Hongkong: Christen aktiv im Widerstand!

Ein Hinweis von Christian Modehn

Christen in Hongkong sind jetzt aktiv im Widerstand: Sie wehren sich gegen die Aushöhlung des Rechtssystems in ihrer Stadt durch die Allmacht von Pekings Kommunisten. Ihre ständigen Proteste sind mit mehr als 2 Millionen Demonstranten die heftigsten und umfangreichsten, wohl genauso so bedeutend (und leider so gefährdet) wie 1989 in Peking, man denke an das Tienanmen – Massaker vom 4. Juni 1989.

Innerhalb dieses massiven Aufstandes des Volkes in Hongkong haben Christen eine wichtige Präsenz. Dieses Thema mag als eine politologisches Sonderfrage erscheinen, aber es ist genauso relevant und wichtig, wie vergleichsweise die Erinnerung an die Hilfe der Evangelischen Kirche in der DDR innerhalb der „friedlichen Revolution“ von 1989. Nur wird wohl leider angesichts der Allmacht Pekings der demokratische Aufstand in Hongkong anders enden als in der DDR.

Man muss wissen: Unter den 7 Millionen Einwohnern Hongkongs sind etwa 800.000 Christen verschiedener Konfessionen, zahlenmäßig sind die 480.000 Protestanten am stärksten (Baptisten, Lutheraner, Anglikaner, Church of Christ usw). Etwa 380.000 Einwohner bekennen sich zur römisch-katholischen Kirche, darunter auch viele Philippiner. Sie müssen, wie leider üblich für dieses arme Volk, die untersten „Dienste“ erledigen…

Die Wochenzeitung „LA VIE“ (Paris) hat am 16.8.2019 über die aktuelle Mitwirkung der Kirchenführer und Christen an den Demonstrationen in Hongkong berichtet.
Aus diesem Beitrag einige wichtige Informationen:
1.Bekanntlich haben die Demonstranten vor den offiziellen Gebäuden der Regierung „Sing Halleluja to the Lord“ gesungen, als spirituelle Stärkung und als Ausdruck ihrer friedlichen Gesinnung.
2. Ein katholischer Priester berichtet in „La Vie“, dass seine Kirche am 5.August 2019 als Adresse unter den jungen Demonstranten bekannt war: Bekannt als Zufluchtsort, um sich vor der Verfolgung durch die Polizei zu schützen. Und dieser Schutz wurde genutzt!
3. Später jedoch durfte diese Kirche, so der in „La Vie“ anonym bleibende Priester, nicht mehr als Schutzraum und Zufluchtsort für die Demonstranten dienen. Der eigentlich demokratisch gesinnte, aber auch diplomatisch agierende Weihbischof des Bistums Hongkong wollte es sich mit der Peking-hörigen Regierung seiner Stadt nicht verderben, deswegen sein Nein zum Schutzraum. Schließlich würden die katholischen Schulen, so der Weihbischof, auch von der Regierung Hongkongs mit – finanziert: Wie so oft, wiederholt sich die altbekannte katholische „Krankheit“: Eher katholische Einrichtungen schützen als bedrohten Kämpfern zugunsten der Menschenrechte helfen (man denke an die Politik des Vatikans während der Nazi-Zeit).
4. Die „Regierungschefin“ der „Sonderverwaltungszone Hongkong ist die „praktizierende“ Katholikin Carrie Lam. Sie hat ihre Ausbildung als Kind bereits in einer katholischen Nonnenschule erhalten. Als sie 2017 in diese höchste Funktion gewählt wurde und diese Funktion annahm, sprach sie davon, „nun sei ihr ein Platz im Himmel reserviert“. Ihre „Wahl“ war bekanntermaßen eine Farce: Denn nicht die Bürger Hongkongs wählten sie, sondern nur 1194 Wahlmänner eines „Wahlkomitees“, zusammengesetzt aus loyal der Führung in Peking ergebenen Leuten. Die Jesuiten-Zeitschrift AMERICA (New York) hat schon 2017 berichtet, dass unter demokratisch gesinnten Bewohnern die Frage gestellt wird: Wie kann diese führende katholische „Chefin“ Hongkongs, Frau Lam, zwei „Herren“ dienen, nämlich der allmächtigen KP Chinas UND dem Gott der Bibel und des Evangeliums als Friedensbotschaft. Katholische Demokraten in Hongkong wissen genau, dass Carrie Lam schon aufgrund ihrer hohen Funktion der kommunistischen Partei völlig ergeben sein muss. Sie hatte in ihrer Funktion sogar vor, nach Pekinger Vorbild, eine „religiöse Leitungseinheit“ zu organisieren, um alle Religionen Hongkongs sozusagen im „staatlichen Griff“ zu haben. Dieses Vorhaben ist aber nach Protesten zunächst gescheitert. Aber man sieht, dass demokratische gesinnte Katholiken wie der Weihbischof Joseph Ha Chi-shing, hin und her gerissen sind, einerseits für die globalen demokratischen Proteste zu optieren oder für den Erhalt der katholischen Schulen zu plädieren, dies ist ja vergleichsweise bloß ein bescheidenes pädagogisches und auch klerikales Projekt. Hingegen ist der 87 jährige (pensionierte) Kardinal Zen von Hongkong einer der schärfsten Anti-Kommunisten.
5. Auch innerhalb der anglikanischen Kirche Hongkongs gibt es unterschiedliche Positionen: Erzbischof Paul Kwong, berichtet „La Vie“, predigt ganz offen die „Unterwerfung“ unter die Weisungen Pekings. Das stört allerdings viele Anglikaner nicht, an den Demonstrationen teilzunehmen.
6. Am bekanntesten ist wohl der Baptisten Pastor Chu Yiu-ming, 75 Jahre alt. Er hat schon den Dissidenten vom Tiananmen – Platz geholfen, nach Hongkong zu fliehen. Im April 2019 wurde er zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“. Vorher hat er noch eine Art Predigt gehalten, die weite Verbreitung fand, auch „La Vie“ berichtet darüber. Er sagte u.a.: „Unsere Überzeugung basiert auf unserem Glauben. Jede menschliche Person ist nach dem Bilde Gottes geschaffen. Deswegen muss jede Person respektiert und geschützt werden. Wir streben nach der Demokratie, denn die Demokartie strebt nach Freiheit, Gleichheit und universeller Liebe…Glücklich sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, das Himmelreich gehört ihnen…“
7. Was die katholische Kirche angeht: Sehr bald muss ein neuer Erzbischof für Hongkong vom Papst ernannt werden. Wird es Michael Yeung sein, er soll der Kommunistischen Partei Pekings nahe stehen. Oder wird es der aufgeschlossene, demokratisch gesinnte Weihbischof Joseph ha Chi-shing. Viele Beobachter meinen, dass die gegenwärtige Personalpolitik des Vatikans gegenüber der katholischen Kirche in China eher den kommunistischen Herrschern gewogen ist. Dass dies vor allem Kreise behaupten, die Papst Franziskus alles andere als gewogen sind, verwundert nicht. Andererseits ist eine Kooperation Vatikan und KP Chinas auch kaum vorstellbar, es sei denn: Dass dem Vatikan das Überleben der Katholiken wichtiger ist als die Kritik am Regime in Peking.
Das zeigt einmal mehr, wie schwer es ist, ein halbwegs klares Bild zu erhalten selbst über den Zustand der Kirchen in Hongkong heute.
Seltsam finde ich es nur, wie gering das Interesse der (großen) Medien in Deutschland an dem Thema „Christen in Hongkong heute“ ist.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Die 10. Weltkonferenz der “Religionen für den Frieden” in Lindau: Sind die Götter wichtiger oder die Menschenrechte? Natürlich die Menschenrechte!

