„Damit es aufhört“: Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Das neue Buch von Matthias Katsch über Leiden, Kampf und … Leben.

Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
Der noch längst nicht umfassend aufgeklärte Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester ist nicht eines von vielen Themen innerhalb der Kirche. Auch kein „Problem“, das nur einzelne aus dem Umfeld der „Betroffenen“ zu interessieren hat. Der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester erschüttert vielmehr die gesamte Lebensform und Struktur der römischen Kirche, ihre bisherige Glaubenspraxis sowie ihre klerikal dominierte Glaubenslehre. Diese Kirche steckt also in einer tiefen Krise der Glaubwürdigkeit. Was könnte für eine Kirche schlimmer sein?
2.
Das ist die eine, die offizielle, die theologische bzw. religionskritische Ebene des Themas.
Die andere „Ebene“ ist genauso wichtig: Die Menschen, vor allem die Katholiken, sollten hören auf das, was die Leidtragenden, die einst und heute Missbrauchten, zu sagen haben. Es gilt also menschliche Nähe zu leben, Verstehen, Fürsorge, Solidarität, Bereitschaft zur Buße und zum Wandel.
Noch einmal: Vor allem gilt es zu hören auf das, was die „Betroffenen“ erlebt, d.h. erlitten haben, erleben und erleiden noch immer in einer Kirche, die eher schweigt, wegschaut und verdrängt. Es gilt zu verstehen, wie und unter welchen Bedingungen die Opfer nach all den Untaten mit Mühe überlebt haben und überleben. Das ist kein neugieriges Interesse, sondern es gilt, Schlimmes zu verhindern, Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, und zwar ab sofort. Per Gesetz, Bildung, Kontrolle. Letztlich aber: Durch ein „neues Denken“ und eine neue Praxis.
3.
Wer sich noch geistig – seelisch bewegen lässt, wird bewegt und erschüttert, wenn man liest, wie einige der einst missbrauchten Jugendlichen, jetzt Männer und Frauen zwischen 70 und 20, damit ringen, die Wahrheit, ihre Lebenswahrheit, öffentlich zu sagen. Einer der Mutigen ist Matthias Katsch, Jahrgang 1963, seit über 10 Jahren setzt er sich offen und in der Öffentlichkeit mit seiner von Missbrauch geprägten Lebensgeschichte auseinander. Matthias Katsch ist inzwischen zu einer ganz wichtigen, entscheidenden Stimme der vielen geworden, die als Jugendliche Gewalt und Perversion von Priestern erlebten. Und zwar ist er nicht nur in Deutschland vielen Menschen bekannt geworden, die die Wahrheit wissen wollen. Er hat sich mit den Fakten, den schlimmen, nicht abgefunden; er hat, so schwer es auch war, Ohnmachtsgefühle angesichts der Macht der Kirchenbürokratie überwunden. Er hat gekämpft und er kämpft.
4.
Matthias Katsch und andere Opfer klerikalen sexuellen Missbrauchs verlangen zurecht, dass die katholische Kirchenführung ihre tiefe Schuld eingesteht. Und die Opfer auch finanziell nicht nur mit einer Spende unterstützt, sondern ihnen auch angemessene finanzielle Entschädigung leistet. Aber bitte nicht aus der Kirchensteuer, die ja bekanntlich nicht betroffene, gutmütige Laien zahlen… „Entschädigung ist auch eine Form der Anerkennung des schuldhaften Verhaltens der Kirchenführung und eine Form, Verantwortung zu übernehmen“, schreibt Matthias Katsch in dem neuen Buch „Damit es aufhört“ (S. 148).
5.
Matthias Katsch wurde als Schüler im Berliner Canisius Kolleg (Abitur dort 1981) von zwei Jesuitenpatres missbraucht. In seinem Buch „Damit es aufhört“ (Nikolai Publishing, Berlin, 2020)
berichtet Katsch zunächst von seiner Schulzeit im Canisius Kolleg, das damals wie heute, wenn nicht als Eliteschule, so doch immer noch, fast in der Wertung identisch, sich als „Jesuiten-Gymnasium“ präsentiert. Selbst wenn dort heute nur noch ca. 3 Jesuiten als Lehrer unter den vielen anderen Lehrern tätig sind…
Matthias Katsch nennt in seinem Buch, diskret und vornehm, nicht die Klarnamen der beiden Jesuiten, die ihn missbrauchten. Dabei weiß heute jeder kundige Leser aus der Presse, dass es sich dabei um Pater Peter Riedel und Pater Wolfgang Statt handelt. Beide haben den Orden inzwischen verlassen, sind seit einigen Jahren aus dem Priesteramt ausgeschieden und mit geringen Geldstrafen „davon gekommen“…
6.
Der eine, Pater Riedel, hat sich in Beichtgesprächen an die Jungen, auch an Matthias Katsch, herangemacht. Natürlich, wie in der Beichte schon bei Kindern und Jugendlichen üblich, fragte er nach der Sexualität. Bis der Junge dann schließlich, wie andere auch, auf dem Bett des Paters im Kloster selbst nackt lag und masturbierte: Der Pater, im Sessel sitzend und (wohl nicht nur) betrachtend… Diese Praxis sollte die Jungen, so die Wahnvorstellung von Pater Riedel, von der Gewöhnung ans Masturbieren befreien… So offen spricht Matthias Katsch vom erlebten Missbrauch in dem Buch.
7.
Pater Statt hingegen hat als Sadist („mit einem Fetisch für das gerötete Hinterteil“, wie Katsch schreibt) die Jungen, auch Mathias Katsch, nach allerhand diffusen spirituellen Erläuterungen in eigens arrangierten Sitzungen vielfach und ausdauernd mit allerhand heftigem Gerät auf das Gesäß geschlagen. Auch das berichtet Matthias Katsch. Erst der Mut der Deutlichkeit erzeugt erst eine Vorstellung vom Ausmaß der Verletzungen, vor allem der Seele, durch diese „Praktiken“. Nur so erhält der Leser auch eine gewisse Ahnung von der sexuellen Energie dieser Patres: Was haben diese so genannten geistlichen Herren für Zeit aufgewendet, um relativ unkontrolliert ihre „Praxis“ des Missbrauchs aufzubauen. Wie lange haben sie sich wohl Tricks und Lügen überlegt, um die Jungen „rumzukriegen“…
8.
Diese Jesuiten wurden – wie weltweit üblich in solchen „Fällen“ – als Priester noch viele Jahre von einem „Wirkungsort“ zum anderen geschickt, „versetzt“, wie es in der Sprache der Kirchenbürokraten heißt. Schließlich verbreiteten sich irgendwelche hässlichen Gerüchte, denen die Oberen nicht detailliert nachgingen. Sie versetzten die Täter an andere Orte! Dort konnten sie sich über Jahre weiterhin dem sexuellem Missbrauch hingeben. Und Menschen quälen. Das heißt: Noch einmal, wie weltweit üblich: Die Ordensleitung wusste von den Taten der beiden, sie tat aber nichts gegen die Täter, zeigte sie nicht bei den staatlichen Gerichten an und interessierte sich auch nicht für die Opfer. „Die Schulleitung und der Jesuitenorden haben die Täter geschützt“, so Matthias Katsch (S. 47).
9.
Der Autor spricht ehrlich, immer persönlich, auf das Mitdenken und Mitfühlen des Lesers vertrauend, ohne jede Wehleidigkeit über sein Leben und Leiden. Er spricht von Depressionen, die ihn überfielen, von der Tendenz, in die Sucht abzurutschen, aber auch von der Hilfe seines Lebenspartners. Der Autor zeigt aber auch, wie er entschlossen war und ist: Niemals in der Schwäche des bedauernswerten „armen“ Opfers aufzutreten und zu handeln, etwa in den vielen öffentlichen Auseinandersetzungen zum Thema, an denen er so oft teilnimmt. Inzwischen ist er über die Betroffenen Initiative „Eckiger Tisch“ auch sehr gut mit ähnlichen Gruppen auf der ganze Welt vernetzt. Und er zeigt im zweiten Teil seines Buches im Rückblick, nach 10 Jahren Kampf um die Freilegung des sexuellen Missbrauchs in der römischen Kirche: „Die Menschen, also die Opfer, wurden dem Erhalt eines Kirchen- Systems geopfert, das darauf ausgerichtet ist, die Herrschaft einer kleinen Gruppe von auserwählten Männern über die vielen Millionen KatholikInnen in der Welt aufrechtzuerhalten… Das Ansehen der Kirche(nhierarchie) durfte nicht beschädigt werden. Dem war alles andere untergeordnet.“ (S. 120).
10.
Matthias Katsch hat ein Buch geschrieben, das zweifellos viele LeserInnen finden sollte; es wird die weiteren Debatten befeuern. Ich hätte mir sogar ein noch umfangreicheres Buch vom Autor gewünscht, in dem er ausführlich seine Beobachtungen zum Umgang mit dem sexuellen Missbrauch der Kirche in den USA, in Lateinamerika, Frankreich, Holland oder auch Polen usw. mitteilt. Vielleicht folgt ja noch ein „zweiter Teil“.?
11.
Hat sich der Kampf nach 10 Jahren wenigstens etwas gelohnt, in dem Sinne: Werden die Opfer jetzt gehört, gestehen die Täter ihre Untaten ein, gibt es jetzt umfassenden Schutz für Kinder in kirchlichen Einrichtungen? Matthias Katsch stand während der „Synode zum Missbrauch “ im Vatikan als Betroffener sozusagen draußen vor der Tür; im Plenum des Klerus durfte er nicht sprechen. Sein Protest mit vielen anderen wurde international wahrgenommen, aber: Hat nach dieser Synode der große Umbau des klerikalen Systems begonnen? Papst Franziskus ist bei dem Thema wie so oft und beinahe schon üblich zwiespältig, eher von der Angst vor den vielen reaktionären Kardinälen getrieben als vom Willen, wirklich neu zu beginnen. Zu viele Kleriker wollen das Thema „endlich vom Tisch“ haben. Sie ahnen, dass das Thema die ganze Kirche durcheinander wirbeln kann. Wirklich getroffen hat der kaum vorstellbare sexuelle Missrauch durch Priester die Kirche in den USA: Die ist praktisch pleite aufgrund der vielen Prozesse, in einem Staat, der anders als Deutschland keine Rücksicht nimmt auf ein übliches, irgendwie gutes traditionelles Verhältnis von Kirche und Staat. Von Trennung von Kirche und Staat in Deutschland will ja leider fast niemand etwas wissen…
12.
ABER: Das Ansehen der katholischen Kirche in Deutschland, das Vertrauen in sie, könnte seit der Freilegung des Missbrauchs durch Priester kaum noch tiefer sinken. Das bestätigen Forsa-Umfragen: In Deutschland haben noch 14 Prozent der repräsentativ Befragten (im Institutionen Ranking 2020) Vertrauen in die katholische Kirche hierzulande. Der evangelischen Kirche in Deutschland vertrauen hingegen 36 Prozent der Befragten!
Zur katholischen Kirche: Wer will schon noch bei einem Priester in der Beichte von seiner Sexualität sprechen? Wer rechnet überhaupt noch mit einer gewissen seelsorglichen Kompetenz der Pfarrer, sie nennen sich ja offiziell manchmal noch „Seelsorger“. Die jetzt aber nur noch als „Messe-Leser“ von einer Kirche zur anderen eilen! Weil ihr Beruf (und ihre Berufung) ausstirbt und die Gemeinden nur des Klerus wegen in Großraum-Organisationen zusammengefasst werden. Ich habe den Eindruck: Der sexuelle Missbrauch, nun endlich vor 10 Jahren auch in Deutschland freigelegt, hat die Kirche bereits ruiniert. Sie ist innerlich erlahmt, hohl, wahrscheinlich immer noch verlogen. Wenn jetzt noch ein „Synodaler Weg“ in Deutschland eingeleitet wird, mit Beratungen auch der Laien, dann ist das reine Zeitvergeudung, vor allem für die immer noch „gutwilligen“ Laien: Denn alle Beschlüsse des „Synodalen Weges“ müssen von Rom, letztlich vom ängstlichen Papst Franziskus im Milieu der reaktionären Kardinäle akzeptiert werden: Aber dass Rom etwa endlich den Pflichtzölibat abschafft und die vielen tausend Opfer der sexuellen Gewalt hört und entschädigt, ist bei allem guten Willen und Vertrauen zur Utopie ausgeschlossen. Eher darf man die Vermutung äußern, dass diese „gutwilligen Laien“ nun in einem „synodalen Weg“ einen gewissen Hang zum Masochismus haben, also zu einem selbst gewählten schmerzhaften Leiden an der hierarchischen Kirche als Klerus-System? Und das ist noch schlimmer: Dieses Leiden wird dann oft mit „Glauben“ verwechselt…
13.
Insofern ist auch das Buch von Matthias Katsch ein ins Weite führender Impuls: Jeder und jede könnte nun nachdenken, wo, in welchen Kreisen, in welchen (protestantischen) Kirchen, Religionen, Spiritualitäten, er oder sie spirituelle (Glaubens-) Energie für ein humanes, befreites und reifes Leben noch empfangen kann. In der römischen Kirche, so wie sie jetzt ist, wahrscheinlich nicht. Das mag man bedauern. Aber dies ist realistisch. Erst wenn sich die Klerus-Kirche in der jetzigen autoritären, pyramidalen und Frauen feindlichen Gestalt reformiert, das heißt als in dieser uralten Gestalt abschafft, kommen „bessere Zeiten“. Eine zweite Reformation also, 500 Jahre nach Luther! Wer wird sie noch erleben? Und hätte eine „Greta“ („Fridays for catholic reformation“) in der katholischen Kirche eine Chance?

Matthias Katsch, „Damit es aufhört. Vom befreienden Kampf der Opfer sexueller Gewalt in der Kirche“. Verlag Nicolai Verlag, Berlin. 2020. 168 Seiten. 18 EURO.

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de

Was ist denn neu? Über das Schöpferische

Ein religionsphilosophischer Salon am 9.1.2020
Hinweise von Christian Modehn

Das 1. Motto: Die Frage nach dem Neuen ist eine Frage nach dem Schöpferischen. Das Neue als das neu und schöpferisch Gestaltete, entsteht inmitten der Auseinandersetzung mit dem Bestehenden. Im Wirklichen werden Möglichkeiten entdeckt, die es in der Form und in dem Inhalt noch nicht gegeben hat. Der Philosoph BERGSON sagt: “Das Wirkliche schafft das Mögliche. Und nicht das Mögliche (als bloß Gedachtes) das Wirkliche”.

Das 2. Motto: Wenn das Neue als Neues gestaltet, “gemacht” wird, dann gilt: “Gelingen ist nun einmal nicht zu machen” (sagt der Philosoph Martin Seel). Mit anderen Worten: Gelingen ist eine Gabe. im Wirklichen etwas möglich machen ist auf das Gelingen angewiesen.

1.
Wer sich auf das Neue besinnt, wird zuerst vom Denken und von der Phantasie geführt; dort zeigen sich neue Ideen und neue Gedanken. Das sind nicht immer „ganz große, ganz wichtige Gedanken“: Schon das alltägliche Tun ist stets geprägt als Wirkung von einfachen, aber neuen Gedanken, auch wenn vielfach Routine dabei ist. Aber jede routinemäßige Tat ist notwendigerweise neu, weil zu einer anderen Zeit stattfindend, unter anderen Kontexten und Stimmungen etc., anders als die frühere Tat der Routine.
2.
Der neue Gedanke und die neue Idee streben danach, in der Wirklichkeit, „außen“, in der Welt, gestaltet zu werden. Oder in der Gestaltung der eigenen Person, etwa im Sport usw., „plastisch“ zu werden. Das heißt: Jegliche Tat und jegliches Handeln sind insofern neu.
3.
Dieses Neues Denken und dieses Neue setzen, schaffen, realisieren, ist eine schöpferische Tat. Insofern ist dies dann auch eine Schöpfung, weil immer mein Fühlen und Denken beim Realisieren aktiv sind.
4.
Aber man sollte unterscheiden: Zwischen Schöpfung im „eigentlichen“ Sinn und einer Schöpfung im uneigentlichen Sinn.
5.
In der vom einzelnen Handelnden „unbedachten Schöpfung“ tut man nur etwas, ohne den Gesamtzusammenhang des Tuns mit zu bedenken. Zum Beispiel: Man schichtet Steine aufeinander, um etwas zu bauen. Man folgt dabei nur einem üblichen Geschmack oder einer allgemeinen ökonomischen oder statischen Notwendigkeit. Weiterführende Gedanken werden dann meist nicht entwickelt: Was ist eigentlich Schönheit? Oder: Man baut einen Stall für die Tierzucht, denkt dabei nur an den Profit mit der Konsequenz der Massentierhaltung. Worauf läuft diese Kritik an den „unbedacht Schöpferischen“ hinaus: Eigentlich sollten alle, die handeln, also Neues setzen und schaffen, den „Gesamtzusammenhang“ des Lebendigen bedenken und berücksichtigen.
6.
Diesen begrenzten Horizont meine ich, wenn ich von einem naturgemäß begrenzten technischen Tun spreche. Und dieses Tun kann man Machen nennen oder Erfindung: als eine neue Zusammenfügung alter vorhandener Elemente. Sicher ist die Leistung der Naturwissenschaftler, die Entdeckung der Naturgesetze, ein schöpferisches Tun. Einige Erfinder waren Philosophen. Etwa Albert Einstein: Er war Physiker und als Physiker, der etwa nach dem Ursprung, der „Schöpfung“ fragte, ins Philosophische Fragen gekommen.

Andererseits gibt es in der Technik viel Routine: Ein neuer Auto-Typ wird aus alten Elementen erfunden. Aber der Erfinder fragt meist nicht: Woher kommt das alles, was ich da schaffe. Warum kann ich überhaupt –geistig – etwas schaffen? Ist meine Erfindung moralisch gut oder dient sie nur meinem Profit? Man denke an die Erfinder neuer Waffensysteme.
Martin Heidegger hat die nun einmal begrenzte Welt des Technischen ohne Vorwurf, nur als Beschreiung eines Faktums, mit dem viel zitierten Satz benannt: „Die (Natur)-Wissenschaft denkt nicht“. Wobei Heidegger bekanntlich unter Denken sehr emphatisch das Seins-Denken verstand, also das Innewerden des „Gründenden“ von allem Seienden, also Gegenständlichen…Heidegger hat wohl übersehen, dass die Leistung der Naturwissenschaftler, die Entdeckung der Naturgesetze, ein schöpferisches Tun ist..
7.
Damit wird das Thema „eigentliches schöpferisches Handeln“ angesprochen: Bei dieser Handlung weiß der Handelnde, also der Neues Setzende, dass er auf Materialien zurückgreift, die ihm schon vor – gegeben sind. Letztlich weiß er, dass alles Vorfindliche in dieser Welt etwas Gegebenes ist: Es ist eine Gabe. Aber eine Gabe von wem? Damit führt das schöpferische „eigentliche“ Handeln zur Frage und zur Erfahrung des schon Geschaffenen, der schon immer vorliegenden Gabe, etwa der Welt im ganzen. Und der Handelnde erfährt sich selbst auch als gegebenen, als einen Gesetzten, als eine Gabe. Ein solcher Mensch weiß, dass er nicht nur aus sich heraus handelt. Autonomie ist eine gegebene, geschaffene Möglichkeit, innerhalb dieser gegebenen Möglichkeit können wir Autonomie schaffen.
8.
Ich will jetzt die Frage, wer oder was denn der Gebende und alles Schaffende ist, hier nicht weiter vertiefen. Man käme dann in eine Philosophie der Schöpfung. Ich will nur betonen: Der eigentlich Handelnde Mensch, der also Neues denkt und Neues setzt, weiß sich selbst in seinem Tun als Gabe, als „Geschenk“. Er weiß, dass ihm das Entscheidende, der schöpferische „Moment“ zufällt oder einfällt. Diese Erfahrung machen etwa Künstler, Musiker, Schriftsteller in besonders intensiver Art. Sie wissen, dass ihr „Opus“ sich verdankt, als Gelungenes und Schönes nicht allein Resultat eigenes Tuns ist, sondern eben Resultat, Gabe, des Zugefallenen ist. Aber, noch einmal: Prinzipiell ist jeder Mensch schöpferisch „begabt“. Damit wird auch der Kult um „das Genie“ abgewiesen.
9.
Eine philosophische Besinnung auf das Neue führt also in die Tiefen des Selbstverständnisses des Menschen. Dieser Mensch sieht, sich selbst „tief“ verstanden, als Gabe, die weiterhin schöpferisch wirkt. Man könnte sagen, als Fortsetzung des Schöpfungsprozesses. Dort ist der Ursprung einer Spiritualität des Lebendigen, auch der Religion. Dies müsste weiter vertieft werden. Es würde sich eine vernünftige Spiritualität zeigen, die noch vor jeder konfessionellen Dogmatik lebt.
10.
Ich sehe in der Krise der Gegenwart, d.h. in der Oberflächlichkeit, Aggressivität gegeneinander, im Rassismus usw. einen Ausdruck dafür, dass sich die meisten Menschen nicht mehr als Gabe (oder Geschenk) verstehen.
11.
In diese „metaphysischen Fragen“ muss meines Erachtens eine Besinnung auf den Begriff das Neue führen.
12.
Dabei ist auch klar: Selbst das Alte, schon Vorliegende, kann zum Neuen werden: Indem etwa bestimmte Ideen und Vorstellungen von damals vom heutigen Fragen aus aktualisiert und neu gedeutet werden. Das gilt für den medizinischen Bereich (Hildegard von Bingen), fürs philosophische Denken (Aktualität des Kategorischen Imperativs), für die Kunst (Besinnung auf das Bauhaus) usw.: Immer wieder werden Ideen von einst, aber nicht in der Identität des Früheren, wieder belebt, in den aktuellen Horizont gestellt und dadurch verändert. So wird einiges Alte auch das Neue.
13.
Das Neue unterliegt der normativen Überlegung. Kriterium ist die Frage: Ist das Neue zu verantworten vor dem gültigen Maßstab der Menschenrechte, der Rettung des Klimas, der Gerechtigkeit für die Armen etc.
14.
Aber Neues ist nicht immer nur Resultat menschlichen Handelns: Neues ist auch etwas, das auf uns zukommt. Das absolut Neue, im Sinne des absolut Unbekannten, das auf jeden zukommt, ist der Tod. Das Christentum mildert diesen harten Gedanken ab durch die Erkenntnis: Der Tod ist ein Übergang…
Aber: Es kommen auch Menschen auf uns zu, etwa in der Freundschaft, vor allem der Liebe. Auf diese Zukommenden reagieren wir neu: Überrascht, entzückt, verunsichert…
Auch Kunstwerke „kommen auf uns zu“, d.h., sie sprechen uns an, wie man richtig sagt; auch die philosophische Erkenntnis kommt auf uns zu, wird als Gabe erlebt; auch Religion spricht zu uns als neue Einsicht und Aufforderung zum Handeln.
15.
Die philosophische Besinnung auf das Neue muss sich auch mit dem alltäglichen Verständnis des Neuen auseinandersetzen, etwa dem populären Spruch: „Es gibt nichts Neues unter der Sonne“. Ein Zitat aus dem alttestamentlichen Buch Kohelet, in der Züricher Bibelübersetzung:
Was einmal geschah, wird wieder geschehen, und was einmal getan wurde, wieder getan, und nichts ist wirklich neu unter der Sonne.
Wohl sagt man: Sieh dies an! Es ist neu! – Es war längst schon einmal da, in den Zeiten, die vor uns waren. (Verse 9 und 10)
Dieser Spruch hat recht … und er hat vor allem auch unrecht.
Er hat recht, insofern alle Menschen aller Zeiten von allgemeinen Daseinsstrukturen wie Lieben, Sterben, Arbeiten, Krieg und Frieden usw. sprechen. Siehe die zwanzigtausend Romane, die von Liebe sprechen…
Am schlimmsten ist der banale Satz in diesem Denksystem: „Gestorben wird immer“. (Werbeslogan der Bestatter). Das meint aber auch: Also lassen wir alles aktive Gestalten sein, fliehen wir aus der Welt, eine Maxime der Eremiten und Wüstenväter…
ABER der Satz „Nichts Neues unter der Sonne“ ist grundlegend falsch:
Es gibt im Laufe der Menschheitsgeschichte zwar in der Literatur z.B. immer formal dasselbe Thema; aber es ist jeweils historisch bestimmt und immer in der Konkretheit einmalig. Die Inhalte sind je anders. Warum lesen wir sonst so gern so unterschiedliche Romane, die alle dasselbe Thema haben: Liebe, Arbeit, Alltag, Tod etc.? Warum genügt uns denn nicht die eine einzige Lektüre eines einzigen Buches, etwa der Odyssee. Und auch bei allem Respekt: Platon kann uns philosophisch nicht genügen, jeder Philosoph lebt in neuen Kontexten und entwickelt dem entsprechend Fragen.
Warum gibt es Musik von unterschiedlichen Komponisten. Was hat die griechische Lyra mit Mozarts Violine gemein, außer, dass eben beides eben Musik „erzeugt“.
16.
Noch etwas zur Vermutung, Grundlage der Produktion von Neuem sei die NEUGIER. Ich definiere Neugier als unstillbare Unruhe des menschlichen Geistes. Neugier ist eine Lebensform des Geistes, aber eine zwiespältige Aktivität: Denn Neugier ist eine Art Sucht, immer alles mögliche Neue zu erleben, zu sehen, zu wissen.
Neugier ist Laster und Tugend, wie der Philosoph Martin Seel sagt. Als Tugend: Denn ohne Neugier gibt es keine Wissenschaft.
Neugier kann auch ein Laster sein: Als haltloser Ausfall jeglicher Diskretion zum Beispiel. Totale Neugier ist Orientierungslosigkeit, man sammelt alles Neue ohne Struktur. Martin Seel sagt: „Die haltlose Begierde nach Neuem macht den Sinn für das nachhaltig Neue tendenziell blind“ (in Merkur, Heft 712, S. 829
17.
Falsch ist der populäre Spruch von der „Stunde NULL“, dieser Spruch suggeriert den völligen Zusammenbruch (8. Mai 1945) als den dann absoluten neuen Neubeginn, als „Neugeburt“, mit dem angeblich absoluten Abstoßen alles Vergangenen.
Aber es gibt keine Stunde Null: Weil es z.B. auch politisch vor-geprägte Menschen sind, die die Zukunft von dieser Stunde „Null“ an neu gestalten, diese Menschen bringen sich selbst, also auch ihre Vergangenheit mit im Eintreten in eine neue Zeit.
Diese „neue Zeit“ ist aus alten Elementen neu entworfen. Nebenbei: Die „Trümmerfrauen“ haben alte Steine aus der Nazi Zeit wieder brauchbar gemacht stellt und für den Neubeginn der DDR oder auch der BRD verwendet…
18.
Zum schöpferischen Handeln gehört immer auch die nachträgliche Reflexion, und die erkennt: Jede Neuschöpfung greift auf altes Material zurück. Beethoven z.B. verdankte vieles seinen Vorgängern. Aber er schuf in der „Kombination“ des Alten unglaublich Schönes, also Neues. Aber gerade die Form eines Streichquartetts ist eine Gabe, ist eine Neuschöpfung. Beethoven ist eben keine Variante von Haydn oder gar von Mozart, so sehr er die Arbeiten dieser Komponisten auch kannte und vielleicht kurz zitierte, aber dann schöüferisch in neue Zusammenhänge stellte. Es gibt freilich auch ein Arbeiten am vorgegebenen Material, das eher ein Abschreiben ist, und dann entstehen nur Kopien oder Varianten des Früheren, wahrscheinlich Kitsch.
19.
Zusammenfassend:
Schöpferisch Leben verlangt nach der Reflexion: Man muss die Frage stellen: Woher stammt das alte Material, das ich für das Neue verwende, vor allem woher komme ich, was bin ich für eine Schöpfung?
Auch der menschliche Geist ist etwas Gegebenes: Wir greifen immer auf etwas Geschaffenes zurück. „Wir sind niemals die ersten, immer die Zweiten“, so ein Gedanke des Philosophen Giambattista Vico ( 1668 -1744, S. 352 in „Philosophie in Italien“).
20.
Und dann beginnt die Philosophie als Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie: Die Welt, so der Mythos etwa der Bibel, wurde „durch ein göttliches Wort“ erschaffen. Das ist ein poetisches, aber dem Thema angemessenes Wort. Diese Welt wurde also nicht erfunden und nicht entdeckt!! Sie wurde geschaffen. Creatio! Kreatives Geschehen. Da wird die Frage gestellt: Warum ist etwas und nicht vielmehr Nichts? Diesen Ursprung kann Naturwissenschaft nicht greifen und denken. Sie bleibt vom „Wesen“ her auf das Vorgegebene analytisch fixiert. Dies ist eine Beschreibung, kein Vorwurf!
21.
Wir können den schöpferischen Moment des Neues Schaffen im Menschen nicht definieren. Und das gleiche Eingeständnis gilt auch für den Gedanken an einen Schöpfer „des Ganzen“. Der Literaturwissenschaftler George Steiner sagt: „Wir als Geschaffene sind Teil des Schöpferischen“, „wir haben eine transzendentale Intuition“ als „Adel der Vernunft“ (In: „Grammatik der Schöpfung“, Seite 25).
Wer den „ersten“ und alles in die Existenz setzenden schöpferischen Akt, als den Ursprung des Ganzen, erkennen will, müsste diesen Ursprungt von allem als endlicher Mensch förmlich umgreifen können, begrifflich fassen. Er müsste zum Begreifen hinter den Schöpfer treten… Ein unsinniger Gedanke.
Dennoch müssen wir den Gedanken an eine UR-Schöpfung poetisch – philosophisch denken.
22.
Das Neue tun, das ist das Tun dessen, was wir in unserem Gewissen bereits wissen oder mindestens ahnen. Dieses Geahnte, als das, Utopische, als das hoffnungsvoll Ersehnte: Das, was eigentlich jetzt not – wendig dran ist und gefordert ist: Dieses Neue hat nur ethisch wertvollen Sinn, wenn es das Bessere und Gerechtere ist.
Ich will aus der Fülle der Kommentare und Stellungnahmen, die sich auf das dringend Neue beziehen, das als Neues/als das Gute zu tun ist, nur an einen Text des Historikers Timothy Snyder erinnern: Er ist Professor an der Yale University und Mitarbeiter an dem berühmten Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen. In der SZ vom 23.Dezember 2019, Seite 11, sagt Snyder zur Einschätzung der Demokratie: „In Europa und Amerika glauben viele Menschen nicht mehr, dass die Demokratie tatsächlich notwendig, unvermeidlich ist. Die Demokratie befindet sich auf der Verliererseite. UND: Die Demokratie ist in Gefahr, weil die Zukunft nicht mehr existiert“. D.h. Wir haben den Gedanken an eine gute Zukunft verloren. Dieser grundlegende Gedanke wurde uns zerstört durch die Propaganda der Neoliberalen: „Es gibt keine Alternative“.
Soweit Timothy Snyder: Er insistiert darauf: Wir können uns nicht mehr vorstellen, welcher Zukunftsentwurf besser ist. Uns wird zudem noch eingeredet, es gibt keine Alternative zum Kapitalismus in der bestehenden Form, einem Kapitalismus, der Elend erzeugt, weil er elende Menschen als billigste Arbeitskräfte braucht, einem Kapitalismus, der die Natur nur als Material der Ausbeutung und der technischen Verwendung betrachtet….
23.
Die Welt im ganzen und „sofort“ gerechter machen, das können wir als einzelne und kleine Gruppe oder NGO nicht. Aber jeder an seiner Stelle kann dafür sorgen, das etwas mehr Gerechtigkeit wirklich wird, und dies wahrscheinlich auch nur, um seinem Gewissensspruch zu entsprechen. Um nicht gewissenlos zu leben. Das wäre schon viel. Auch Neues im politischen Sinne hat seinen Ursprung im Gewissen, in der Phantasie, im Mitgefühl, in der Vernunft. Wenn dieses Neue – immer als Plural verstanden – den Normen der Humanität, der Menschenrechte, entspricht, sollte es gestaltet werden, von den Menschen, in denen der Gedanke „aufblitzte“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die globale Welt verstehen: Ein neues Lexikon.

Ein Hinweis von Christian Modehn

Dies ist wohl immer noch eine Art „Ideal“ philosophischen Denkens und Arbeitens „Das, was ist, zu begreifen“, wie Hegel sagte. Ein Ideal, dem man auch heute nachstreben sollte, ohne es jemals zu erreichen. Denn die auf ihre Vernunft hin zu überprüfende Wirklichkeit wird immer komplexer: Immerhin gibt es jetzt eine Art „Kleines Lexikon“ wichtiger (und für viele wohl auch neuer) Begriffe aus Politik, Ökonomie und Gesellschaft; ein Buch von 268 Seiten Umfang, das in 126 Stichworten ein „ABC der globalen (UN)Ordnung“, so der Titel, bietet.
Verfasst haben dieses Buch 126 kompetente AutorInnen, Wissenschaftler, Fachjournalisten. Das Buch gehört meines Erachtens auf den Schreibtisch, Nachttisch, Küchentisch, Schultisch, aufs Lese – Sofa…Es sollte konsultiert werden, wann immer in den Medien Stichworte auftauchen, die noch nicht allzu bekannt sind, also von „Anthropozän“ bis „Zivilgesellschaft“, so der Untertitel. Zu jedem Stichwort werden auf zwei Buchseiten Erläuterungen und Kritik (mit knappen Literaturhinweisen) angeboten. Nur einige der besprochenen Stichworte: Künstliche Intelligenz, Fake News, Finanztransaktionssteuer, Extraktivismus, Flexibilisierung, Grundeinkommen, hybride Kulturen, Commons, Freihandel, Rechtspopulismus usw. usw.
Ich finde als Start für ein philosophisches Begreifen unserer Gegenwart in der Allmacht der Globalisierung das Stichwort „Imperiale Lebensweise“ sehr gut geeignet für Gesprächgruppen: Die Frage ist doch: Ist denn nicht der ganze Westen und sind nicht die so genannten Eliten in den Ländern des Südens von einer „imperialen Lebensweise“ bestimmt?
Wer sich angesichts der Globalisierung auch für Religionen interessiert, wird in dem Buch nicht umfassend bedient, das Stichwort Fundamentalismus bietet Hinweise. Auch zur Philosophie im engeren Sinne hätte ein eigenes Stichwort, etwa zur „interkulturellen Philosophie“ (gefördert durch die Zeitschrift POLYLOG, Wien), gut getan.
Aber diese kritischen Hinweise mindern den Wert dieses Buches überhaupt nicht. Und es ist erstaunlich, dass das neue Buch „ABC der globalen Unordnung“ nur 12 Euro kostet!

Claudia von Braunmühl und andere Hg.: „ABC der globalen (UN)Ordnung“. 2019, VSA Verlag Hamburg, 268 Seiten, 12 €.

Das Buch wurde in Kooperation mit der Friedrich Ebert Stiftung, der TAZ und dem wissenschaftlichen Beirat von ATTAC ermöglicht!

Philosophie im Salon: Rückblick und Ausblick

Ein Rückblick zur “Philosophie im Salon”. Zusammengestellt von Christian Modehn. (Erneut bearbeitet im Dezember 2019 und April 2022)

Dass Philosophie auch in den kleinen, aber pluralen “Salon” gehört und nicht nur an die Universität, habe ich in einem kurzen Beitrag anläßlich der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Philosophie Ende September 2017  deutlich machen wollen.

Unsere Themen in den meist monatlichen Gesprächen im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin von Februar 2020 bis Mai 2014: Zu allen Themen wurden auch eigens weiter führende Hinweise/Impulse auf der website veröffentlicht. Diese website wurde von 2009 bis Ende September 2025  1.800. mal angeklickt.

Die Gespräche fanden und finden, wie es sich für Philosophie gehört, in der Öffentlichkeit statt. Unser Treffpunkt ist meist die Kunst-Galerie Fantom, Hektorstr. 9 in Berlin-Wilmersdorf. Die meisten TeilnehmerInnen haben über das Internet zu unserem “Salon” gefunden. Einige kommen fast regelmäßig, manche manchmal, manche nur zwei mal, je nach Lust und Interesse…Immerhin bietet unser “Salon” eine Möglichkeit, qualifiziert zu philosophieren, in einen lebendigen Austausch einzutreten. Ziemlich wichtig in einer Metropole wie Berlin, in der die Anonymität des Lebens zur “Kultur” dieser Stadt gehört…Die Veranstaltungen wurden fast immer von einführenden, kurzen Vorträgen von Christian Modehn eröffnet.

2020

Am 9. Januar 2020: Ein Salonabend über “Was heißt Schöperischsein?” Eine kleine Philosophie des Neuen. Mit 19 TeilnehmerInnen.

Am 14.Februar 2020: Ein Salonabend über das Märchen “Das kalte Herz” und die “imperiale Lebensweise”. Mit 22 TeilnehmerInnen.

2019

Am 22.November 2019:Ein Salonabend zum Thema: Die Apokalypse des Johannes im NT: Unsinn und Sinn.

Am 27.9.2019:Ein Salonabend über Dietrich Bonhoeffer “Widerstand und Ergebung” und das religionslose Christentum.

Am 30.8.2019: Ein Salonabend zum Thema “Was bedeutet die Menschenwürde?”

Am 14.6.2019: Ein Salonabend zum Thema: Was ist normal? Mit Stefanie Hubert und Prof.Peter Stolz, Psychiater.

Am 3.5.2019: Ein Salonabend über die “Dialektik von Vertrauen und Misstrauen”. Zugleich ein Hinweis auf den so begrenzten Begriff der “Ehre”.

Am 15.3.2019: Ein Salonabend über: “Sinn und Unsinn unseres Sprechens vom Geheimnis”. Es ist wichtig, die immer lösbaren Rätsel auch in der wissenschaftlichen Forschung von dem einen Geheimnis im Dasein zu unterscheiden, das in der Frage berührt wird:”Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?”

Am 25.1.2019: Ein Salonabend über: “Revolution – welche Revolution?” Angesichts des Revolutionsgedenkens 1918/19 mit Erinnerungen an Rosa Luxemburg…und an die spirituelle Revolution von Thomas Merton.

2018

Am 14. 12. 2018: “Eine kleine Philosophie des (Weihnachts-) Festes”: Mit einem Hinweis auf einen Weihnachtstext aus dem Philipperbrief des Apostels Paulus: Gott unterbricht sich selbst (Kenosis). Zugleich einige Hinweise auf das Denken des Philosophen Gianni Vattimo.

Am 23. 11.2018: “Tod-Sterben-Abschied”. Ein Salonabend mit Prof. Johan Goud, Den Haag, Philosoph und Pastor der Remonstranten Kirche. .

Am 18.10.2018: Gespräche (und gemeinsames Speisen) in dem algerischen Bistro “Chez Zola” in Berlin, über Algerien, islamische Philosophie, interreligiösen Dialog

Am 28. 9.2018:”Monotheismus und Gewalt. Hinweise zu Jan Assmann” (14 TeilnehmerInnen)

Am 24. 8.2018:”Die Weisheit der Bibel und die philosophische Weisheit” (14 TeilnehmerInnen)

Am 10.8.2018: Sommerausflug des Salons nach Erkner (Gerhart Hauptmann Museum) und Friedrichshagen (Friedrichshagener Dichterkreis).

Am 20.7.2018: “Jürgen Habermas und die Religion” (18 TeilnehmerInnen)

Am 22.6.2018: “Der alltägliche Rassismus”  (13 TeilnehmerInnen)

Am 11.5. 2018: “Warum wir Europa fördern”. Zus. mit den “Jungen Remonstranten” aus Holland (20 TeilnehmerInnen)

Am 23.3.2018 sprachen wir mit 17 TeilnehmerInnen) über “Was gibt uns Halt im Leben?”

Am 23.2.2018 sprachen wir (mit 19 TeilnehmerInnen) über “Gibt es Fortschritt in meinem Leben”?

Am 26.1.2018 (mit 21 TeilnehmerInnen) sprachen wir mit Wolfgang Ullrich (Kunstwissenschaftler, Leipzig) über das Thema “Wahre Meisterwerte”. So auch der Buchtitel im Wagenbach – Verlag.

2017:

Am 15. Dezember 2017, (mit 15 TeilnehmerInnen) sprachen wir über das Thema: “Eine kleine Philosophie der Sehnsucht”.

Am 23.11.2017 (mit 19 TeilnehmerInnen) sprachen wir über das Thema: „Vanitas, die Vergeblichkeit von allem?“

Am 25. 10. 2017 (mit 8 TeilnehmerInnen) sprachen wir – angesichts des Reformationsjubiläums – über das Thema:”An welchen Gott können wir und wollen wir heute (noch) glauben?“

Am 15. September 2017 (mit 17 TeilnehmerInnen) sprachen wir über das Thema: “Was tun? Über den MUT, diese schwierige Tugend in düsteren politischen Zeiten!”

Am 4. August 2017 machten wir mit 10 TeilnehmerInnen wieder den Sommerausflug, diesmal nach Frohnau, u.a. mit Gesprächen mit Pfarrerin Doris Gräb, dem Künstler Moegelin und einer Begegnung im Buddhistischen Haus…

Am 14. Juli 2017, sprachen wir mit 19 TeilnehmerInnen – anlässlich des 125. Geburtstages des Philosophen Walter Benjamin (am 15.Juli) vor allem über dessen „Geschichtsphilosophischen Thesen“.

Am 26. Mai 2017 sprachen wir mit 15 TeilnehmerInnen über das Thema „Ist Religion Opium? Wann ist Religion kein Opium?“ (Anlässlich des Geburtstages von Karl Marx).

Am 21. April 2017 sprachen wir mit 17 TeilnehmerInnen über das Thema: “Postfaktische Untaten” – Ein Salonabend über das “Lügen und die Suche nach Wahrheit”.

Am 31.März 2017 sprachen wir mir 17 TeilnehmerInnen über das Thema: “Glauben und Wissen. Getrennt und doch verbunden”.

Am 24. Februar 2017 sprachen wir mit 14 TeilnehmerInnen über das Thema: „Bei Verstand bleiben. Philosophie als Lebenshilfe in Zeiten politischer Verwirrung“.

Am 29. Januar 2017 sprachen wir mit 22 TeilnehmerInnen über das Thema: “Die Heimat des Weltbürgers. Ein Versuch, dem Wahn des Nationalismus und Dogmatismus zu widerstehen“.

2016:

Ende Dezember 2016 gestalteten wir wieder eine kl. philosophische Weihnachtsfeier.

Am 16. Dezember 2016 sprachen wir mit 22 TeilnehmerInnen über das Thema: „Was ist uns heute (noch) HEILIG?“

Am 18. November 2016 sprachen wir mir 20 TeilnehmerInnen über die aktuelle Bedeutung des Philosophen LEIBNIZ, anlässlich seines 300. Todestages.

Am 26. Oktober 2016 sprachen wir mir 20 TeilnehmerInnen über das Thema „Der Mensch ist böse? Und von Gott geschaffen?“ (Zur so genannten „Erbsünde“)

Am 23. September 2016 sprachen wir mir 13 TeilnehmerInnen über das Buch des Philosophen Michel Serres: „Erfindet euch neu“. Mit einem Beitrag von Hans Blersch.

Am 26. August 2016 machten wir wieder unseren Sommerausflug, diesmal nach Karlshorst mit dem dortigen Pfarrer Edgar Dusdal.

Am 15.Juli 2016 sprachen wir mit 19 TeilnehmerInnen – anlässlich der großen Ausstellung „El siglo de Oro“ (Spanien im 17. Jahrhundert und die spanischen Künstler) über die religiösen und philosophischen Hintergründe des „Goldenen Zeitalters“.

Am 24. Juni 2016 sprachen wir mit 21 TeilnehmerInnen in der Weinhandlung „Sinnesfreude“ anlässlich des vorgegebenen Themas der Neuköllner Kulturtage über das Thema „Sattsein ….Übersättigtsein …..Hungern“.

Am 20. Mai 2016 sprachen wir mit 23 TeilnehmerInnen über den Philosophen Emil Cioran, mit dem Berliner Philosophen Dr. Jürgen Große.

Am 29. April 2016 sprachen wir mit 18 TeilnehmerInnen über das Thema “Alle Menschen sind Grenzgänger”.

Am 18. März 2016 gab es ein sehr großes Interesse mit 25 TeilnehmerInnen zum Thema “Für eine Philosophie der Auferstehung”. Das rege Interesse an dem Thema ist ein Hinweis, dass sich viele, auch unkirchliche Menschen für eine offene, dogmenfreie Aussprache über Themen des christlichen Glaubens interessieren.

Am 26. Februar 2016 sprachen wir mit 22 TeilnehmerInnen über das Thema “Privateigentum und Gemeinwohl”. Mit einem Beitrag von Elisabeth Hoffmann.

Am 22. Januar 2016 sprachen wir mir 18 TeilneherInnen über das Thema: “Was ist wichtiger: Freiheit oder Sicherheit?”

2015

Wieder fand eine kl. eher private philos. Weihnachtsfeier am 28.12. statt.

Am 11. Dezember 2015 sprachen wir mit 17 TeilnehmerInnen (in der Weinhandlung „Sinnesfreude“, Neukölln), über „Der schöne Schein, Wahrhaftigkeit und Authentizität“.

Am 27. November 2015 sprachen wir mit 26 TeilnehmerInnen mit dem remonstrantischen Theologen Prof. Johan Goud aus Den Haag über das Thema: „Theologie und Autobiographie“. 

Am 30. Oktober  2015 waren 20 TeilnehmerInnen dabei. Angesichts der Diskussionen über Flüchtlinge in Europa (vor allem in Deutschland) wollten wir uns mit dem grundlegenden ethischen und damit philosophischen Thema der ANERKENNUNG des anderen/der anderen, des Fremden usw. auseinandersetzen. Mit uns diskutierte Frau Dr. Dorothee Hasskamp, Historikerin, Journalistin und Mitarbeiterin beim Jesuiten Flüchtlingsdienst Berlin.

Am 25. September 2015 waren 15 TeilnehmerInnen dabei. Wir diskutierten ziemlich kontrovers, also richtig, über das allseits gelobte, aber selten kritisierte Buch von Navid Kermani “Ungläubiges Staunen. Über das Christentum”.

Am 28.8. 2015 waren 26 TeilnehmerInnen dabei. Das große Interesse, die Vielfalt der Standpunkte, die “Betroffenheit” der Teilnehmer zeigen, dass das Thema “Ethik ist wichtiger als Religion” (so eine neue Publikation des Dalai Lama) von größter Bedeutung ist.

Am Donnerstag, den 20. August 2015, machten wir wieder einen philosophisch-theologischen Sommer-Ausflug, diesmal nach Jüterbog. 10 Teilnehmer waren dabei, durch fachkundige Führungen in den Kirchen Liebfrauen und St. Nicolai sowie im Kulturzentrum Mönchenkloster konnten wir u.a. auch über den Reformator Thomas Müntzer und den Ablasshandel sprechen sowie über die Umwidmung ehemaliger religiöser Gebäude.

Der Salon am 24. Juli 2015 (14 TeilnehmerInnen) hatte das Thema: Über die Tugend des Ungehorsams.

Der Salon am 26. Juni 2015 (13 Teilnehmer) hatte das Thema: „Glück oder Sinn?“ Worauf kommt es im Leben an?

Am 29. Mai 2015 hatten wir ein eher ungewöhnliches Thema: “Philosophie des Weines”. Von Hölderlin angeregt,hieß das Motto: „Der Wein – eine Gabe der Götter“. 20 TeilnehmerInnen trafen sich in der großzügigen, fein gestalteten Weinhandlung „Sinnesfreude“, unter der Leitung von Wolfgang Baumeister.

Im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon im April 2015  (Thema: Die Beziehung von Esoterik und Exoterik)waren 14 Teilnehmerinnen dabei, mit einem Vortrag von Hartmut Caemmerer.

Im März 2015 sprachen wir über „Gott anklagen angesichts des Leidens“: Erfahrungen des islamischen Mystikers ATTAR (Autor “Das Buch vom Leiden”) in Konfrontation mit Hiob und Nietzsche.

Auch unser Salon am 27. Februar 2015 fand reges Interesse, 22 TeilnehmerInnen waren dabei. Das Thema: „Einige Aspekte zur Aktualität der islamischen Philosophie“ .

Beim Salon am 16. Januar 2015 waren 12 TeilnehmerInnen dabei. Das Thema war: “ICH BIN DER ANDERE”.

2014

Am „Welttag der Philosophie“, am 20. November 2014, trafen wir uns  im Kulturzentrum „Afrika-Haus“ in der Bochumer Str. 25 in Berlin Tiergarten. Mit der Philosophin und Autorin Dr. Barbara Muraca, Uni Jena, über “Gut leben angesichts des Endes der Wachstumsgesellschaft“.

Auch der religionsphilosophische Salon am 31.10. 2014 fand ein ungewöhnlich starkes Interesse mit 24 TeilnehmerInnen. Das Thema war: “Glücklich sterben? Zur Frage des ärztlichen Beistandes bei Suizidwünschen schwerkranker Patienten“.

Zum Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon am Freitag, den 26. September 2014, kamen 15 TeilnehmerInnen. Das Thema war: „Sprache der Musik – Sprache der Transzendenz?” mit dem Musiker, Komponisten und Saxophonisten Joachim Gies (Berlin).

Bei unserem Salonabend am 29.8. 2014 waren 20 TeilnehmerInnen dabei. Zum Thema „Zen-Buddhismus- eine Religion ohne Gott“ hielt der vielfach geschätzte Buddhalehrer Michael Peterssen, Berlin, einen einleitenden Vortrag.

Der Salon zum Thema “Wie ist religiöses Leben ohne Gott möglich?“ anlässlich des neuen Buches von Ronald Dworkin: „Religion ohne Gott“ (Suhrkamp 2014) am 25. Juli 2014 hat sehr viel Interesse gefunden, mit 22 TeilnehmerInnen.

In unserem Salonabend am 27. Juni 2014 mit 15 TeilnehmerInnen sprachen wir über das Thema: “Spielerisch leben – spielerisch glauben?“

Im Mai 2014 sprachen wir über das Thema: „Gott um Gottes willen lassen“ (Meister Eckart).

Hinweise zu früheren Veranstaltungen und Themen folgen…..

Christian Modehn, zusammen mit Hartmut Wiebus, Initiator des „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin“.

Das Verbrechen und die Verbrecher – beim Weltklimagipfel in Madrid. Acht Kardinäle sprechen Klartext!

Hinweise von Christian Modehn
1.
Acht prominente Kardinäle aus allen Kontinenten haben die Untätigkeit, also die Wirkungslosigkeit des Weltklima-Gipfels in Madrid (im Dezember 2019), wörtlich als Verbrechen bezeichnet. Das ist ein neuer Ton! Und es ist bemerkenswert, dass hoch angesehene Kardinäle zu dieser radikalen Bewertung dieses politischen Ereignisses kommen. Maßgebliche Akteure, letztlich Präsidenten der Staaten, werden also wegen Untätigkeit des Verbrechens beschuldigt. Wenn man elementar, logisch, weiter denkt, kommt man zu dem Schluss: Verbrechen werden von Verbrechern begangen. Also sind die Politiker, die in Madrid „den Klimawandeln nicht wirksam eindämmen“, wie die Kardinäle sagen, Verbrecher. Und das hat eindeutig zur Konsequenz: Unsere Welt wird zumindest in ökologischer, vor allem klima-politischer Hinsicht von maßgeblichen Politikern gestaltet, die von den Kardinälen dann indirekt, aber deutlich, als Verbrecher qualifiziert werden.
An wen die Kardinäle konkret als Verbrecher denken, wird vornehmerweise bzw. aus diplomatischer Rücksicht nicht gesagt. Aber eindeutig ist: Verbrecherisches Handeln zeigen diejenigen Politiker im Weltklima-Gipfel, denen die Zukunft unseres Planeten egal ist und die sich Theorien zusammenbasteln, gegen alle eindeutige wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Entwicklung des Klimas doch eher normal oder „halb so schlimm“ sei. Dabei sind die reichen Länder, USA, auch Brasilien, auch Indien, auch China, die Hauptverursacher dieser Katastrophe. Europa natürlich auch.
2.
Die Frage ist: Was machen die acht Kardinäle weiter mit ihrer Aussage: “Beim Weltklima-Gipfel in Madrid geschehen Verbrechen”? Konsequenzen werden nicht genannt: Aber gerade dann könnte es doch spannend werden: Es müssten nämlich große Aufklärungskampagnen auch mit offizieller kirchlicher Unterstützung organisiert werden: Sie müssten den ökologischen Wahn des sich christlichen nennenden Mister Trump heftig vor Ort, in den USA, kritisieren. Sie müssten den ökologischen Wahn und die bereits ganz offensichtlichen ökologischen Verbrechen am Amazonas von Brasiliens Präsident Bolsonao freilegen. Sowie: Die ganze katholische Kirche Brasiliens gegen diesen ökologischen (und dem Namen nach katholischen) Verbrecher mobilisieren. Aber wie viele Bichöfe stehen aufseiten Bolsonaros, bloß weil sie gegen den “linken” Lula und seine Arbeiterpartei sind.
3.
Verbrecher werden in Demokratien normalerweise bestraft und eingesperrt, zumindest aus dem öffentlichen Verkehr gezogen. Was schlagen die acht Kardinäle vor, wie man mit den Politikern umgeht, die das Verbrechen in der Madrider Klimakonferenz begangen haben? Dazu sagen sie nichts. Es fehlt meines Erachtens auch ein internationales Strafgericht für Verbrechen gegen das ökologische Überleben dieser Erde, gegen Klima-Verbrechen zumal. Vielleicht ließe sich in Den Haag noch ein großes Haus für diese Prozesse finden?
4.
Verbrecher werden üblicherweise als Todsünder im Verständnis der katholischen Kirche zur Beichte und zur Buße aufgefordert. Andernfalls stehen sie außerhalb der kirchlichen und menschlichen Gemeinschaft. Papst Franziskus hat Verbrecher aus Mafia-Kreisen exkommuniziert. Zeigte das Wirkung?
5.
Die Kirchenführung in Rom könnte mit gutem Beispiel vorangehen und die üblichen Weltkonferenzen und häufigen Synoden, die in Rom stattfinden reduzieren. Denn sie verursachen tausende von Flügen aus aller Welt nach Rom, manche Kardinäle fliegen ja wöchentlich nach Rom…Die Bischöfe, Kardinäle usw. könnten die neue Technik nutzen und per Lifeschaltungen hin und her sich verständigen ohne ständige Flugreisen. Aber daran denkt im Vatikan noch niemand. Vielleicht könnte Greta Thunberg mal dem Vatikan entsprechende Vorschläge machen. Auf diese jugendliche Aktivistin hören vielleicht noch die alten Männer in Rom. Damit man ihnen nicht alsbald vorwirft: Das ständige kirchliche Bedürfnis, Weltkonferenzen in Rom zu veranstalten, mit tausenden von eingeflogenen Bischöfen, Theologen, Experten etc., sei doch auch ein (kleines) Klima – Verbrechen. Und was könnten die Kardinäle Woelki aus Köln oder Marx aus München alles erleben, wenn sie mit der Bahn nach Rom reisten, 2.Klasse selbstverständlich, wie es sich für die armen Nachfolger des armen Jesus von Nazareth gehört. Sie würden bei der Bahnfahrt in interessante Gespräche verwickelt…
6.
Vielleicht wäre es sinnvoll, angesichts der nun amtskirchlichen Qualifizierung etlicher führender Politiker als Verbrecher (in klima-politischer Hinsicht), wenn in den Kirchen und ihren Gemeinden über dieses Thema mit der gleichen Intensität debattiert würde wie, sagen wir mal, über den Zölibat oder die wiederverheiratet Geschiedene.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Der Hinweis zu den Verbrechen auf dem Weltklimagipfel ist nachzulesen bei Radio Vatican: https://www.vaticannews.va/de/welt/news/2019-12/kardinaele-klimaschutz-untaetigkeit-verbrechen-hollerich-hummes.html

Die acht Unterzeichner des genannten Textes sind vier lateinamerikanischen Kardinäle und je ein weiterer Kardinal aus den übrigen Erdteilen Europa, Asien, Afrika und Ozeanien: Claudio Hummes aus Brasilien als Generalrelator der Amazonien-Synode, Oscar Rodriguez Maradiaga aus Honduras, die beiden Peruaner Pedro Ricardo Barreto Jimeno und Hector Miguel Cabrejos Vidarte, sowie der Präsident der EU-Bischofskommission Comece aus Luxemburg, Kardinal Jean-Claude Hollerich, Oswald Gracias aus Indien, Fridolin Ambongo Besungu aus dem Kongo und John Ribat aus Papua-Neuguinea.

Meinungsfreiheit neu definieren!

Hinweise aus philosophischer Sicht.
Von Christian Modehn
1.
Über die Meinungsfreiheit innerhalb eines demokratischen Rechtsstaates wie der Bundesrepublik Deutschland muss heute endlich umfassend debattiert werden. Die Meinungsfreiheit wird hier und heute missbraucht. Das ist kein Zweifel! Die Gesellschaft der freien Meinungen gerät in den Strudel der Beliebigkeit, des Hasses, der Zerstörung. Freie Meinungen kaschieren sich nur als frei; sie sind aber tatsächlich unreflektierte, zerstörerische Ergüsse einzelner, vor allem in den so genannten sozialen Medien verbreitet. Diesen Missbrauch des Wertes „freie Meinungsäußerung“ nutzen rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien und Gruppen in Deutschland und ganz Europa. Leider bedienen sich einzelne demokratisch gewählte Politiker, wie Mister Trump, auch ihrer konfusen subjektiven Ergüsse, um sich des Rechtes der freien Meinungsäußerung zu bedienen.
Die normative Frage: Was ist eine freie (d.h. als freie immer auch vernünftige) Meinungsäußerung muss neu gestellt werden.
Denn Meinungsfreiheit in der Demokratie ist keineswegs eine fixierte, festgelegte Selbstverständlichkeit. Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Menschenrechte überhaupt. Demokratie lebt von der Meinungsfreiheit, siehe Grundgesetz Art. 5, Abs.1. Und dies gilt es heute zu verteidigen, aber auch neu zu definieren. Die Feinde der Demokratie am Rande, „rechts außen“, müssen als solche benannt und politisch bekämpft werden.
2.
Das Menschenrecht der Meinungsfreiheit muss heute neu bestimmt werden. Die rechtsextremen Kreise profitieren von der demokratischen Meinungsfreiheit auf eine perfide Art, um die übergeordneten Rechte, also die Menschenrechte und die Werte der Demokratie, langsam aber systematisch zu zerstören. Rechtspopulistische und rechtsextreme Kreise leben bewusst im Selbstwiderspruch: Sie bedienen sich der Meinungsfreiheit, um einen autoritären Staat zu errichten. Solche Agitatoren nannte man früher „Totengräber der Demokratie, der Republik“. In Kreisen der AFD Führer wird diese Ideologie verbreitet: Sie behaupten: Die Bundesrepublik sei eine Diktatur, die überwunden werden muss, so wie 1989 die Diktatur der DDR überwunden wurde.
3.
Meinungen sind Worte, auch Taten sind (sichtbare) Worte: Etwa die 169 rassistisch motivierten Mord-Taten seit 1990, wahrscheinlich sind es mehr Morde. Kaum zu zählen ist die Menge der Aggressionen körperlicher und verbaler Art ebenfalls aus rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen. Viele dieser Verbrechen werden nicht umfassend verfolgt und bestraft, weil die Polizei, die Richter, der Verfassungsschutz in unserer der Demokratie versagen, weil sie die Gefahr von Rechtsaußen üblicherweise unterschätzten.
4.
Die rechtsextreme Gewalt (eine Form von Meinungsäußerung!) nimmt auch zahlenmäßig zu. Sie wird durch den Gebrauch der „sozialen Medien“ inspiriert. Man denke an den Massenmord durch Anders Breivik, Oslo; an den Anschlag auf die Synagoge in Halle; an den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke; an den Massen-Mord in den Moscheen von Christchurch, Neuseeland usw.
Über den Zusammenhang von Nutzung sozialer Medien und Gewalt müsste noch umfassender geforscht werden. Diese Notwendigkeit kritischer Forschung gilt auch der Anonymisierung der Autoren von Hasstexten. Ist die Demokratie hilflos einem Schwarm von Wahn und Hass ausgesetzt?
5.
Die demokratischen Verfassungen, der Rechtstaat und die universal geltenden Menschenrechte, sind Resultate der politischen Kämpfe vernünftiger Menschen seit der Aufklärung. Diese Resultate müssen heute wieder verteidigt und entwickelt werden.
Man muss erkennen: Der entsprechende Artikel 5 des Grundgesetzes wurde vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beschlossen, zu einer Zeit, als nicht so viele nach dem Ende des Hitler-Faschismus sich vorzustellen wagten: Es käme noch einmal eine Epoche, wie in Weimar, wo Propaganda-Hetze der Nazis die Demokratie zerrütteten.
Angesichts dieser Erfahrungen wissen heute Demokraten: Sie dürfen niemals mehr schlafen, wenn ein Rechtstaat von reaktionären und populistischen Bewegungen auf das Niveau von Diktatur, Einheitspartei und Nationalismus bzw. – damit identisch – Kriegstreiberei, zurückgetrieben wird. Anfänglich geschieht das durch Propaganda-Sprüche und öffentliche Hetz-Hass-Tiraden. Später dann durch das Vernichten demokratischer Grundrechte. Man denke an die Geschichte der Weimarer Republik und den in ihr entstandenen Hitler-Faschismus. Gegen diesen Rückschritt, gegen diese Abkehr von der Humanität, muss sich die Demokratie, müssen sich die Bürger der Republik verteidigen. Das gilt für die heutige Situation in Deutschland, vor allem, aber auch in Österreich, Frankreich, Holland, Italien usw. In Polen und Ungarn sind die jetzigen politischen Verhältnisse schon viel schlimmer…
6.
In den sozialen Medien wie im unmittelbaren Gespräch in sichtbaren, „leibhaftigen“ Gruppen: Immer ist impliziert der Schritt in die Öffentlichkeit: Ich will mich als Redner vernehmbar sprechend dem Disput der anderen stellen. D.h.: Ich setze als Sprechender im Akt des Sprechens schon das Gespräch mit anderen voraus. Man will im Gespräch die eigenen Erkenntnisgrenzen überwinden. Demokratie ist ein Lernprozess, in dem niemand von vornherein Recht hat und etwa behaupten kann, nur „er wäre das Volk“. Dies ist eine Haltung, die nur in eine Diktatur passt.
7.
Philosophisch grundlegend ist: Meinungen eines einzelnen oder Überzeugungen einer Gruppe oder Partei können niemals mit dem Anspruch auftreten, in jeder Hinsicht und für alle gültig zu sein. Es sind immer „meine, unsere Meinungen“, die sich aufgrund meiner subjektiven Verfassung und der immer gegebenen Perspektivität meines Erfahrens und deswegen begrenzten Erkennens ergeben.
Das heißt: Meine Meinungsäußerung als einzelner, als Gruppe, Partei, Kirche etc. ist immer begrenzt. Sie stammt von in jeder Hinsicht endlichen, begrenzten Menschen. Diese Begrenztheit kann niemand abwerfen, loswerden, keine Partei, keine Kirche hat „immer recht“. Lediglich die allgemeine Basis der universalen Menschenrechte ist unaufgebbar!
8.
Kein Demokrat denkt daran, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Kein Demokrat denkt daran, die Vielfalt der Meinungen, typisch für die Demokratie, zu verbieten. Kein Demokrat denkt daran, Zensur auszuüben. Das ist die klassische und wahre Überzeugung der vernünftigen Menschen, sie verteidigen die liberalen Freiheitsrechte. Und diese Verteidigung ist kein persönliches, bloß zweitrangiges Hobby, sondern ein Beitrag für die Bewahrung des humanen Lebens der Menschheit, wenigstens in diesem Teil der Welt.
9.
Demokraten sind keine Masochisten. Sie wollen sich von den neuen Rechtsextremen nicht bedrängen und quälen lassen. Sie nehmen es nicht gelassen hin, wenn Feinde der Demokratie die Regeln der Demokratie ausnutzen, um die große reaktionäre Wende und Kehre zurück anzustreben. Demokraten als Verteidiger der Menschenrechte treten deswegen gegen die Gewalttäter an, gegen die Akteure und Ideologen des Antisemitismus und Rassismus, der Homophobie, des ANTI-Feminismus usw.
Dafür brauchen die Demokraten wirksame demokratische Gerichte, demokratisch orientierte Richter und demokratische denkende Polizisten. Dazu gibt es vielfach heftige Forderungen nach dringender „Verbesserung“… Manche wünschen sich bereits, dass wenigstens die bestehenden Gesetze voll umfänglich angewendet würden im Umgang mit Rechtsextremen.
10.
Ein philosophischer Hinweis:
Subjektive Überzeugungen sind absolut anzuerkennen. Es gibt die plurale Breite der politischen demokratischen Meinungsäußerungen, auch in der Kunst, der Literatur…
Subjektive Überzeugungen sind keine naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, keine mathematische Ableitungen, auch nicht Fakten, etwa derart, dass die Erde um die Sonne kreist. Aber subjektive Überzeugungen, sind ihrerseits bestimmt von objektiv gültigen Kriterien, die ihre Wahrheit überprüfen. Kann denn eine rassistische Überzeugung sich Humanismus nennen? Ist Antisemitismus etwa nur eine beliebige Variante ideologischer Überzeugungen? Philosophisch – ethisch gesehen absolut nicht!
11.
Es gibt also allgemein gültige Erkenntnisse der Philosophie, diese sind sozusagen „Fakten-Erkenntnisse“ eigener Art sind. Und sie sind als Menschenrechte von universeller Bedeutung. Es gibt eine allgemein gültige Erkenntnis von dem, was die Würde eines jeden Menschen ist. Es gibt die allgemeine Erkenntnis des „kategorischen Imperativs“. Wie müssen sich Demokraten zu Menschen verhalten, die die gleiche Würde der Menschen ablehnen? Man muss sie überzeugen, im Gespräch der Argumente, auch in der Anerkenntnis der immer zu verbessernden Demokratie… Es gilt diese Menschen auf die Ebene der Vernunft und ihrer demokratischen Freiheiten zurückholen.
12.
Der Artikel 5 des Grundgesetzes muss heute als ein Impuls zur umfassenden Verteidigung der Meinungsfreiheit verstanden werden. Als Aufruf, diese jetzt bedrohte Meinungsfreiheit nicht nur als große „Errungenschaft“ zu preisen, sondern politisch zu schützen und zu verteidigen. Die Meinungsfreiheit muss um ihrer selbst willen begrenzt werden. Nicht jeder Feind der Demokratie darf in einer Demokratie allen Wahn verbreiten. Es ist schwer, für liberal gestimmte Menschen, dies anzuerkennen. Aber die bedrängende Situation verlangt diese Einschränkung um der Menschlichkeit willen.

Lektüreempfehlungen:
Wichtig ist die Studie des Literaturwissenschaftlers Prof. Heinrich Detering, „Was heißt hier wir?“ (Reclam 2019). Darin wird gezeigt: Unter „wir“ versteht sich die AFD exklusiv als „das“ Volk“. Das Volk, das sind nur „wir“, die Rechtsextremen: D.h: „Wir“ grenzen die anderen, die Fremden, die Flüchtlinge, die Minderheiten aus. Diese Ideologie muss in einer Demokratie praktisch, politisch und gesetzlich zurückgewiesen werden.

Man lese auch noch einmal das schon 1993, also kurz nach der „Wende“, herausgegebene Buch „Deutsche Zustände“(Rowohlt Verlag, hg. von Bahman Nirumand): Von besonderer aktueller Bedeutung sind die vor über 25 Jahren (!) veröffentlichten Beiträge von Asher Reich (Tel Aviv) „Der Nazismus ist nicht tot – er schläft nur“ und Hans Joachim Schädlich (Berlin) „Für Gewalt der Demokratie gegen die Gewalt der Nazis“.

Es wären weiter zu debattieren über die Studien des Soziologen Emile Durkheim, die sich auf die notwendige staatsbürgerliche Moral in der Gesellschaft beziehen. Sie sind unter dem Titel „Physik der Sitten und des Rechts“ als Vorlesungen aus dem Jahre 1896 erschienen. Der Frankfurter Philosoph Axel Honneth bezieht sich in seinem Buch „Das Recht der Freiheit“ (Suhrkamp Verlag 2011) auf diese Studie Durkheims (dort S. 494 f.) und erinnert an ähnliche Überlegungen des Philosophen John Dewey (S. 497).
Unter „staatsbürgerlicher Moral“ versteht Durkheim, so berichtet Axel Honneth, „die geschriebenen und ungeschriebenen Moralnormen, deren Einhaltung die Mitglieder eines demokratischen Staatswesens dazu befähigt, sich trotz der wechselseitigen Respektierung ihrer individuellen Unterschiede an der gemeinsamen Beratschlagung und Aushandlung von allgemeinverbindlichen Grundsätzen staatlichen Handelns zu beteiligen“ (S. 494).
Ob rechtspopulistische und rechtsextreme Kreise und Parteien an einer gemeinsamen „Beratschlagung“ überhaupt interessiert und in der Lage sind, wäre eine Frage.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Widerstand und Ergebung (Dietrich Bonhoeffer): Einige vorläufige, aber zentrale Thesen.

Notizen für das Gespräch im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin am 27.9.2019

Hinweise von Christian Modehn

1.
Voraussetzung ist: Dietrich Bonhoeffer hat in seinen Notizen „Widerstand und Ergebung“  keine umfassende Theologie vorgelegt. Seine Notizen und Briefe sind Fragmente. Aber als solche, in großer Not im Gefängnis der Nazis geschrieben, sind sie von besonderer Bedeutung. Sie sind für die Kirchen inspirierend. Aber sie inspirieren tatsächlich in den Kirchen als Institutionen in Staatsnähe wenig. Bonhoeffer wird offiziell noch verehrt, aber in der Kirchenpraxis hat er fast keine Bedeutung.
Darum ist es heute wichtig, an Dietrich Bonhoeffer zu erinnern, vor allem an seine zwei letzten Lebensjahre im Gefängnis der Nazis in Berlin. Dort schrieb Bonhoeffer zahlreiche Briefe, die eine bis heute radikale spirituelle, philosophische und theologische Brisanz offenbaren: Bonhoeffer ist einer der “großen, viel zitierten und viel studierten Theologen. Anfangs konservativ in seinem Denken: Aber, im Gefängnis der Nazis, in einer Extremsituation tiefer existentieller Gefährdungen, nahe der Hinrichtung, erlebt er eine spirituelle und theologische Radikalisierung. Und dieses radikale Denken, bezogen auf das Wesentliche des Christentums, auf das, was bleibt für heute und morgen, ist für uns als Anfrage wichtig.
2.
Bonhoeffer ist insofern ein Beispiel für eine persönliche, mit dem eigenen Leben verbundene Spiritualität, die jeder und jede – zumindest unthematisch – lebt und entwickelt.
Bonhoeffer ist ein Beispiel, dass Spiritualität und Theologie inmitten des Lebens, ich möchte sagen „situationsbezogen“ wächst und entsteht und sich wandelt, ohne dabei die Situation zum Maßstab zu machen. Da werden alle gewöhnlichen theologisch ausgelaugten Floskeln abgeworfen. Da entsteht inmitten des Lebens neues Denken.
Diese Gefängnisbriefe Dietrich Bonhoeffers wurden 1951 als Buch publiziert unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“. Ein merkwürdiger Titel, vielleicht wäre „Widerstand und Hingabe“ treffender gewesen….
Das Buch hat weiteste internationale Beachtung gefunden. Bonhoeffer ist heute ein international geachteter Autor. Sein Freund Eberhard Bethge hat diese Briefe herausgegeben. Die Details der Biographie kann man nach lesen, etwa auch kurz und knapp in wikipedia.
3.
Dietrich Bonhoeffer ist hoch begabt, er studiert evangelische Theologie an der Berliner Universität Unter den Linden, der heutigen Humboldt Universität. Schon 1927 verfasst er, 1906 geboren, seine theologische Doktorarbeit. Seine Habilitationsschrift hat den philosophischen Titel „Akt und Sein“.
Ihn beschäftigt auch die alte ethische Frage des Tyrannenmordes, die der katholische Theologe Thomas von Aquin im Mittelalter schon formulierte und positiv beantwortete. Im konkreten Fall, bezogen auf Hitlers Mord-Regime, ist die Antwort Bonhoeffers ebenso klar: Auch Hitler sollte als Tyrann ermordet werden. Dabei formuliert Bonhoeffer durchaus seine seelische Erschütterung zum Thema.
4.
Seit 1933 nimmt er öffentlich Stellung gegen die Judenverfolgung, am 1.2.1933 hält er eine Rundfunk-Ansprache gegen den Führerkult, diese Sendung wird unterbrochen, abgeschaltet. Er schließt sich ab 1938 dem Widerstandskreis um Wilhelm Franz Canaris an. Bonhoeffer war nicht unmittelbar an den Hitlerattentaten beteiligt, er war eine Art Verbindungsmann mit internationalen Kontakten etwa auch nach Norwegen. Bonhoeffer wurde der Abwehrstelle München des Militärs zugeordnet. Und dort wegen Wehrkraftzersetzung „enttarnt“.
Er wird am 5. April 1943 in seinem Eltern – Haus in der Marienburger Allee in Belin Neu-Westend verhaftet.
Das Strafverfahren am Volksgerichtshof wurde nicht eröffnet, weil höhere Beamte dort das Verfahren gegen ihn in die Länge ziehen konnten, wie etwa der damals noch nicht verhaftete Heeresrichter Karl Sack.
Zuerst verbrachte er etliche Monate im Gefängnis Tegel; ab 8. Oktober 1944 wurde er in die Gestapo Zentrale in der Prinz Albrecht Str. gebracht. Dort schrieb er noch das viel zitierte Gebet/Lied “Von guten Mächten treu und still umgeben…” Man achte darauf: Mitten im Zentrum der Gestapo-Macht, der tödlichen Macht, wagt es Bonhoeffer, an die guten Mächte, die göttlichen Mächte als die letztlich stärkeren zu glauben. Dieses populäre Lied ist ein Lied gegen die ungerechten, weltlichen Mächte.
Als er 1945 ins KZ Flossenbürg transportiert wurde, war evident: Dies bedeutet sein Ende. Sein britischer Mitgefangener Payne Best, den er in Buchenwald kennen gelernt hatte, notierte diese Worte Bonhoeffers:
„Sagen Sie dem befreundeten englischen Bischof Bell von Chichester, so sagte Bonhoeffer, dass dies für mich das Ende, aber auch der Anfang ist. Mit ihm glaube ich an das Prinzip unserer universellen christlichen Brüderlichkeit, die über alle nationalen Interessen hinausgeht, und dass unser Sieg sicher ist.“
Zusammen mit Canaris, Hans Oster, Karl Sack und Ludwig Gehre wurde Bonhoeffer am 8. April 1945 zum Tode durch Strang verurteilt. Der Mord geschah am Morgen des 9. April 1944 unter widerwärtigsten Bedingungen.
5.
Es gab keine Zeugen für die Hinrichtung. Die offiziellen Nazi-Mörder-Richter blieben unter sich. Es waren Otto Thorbeck und Walter Huppenkothen. Sie behaupteten, die Urteile seien korrekt nach dem damals geltenden Recht, dem Nazi-(Un) Recht, ausgesprochen worden. Aber der Skandal ist: Die Henker wurden in der sehr rechtslastigen BRD Justiz zu milden Strafen verurteilt. Huppenkothen arbeitete anschließend in einer Versicherung in Mannheim, dann in Mülheim/Ruhr und später in Köln. Der FDP Politiker Achenbach schützte und unterstütze ihn, weil er selbst, wie damals etliche in der FDP, einst Nazi war. Huppenkothen starb am 5. April 1978 in Lübeck.
6.
Zur Theologie und Philosophie Bonhoeffers: Ab Mitte 1944 wird Bonhoeffer radikaler, dies wird in „Widerstand und Ergebung“ deutlich: Diese Gefängnisbriefe haben zwei Abteilungen: Briefe an die Eltern und Briefe an seinen Freund Eberhard Bethge. Die wichtigsten theologischen Vorschläge und Erkenntnisse finden sich in den Briefen an Bethge. Bonhoeffer darf am Anfang nach unzensiert im Gefängnis schreiben. Er wird etwas besser behandelt als die übrigen Gefangenen. Er darf sich von seinen Eltern viele Bücher wünschen. Er liest Romane, historische Studien und befasst sich mit Theologie. Er liest ständig in der Bibel und versucht sie unter den neuen Bedingungen zu verstehen. Die Widerholung biblischer Texte hilft ihm, zu überleben. Er klagt kaum über die Lebensbedingungen im Gefängnis. Jedoch einmal schreibt er: „Die Welt wird mir zum Ekel. Und zur Last. Wer bin ich eigentlich, der unter diesen grässlichen Dingen hier immer wieder sich windet…Man kennt sich weniger denn je über sich selbst aus“. (WE, 91).ABER: Er tröstet eher dennoch seine Familie und seinen Freund, die „draußen“ leben müssen, sorgt sich mehr um sie als um sich selbst. Sagt aber, dass er sich Gelassenheit noch immer sich erobern muss. (WE, 104).
7.
Im Gefängnis hat Bonhoeffer Zeit, das System der ihm bestens vertrauten Theologie und der Glaubenslehre, das System der Religion mit Ritus und Dogma und Institutionen, in Frage zu stellen: Und zwar von einem Standpunkt der Lebens – Erfahrung: Im Erleben der Qualen, der Niedertracht, der Bösartigkeit des Nazi Systems. Schon 1942 schrieb Bonhoeffer an seinen Freund Eberhardt Bethge (am 25. Juni 1942): „Ich spüre, wie in mir der Widerstand gegen alles „Religiöse“ wächst. Oft bis zu einem instinktiven Abscheu, was sicher auch nicht gut ist. Ich bin keine religiöse Natur. Aber an Gott, an Christus muss ich immerfort denken, an Echtheit, an Leben, an Freiheit und Barmherzigkeit liegt mir sehr viel. Nur sind mir die religiösen Einkleidungen so unbehaglich. Verstehst Du? Das sind alles gar keine neuen Gedanken und Einsichten, aber da ich glaube, dass mir jetzt hier ein Knoten platzen sollte, lasse ich den Dingen ihren Lauf und setze mich nicht zur Wehr. In diesem Sinne verstehe ich eben auch meine jetzige Tätigkeit auf dem weltlichen Sektor.“

8.
Auf diesem spirituellen Weg kann dann Bonhoeffer 1944 Wesentliches zu seinem neuen Verhältnis zu Gott schreiben: Die weltliche Welt ist sein Ausgangspunkt. D.h.: Die Eigengesetzlichkeit, die Autonomie, muss anerkannt werden. Gott spielt da als ein Element in dieser Welt keine Rolle. Darum kann er sagen:„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“.
Das heißt: In der Welt kommt Gott als Objekt nicht vor.
Gott kommt in der Welt als Gegenstand nicht vor. Er ist kein Lückenbüßer.
„Wir können nicht redlich sein, ohne zu erkennen, dass wir in der Welt leben müssen – etsi deus non daretur, auch wenn es keinen Gott gäbe – Und eben dies erkennen vor Gott. Gott selbst zwingt uns zu dieser Erkenntnis. So führt unser Mündigwerden zu einer wahrhaftigeren Erkenntnis unserer Lage vor Gott…. (WE 192).

9.
Daraus ergibt sich eine neue Form der Gottesbeziehung:
„Unser Verhältnis zu Gott ist kein ,religiöses‘ zu einem denkbar höchsten, mächtigsten, besten Wesen – dies ist keine echte Transzendenz –, sondern unser Verhältnis zu Gott ist ein neues Leben im ,Dasein-für-andere’“ (Widerstand und Ergebung: DBW 8, Gütersloh 1998, 558).
Im Leben für andere, im Verpflichtetsein den anderen gegenüber: Darin sieht Bonhoeffer nicht nur eine ethische Aufgabe: Sondern im Anderen, dem Leidenden, wird ihm das Gesicht Gottes zugänglich. „Der jeweils gegebene erreichbare Nächste ist das Transzendente. Gott in Menschengestalt“ (DBW 8, 558).
Gottes „Antlitz“, möchte man mit Emmanuel Lévinas sagen, ist das des bedrohten Anderen, und ein anderes „Sein“ Gottes gibt es nicht – es wäre Produkt religiöser Phantasie und Projektion. Darum hat Bonhoeffer vom „leidenden Gott“ gesprochen, dem Gegenbild all dessen, was die „Religiösen“ von Gott erwarten. Ein im Leiden geschärfter, nicht-religiöser Glaube war es, aus dem er die künftige Theologie, Spiritualität und christliche Praxis hervorgehen sah – ein Grund, weshalb Befreiungstheologen wie Gustavo Gutiérrez oder Frei Betto ihn als einen der ihren betrachteten. (so sagt es der katholische Theologe Tiemo Peters). Über die vielfältige, auch widersprüchliche Rezeption der Theologie Bonhoeffers in der Kirche der DDR wäre zu sprechen, vor allem über Bonhoeffers Schüler, den späteren DDR Bischof Albrecht Schönherr. Er gab die missverständliche Parole aus von der „Kirche im Sozialismus“.

10.
Bonhoeffers Vision für das Christentum heute:
„Wir müssen anfechtbare Dinge sagen, wenn dadurch nur lebenswichtige Fragen aufgerührt werden. Ich fühle mich als ein moderner Theologe, der doch noch das Erbe der liberalen Theologie in sich trägt, verpflichtet, diese Fragen anzuschneiden“. (WE, 201).
KONKRET: Bonhoeffer spricht von religionslosem Christentum. D.h.: Für ihn ist Religion immer auch institutionelle Macht, die sich um ihren Selbsterhalt sorgt. Religion ist immer auch Apparat, System, Dogmen, Lehren. Das gilt für ihn nicht mehr!
Religionslos heißt dann: Es kommt auf je meinen individuellen Glauben an, mein einfacher Glaube.
Bonhoeffer schreibt: „Wie dieses religionslose Christentum aussieht, welche Gestalt es annimmt, darüber denke ich nun viel nach…“(WE, 143) „Nicht nur mythologische Begriffe, die Wunder, Himmelfahrt etc. sind problematisch, sondern die religiösen Begriffe schlechthin“. Diese Übersetzung uralter mythologischer Begriffe fällt den Kirchen bis heute sehr schwer. Sie sprechen (und singen! ) nach wie vor alte Formeln und Floskeln des Glaubens, die kein Mensch von heute mehr verstehen kann. Trotzdem tun dies die Kirchen, mit einer unglaublichen Ignoranz, als hätte es Bonhoeffer nicht gegeben.

11.
Die Aufgabe heißt für ihn darum: Nicht-religiöse Interpretation biblischer und theologischer Begriffe. Also: Verständlich für alle muss man sagen: Was bedeutet Erlösung?
Man sollte nicht Gott aufgeben, sondern den Gott der Religion aufgeben. „Vor und mit Gott leben wir ohne Gott.” Offenbar setzt Bonhoeffer hier zwei unterschiedliche Bedeutungen von Gott an: Der Gott der Religion, den er aufgibt; und den Gott als das Geheimnis des Lebens, “vor und mit dem” er lebt.

12.
Worauf es im letzten ankommt: BETEN UND TUN DES GERECHTEN ( WE 157). „Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: Im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muss neugeboren werden aus diesem Beten und diesem Tun“.
Wer fragt, was ist eigentlich das Wichtigste im christlichen Glauben? Die Antwort: Es ist Beten und Tun des Gerechten. Dabei muss Bonhoeffer die Weisheit des AT loben: „Ist nicht die Gerechtigkeit und das Reich Gottes auf Erden der Mittelpunkt von allem ? (WE 144).
Noch einmal:
Beten heißt für uns heute: Reflektieren, meditieren, die eigene religiöse Poesie pflegen. Und das Gerechte (was mehr ist als das Recht!) tun!
„Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig. Die Kirche steht nicht dort, wo das menschliche Vermögen versagt, an den Grenzen, sondern mitten im Dorf“. (WE, 142).
Es gibt also für Bonhoeffer den Gott der alten Religion, der Metaphysik, den es zu überwinden gilt. Und den wahren Gott der Mystik, das “absolute Geheimnis”.

13.
Der katholische Theologe und Bonhoeffer-Forscher Tiemo R. Peters, (+), Uni Münster, schreibt::
Einen Gott, den ,es gibt‘, gibt es nicht, Gott ist im Personbezug“ (DBW 2, München 1988, 112). In den Gefängnisbriefen wurde der Gedanke weiter zugespitzt und vertieft: „Der jeweils gegebene erreichbare Nächste ist das Transzendente. Gott in Menschengestalt“ (DBW 8, 558). Gottes „Antlitz“, möchte man mit Emmanuel Lévinas sagen, ist das Antlitz des bedrohten Anderen, und ein anderes „Sein“ Gottes gibt es nicht – es wäre Produkt religiöser Phantasie und Projektion. Darum hat Bonhoeffer vom „leidenden Gott“ gesprochen, dem Gegenbild all dessen, was die „Religiösen“ von Gott erwarten. Ein im Leiden geschärfter, nicht-religiöser Glaube war es, aus dem er die künftige Theologie, Spiritualität und christliche Praxis hervorgehen sah – ein Grund, weshalb Befreiungstheologen wie Gustavo Gutiérrez oder Frei Betto ihn als einen der ihren betrachteten“. Über die Inspiration, die Bonhoeffer für einige Befreiungstheologen hat: Siehe das Buch von Paul Gerhard Schoenborn, „Studien zu Dietrich Bonhoeffer“, Münster 2012.

14.
„Religionslose Christen“: Mit dieser These nähert sich Bonhoeffer einem Gedanken des jüdischen Philosophen Franz Rosenzweig an: „Die Sonderstellung von Judentum und Christentum besteht gerade darin, dass sie, sogar wenn sie Religion geworden sind, in sich selber die Antriebe finden, sich von dieser Religionshaftigkeit zu befreien und (…) wieder in das offene Feld der Wirklichkeit zurückzufinden“ (Rosenzweig: Das neue Denken, Gesammelte Schriften III, Den Haag 1984, 154)

15.
Der TEXT Bonhoeffers „Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943“ (also noch VOR der Verhaftung am 5.4.1943) ist online GRATIS zu lesen: https://sumsinagro.de/nach_zehn_jahren

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin