nazibindung und sein Antisemitismus eine Art “Überkommnis” des Seyns, der er passiv und intellektuell ohnmächtig ausgesetzt war?  Mag Heidegger sich später auch mit solchen gewagten Thesen herausgeredet haben: So viel Esoterik ist im politischen Denken Heideggers nicht angebracht. Heidegger war schlicht und einfach kein Demokrat; er hat nicht an der Pluralität der Weimarer Republik gehangen, das zeigen andere Autoren in dem genannten Buch aus dem Herder-Verlag. Heidegger liebte nicht den öffentlichen Streit und Disput,  die für Arendt eigentlich seit 1933 so entscheidend wurden. Um so erstaunlicher, dass die (immer noch – etwas ? – liebende) Hannah Arendt diese Denk-Strukturen bei ihrem einstigen Geliebten offenbar übersah.

Copyright: Christian Modehn

 

 

Salon am Fr., 16. Dezember 2016: Was ist uns (noch) heilig?

Der Religionsphilosophische Salon debattiert am Freitag, den 16. Dezember 2016, um 19 Uhr, über ein Thema, das entfernt, vielleicht für manchen auch näher, zum Weihnachts – Fest (bzw. – Trubel) gehört:

“Was ist mir, dir, uns heute (noch) HEILIG?” Sicher nicht bloß der “Heilige Abend”. Also: Was bedeutet eigentlich heilig? Was ist dagegen profan, weltlich? Stimmt diese Gegenüberstellung? Kann für manche nicht sehr Profanes in den absoluten Mittelpunkt rücken und so heilig für ihn werden? “Macht” sich also vielleicht jeder Mensch Heiliges? Kann aber Heiliges wirklich “machen”? Ist vielleicht die Würde der Person das einzige, was das Prädikat heilig verdient? Wenn man es theologisch will: Seit Gott Mensch geworden ist, ist jeder Mensch als Mensch als heilig. Welchen Sinn haben dann noch Religionen und Kirchen, die abgegrenzte Bezirke des Heiligen noch pflegen?

Das könnte ein spannender Disput werden, auch zu einem politischen Thema: Offenbar wird leider für immer mehr Menschen “die Nation”  wieder heilig: “America first”. “La France d` abord”. Oder auch leider wieder wie seit 1933: “Deutsche und Deutschland zuerst”. Diese Slogans bringen das vernünftige Denken so vieler zum Erliegen und … gerissene Populisten an die Macht.

Von jedem Teilnehmer, jeder TeilnehmerIn, erbitte ich wieder 5 € für die Raummiete. Ich selbst mache Philosophisches bekanntermaßen gratis, aber hoffentlich für Sie, für mich, nicht “umsonst”.

Der ORT: Die Kunstgalerie FANTOM, Hektorstr. 9 in Wilmersdorf.

Trump ist gewählt: Philosophische Hinweise zu einer Niederlage der Vernunft

Ein Hinweis von Christian Modehn am 9. November 2016.

Aktualisierung am 21.November 2016: Einige LeserInnen fanden die Stellungnahme des „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin“ vom 9.11. 2016 (siehe weiter unten) zur Wahl von Mister Trump zum Präsidenten der USA mit dem Titel „Philosophische Hinweise zu einer Niederlage der Vernunft“ zu heftig. Zumal wir die richtigen philosophischen-ethischen Erkenntnisse von Kant und Hannah Arendt tatsächlich aus dem allgemein Gültigen befreiten und einmal anwandten und dann eben zeigten: Das Sprechen und das Tun des Präsidentschaftskandidaten Trump kann nur mit dem moralischen Prädikat „böse“ bezeichnet werden.

Was von einigen als Ausdruck radikaler philosophischer und ethischer “Spekulation” missverstanden wurde, bestätigt nun David Cay Johnston historisch und faktisch. Er ist angesehener Investigationsjournalist (unter anderem bei der “New York Times”), Autor zahlreicher Studien und jetzt auch Verfasser des aktuellen Buches „Die Akte Trump“, auf Deutsch erschienen bei ECOWIN, Salzburg 2016, 352 Seiten.

Im TAGESSPIEGEL vom 21. November 2016, Seite 19, bietet Johnston in einem Interview mit Gerrit Bartels in einer Art Kurzfassung ein Charakterporträt des neuen US Präsidenten. Dieses Interview halten wir sozusagen für eine Art „Pflichtlektüre“. Der Titel des Beitrags ist ein Zitat von Johnston „Der Umgang mit ihm (Trump) ist extrem gefährlich“. Die Erkenntnis von Johnston, so wörtlich: “Trump hat keine Moral”

Nur einige weitere zentrale Aussagen von Johnston aus dem TAGESSPIEGEL Interview: „Trump ist emotional unterbelichtet. Er denkt nur in den Kategorien von Rache, von Auge um Auge, Zahn um Zahn; ihm geht es um nichts anderes als Geld, Macht, Ruhm….Dieser Mann ist ein Hochstapler. Er ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Man muss ihn trotzdem höchst vorsichtig behandeln, weil der Umgang mit ihm extrem gefährlich ist. Er versucht immer wieder die Leute zu kompromittieren und mit Klagen zu überziehen…Er ist ein Manipulator. Und ich versuche, die Dinge ans Licht zu bringen, die er nicht erzählt, seine Verfehlungen…Trump hat seine Biographie geschönt…Allein die geschäftlichen Verbindungen Trumps zu russischen Oligarchen werfen viele Fragen auf…. Wir hatten schon einen Paranoiker wie Richard Nixon als Präsidenten, aber einen, der mit Kriminellen Geschäfte macht? Nein!… Donald Trump denkt nur an sich, nicht an die, die ihn gewählt haben. Er ist nicht intelligent. Er ist nicht fleißig. Er hat kein historisches Verständnis. Er ist unglaublich ignorant. Er ist nicht selbstreflektiert“…  Wir erinnern jetzt an die Erkenntnis von Hannah Arendt: “Ohne Selbstreflexion kann kein Mensch ein moralisch wertvoller, ein guter Mensch sein” (Hannah Arendt dachte dabei an die Nazis).  Zum Text des Interviews mit Johnston im Tagesspiegel klicken Sie hier.

Aktualisierung am 12.11.2016: Dieser weiter unten publizierte Diskussionsbeitrag hat erfreulicherweise einige Nachfragen gebracht. Zum Beispiel: “Sollen Politiker moralisch handeln und den Grundsätzen der Moral entsprechend auch reden”,  fragt ein Leser. Eine philosophische Antwort heißt: Ja, natürlich, auch ein Politiker darf sich wie jeder andere Mensch nicht, darf sich niemals, über die Gesetze der – im Sinne Kants universalen und allgemeinen – Moral (Kategorischer Imperativ) erheben. Selbst die Verantwortungsethik lässt nicht zu, dass ein Politiker ständig lügt, rassistische Sprüche verbreitet, Ausländer offenbar als minderwertige Menschen betrachtet usw., um sein Ziel, die Herrschaft, die Präsidentschaft, zu erlangen.

Es gibt ab sofort ständig bedenkenswerte und leider traurig stimmende Kommentare von kompetenten Kennern der USA. Dabei nennen selbst moderate Beobachter immer wieder die mit Trump nun gegebene Gefahr eines US-Faschismus oder zumindest eines extremen Fremdenhasses, mit der Gefahr eines Bürgerkriegs; in den USA gab es schon einmal zwischen 1900 und 1920 entsprechende “Spannungen”.

Für uns als Religionskritiker ist wichtig: Es bedarf der dringenden Analyse, warum mehr als 80 Prozent aller Evangelikalen Protestanten – das sind viele Millionen – Trump gewählt haben. Man liest immer wieder als entscheidende Begründung: Weil Trump für “pro life” ist. Kann dies aber das wichtigste Kriterium sein für Christen, einen solchen Typen zu wählen? Man hat den Eindruck: Bei vielen Evangelikalen hat der Glaube an pro-life den Glauben an eine befreiende und humane christliche Botschaft ersetzt. Und man darf gespannt sein, ob und wie sich evangelikale Organisationen in Deutschland von ihren evangelikalen TRUMP-Freunden distanzieren.

Wichtig ist und inspirierend ein Beitrag desPublizisten und Kulturpolitikers Michael Naumann zu Trump. Einige Hinweise dazu am Ende dieses Beitrags.

Am 9.11. 2016 hat der Religionsphilosophische Salon Berlin publiziert:

Was lässt sich in aller Kürze, als Diskussionsbeitrag, philosophisch sagen über einen Mann, der nun, am 8.Oktober 2016, zum „mächtigsten Mann der Welt“ gewählt geworden ist? Der eigentlich keine Ahnung hat von dem Geschäft des Politischen? Der in seinen Propaganda-Aussagen schonungslos seinen Launen folgte und nicht den Fakten traute; der etwa angesichts unzweifelhafter Tatsachen, wie etwa dem Atlas zu den folgenreichen Klimaschäden, nur wie ein Dummkopf sagen konnnte: „Ist mir egal“. Ein Mann, der von wütendem und wildem Hass auf “andere” nicht nur geprägt ist, sondern diesen auch öffentlich und stolz aussprach. Und das alles in einer Nation, die über die besten Universitäten der Welt verfügt, in der es intellektuelle Debatten ständig gibt, in der über bessere Formen der Demokratie wenigstens diskutiert wird, über Gewaltfreiheit und Mitgefühl: In einer solchen Kultur erscheint Trump wie ein Beispiel einer Regression, wie eine Mischung aus Ignornanz und Dummheit. Trumps Erfolg ist ein Beweis, dass die intellektuelle Kultur nur eine Sache der größeren Minderheiten war.

Es ist philosophisch klar: Diese Person weigert sich umfassend und selbstkritisch zu denken. Einen Immobilienbetrieb zu führen setzt nicht unbedingt kritisches Nachdenken im umfassenden Sinne der Humanität voraus. Beim Handel mit Immobilien geht es meist um trickreiches Geldraffen, da ist kein Nachdenken im umfassenden Sinne dabei.

Trump hat jedenfalls aus taktischen Gründen, um seine Kandidatur stark zu machen, selbst öffentlich bekundet, dass er nicht kritisch nachdenken will, etwa über absolut geltende humane Menschenrechte, über den Respekt und die Rechte von Frauen, Ausländern usw. usw. Er hat die Spaltung des Landes USA weiter vertieft und unzählige tiefe Wunden geschlagen. Er hat die Errungenschaften der Menschlichkeit, die Menschenrechte, lächerlich gemacht. Solches Verhalten ist philosophisch gesehen böse.

Schlimm ist weiter, dass er mit seiner öffentlich bekundeten Ablehnung, selbst umfassend kritisch zu denken, bei seinen Fans Zustimmung findet: Entweder denken sie selbst auch schon lange nicht mehr kritisch-umfassend. Oder sie werden nun von ihrem Präsidentschafts-Kandidaten als Vorbild eingeladen, ebenfalls mit dem Denken aufzuhören und nur Sprüchen zu folgen, dem Bauch, dem Nationalismus als Gefühl usw. Diese Menschen sind außerstande oder haben es nie gelernt, die eigenen Maximen, etwa den eigenen blinden Nationalismus und Fremdenhass, mit dem Kategorischen Imperativ zu konfrontieren. Sie vertrauen mehr auf die Kraft der eigenen privaten Waffen als dem kritischen Nachdenken.

Diese Entwicklung kann philosophisch gesehen nur als schlimm bewertet werden. Denn das Nicht-Selber-Denken- wollen ist der Ursprung des Bösen: So einfach und so richtig ist diese Erkenntnis, die Hannah Arendt ausführlich begründet hat und hier nicht wiederholt werden muss. Aber man sollte sie immer studieren, auch in Deutschland, auch in Frankreich, auch in Österreich usw…Wer philosophisch betrachtet böses Denken bestimmt, leugnet ja nicht  die Mißstände auf der “anderen Seite”, der “anderen Partei”.  Es geht jetzt nur um den speziellen Focus, um die Bestimmung dessen, was nach dem 8. November 2016 “auf uns” möglicherweise zukommt…

Kant sagt: Jede Lebenseinstellung, er spricht von “Maximen”, muss vom einzelnen Menschen immer auf ihren auch für alle anderen gültigen Wert überprüft werden. Und zwar mit dem Kriterium des kategorischen Imperativs: D.h., kurz gesagt: Kann meine Maxime allgemeines Gesetz werden? Klar ist: Die Reden Trumps können vor dem Kategorischen Imperativ überhaupt nicht bestehen. Also sind sie philosophisch gesehen schlicht und einfach böse. Wer wagt das zu sagen? Die Philosophen. Kritische Propheten, wie einst in Israel, gibt es ja in den Kirchen bekanntermaßen nicht mehr; vielleicht melden sie sich, wie üblich, wenn es zu spät ist. Und die Maximen der nationalistischen Wähler sind ebenso, philosophisch betrachtet, ebenso böse.  Nationalismus als Maxime ist tödlich für “die anderen”, die zu Feinden erklärt werden: Nationalismus ist also philosophisch gesehen böse, ist eine dumme Flucht in eine (alte) Ideologie, die nur Mord und Totschlag der Menschheit gebracht hat. Sind denn alle Veranstaltungen der Erinnerung an den 1. oder 2. Weltkrieg nichts als Spielerei gewesen?

Trump sagt: America zuerst. Diese Sprüche kennt man. Sie hat der Rassist und Antisemit Jean-Marie Le Pen in Frankreich als erster auf seine Art vor vielen Jahren schon verwendet: “La France d` abord”, “Frankreich zuerst”. Nun also sagt auch trump: “Die USA zuerst”.  Trump schämt sich offenbar nicht, dass ihm die rechtsradikalen Parteien, ihre Führer, Madame Le Pen, Wilders und die FPÖ Leute so schnell zu seinem Sieg gratulierten. Werden die Europäer diese nationalistischen Typen noch stoppen können?

Ethisch ist es zudem verwerflich, wenn Trump Versprechungen machte, von denen man weiß, dass er sie nicht einhalten kann und auch nicht einhalten will. Solche falschen Versprechungen sind letztlich Lügen, sie zerstören den menschlichen Zusammenhalt einer Gesellschaft und eines Staates. Jetzt, am 9. November 2016,  zu sagen: “Ich bin der Präsident aller Amerikaner”, ist nur verlogen und kann nicht geglaubt werden, wenn man vorher schon seine falschen Versprechungen als solche wahrgenommen hat. Wie werden die Getäuschten damit umgehen?

Nun können und sollen Trump-Wähler als Personen natürlich nicht verteufelt werden und als personifizierte Beispiele des Bösen hingestellt werden. Eher sind sie bedauern. Sie tun einem leid, angesichts der vielen Tubulenzen, die sich selbst und anderen angerichtet haben. Aber wenn Philosophie eine aktuelle Bedeutung hat, kann sie nur sagen: Da entwickelt sich seit den Wahl-Polemiken und dem Sieg von Trump in den USA wirklich Böses. Da geht in einem Staat eine ungute Entwicklung weiter, die natürlich in der exzessiven und perversen Spaltung von (Ultra) Reichen und Armen, in dem dem Militarismus usw. schon eine lange Vorgeschichte hat. Ob es zu Korrekturen kommen kann? Ob die Menschen wieder selber denken lernen? Wenn sie das tun, müssten sie sich von Trump sehr bald verabschieden. Ist es dafür zu spät? Wie heftig werden die Auseinandersetzungen in den total zerrissenen USA alsbald sein? Vielleicht geschieht ein Wunder? Könnte es nicht sein, dass sich Trump auch zu einem „lupenreinen Demokraten“ (Gerhard Schröder, immer noch SPD, über Putin) entwickelt? Putin, der “Lupenreine”, hat ja Trump als erster herzlich zum überwältigenden Sieg gratuliert….Nun ist es so: Philosophen glauben trotz aller Verirrungen in den USA und anderswo an die Kraft der Vernunft. Aber nicht an Wunder.

Die Vernunft ist oft schwach, manchmal aber noch wirksam. Und davon lassen sich Philosophen – gerade auf den Spuren Kants – leiten: Kant hatte die richtige Einsicht: Die Aufforderung im Gewissen, dem Kategorischen Imperativ zu entsprechen und die eigenen egoistischen Maximen am Kategorischen Imperativ kritisch zu messen, wäre sinnlos, wenn dieser Aufforderung als einem Geschehen der Freiheit keine Antwort des Menschen entsprechen könnte. Mit anderen Worten: Der Mensch kann in seiner Freiheit das Böse in sich selbst überwinden. Er kann gut sein, wenn er sich dazu nur entschließt,  seinem Gewissen folgend und auf es hörend! Diese Möglichkeit hat natürlich auch Mister Trump. Er kann seine dummen nationalistischen Sprüche beenden und politisch die Menschenrechte respektieren. Wenn er den Willen dazu hat.

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Einige Hinweise zur Persönlichkeit TRUMPS durch Michael Naumann: Er ist Publizist und Kulturpolitiker, Kenner der USA, er schreibt im „Tagespiegel“ vom 11. November 2016 zu den zentralen Aussagen Trumps während des Wahlkampfes:

„So viel gelogen wie Trump hat noch kein amerikanischer Präsidentschaftskandidat in der jüngsten Geschichte“

„Es ist sein Siegeszug, der eines zweifellos rassistischen und außerordentlich ungebildeten Immobilien-Moguls“

„Er pflegte die vulgäre sexistische Sprache eines Schauermanns der fünfziger Jahre“.

„Dass er die unmittelbaren ökonomischen Folgen auf dem Arbeitsmarkt, etwa Kohle fördernder US-Staaten, revidieren kann, wird er selbst nicht glauben“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

 

Welttag der Philosophie 2016: Im “Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin”

Der “Religionsphilosophische Salon Berlin” hat in den vergangenen Jahren anläßlich des Welttages der Philosophie eigene größere Veranstaltungen organisiert. In diesem Jahr, 2016, findet der Welttag am Donnerstag, den 17. November, statt. Unser philosophischer Salon bietet einen Tag später, am Freitag, den 18. November, einen, von der Teilnehmerzahl kleineren, Salon an zu einigen aktuellen Aspekten im Denken des Philosophen Leibniz.

Wir treffen uns wieder in der Galerie Fantom, Hektorstr. 9 in Wilmersdorf, um 19 Uhr. Für die Raummiete werden 5 Euro erbeten.

Wegen der begrenzten Anzahl von Plätzen ist allerdings eine Anmeldung erforderlich, bitte an: christian.modehn@berlin.de

 

Luther würde sagen: Es ist genug! Hört auf, mich zu bejubeln. Eine Art Zwischenruf

Von Christian Modehn. Vorschläge für eine neue Reformation anno 2016.

Das aktualisierte Motto: “Welches Buch haben Sie nicht zu Ende gelesen?” fragt “Der Tagesspiegel” am 11.12.2016 Margot Käßmann, die “Botschafterin für das Lutherjubiläum 2017”. Die Luther – bzw. Reformations-Botschafterin antwortet: “Nicht zu Ende gelesen habe ich die gefühlt 17. Lutherbiografie”. Also, so sagt man sich auch:”Es ist genug, es reicht”…

Natürlich kann ich nicht mit 20 Fußnoten belegen, dass Luther in irgendeinem Brief oder bei einem Tischgespräch seinen Freunden zurief: „Hört auf, mich zu bejubeln“. Aber es ist – von außen betrachtet – mehr als wahrscheinlich, dass er bei all den aktuellen Jubelfeiern, Gedenkfeiern genannt, doch jetzt sagen würde: „Ich bin zwar in mancher (!) Hinsicht noch inspirierend und manchmal noch wichtig. Aber heute, angesichts dieser Welt im Jahr 2016, gibt es wirklich Dringenderes als mich und die Wittenberger Reformation“. Gerade für religiöse Menschen, die sich Christen nennen und Protestanten speziell. Also: „Wendet euch dem Dringenden zu“, würde Luther sagen. Fraglos inspirierend bleibt sein Mut, der allmächtigen Herrschaft der römischen Kirche entgegenzutreten und eine andere Gestalt von Kirche tatsächlich dann zu fördern. Fraglos wichtig bleibt seine Lehre vom „allgemeinen Priestertum“ aller Christen ebenso die Ermunterung, dass ein jeder selbst die Bibel lese und … historisch-kritisch studiere, möchte man anfügen. Abzulehnen bleibt Luthers gewalttätige Abwehr eines sozialkritischen Glaubens an der Seite der Armen, vertreten durch Thomas Müntzer, den er hasste. Abzulehnen bleibt Luthers viel besprochener und leider so wirksam gewordener Antisemitismus. Abzulehnen bleibt seine bis heute spürbare Bevorzugung der staatlichen Autoritäten… Alle diese guten und diese unerfreulichen Aspekte Luthers sind allmählich, bis hin zu den theologisch eher wohl ein bißchen uninteressierten BILD-Zeitungslesern, bekannt. Sollen alle diese historischen Luther-Themen nun monatelang weiter, auch durch den Kirchentag 2017, erneut in aller Popularisierung durchgekaut werden? Gott bewahre uns davor! Schon vor der Luther-Bücherflut im Herbst 2015 konnte ER uns nicht retten, klicken Sie hier. Mit Luther lässt sich eben doch auch Geld machen, und seien es die Buch- und Vortragshonorare.Und die Kirche kann mit staatlichen Fördermillionen feinste Luther-Gedenkstätten, also Museen, schaffen.

Es geht angesichts einer Welt zunehmender Gewalt, Krieg, Zerstörung, Wahn der Dikatoren usw.  heute darum, die religiösen Traditionen und theologischen Debatten auf den zweiten Platz zu setzen. Also die Luther-Lehren, die katholischen und evangelischen Dogmen und religiösen Weisheiten und alle die hübschen Erinnerungen an das 16. Jahrhundert, all das sollte bitte nicht länger im primären Interesse von Information, Bildung, Veranstaltung kirchlicherseits stehen. Dringend ist es in der heutigen Lage der Menschheit nicht, alle Details über Luther zu wissen. Natürlich muss es historisch-kritische Luther-Forschung geben. Aber was nützt all diese Kenntnis, um wenigstens schrittweise eine gerechtere Welt zu schaffen? Um die Menschen zu mobilisieren, für den Frieden und die universale Gerechtigkeit wirksam einzutreten? Ob dabei die ewigen und so oft durchgekauten Debatten über reformatorische Lehren, Zwei-Reiche-Lehren usw. weiterhelfen, darf sehr bezweifelt werden. Es geht nicht nur um die für religiöse Menschen zugängliche Wahrheiten. Es geht um die Verbreitung von elementaren ethischen Einsichten, die sich der Vernunft, jeder Vernunft, erschließen. Es ist eben ein grober Denk-Fehler, wenn etwa Antje Jackelén, die lutherische Bischöfin von Uppsala, Schweden, sagt: “Wir müssen den Flüchtlingen helfen, weil wir Christen sind” (FAZ 31.10.2016, Seite 4). Nein, es muss heißen: “Wir müssen als Menschen den Flüchtlingen helfen, wir müssen helfen, weil wir Christen wie alle anderen eben auch und zuerst Menschen sind”. Der christliche Glaube (Beispiel: Barmherziger Samariter usw.) kann lediglich verstärkend und unterstützend die allgemeine, für alle gültige Ethik unterstützen! Es gibt in dem Sinne eben keine “christliche Ethik”!

Wichtig ist, so kann man in einem philosophischen Denken meinen, also die Bildung und Verbreitung der Ethik, einer politischen Ethik. Sie stellt die sich stets weiter entwickelnden Menschenrechte in den Mittelpunkt des Interesses und der zentralen Verpflichtung unseres Menschseins. Selbst wenn diese Menschenrechte in Europa dank der Philosophie und des Humanismus (fast gar nicht dank der Kirchen !) entstanden sind, so sind sie doch für alle Menschen gültig, selbst wenn die USA, offenbar noch eine Demokratie, in ihrer Politik permanent die von ihnen hoch geschätzten Menschenrechte so oft ignoriert haben und ignorieren…

Also: Auch für eine der Menschheit dienende Kirche (“Kirche für andere”, Bonhoeffer) gilt heute: Die Menschenrechte zuerst, die ethische Bildung zuerst, die politischen Debatten in diesem Sinne zuerst auch in den Kirchen. Und das hat zur Konsequenz: Es muss der nationale Egoismus überwunden werden. Es gilt, tatsächlich das große Projekt zu bearbeiten: Aufbau einer gerechten Gesellschaft; Schluss damit, dass sich die reichen Christen angewöhnen,die Millionen Hungernder einfach so zu akzeptieren; Beendigung des Waffenhandels durch sich christliche nennende Staaten. Erst wenn sich die Kirchen primär an diesem Thema abgearbeitet haben, kann man das weite Feld des Religiösen studieren… und ein bißchen, in vernünftigen Rahmen, auch Luther feiern. Welche Art von Verstopfung Luther hatte, wie er sprach, wie er liebte, wie zornig er sein konnte und so weiter: Das ist alles Folklore, unnützes Wissen. Populär gemachtes Bla Bla aus Gründen der Anbiederung.

Nützliches Wissen ist für die Christen, eben weil sie Menschen sind: Was ist der Kategorische Imperativ im Sinne Kants, das universale moralische Gesetz; was ist die „Goldene Regel“, was ist Empathie. Eine Kirche, die sich der jesuanischen Reich-Gottes-Idee verpflichtet weiß, also der gerechten Gesellschaft, kann tatsächlich und muss es auch im Sinne Jesu, Ethik wichtiger nehmen als interne religiöse Dogmen und Weisheiten. Die kann man ja pflegen, aber bitte erst, wenn alle Gottesdienste im Luther-Gedenkjahr sich um die Ausbildung einer humanen Ethik drehen. Dann wird man erkennen: Eigentlich ist der christliche Glaube etwas – von der Lehre her gesehen – Einfaches: Er ist die Lebenshaltung der Liebe, der Hoffnung, des Glaubens an eine Dimension des Göttlichen, das in allen menschlichen Leben wachgerufen werden kann. Der christliche Glaube hat jedenfalls in dieser alles entscheidenden elementaren Form nichts zu tun mit den 814 Seiten eines katholischen Katechismus, der ziemlich alle Details des Innenleben Gottes zu kennen meint; ein evangelischer Katechismus ist nur etwas kleiner.

Sagen wir es kurz und bündig: Glauben ist zuallererst ethische Praxis; Glauben ist Leben nach den Menschenrechten. Man lese bitte wieder Kant, etwa das Buch „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“. In der „moralischen Anlage“ des Menschen, jedes Menschen, sah Kant „eine Heiligkeit“. Er sprach davon, dass diese moralische Anlage im Menschen (also der kategorische Imperativ) eine „göttliche Abkunft habe“. So viel Göttliches IM Menschen reicht, um menschlich zu leben mit anderen. Meister Eckart sah das nicht viel anders!

Kant ist also weder Atheist noch „veraltet“. In seinem Sinne gilt: Es würde den Kirchengemeinden gut anstehen, die ethische Bildung, auch gesprächsweise mit den Muslims, in den Mittelpunkt zu stellen, im Verbund mit Menschenrechts-Organisationen.

Welche ethisch-moralischen Katastrophen auch aus dummer Frömmigkeit entstehen, sieht man gegenwärtig in den USA und dem dortigen Wahl-Gemetzel. Die unflätigen Hass-Attacken eines Herrn Trump finden jubelnd Zustimmung bei einer Bevölkerung, die ganz überwiegend nicht nur christlich, oft evangelikal ist, sondern auch zu eifrigsten Kirchengängern zählt. Wie passt das alles zusammen? Diese Frommen haben kein Nachdenken gelernt, kein Reflektieren, sie haben kein Bewußtsein von universaler Ethik. Sie denken mit dem Bauch. Die sich zum Hass aufstachelnden Trump-Freunde haben von ihren (evangelikalen oder pfingstlerischen) Predigern offenbar so viel spirituellen Blödsinn gehört, dass sie jetzt auf diesem Niveau gelandet sind. Damit ist nicht gesagt, dass Hillary Clinton in ihrer Lust, “die amerikanische Macht weltweit unbedingt zu stärken” politisch klug ist und dem Welt-Frieden dient. PS: Zum Wahlverhalten der “weißen Evangelikalen” in den USA am 8. Nov. 2016: Siehe den Beleg für unsere These zur Trump Nähe und evangelikaler Frömmigkeit unten, am Ende des Beitrags.

Es ist schon verstörend, dass die Luther-Jubelfeiern vor allem in einem Bundesland Sachsen-Anhalt stattfinden, in dem die AFD leider so unglaublich hohe Zustimmung findet. 17 Prozent der Protestanten haben AFD gewählt. Bei den Katholiken waren es genauso viele. Luther-Jubel, Luther Restauration (alle diese renovierten Luther-Häuser als Museen)  in einem von der AFD geprägten Land, das ist bis jetzt noch kein Thema. Allgemein übersetzt: Luther und der (neue) Nationalismus sollte bearbeitet werden.

Die Verirrungen in der Mentalität in den USA zeigen einmal mehr, wie wichtig es jetzt ist, wenn Luther sagt: „Hört auf mit allen theologischen Spitzfindigkeiten. Kümmert euch nicht so sehr um mich, den spätmittelalterlichen Mönch; kümmert euch um die Entwicklung einer Menschenrechts orientierten universalen Ethik, werdet reife, werdet nachdenkliche Menschen, kritische Bürger“. Und der fromme Mann würde wohl hinzufügen: „Allein dies gefällt Gott!”

PS: Dass hier vom römischen Katholizismus so wenig gesprochen wird, liegt lediglich an dem Fokus dieses Beitrags. Die Forderung: “Universale Ethik ist wichtiger als römischer Glaube” gilt selbstverständlich auch für den Katholizismus. Hier wäre noch von dem viel massiveren Klerikalismus zu sprechen, jener unverzeihlichen Sünde Roms, die schon Jan Hus, aber auch Luther richtigerweise, aber erfolglos, attackierten. Bis heute. Man lese etwa die entsprechende Kritik von Papst Franziskus an der ihn umgebenden Kurie, als dem “Hof” der Kardinäle und Prälaten…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Weiße Evangelikale absolut für Trump: 1.Despite reservations expressed by many evangelical and Republican leaders, white born-again/evangelical Christians cast their ballots for the controversial real estate mogul-turned-politician at an 81 percent to 16 percent margin over Hillary Clinton”. Quelle: http://www.christianitytoday.com/gleanings/2016/november/trump-elected-president-thanks-to-4-in-5-white-evangelicals.html gelesen 9.11. 2016,  19.00 Uhr.

2. : White evangelical voters have been reliable Republican voters for decades, but this year some are having trouble reconciling their Christian values with Donald Trump’s unholy language. Quelle: http://abcnews.go.com/Politics/evangelical-values-voters-struggle-choosing-trump-president/story?id=43303321    gelesen am 9.11. 2016 19.00 Uhr.