Ein Hinweis von Christian Modehn anläßlich der “10. Weltkonferenz der Religionen für den Frieden” in Lindau

1.
Einige grundsätzliche Fragen und auch Vorbehalte zur interreligiösen Groß-Konferenz in Lindau sollten öffentlich debattiert werden. So lobenswert auch die Versuche sein mögen, überhaupt unterschiedliche, zum Teil verfeindete Vertreter verschiedener Religionen zusammenzuführen. Nach allgemein verbreiteter und publizierter Überzeugung sind Religionen in ihren popularisierten Lehren de facto friedlos, unmenschlich und gewalttätig gegen andere Menschen. Dass bei der permanenten Gewalt die religiöse Dimension oft nur äußerlich als Motiv vorgeschoben wird und die eigentliche Ursache, die politische und ökonomische, verdeckt wird, ist eigentlich klar. Und dies wäre ein eigenes, wichtiges Thema für interreligiöses Groß-Konferenzen…
2.
Im idyllischen Lindau, am Bodensee, findet also vom 20. bis 23. August 2019 die „Weltversammlung von Religionen für den Frieden“ statt. Dies ist die 10. Weltversammlung der 1970 gegründeten internationalen Vereinigung „religions for peace“. Bemerkenswert ist schon der Titel: Es gibt also, logisch und historisch eindeutig, auch „religions against peace“, Religionen gegen den Frieden. Das wäre wohl der treffende Titel für „Religionen in der Weltgeschichte“. Insofern ist die neue Akzentsetzung „Religionen FÜR den Frieden“ eher selten und als Fernziel, als reale Utopie, dringend geboten. Die Frage ist: Wie können jemals alle Religionen im Miteinander zu Friedensreligionen werden? Was muss sich in der inneren dogmatischen Verfasstheit einer jeden Religion erst ändern, damit diese zu einer Friedensreligion wird, die diesen Namen immer und allgemein verdient. Und diesen friedlichen Charakter nicht nur bei Weltkonferenzen öffentlich propagiert.
3.
Diesmal werden in Lindau 900 religiöse „Autoritäten“, wie es offiziell heißt, aus über 100 Ländern teilnehmen sowie auch 100 Vertreter nationaler Regierungen und NGOs. Das ganze teure Unternehmen wird sehr stark finanziert von deutschen Steuergeldern. Über die Flugkosten der aus allen Ecken der Erde anreisenden „religiösen Autoritäten“ aus Islam, Kirchen, Judentum, Buddhismus, Bahaii, Hinduismus und so weiter wird in den Publikationen der Vereinigung (bis jetzt) kein Wort verloren. Ebenso, dass die religiösen Autoritäten bei dieser Viel-Fliegerei viel CO2 ausstoßen lassen, wird nicht erwähnt. Genauso wenig die Frage, ob man viele Dialoge und Interviews nicht auch über Video- Life – Interviews hätte führen können. Das wäre doch ein ökologisches Novum für eine Weltkonferenz! Und religiös und ethisch ein gewisses Vorbild, angesichts des ständigen Bedürfnisses, Prominente zu Mammut-Konferenzen zusammenzuführen. Bei denen dann so oft allgemeine blasse „Abschlussdeklarationen“ mitgeteilt werden, die drei Wochen später in den Papierkörben der Redaktionen landen. Man denke an die vielen, selbst von „Spitzenpolitikern“ eigentlich wirkungslos genannten „Gipfel der 8 oder 10 Supermächte“ usw. Man denke auch an die in Rom immer wieder veranstalteten Bischofssynoden, die im Resultat auch nur eine Papierflut erzeugen. Welcher Bürger welchen Staates erinnert sich an die Ergebnisse und Schlussdokumente der vergangenen neun „Weltkonferenzen für den Frieden“. Ich, auch als Journalist, der über Religionen arbeitet, erinnere mich in dem Zusammenhang an … nichts.
4.
Natürlich müssen die Religionen alles tun, damit sie sich zu Religionen des Friedens und zu Religionen der Friedensstiftung entwickeln. Sie müssen also das werden, was sie begrifflich vorgeben zu sein. Aber welcher Friede wurde wo, in welchem Land, durch die letzten vergangenen Weltkonferenzen dauerhaft erreicht? Da wären genaue und überprüfbare Aussagen interessant. Oder wurde durch die Weltkonferenzen nur Schlimmstes verhindert? Auch das wäre nachzuweisen.
5.
Ich vermute, die Bilanz dazu fällt schwach aus. Woran kann das liegen?
Es sind ja oberste und etablierte Führungspersonen verschiedener Religionen, die sich ein paar Tage bei diesen Weltkonferenzen in heilige Texte vertiefen und mühevoll in allen Texten eine gemeinsame humane, friedliche Grundhaltung herausdestillieren. Es sind natürlich eher liberale Denker und religiöse Führer, die sich da treffen, nicht die sehr vielen „Hardliner“ und Fundamentalisten, mit denen ein Dialog doch mal dringend nötig wäre. Solche Treffen milde gesinnter religiöser Friedensfreunde wurden schon seit Jahrzehnten auch anderweitig veranstaltet, man denke an die „Assisi-Treffen“, inszeniert von Papst Johannes Paul II.
Die üblichen und erwartbaren Konferenz-Erkenntnisse und Ergebnisse hingegen gehen dann wie erwartbar dahin, dass z.B. der Gott des Christentums und der Gott des Islams doch sehr ähnlich sein sollen. Oder dass Jesus und Buddha doch so vieles Gemeinsames haben. Dazu liegen bereits geschätzte 100 Studien und Bücher in allen großen Sprachen dieser Welt bereits vor. Aber solche Gemeinsamkeits-Bezeugungen bringen gar nichts, weil sie subjektlos formuliert sind: Das heißt: Es sind ja nicht die „Religionen“ als solche, also als feste Institutionen, die da zum Frieden bewegt werden sollen. Sondern es geht doch immer um Menschen, also geschichtliche Subjekte, die über die engen Grenzen ihrer dogmatischen Prägung springen sollen und eben dem Frieden den absoluten Vorrang geben noch vor ihrem konkreten konfessionellen Bekenntnis.
6.
Die Autoritäten, also alle diese Hochwürden und Heiligkeiten, die da nun in Lindau zusammen kommen, müssen sich fragen lassen: Welche faktische Macht haben sie, den möglicherweise in Lindau formulierten Friedensgedanken in ihren eigenen Religionen definitiv durchzusetzen? Oder bleibt es, wie es in der Broschüre zum Kongress heißt, bei einem „hoffen wir“? Lohnt sich für diese vage Erwartung, dieses „hoffen wir“, dieser Aufwand? Diese Unkosten? Diese CO2 Vergeudung?
7.
In der Lindauer Konferenz, so ist zu lesen, soll Nigeria in einem Focus stehen: Aber können nigerianische Christen und vor allem ihre so vielen so unterschiedlichen Kirchenführer etwa dafür sorgen, dass etwa diese pfingstlerischen Großunternehmen, Kirchen genannt, sich weiter ausbreiten und den interessierten Leuten das Geld aus der Tasche ziehen? Die starke Sehnsucht nach einem pfingstlerischen Tralala gerade unter den Armen und dem sich bedroht fühlenden Mittelstand hat doch ökonomische Gründe: Lagos ist ein widerwärtiger Moloch und der nigerianische Staat zerfällt – aus politischen und vor allem ökonomischen Gründen: Dann ist die Flucht in die bekannten abgezäunten Imperien der Pfingstkirchen-Millionärs-Pastoren wie eine Flucht ins Paradies. Sogar ein evangelikales Magazin in Wetzlar berichtet darüber: Diese Kirchen seien förmlich kleine autonome und autoritäre Staaten in einem zerfallenden Staat.
Was wird man also zu diesem zerfallenden Nigeria im hübschen Lindau sagen? Warum macht man dann eigentlich nicht gleich diese Konferenz in Lagos? Da würden den Würdeträgern aus aller Welt die Augen und die Nasen aufgehen angesichts von Schmutz und Gestank, falls sie denn ihr Tagungshotel verließen.
8.
Die Konferenz denkt meines Erachtens zu wenig kritisch-politisch. Wie könnte denn sonst die Vertreterin der „Rainforest-Initiative“ in Peru sagen, das Abholzen der Wälder etwa im Amazonasbereich sei, so wörtlich, „eine Tragödie“. Nein, dies ist keine schicksalshafte Tragödie, die unabwendbar ist im Sinne der griechischen Tragödien: Nein, das Abholzen dort zugunsten der Reichen und ihres Rindfleischkonsums ist ein Verbrechen, begangen von korrupten Politikern und Ökonomen weltweit, die bestraft werden müssten.
9.
Meine Meinung ist: Nur wenn alle diese vielen und verschiedenen und in sich selbst verschiedenen, also pluralen, Religionen etwas Größeres über sich selbst erkennen, könnten religiöse Institutionen noch für den Frieden praktisch sorgen: Dieses Größere über allen faktischen Religionen ist natürlich NICHT irgendein wieder konfessionell geprägter Gott. Aus den engen konfessionellen und religiösen Zusammenhängen kann niemals der Weltfriede entstehen, die Religionen sind viel zu dogmatisch fixiert. Nein: Das überragend Größere für alle vielen konkreten Religionen sind die Menschenrechte. Es ist die universale Menschenwürde, letztlich also die allen Menschen gemeinsame Vernunft, die über allen Religionen steht und die für den Frieden sorgen könnte. Wer es theologisch will: Diese Vernunft ist eine Gabe Gottes! Und man lese in diesen Weltkonferenzen wieder einmal lernbereit Lessings „Nathan der Weise“. Nur wenn alle Religionen und damit ihre „Führer“ anerkennen: Das Größere für uns, auch das Kriterium unseres Tuns, ist die Vernunft, d.h. die Menschenrechte, nur dann können wirkliche Schritte zum Frieden geschehen. Und über den allgemeinen Drang de Religionen zu missionieren, wäre kritisch nachzudenken. Genauso wie über die Verbote in muslimischen Staaten, die Religion zu wechseln, also etwa Christ oder Atheist zu werden. Wird man über diese Fragen in Lindau debattieren? Anklagen wird man diese muslimischen Staaten, die keine Religionsfreiheit dulden, nur dann: Wenn man auch diese Religionen dort dazu verpflichten könnte, die universalen Menschenrechte faktisch zu respektieren. Der religiöse Dialog ist heute eine Dialog über Menschenrechte. Sonst ist er nichts als ein hübscher Meinungsaustausch…
10.
Die Religionen in ihrer inneren, theologischen Vielfalt, sind meist IN sich selbst unfriedlich schon gegen die „Häretiker“ in den eigenen Reihen. Sie sind in ihrer eigenen Verfassung selbst kriegerisch, verletzend. Man denke etwa an den Ausschluss der Frauen von den Ämtern in der römischen Kirche. Das stiftet Unfrieden unter den Katholiken, vor allem den Frauen. Man denke an den Ausschluss von Homosexuellen aus den Ämtern der PfarrerInnen in mehreren Kirchen. Man denke an die Verfolgung von Homosexuellen im katholischen Polen mit der PIS Partei. In vielen sich muslimisch nennenden Staaten werden Homosexuelle immer noch verfolgt und getötet. Und in wie vielen sich irgendwie christlich nennenden afrikanischen Staaten werden Homosexuelle verfolgt? Wie könnten europäische Staaten und westliche Kirchen auf diese afrikanischen “christlichen” Länder Druck ausüben, damit die Menschenrechte dort respektiert werden? Das wäre doch kein Kolonialismus! Denn auch die Homosexuellen-feindlichen Kirchen in Afrika und ihre Führer (Kardinal Sarah, Guinea, jetzt Vatikan, etwa) üben Druck auf die Kirchen insgesamt aus (auf die Anglikaner, Katholiken, Lutheraner usw.) Das ist sozusagen eine Art Kolonialismus der einst Kolonisierten und Missionierten! Das wäre ein Thema für Lindau. Oder man denke an die Missachtung der Mystik in herrschenden islamischen Kreisen, man denke an die Tatsache, dass viele orthodoxe Kirchen in Europa ideologische Stützen der jeweiligen Herrscher (Putin) sind usw. .
11.
Man denke daran, dass die Religionen in dieser kapitalistischen Welt selbst schon vom Geist des Kapitalismus erfasst und durchdrungen sind. Dieser Ungeist prägt die Mentalitäten der religiösen Hierarchie, es ist die Lust am Geld, am äußeren Erfolg, an Stärke und hierarchischer Macht.
12.
Die Weltreligionen sollten also, um friedenspolitisch wirksam zu sein, Menschenrechts-Konferenzen gestalten und sich zu kritischen politischen Analysen durchringen. Sie sollten neue Bündnispartner unter den NGos suchen: Und die religiösen Menschen belehren: Ihr könnt alle selbstredend religiös in eurer Konfession sein. Aber das Wichtigste ist, dass ihr wahrhaft Menschen werdet, dass ihr als Menschen die Menschenrechte pflegt und in euren Gottesdiensten nicht nur die uralten so genannten heiligen Texte lest und tausendmal wieder nachbuchstabiert. Sondern eben die Menschenrechtserklärungen in der Predigt verständlich macht, um sie in der Praxis zu leben. Und eine Friedenspolitik im Sinne der universal geltenden Menschenrechte mitgestaltet, mit der Bereitschaft zu politischen Debatten um der vielen leidenden Menschen willen.
13.
Das heißt: Die Zeiten der nur religiösen Weltkonferenzen sind vorbei. Sie sind wahrscheinlich eine Art teures Hobby der ohnehin begüterten und verwöhnten, milde gesinnten religiösen Führer und Vielflieger. Das meiste, was da in Lindau zu hören sein wird, ist theologisch und religionswissenschaftlich längst erforscht, das meiste ist gesagt. Jetzt sind andere Themen dran, Menschenrechtsthemen aus religiöser Verantwortung, wenn man so will. Und andere Konferenzen mit dem Thema: „Die Welt-Religionen relativieren ihren eigenen dogmatischen Glauben und unterstellen sich gemeinsam der Geltung der Menschenrechte“. Das wäre das Thema für heute und morgen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Katholische Akademien: Orte des freien Austauschs oder nur noch Hüter von Evangelium und katholischer Tradition?

Über die Krise einer etablierten Institution: Wird sie die Freiheit hochschätzen lernen?
Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
Katholische Akademien gehören, wie der Name sagt, zu einem besonderen „Segment“ der Gesellschaft, sie ziehen schon im Titel gewissermaßen enge Grenzen. Unvorstellbar, welche Lebendigkeit eine katholisch inspirierte, (katholisch im Sinne von „für alle“) Akademie hätte, wenn sie sich etwa „Forum für Sinnfragen“ oder „Agora der Religionen“ nennen und dies auch praktisch einlösen würde. Diese neuen Titel für einen neuen, einen reformierten Geist würden darüber hinaus dem Stand gegenwärtiger theologischer, philosophischer und religionswissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechen und sicher auch eine andere Clientele interessieren. Wer hingegen „Innerkirchliches“ erfahren will oder die offizielle Sicht der Bibelinterpretation kennen möchte, kann in den Gemeinden informiert werden.
2.
Eine historisch-kritische Analyse des Titels „Katholische Akademie“ wäre reizvoll, er wurde schon einige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in Zeiten des „Wiederaufbaus“, erfunden. Reizvoll auch, wenn man ihn mit dem Begriff der Akademie im Sinne Platons und der späteren Rezeption in der Renaissance konfrontieren würde.
3.
Nun findet in der nur für Abonnenten der Wochenzeitung „Die Zeit“ zugänglichen Wochenzeitung „Christ und Welt“ eine Diskussion statt über die Frage: Welche Rolle spielen eigentlich die 23 in Deutschland vertretenen, im Titel, wie gesagt, auf Identität und Kirchlichkeit abhebenden „Katholischen Akademien“? Sind sie in der Krise, sind sie vielleicht doch kreativ und provokativ? So wird zu recht, von Patrick Schwartz, dem geschäftsführenden Redakteur der ZEIT, in einem Beitrag gefragt.
4.
Diese Debatte ist kein marginales Sonderthema. Sondern es bewegt doch viele, die sich mit dem geistigen Leben und der Kommunikation von Menschen unterschiedlicher Lebenswelten in der Großstadt, etwa in Hamburg oder Berlin, befassen. Und dringend Orte des vorbehaltlosen, offenen intellektuellen Austauschs, des Dialogs, wichtig finden. Dass nicht nur ich diese großen (katholischen) Akademien mit den fast immer üblichen Frontal-Vorträgen vor einem Publikum von 50 bis 100 Personen für überholt halte, hinsichtlich des Lernerfolges oder wichtiger noch der Kommunikation aller, ist ein anderes Thema. Es wäre wohl sinnvoller, die Teilnehmer lesen zwei Seiten eines Statements vorher zuhause und treten dann ins Gespräch mit dem „Spezialisten“. Aber nein: Da setzen sich hingegen mehrheitlich ältere Herrschaften in einen großen Saal und lauschen eine gute Stunde dem manchmal nicht leicht nachvollziehbaren Vortrag und dürfen dann zum Schluss einige Fragen an den Referenten stellen: Das ist Erwachsenenbildung auf dem Stand von 1960. Und dies in der üblichen hierarchischen Sitzordnung: Die zu Belehrenden schauen nach vorn auf den Herrn, die Dame, den Lehrer. Warum nicht ein egalitäre Kreis-Runde? Erst bei einem Glase Wein „danach“ lernt man sich etwas kennen und spricht miteinander. Dieses Miteinander war ja eine Grundidee der Akademie Platons.
5.
Ich meine: Viele kleine philosophisch – theologische Salons über die Stadt verstreut, wären für die Kommunikation in den so oft zu recht beschriebenen „anonymen“ Lebensverhältnissen der Großstadt hilfreicher und wichtiger. Diese vielen Gespächs-Salons, selbstverständlich außerhalb der Kirchengemeinden organisiert, könnten in Kunstgalerien, Bibliotheken, Cafés ein Zuhause finden und ein weites, auch junges Publikum interessieren.
6.
Aber die Kirche setzt nun immer noch auf repräsentative Macht, die sich in großen Gebäuden äußert, die dann im Unterhalt so teuer werden, dass man die Räume permanent an wohlhabende Kreise aus Politik und Wirtschaft vermieten muss. Es gibt tatsächlich im deutschsprachigen Raum 26 Katholische Akademien, von den jeweils eine in Italien, Österreich und der Schweiz sich befindet.

Ich sehe in den Beiträgen von „Christ und Welt“ zum Thema Katholische Akademien keine exakten Informationen: Wie viele Teilnehmer hat etwa pro Jahr hat die Katholische Akademie in Berlin oder Hamburg? Was lässt sich über den Altersdurchschnitt der TeilnehmerInnen sagen? Wie viele „junge Leute“, zwischen 25 und 40, nehmen an den Veranstaltungen teil? Macht man entsprechende Umfragen unter den TeilnehmerInnen? Und vor allem: Wie hoch ist der Etat einer katholischen Akademie, etwa in Berlin. Wie viel Geld kommt vom Staat? Darüber gibt die jährliche Finanzstatistik des Erzbistums Berlin explizit keine Auskunft, was der Pressereferent des Erzbistums bestätigt und auf Nachfrage darauf verweist, diese Akademie sei ein „e.V“. Wer finanziert also diese katholische Akademie? Und wie hoch ist der Jahresetat? Und vor allem: Ist die Differenz zwischen finanziellem „Input“ und auf Teilnehmer bezogenem Output ökonomisch und moralisch vertretbar?
7.
In der Ausgabe von „Christ und Welt“ vom 25.Juli 2019 stellen die Direktoren der Katholischen Akademien in Hamburg und Berlin ihre theologischen Grundlagen, ihr Konzept, vor. Während Stephan Loos, der Hamburger Akademie Direktor, voller Elan und Mut für die offenen „Spielräume“ eintritt, die diese Akademie lebt bis hin zum „kritischen Dialog“ auch über Themen, die für die Kirchenführung unbequem sein könnten: Er nennt das Beispiel der Homosexuellen in der katholischen Kirche, er spricht explizit von einer „Schmerzgrenze“, meint wohl auch die Abweisung etwa von Segnungen homosexueller Paare/Ehepaare. Tiere, Handys und Autos werden bekanntlich katholischerseits feierlich von Priestern öffentlich gesegnet. Das bringt mehr Freude im populären kleinbürgerlichen Milieu als die Segnung von “Homo-Ehen”. Es ist für einen Protestanten ein erfreuliches Signal, wenn Stephan Loos der „Freiheit den Vorrang“ gibt in seiner Arbeit.
8.
Ganz anders empfinde ich als – vom Studium her – katholischer Theologe und Journalist die Ausführungen des Berliner Akademiedirektors Joachim Hake. Er hat nach dem Übergang seiner Gattin Susanna Schmidt ins CDU geleitete Bildungsministerium (Schavan-Connection) sozusagen in familiärer Fortsetzung im Jahr 2007 die Leitung der Berliner Akademie übernommen. Aber diese „Kontinuität“ ist ein anderes schon früher diskutiertes Thema.
Mein Gesamteindruck des Beitrags von Joachim Hake Beitrag in „Christ und Welt“ ist: Katholische Akademien sind für ihn „keine Kanzeln für Vordenker“, haben also nicht den Ehrgeiz, Neues, Kritisches, Provokatives zu sagen. Freiheit zuerst, wie sein aufgeschlossener Hamburger Kollege sagt, ist bei Hake also nicht so zentral. Hingegen bei ihm immer wieder der Hinweis auf das Katholische, „die Kirche“ (also die Amtskirche), die Tradition. Das Wort Ökumene habe ich in seinem Beitrag nicht gelesen, auch zum interreligiösen Dialog keine Hinweise, geschweige denn von einem Hinweis auf Veranstaltungen mit und für die „Unkirchlichen“, die bekanntlich in Berlin 60 % der Bevölkerung darstellen.
Hake spricht kryptisch von Ambiguitätstoleranz, also wohl von der Überzeugung, dass so eindeutig klar die Lehren der Kirche und ihrer Tradition doch nicht sind. Er will also „Ambilvalenzen und Widersprüche“ bloß aushalten. Bloß welche Widersprüche genau? Etwa dass das Zölibatsgesetz existiert, aber dass sich so wenige daran halten können und wollen? Mit anderen Worten: Hake will sich nicht positionieren. Er will das Image (gibt es noch ein gutes?) der Amtskirche pflegen. Diese vorgebliche Neutralität dient aber letzlich immer dem Erhalt der bestehenden Herrschaftsstrukturen, das gilt allgemein, aber auch für die Kirche.
9.
Man sehe sich deswegen einmal das Programm der Katholischen Akademie in Berlin an. Das kontrastreich andere, bessere Programm in Hamburg oder im „Haus am Dom“ in Franfurt am Main, sollte man selbst im Internet aufrufen.

Ich will nur erinnern: Im Berliner Programm für den Rest des Jahres 2019 stehen Kirchenführungen in Berlin und Leipzig zahlenmäßig im Mittelpunkt. Ich frage mich als gebürtiger Berliner, der einst, noch als Katholik, alle diese doch eher schlichten Kirchengebäude besucht hat: Was ist denn an diesen Kirchenbauten aus dem Ende des 19. Jahrhunderts oder Beginn des 20. Jahrhunderts so bemerkenswert, etwa an der eher an einen Kitschpalast erinnernden St. Ludwigskirche. Interessanterweise findet in der katholischen Akademie allen Ernstes eine Tagung statt über den “Kirchbau im faschistischen Italien”. Ob Innenminister Minister Salvini, der von vielen, sicher richtig, als Faschist eingeschätzt wird, dabei sein wird, ist wohl noch unklar. Dann aber bitte auch gleich auf europäischer Ebene fortfahren und etwa die Kirchenbauten des faschistischen Generalissimo Franco, auch sein von ihm und für ihnbestimmtes Kirchen-Mausoleum, studieren. Also, im Ernst, Architektur des Faschismus in den kommenden Monaten in der katholischen Akademie Berlin. Nichts aber auch gar nichts ist bis heute (27.7.2019) zur Ökologie angekündigt… Kann ja noch kommen, wenn sich die Katholische Akademie mit den jungen Leuten in Berlin und Brandenburg von „Fridays for future“ solidarisiert und diese in ihre Räume einlädt. Davon habe ich kürzlich geträumt: Alte Katholken treffen sehr lebendige, besorgte Jugendliche! War aber ein Traum.

Auch über die St. Hedwigskathedrale in Berlin wurde 2019 diskutiert, aber nicht über den leider gescheiterten Widerstand gegen diesen sinnlosen und umstrittenen Umbau, der 60 Millionen Euro, auch von Steuermitteln, verschlingen wird. Nein, die Tagung handelte von der Gestalt der Kathedrale im 19. Jahrhundert.Wie aktuell.
Man könnte das alles lang und breit belegen: Über die großen drängenden Themen der Menschen in Berlin wird nicht oder kaum gesprochen: Über das Wohnen und Mieten; über den zunehmenden Rechtradikalismus oder über die weithin gescheiterte und etwas gelungene Integration der Flüchtlinge in Berlin, nichts über das aktuelle Europa, das zusieht, wie aufgrund eigener Politik, von C- Parteien auch betrieben, Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. Ich finde es bezeichnend, dass die katholische Akademie Berlin im Umfeld der Wahlen zum Europa Parlament nicht etwa eine Tagung über die aktuellen Bemühungen der Kirchen in Brüssel machte oder wichtiger noch über die rechtsradikale ultra-katholische Position der PIS Regierung in Polen oder über das Schweigen der Bischöfe Ungarns zur rassistischen Politik des Herrn Orban… Nein, nichts davon: Man macht in Berlin, als würde man auf dem Monte Cassino leben, zur Europa-Wahl eine Tagung über den Schutzpatron Europas, den Heiligen Benedikt und seinen Orden. Nebenbei: Über Afrika, Lateinamerika und Asien, selbst über die dortigen Kirchen dort, finden fast gar keine Veranstaltungen stattt.
Diese katholische Akademie in der (tatsächlichen) WELTSTADT Berlin igelt sich förmlich ein, mit der Pflege des altvertrauten Milieus. Man macht also brav Tagungen über Fontane oder Thomas Mann, bedenkt die Aktualität ungarischer Melancholie-Forschung oder die Ewigkeit im Alltag, sowie die Höllenfurcht im Islam. So tatsächlich die Themen der Katholischen Akademie in Berlin in den letzten Monaten. Traditionalistischer, also bewusstes Ignorieren dessen, was den Menschen auf den Fingern oder in der Seele brennt, kann man sich das kaum denken. Ich warte förmlich, dies als sanfte Ironie, auf eine Tagung über den heiligen Papst Pius X. oder die Aktualität der Seherkinder von Fatima.
Eigentlich hätte selbst diese zahlenmäßig kleine, immer aber ängstliche und theologisch ohnehin phantasielose katholische Kirche in Berlin etwas Besseres verdient als diese Akademie, um der Stadt, der Menschen willen. Warum macht man nicht eine gemeinsame christliche Akademie? Warum noch dieser Konfessionalismus?
Dieser enge Geist ist erstickend. Auch deswegen treten Jahr für Jahr Katholiken in Berlin aus dieser letztlich traditionalistischen Kirche aus.
10.
Eine katholische Akademie, die nicht Partei ergreift für die aktuellen Fragen der Menschen in Berlin und darüber hinaus, wird zum Hort des Esoterischen. Sie ist letztlich belanglos. Und überlebt langfristig nur, wenn sie ihre Räumlichkeit „fremd vermietet“. So können wenigstens die guten Gehälter der Angestellten bezahlt werden…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Über die Menschenwürde: Ein philosophischer Salon

In unserem religionsphilosophischen Salon wollen wir uns am Freitag, den 30. August 2019, um 19 Uhr mit einem der zentralen Themen des menschlichen Zusammenlebens befassen: der absoluten und unantastbaren Würde aller Menschen.
Bekanntlich ist im Grundgesetze der Bundesrepublik Deutschland von der Menschenwürde an erster Stelle, im Artikel 1, die Rede. Die Menschenwürde aller Menschen ist heute faktisch leider eher noch ein Ideal, wenn nicht eine Utopie, ein Traum. Aber die Menschenwürde sie ist absolut unverzichtbar, wenn diese Welt den Anspruch haben will, eine menschliche Welt zu sein.
Jeder und jede kann in unserem Salon berichten, wie er/sie Menschenwürde erlebt, auch als persönliche Verletzung der Menschenwürde, und wie gerade in den Kontrast-Erfahrungen der Wunsch stark wird, Menschenwürde als Realität auch politisch zu gestalten. Dass dabei auch philosophische und religionsphilosophische Aspekte zur Sprache kommen, ist selbstverständlich.

Die Veranstaltung findet in der Kunstgalerie Fantom statt, Hektorstr. 9, Berlin Wilmersdorf. Beginn um 19 Uhr. Wer teilnehmen will, sollte sich bitte anmelden: christian.modehn@berlin.de , denn die Anzahl der Plätze ist begrenzt. Herzliche Einladung!

Die Kirchen verlieren ständig mehr Mitglieder … und was man dagegen tun könnte…

Warum sich die Kirchen reformieren sollten, falls sie nicht im kulturellen Abseits landen wollen
Ein Hinweis von Christian Modehn

426.000 Kirchenmitglieder in Deutschland sind im Jahr 2018 aus beiden großen Konfessionen, der evangelischen bzw. katholischen Kirche, ausgetreten. Das heißt: 44,1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland nennen sich jetzt noch Christen als Kirchensteuerzahler. 1998 waren es 54,3%. Zur Prognose: Im Jahr 2035 werden es nach zuverlässiger Schätzung noch 34,8% sein.

Bedford-Strohm, evangelisch:

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford – Strohm, so berichtet der „Tagesspiegel“ am 20.7.2019, kommentiert die aktuelle Statistik: “Jeder Austritt schmerzt. Er setze auf eine bessere Vermittlung der christlichen Botschaft“. Bedford-Strohm setzt also wie üblich auf ein besseres Wie, also auf ein besseres Sagen und Verkünden der alten Botschaft; von einem besseren Was, also von einem reformierten und entstaubten Inhalt der Botschaft, ist nicht die Rede. Diese überlieferte Kirchenlehre und Kirchenmoral soll also weiterhin erhalten bleiben.

Stefan Hesse,katholisch:

Eher unpräzise sagt im „Tagesspiegel“ vom 20.7.2019 der katholische Erzbischof Stefan Hesse (Hamburg): „Wir werden über die Zukunft von Priesteramt, Lebensweisen, den Umgang mit Macht und nicht zuletzt über Sexualität reden. Hinzu kommt die Rolle der Frauen“. Also Strukturfragen und Kirchengebote (etwa Zölibat) sollen besprochen werden, offenbar auch darüber, wie Frauen ein bisschen mehr Gleichberechtigung in der katholischen Kirche erleben können. Aber auch für den Erzbischof gilt: Inhaltliche Veränderungen, also eben durchaus Reduzierungen der nicht anders als bombastisch zu nennenden Kirchenlehre und Kirchenmoral (der offizielle Katholische Katechismus von 1993 umfasst mehr als 800 Buchseiten) kommen offenbar nicht in Frage.

Auswege

Zwei, bisher fast gar nicht diskutierte, Möglichkeiten könnten sich bieten, wenn man tatsächlich an einem lebendigen und kreativen Bestehen der Kirchen interessiert ist. Denn das langsame Verschwinden der Kirchengemeinden ist ja rein soziologisch oder religionswissenschaftlich gesehen ein spiritueller Verlust; weil die Geschichten rund um Jesus von Nazareth nicht mehr so oft erzählt und gefeiert werden; weil die Kenntnis der nun einmal auch christlich geprägten Kultur zurückgeht; weil prinzipiell der humane Zusammenhalt einer Gemeinde mit ihren ja manchmal auch ansprechenden Räumen und in ihrer prinzipiellen Offenheit für alle Menschen dann langsam verschwindet.

Ein liberal-theologischer Vorschlag

Um die stetige Verabschiedung so vieler Christen aus den Kirchen zu begrenzen oder gar zu beenden, könnte sich darum erstens eine Art liberal-theologisches Konzept anbieten: Die Kirche zeigt unmissverständlich, dass diejenigen, die einfach nur die Kirchensteuern nicht zahlen wollen, dennoch gern in der Kirche und Gemeinde bleiben können und als Mitglieder nach wie vor willkommen sind. Wer die Kirchensteuern gern zahlt, wird deswegen auf die „anderen“ nicht herablassend blicken. Weiter ist klar, dass alle, die meinen viele Zweifel an den Inhalten des christlichen Glaubens haben, eben gerade als Zweifler, als Skeptiker, ja selbst als Atheisten in den christlichen Gemeinden willkommen sind. Man könnte ausdrücklich zudem immer wieder betonen, dass es doch theologisch ganz selbstverständlich ist, dass jeder Mensch sich seinen eigenen, seinen persönlichen und privaten Glauben im Laufe seines Lebens eben auch unterschiedlich und je neu zusammenstellt. Dass dabei „Elemente“ des christlichen Glaubens mit „Elementen“ etwa buddhistischer Meditationspraxis verbunden werden oder andere „Mischformen“ religiöser oder philosophischer Traditionen verbunden werden, sollte in den Kirchen ausdrücklich willkommen geheißen werden. So wie alle in den Kirchen willkommen sind, die sich ganz auf die praktische Solidarität, etwa mit Flüchtlingen oder Obdachlosen spezialisieren und auch nur an diesen Aktivitäten der Gemeinde teilnehmen. Alle diese religiösen und individuellen „Mischformen“ existieren ja bereits in den Gemeinden, mindestens in einigen evangelischen Gemeinden. Diese „Mischformen“ sollten nicht nur ausdrücklich als wertvoll, als bereichernd für die Kirche und deswegen als unverzichtbar auch von offizieller Seite dargestellt werden: Jeder und jede ist willkommen in einer christlichen Gemeinde, jeder und jede kann und soll sein „Eigenes“ einbringen, in einem Klima selbstverständlicher Pluralität und damit auch Toleranz. Kirche ist Vielfalt, große Vielfalt. Sie könnte der Gesellschaft geradezu ein Model der versöhnten Verschiedenheiten sein….
Die Möglichkeiten, grundsätzlich, einer je eigenen Spiritualität sind ja grenzenlos: Sie reicht von einem Modell feministisch-katholischer Praxis oder schwul/lesbisch katholischer Praxis bis zur intensiven Beschäftigung mit spirituellen Dimensionen der modernen Kunst oder der gemeinsamen Feier von Christen mit Muslims oder mit Juden oder mit Atheisten usw. Nur muss diese umfassende Offenheit ausdrücklich gewollt sein. Und es müssen Gemeindeverantwortliche, also auch Pfarrerinnen und Pfarrer, tatsächlich auch intellektuell und menschlich in der Lage sein, diese Offenheit zu pflegen. Aber daran kann die „liberal-theologische“ Erneuerung scheitern. Und weil vielleicht scheitert bzw. niemand es ernsthaft noch versucht, werden wohl die Gemeinden immer kleiner, immer enger, immer klerikaler, ja immer mehr „wie Sekten“ am Rande der Gesellschaft.

Die vielen uralten Dogmen entrümpeln: Ein Befreiungsprozeß

Zweitens ist es wohl so, dass viele, die aus der Kirche austreten, nicht nur über die vielen sexuellen Misstaten der Priester entsetzt sind, sondern vor allem auch: Weil sie nicht die Kirchenlehre und Kirchenmoral verstehen. Und dann sinnvoller weise sagen: Wie soll ich mein Leben orientieren, das bedeutet ja „Glauben“, wenn ich die Inhalte meiner Lebensorientierung (Glauben) nicht verstehe. Wenn uns nicht nur die Sprache des Glaubens, sondern die Inhalte des Glaubens nichts bedeuten.

Mir scheint: Es muss die schwierige und provozierende Frage gestellt werden: Von welchen uralten Ballast der Kirchenlehre und Kirchenmoral und Kirchengesetze sollen die Kirchen sich endlich befreien? Sie schleppen die dogmatische Last mit sich herum und kommen dabei ständig in Schleudern! Wann also beginnt die große „Entrümpelung“, Befreiung, von uralter Kirchenlehren, Kirchenmoral und Kirchengesetzen? Es kann doch nicht sein, dass etwa die katholische Kirche verlangt, dass man sich an eine unübersichtliche, zudem uralte Lehren und Dogmen bindet und diese z.T. wortwörtlich (etwa im Nicäno-Konstantinopolischen-Glaubensbekenntnis) ständig in den Messen nachspricht. Dabei weiß jeder: Was die Gläubigen nachsprechen, verstehen sie nicht: „Gezeugt, nicht geschaffen“, „der heilige Geist geht vom Vater und vom Sohne aus“, „geboren aus der Jungfrau Maria“ usw. Auf Dauer Mysteriöses und Mythisches nachzusprechen, nachzuplappern, ohne intellektuelles Verständnis und seelisches Berührtsein, wird zurecht unerträglich. Eine Gemeinschaft der „Mythen-Freunde“ oder „Wundergläubigen“, Kirche genannt, verlässt man gern. Natürlich, in der Oper werden Mythen beschworen, aber da weiß jeder: Das ist Theater, darin steckt kein Anspruch zur Lebensgestaltung (Glauben). Wer kann im Ernst noch die umfangreiche immer noch geltende Erbsündenlehre des Augustinus akzptieren? „Die Erbsünde wird im Moment der Zeugung der Kinder übertragen“? Wer kann noch verstehen, dass Gott seinen Sohn Jesus auf Erden brutal leiden lässt, damit er im Leiden die Welt erlöst? Wer kann noch verstehen, dass diese Welt erlöst ist, wenn ja, in welcher genauen Hinsicht? Wer kann sich einen Reim daraus machen, dass Jesus von Nazareth wahrer Gott und wahrer Mensch war? Hatte Jesus als Mensch selbstverständlich Sexualität, hatte er sie auch als Gott-Mensch auf Erden? Wer kann noch verstehen, dass einige angeblich zölibatär lebende Priester die ausschließliche Vollmacht haben, Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi zu verwandeln? Nur durch diese auszeichnende Macht des „Wandelns“ erklärt sich die Kirche die Notwendigkeit des Klerus…Oft bleibt es bei diesem Wandeln und die wirklich entscheidende Wandlung, also die Reform und Reformation, bleibt aus.

Die ersten bescheidenen katholischen Enrümpelungen von Glaubens-Lehren

Dabei hat doch die katholische Kirche einige bescheidene Entrümplungen ihrer Lehre längst vorgenommen: Es ist Katholiken seit etlichen Jahren gestattet, die Leiche einzuäschern. Die leibhaftige Auferstehung des einzelnen muss dann neu erklärt werden. Papst Benedikt XVI. sonst ultra streng in dogmatischen Fragen, verlangt nicht mehr zu glauben, dass ungetauft verstorbene Babys in eine Art Vorhölle kommen. Der uralte Glaube an den Limbus puerum ist also nicht mehr verpflichtend.Wer allerdings den Limbus noch mag, kann weiterhin an ihn glauben. Und Papst Franziskus hat zwar noch nicht das bloße Kirchengesetz (kein Dogma!) des Pflichtzölibates aufgehoben. Er hat aber freundlicherweise die noch im gültigen Katechismus erlaubte Todesstrafe aus dem Bereich der Glaubensinhalte gestrichen. Das heißt: Die Entrümpelung hat ganz, ganz zaghaft und ängstlich begonnen. Nun könnte diese befreiende Entrümpelung um der Menschen willen, die noch Mitglieder der großen Kirchen sein wollen, weiter gehen.
Das wird aber nicht geschehen: Weil besonders die katholische Kirche das einmal formulierte Dogma wie eine ewige Weisheit hochschätzt und nicht anrührt: Es ist die tief sitzende Angst vor dem Wandel, der Reformation, ja letztlich der geistigen Lebendigkeit, die als Angst diese Kirche versteinern und erkalten lässt. Es ist doch bezeichnend, dass so oft in den Kirchen das Ewige (Gott, Göttliches) als das Unwandelbare beschworen und laut gesprochen wird: „Wie es war im Anfang, so auch jetzt und allezeit, und in Ewigkeit. Amen!“ Also bloß kein Werden, keine Kreativität, nichts Neues. Es ist der unwandelbare Gott des Aristoteles, der da verehrt wird. Nicht aber ein Gott, bzw. etwas Göttliches, das lebt, das wächst, das Neues will.

Göttliches will Lebendiges, keinen Stillstand

Die ewige Botschaft des Christentums wird nicht durch die ewige und streng kontrollierte Wiederholung von Formeln und Floskeln vom 3. bis zum 20.Jahrhundert „gerettet“, sondern in neuen inhaltlichen Aussagen in einfacher Gestalt. „Wer Ewigkeit zum Programm macht und Zeitlosigkeit plant, behält nur eine archivalische Gegenwart in schaler Erhabenheit“, schreibt der Kulturhistoriker und Philosoph George Steiner treffend (Grammatik der Schöpfung“, S. 255).

Erst wenn sich die Kirchen von dem starren aristotelischen Gottesbegriff und der hierarchischen (Un)Ordnung trennen, werden die Kirchen wieder zu Orten, wo sich kritische, lebendige Menschen wohl fühlen …. und dann gern dazu gehören.

Der heilige Sisyphus

Aber das ist ein Traum. Der als Traum aber noch einmal formuliert werden musste. Denn bekanntlich ist der wohl aktuellste Heilige der Theologen der heilige Sisyphus, im Sinne von Albert Camus.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die Hedwigs – Kathedrale in Berlin wird jetzt umgebaut: Mindestens 60 Millionen Euro nur für Steine…

Ein Hinweis von Christian Modehn

1.

Alle Kritik, alle Debatten, sogar der Gerichts-Prozess haben nichts genützt. Die Hedwigskathedrale in Berlin-Mitte wird jetzt definitiv umgebaut. Die Arbeiten haben begonnen, meldet die „erzbischöfliche Pressestelle“. Wie hat doch Erzbischof Koch treffend schon am 1.11.2016 geschrieben: Er habe entschieden: „Die Umgestaltung der Kathedrale in ANGRIFF ZU NEHMEN“.

2.

Es ist wirklich ein Angriff, diese Entscheidung für den Umbau, ein Angriff auf die Vernunft in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur, wenn man dringend den Erhalt dieses kunsthistorisches Denkmals fordert. Darüber ist inzwischen das meiste gesagt worden.
Erinnern sollte man sich in den kommenden Jahren an die Worte des Richters Marcus Rau vom Verwaltungsgericht, der die Klage im Januar 2018 zugunsten des Erhalts dieser Form der Kathedrale zurückgewiesen hatte. Er nahm in seiner Entscheidung FÜR den Umbau explizit Rücksicht auf die „Selbstbestimmung der Kirche“. „Ginge es um eine normale unter Denkmalschutz stehende Immobilie, könnte die Entscheidung durchaus anders ausfallen“, berichtete die Presse, etwa auch die „Berliner Morgenpost“. Das heißt: Die doch wohl unabhängige Justiz in Deutschland nimmt im Fall der Hedwigskathedrale also Rücksicht auf den rechtlichen Sonderstatus der Kirche. Kann man besser belegen, dass es nicht nur keine Trennung von Kirche und Staat in Deutschland gibt? Sondern auch, dass die Rechtssprechung, angeblich neutral, die kirchlichen Eigenwelten und Eigengesetze voll respektiert. Wofür braucht die Kirche noch eine staatliche Rechtsprechung?

3.

Wichtiger scheint mir aber: Es sind bis jetzt (die Summe wird sicher noch größer, wie üblich bei Bau-Maßnahmen) 60 Millionen Euro für den Umbau der Kathedrale und die Neugestaltung des benachbarten Bernhard Lichtenberg-Hauses geplant. Dort wird auch eine Wohnung für den Erzbischof und seinen Haushalt renoviert bzw. neu errichtet, dieses Detail erwähnt die Pressemeldung vom 1.7.2019 nicht.
Und es ist Ausdruck des prächtigen Zusammenarbeitens von Kirche und Staat, dass 12 Millionen Euro vom Bund und 8 Millionen Euro vom Land Berlin für die Umgestaltung der Kathedrale stammen.

Armes Land, arme Republik, die so viel Geld in ein sinnloses Umbauprojekt vergeuden. Denn eine maßvolle, bescheidene Renovierung der Kirche und damit das Belassen im alten Zustand, hätte, so sagen Fachleute, nicht mehr als 10 Millionen gekostet. Und die hätte die Kirche ja durch Spenden aufbringen können.

4.

So werden mindestens 60 Millionen Euro in Steine „gesteckt“. Bloß damit der Klerus seine Messen und Pontifikalämter etwas dichter an der Gemeinde steht, also an einem neu eingerichteten Altar, die ewig selbe Liturgie zelebrieren kann. Als würde dadurch eine neue Nähe zwischen Laien und Klerus erzeugt! Nachdenkliche Laien haben sich ohnehin von diesem, die Steine und die eigene Herrschaft liebenden Klerus abgesetzt und „à Dieu Kirche!“ gesagt. Meint der Klerus im Ernst, eine teuer umgebaute Kathedrale würde die Zustimmung zum (Berliner) Katholizismus insgesamt erhöhen, wie die offizielle Pressemeldung suggeriert….

40 Millionen stellt nun die Kirche selbst zur Verfügung. Sie hat ja ohnehin Geld wie Mist , obwohl sie ständig um Spenden bettelt. Denn die Katholiken treten zwar in Scharen aus der Kirche aus, aber die Kirchensteuern fließen noch heftig hinein in den bekannten Milliarden Euro –Bereich.

5.

Warum so viel Phantasielosigkeit in dieser Klerus Kirche? Was hätte denn die Kirche tun können, wenn sie sich an ihre eigenen Worte erinnert hätte, von dem armen Propheten Jesus von Nazareth und seinem Lebensentwurf ganz zu schweigen: Also, allzu viele Predigten tönen doch vollmundig so: Zuerst den Menschen nahe sein. Eine Kirche für die Armen sein, wie dies Papst Franziskus ständig fordert und nicht durchsetzt: Bekanntlich werden Bischofspaläste nach wie vor großzügig errichtet. Und vom Verkauf einiger Immobilien des Vatikans in Rom hat man auch nichts gehört. Alles frommes Gerede also, diese „Option für die Menschen, besonders die Armen“. .
Um noch einmal, und für uns zum letzten Mal in dieser Sache, um die christliche Phantasie in Gang zu bringen: Nur einige Beispiele: Die Kirche hätte doch bei einer bescheidenen Renovierung die übrig gebliebenen 50 Millionen für Bildungsprogramme ausgeben können, auf dem Land, in Brandenburg, um die „Ursünde“ des Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Antisemitismus zu bekämpfen. Oder: Sie hätte viele kleine Bildungshäuser für ökologische Aktionen einrichten können, hätte zwei kaum noch genutzte große Kirchen zu Wohnungen für Familien und Flüchtlinge umbauen können; sie hätte so genannte Laien, Frauen und Männer, ausbilden können, die in den zunehmend „priesterlosen Gemeinden“ verantwortlich das Gemeindeleben wieder in Schwung bringen und selbstverständlich Gottesdienste und Eucharistie feiern. Sie hätte offene kleine Treffpunkte des Gesprächs mieten können für den Dialog der Berliner untereinander, über Gott und die Welt. Um dem langweiligen Programm der katholischen Akademie Berlin einen Gegenakzent zu setzen…

6.

Die Kirche hätte also in Menschen „investieren“ können und damit öffentlich gesagt: Diese umfassende Neugestaltung der Kathedrale ist uns überhaupt nicht so wichtig. Wichtiger sind uns die Menschen. Die Stärkung der Kommunikation, der Friede in der Stadt usw….
Die Hedwigs- Kathedrale ist auch ihrem Gründer und Bauherrn in gewisser Weise verpflichtet: Dem Philosophenkönig Friedrich II.! Für ihn war die religiöse Toleranz entscheidend wichtig. An den Geist ihres Baumeisters denkt kaum noch ein Katholik im positiven Sinne! Den Geist der Toleranz zu verbreiten, wäre jetzt möglich gewesen, wenn man die 50 Millionen für einen Total-Umbau eingespart hätte – zugunsten der Menschen.
Vielleicht hätten dann bei dieser Großzügigkeit die Menschen Beifall gespendet und endlich mal Bravo zu dieser Kirche gesagt, die in der Korruption des Missbrauchs förmlich erstickt und deswegen zurecht den allgemeinen „Vertrauensschwund“ beklagt-

7.

Aber nein: Der Klerus und die wenigen ihm noch gehorsamen Laien lieben mehr die Steine, die neuen Granitplatten in der Hedwigs – Kathedrale und sonstiges Gestein: Ein Jammer ist das und ein theologischer Skandal.
Und jetzt ist man so hartnäckig und wird wohl zu jeder Kleinigkeit des Umbaus zu einem Fototermin eingeladen, Start ist die Abnahme der Pfeifen, der Orgelpfeifen, in der Kathedrale am 3.7.2019. Und dann gehen die Foto Termine sicher weiter.

Copyright: Christian Modehn, Journalist und Theologe. Religionsphilosophischer Salon Berlin

Katholizismus in Polen heute: Noch machtvoll. Geistig, spirituell, theologisch aber am Ende…

Ein Hinweis von Christian Modehn

Der Niedergang und das spürbare Ende des Katholizismus, in seiner bisherigen Gestalt, ist natürlich immer wieder auch ein Thema der Religionskritik.

Man kann froh sein, dass es kirchenunabhängige Medien in Deutschland gibt. Die objektiv über die religiösen Zustände in Europa berichten, etwa über Polens katholische Kirche heute. Darum möchte man besten Dank sagen, dass die „Polen Analysen“ des Deutschen Polen Instituts in Darmstadt in der neuesten Ausgabe vom 20. Juni 2019 gleich zwei wichtige Beiträge zum Thema bringen:

Der bekannte Spezialist für den polnischen Katholizismus, Dr. Theo Mechtenberg, Bad Oeynhausen, bietet einen Überblick: „Polens katholische Kirche im Krisenzustand“ ist der Titel seines Beitrags. Er handelt von Jahre langen, bis heute dauernden „Vertuschungen sexueller Vergehen der Priester in Polen“. In ersten vorsichtig-bischöflichen Dokumenten jetzt zum Thema „bleiben die Opfer unerwähnt, kein Täter wird namentlich genannt…“, es herrscht vor die „Verharmlosung und Vertuschung“. Straffällig gewordene Priester wurden immer wieder versetzt in andere Gemeinden. Die Auseinandersetzung haben nicht etwa die mehrheitlich ultra konservativ und oft nationalistisch eingestellten Bischöfe von sich aus gemacht! Sie wollten schließlich den angeblich guten Ruf der Kirche als Schützerin der Nation unbedingt bewahren…. Nein, es waren wieder einmal die Journalisten und Filmemacher, die das nahezu unglaubliche Ausmaß an sexuellem Missbrauch durch Priester freilegten: Durch den Film „Kler“ (Klerus) und vor allem durch die Dokumentation „Sag es nur keinem“ (so die Übersetzung) der Brüder Marek und Tomasz Sekielski!
Besonders aktiv im Missbrauch von Jungen ist etwa der hoch berühmte Pater Eugeniusz Makulski aus dem Marianer – Orden, er hat ein monumentales Denkmal zu Ehren von Papst Johannes Paul II. in Lichén gebaut: Der Pater kniet zu seinen Füßen, die Kirche dort ein Bauwerk der Superlative. Superlativ sind auch die Missbrauchsaktionen des Paters, seine Korruption, seine Liebhaber (in dem Fall sein Privatchauffeur und Gärtner). Nach Ausstrahlung des Films wurde dieses grässliche Denkmal verhüllt. Der polnische Jesuit und Psychotherapeut Jacek Prusak macht sogar den besseren, den radikalen Vorschlag: „Ich würde es ohne Skrupel entfernen“.

Man sieht, die wenigen vernünftigen Theologen in Polen sind höchst erregt und heftigst empört, über den Zustand dieser Kirche, die alle Welt bekanntermaßen immer noch mit ihren Priestern beliefert…
Theo Mechtenberg schreibt: „Man wird sicher Frage stellen müssen, inwieweit die massenhafte Pädophilie von Priestern (in Polen) durch das herrschende kirchliche System bedingt ist“ (S. 5). Was er leider nicht sagt: Wer diese massenhafte Pädophilie der Priester einschränken will, sollte dieses klerikal System selbst abschaffen, weil es krank ist, man sollte also diese Kleruskirche abschaffen, das wagt bis jetzt nur noch niemand zu sagen. Immerhin: “Nach einer jüngsten Untersuchung fordern 54 Prozent des Befragten (Polen) den Rücktritt des gesamten Episkopates“. Das ist doch beträchtlich, ein Schritt in die richtige Richtung. Doch gibt es so viele „korrekte“ Ersatz-Bischöfe überhaupt noch?

Mit besonderem Interesse wird man auch das ausführliche Interview mit dem schon genannten Jesuiten Jacek Prusak, Krakow, lesen. Und kann dabei nur hoffen, dass er nach der Veröffentlichung nicht aus dem Orden rausgeschmissen wurde. Prusak legt genau frei: Die Opfer spielen in der oberflächlichen Form des Umgangs mit sexuellen Verbrechen durch Priester eigentlich keine Rolle. Das Opfer wird nur als Bittsteller vom Klerus angesehen. Das liegt daran, „dass der Klerus kein Vertrauen zu den Laien hat“ (S. 8). Sehr treffend sagt der Jesuit: „Die Kirche sind die Geistlichen und der Rest ist für sie nur eine Zugabe… Der Klerus nützt die Macht aus, auch die Symbolik des geistlichen Standes… Die Leute in Polen denken: Wenn du dem Priester dienst, dienst du Gott“ (S. 9 und 10).
Was in Polen geschieht und eigentlich in allen Ländern jetzt, ist das tatsächliche geistige, spirituelle und theologische Ende dieser so verfassten römischen Kirche. Sie kann zwar mit viel Geld und viel Pomp noch fortbestehen und von naiven, wundersüchtigen Leuten noch unterstützt werden: Aber de facto ist sie in der Einschätzung nachdenklicher Glaubender oder Nichtglaubender am Ende. Eine religionsgeschichtliche Epoche geht zu Ende!
Was kommt danach: Sicher keine Super-große Institution, wie dies die katholische Kirche heute ist. Diese kann bei 1,3 Milliarden Mitgliedern doch kein alter Mann (Papst) mit einigen anderen älteren Männern mehr „leiten“. Dass diese Kirche de facto heute auseinanderbricht, sieht man so unterschiedlichen Glaubensformen und Glaubensinhalten etwa in Zaire oder den USA, in Indien oder Deutschland… Zukunft haben kleine Gemeinschaften, die sich um einen vernünftigen, humanen und humanistischen Glauben bemühen in voller Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Heterosexuellen und Homosexuelle… aber das ist ein anderes Thema!

Noch einmal die treffenden Worte Pater Prusaks: „Wir haben es mit der größten Krise in der katholischen Kirche seit der Reformation zu tun, eine Krise, die wir auf eigenen Wunsch geschaffen haben. Es sind doch keine Außerirdischen, die Kinder in der Kirche missbrauchen noch tragen ihnen dies die Feinde der Kirche auf“ (S. 11).
Der Jesuit plädiert mutig, wie er ist, dafür, den seit langem hoch umstrittenen Bischof von Danzig, Erzbischof Leszek Glodz, zum Rücktritt zu drängen und in dieser Rücktrittsforderung durch die Laien „konsequent nicht nachzulassen“. Der Erzbischof ist nebenbei, ein heftiger Unterstützer des antisemitischen katholischen Medien- Imperiums Radio Maryja. Schon Lech Walesa hat sich gegen diesen klerikalen Machthaber gewendet.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin