Das Heilige ist umgezogen: Zur Situation der Kirchen und des Glaubens in den Niederlanden heute

Zur Situation der Kirchen und des Glaubens in den Niederlanden heute

Ein Hinweis von Christian Modehn

Ich denke manchmal, die religiöse Situation in Holland entspricht auch der dortigen Landschaft, den weiten, flachen Ebenen, auf denen sich Erde, Wolken und Himmel berühren und manchmal verschmelzen, wenn denn der Blick freigegeben ist und nicht – wie in der Randstad heute so oft – von Häusern und Fabriken, Autobahnen und Schnellzügen verstellt wird  Es gibt aber, von alters her möchte ich sagen, in den Niederlanden eine besondere Transzendenz, die man die horizontale Transzendenz nennen könnte. Und das macht die Religionsgeschichte der Niederlande auch für religionsphilosophisch Interessierte so wichtig: In Holland ist der religiöse Blick nicht zuerst nach oben, in die Höhen möglicher Hierarchien gerichtet, sondern in die Weite der Erde, in der es um den Menschen geht und die individuell so vielfältigen Formen des Transzendierens mitten im Leben, in der Menschlichkeit, der Kunst, der Stille. Es ist damit das klare Licht, das die Niederländer (und ihre Freundelieben), die hellen Fenster in den Kathedralen und Kirchen, da ist nichts schummrig, vom Weihrauch verdüstert…

Dieses Transzendieren in die Weite kann eine geistige Bewegung sein, die eher selten bei einem transzendenten Ziel, etwa beim Göttlichen oder bei Gott, ankommt. Wer wird diese Perspektiven nicht entdecken, schon in den vielen wunderbaren Gemälden aus dem 17. und 18. Jahrhundert? Sie präsentieren leibhaftige Individuen (!)  mit einer eigenen Geschichte, aber normale Menschen, sehr selten Heilige. Es ist die Freude am Menschen, am Mitmenschen, die diese Transzendenz auszeichnet.

Daran muss ich denken, wenn ich die neueste Statistik zur Kirchenbindung der Niederländer lese: Da zeigt sich wieder ein Abschied von der vertikalen Transzendenz: Konkret: Im Jahre 2015 waren noch 11,7 Prozent aller Holländer Mitglieder der römisch –katholischen Kirche. Zum Vergleich: Im Jahre 1960 waren es 35 Prozent, im Jahr 2006 noch 16 Prozent.

Heute sind noch 8,6 Prozent Mitglieder der Protestantischen Kirche der Niederlande (PKN genannt, ein Zusammenschluss großer reformierter, calvinistischer Kirchen und der Lutheraner). Zum Vergleich: 1966 waren es 25 Prozent und 2006 noch 14 Prozent. Gewachsen bzw. zahlenmäßig stabil geblieben sind sehr kleine evangelische Kirchen, streng calvinistische und evangelikal – pfingstlerische Gemeinden. Dieser Exodus aus den Kirchen hat mindestens auch soziale Nachteile: Orte der Kommunikation verschwinden, gerade die Gezelligheid ist Niederländern so wichtig.  Gemeinden sind, das sagte doch der Theologe Schleiermacher, sollten Orte des geselligen Miteinanders sein, in aller Vielfalt natürlich, nicht nur als Treffpunkte biederer Kleinbürgerlichkeit, wie in Deutschland jetzt….

Der Philosoph Taede A. Smedes hat in seinem neuesten Buch „God iets of niets“ („Gott etwas oder nichts“) diesen Weg der einst großen Kirchen in die Minderheiten-Positionen bewertet: „Besonders junge Menschen haben nichts mehr mit der Römisch – katholischen und der PKN Kirche zu tun. Die Kirchen haben damit auch definitiv keine Bedeutung mehr in unserem Zusammenleben“ (S. 49). Aber das heißt ja nicht, dass damit jegliches spirituelle Interesse verloren gegangen ist. Aber die dogmatisch starren Kirchen mit ihrer gewissen amtlichen Bürokratie wirken auf heutige Niederländer einfach befremdlich, man erwartet von diesen Kirchen offenbar eher sehr selten noch Orientierung im Leben. Beim Katholizismus spielt die konservative Wende (vom polnischen Papst immer unterstützt) durch reaktionäre Bischöfe (Gijsen und co) seit 1971 sicher eine große Rolle, dass so viele Holländer der römischen Kirche den Rücken gekehrt haben. Soziologen sprechen also bereits von einem „nach – christlichen Land“, Taede A. Smedes nennt diese Bewertung „revolutionär“ (S. 50). Auch die Leiter der neuesten Untersuchung „God in Nederland“ nennen diese Situation neu, als „ohne histroisches Vorbild“ („zonder precedent“).

Unter allen europäischen Ländern werden die Kirchen in den Niederlanden sicherlich am gründlichsten (und schon am längsten) von Religionssoziologen erforscht. Die umfassenden Studien „God in Nederland“ begannen 1966, seit der Zeit wird alle 10 Jahre ein ausführliches Ergebnis der repräsentativen Umfragen veröffentlicht, 2016 erschien wieder im Verlag Ten Have ( Utrecht) die neueste Studie, sozusagen zum 50 jährigen Jubiläum, diesmal auch mit Interviews mit Vertretern der unterschiedlichen Glaubensorientierungen. Es ist schade, dass dieser Band nicht ins Deutsche übersetzt wurde. So wie es ein ziemlicher Skandal ist, dass sich keine Akademie der Kirchen in Deutschland mit der Entwicklung in Holland befasst: Was da passiert, passiert bald auch hier…

Der Trend hat sich fortgesetzt: Die Mitglieder der Kirchen verlassen sozusagen scharenweise ihre Kirchengemeinden, indem sie einfach den jährlich geforderten freiwilligen Kirchenbeitrag nicht mehr zahlen. Sie gelten damit in der Sprache der Religionssoziologen als „außerkirchlich“, und diese Beschreibung der spirituellen Befindlichkeit bedeutet in Holland eben nicht automatisch „atheistisch“ oder ungläubig. Zur Gruppe der „Außerkirchlichen“ gehören „ungebunden gläubige“ und auch „ungebunden spirituelle“. Allerdings verstehen sich 41 % der „Außerkirchlichen“ als „säkular“, was einer atheistischen Orientierung schon nahe kommt. Aber der Kirchenferne ist in Holland eben anders als in der ehemaligen DDR oder in Tschechien!

Bemerkenswert ist auch, wenn man die Glaubensinhalte der Kirchenmitglieder betrachtet: Als Theisten, also als Gläubige an einen persönlichen Gott, bezeichnen sich 51 Prozent der Mitglieder der vereinigten protestantischen Kirche PKN, 34 % sagen, sie würden an „etwas Höheres“ glauben. Allerdings nennen sich nur 17 Prozent der Katholiken theistisch, hingegen sagen 46 %, sie würden nur an eine höhere Macht oder „etwas über uns“ glauben, 30 Prozent der Katholiken nennen sich Agnostiker. Es ist überraschend, dass sogar 7 Prozent der Katholiken, also der zahlenden Mitglieder der römischen Kirche in Holland, sich „Atheisten“ nennen (vgl. dazu Smedes, S. 51). Der Kommentar von Taede Smedes, (ein angesehener Religionsphilosoph übrigens, der auch lange Zeit im Studienzentrum des Dominikanerordens in Holland mitarbeitete) ist sehr klar:“ Heute scheint in den Niederlanden der theistische Gottesglaube seine längste Zeit schon hinter sich zu haben. In 50 Jahren ist der Theismus immer marginaler geworden, auch unter Gläubigen“ (S. 62).

Zu den Teilnehmern am Sonntagsgottesdienst unter Katholiken: 2003 nahmen bei 4,5 Millionen Katholiken 385.000 Gläubige an der Sonntagsmesse teil; 2015 sind es bei 3,88 Millionen Katholiken noch 186.000, also etwa 5 Prozent sind regelmäßige Teilnehmer der Messe. Diese sehr geringe Anzahl so genannter „praktizierender“ Katholiken hat sicher einen Grund: Die Zahl der Pfarrgemeinden wird – wie in Deutschland und überall in Europa – immer mehr reduziert, aus dem einfachen Grund einer klerikalen Kiche: es fehlen die Priester, ohne die in römischer Sicht einfach „nichts Wesentliche“ geht. Also: 2003 gab es in Holland noch 1.525 Pfarreien, 2015 waren nur noch 726, also nur noch die Hälfte. (Quelle: http://www.ru.nl/kaski/onderzoek/cijfers-rooms/virtuele_map/kerkgebouwen_en/ ). Meine These ist: Der absolute Klerikalismus der römischen Kirche verursacht den Exodus der  -nachdenklichen – Gläubigen aus dieser Kirche. Ein Ende dieses Exodus ist in Holland und in Europa nicht absehbar, trotz aller aus Indien oder Nigeria eingeflogener Priester nach Holland oder Deutschland…Diese sind wie im Mittelalter die Leutpriester, die Herren, die die Messe lesen können, jetzt auf Holländisch, was kaum ein Holländer versteht…

Die Abwendung der Holländer von den klassischen Gottesbildern, sehr persönlicher Art und oft in einer schlichten Lehre verbreitet, ist ja auch theologisch und religionsphilosophisch gesehen von Vorteil. Die Menschen in den Kirchen haben sich spirituell weiterentwickelt, nur die kirchlichen Lehren und Dogmen sind in der Entwicklung nicht mit gegangen, so kam es zur unüberbrückbaren Differenz von persönlichem Glauben und offizieller Lehre. Nebenbei: Nur die protestantische Kirche der Remonstranten ist mit der religiösen Entwicklung der Menschen mit gegangen, sie sagt ausdrücklich „Der Glaube beginnt bei dir“ und sie respektiert diese persönliche Glaubensentwicklung … bis dahin, dass sie als Kirche selbst die Bindung an offizielle Dogmen eher gering schätzt und auf das wesentliche reduziert hat.

Viele “Außer-Kirchliche” haben auch keine esoterische Überzeugungen wie Astrologie oder new-age, das war noch vor 20 Jahren stärker. Heute verstehen sich diese Menschen vor allem als Fragende und Zweifler, Suchende, unterwegs zu einem tragenden Lebenssinn. Aber immer unter der Voraussetzung: Spiritualität und Religion bestimme ich! Religion ist absolut Privatsache. Die religiöse Orientierung ist zudem fließend geworden. Es gibt Katholiken, die sich gleichzeitig als Buddhisten verstehen…

Aufgeschlossene christliche Theologen können den Abschied von einer oberflächlichen Kirchen – Bindung sogar gut verstehen. Sie wissen: Nur die freie persönliche Entscheidung für Gott und eine Kirchengemeinde ist wertvoll. Vor allem evangelischen Gemeinden lassen sich nicht entmutigen und gestalten in neuer Form und mit neuen Inhalten kirchliches Leben. So wird die protestantische Kirche der Remonstranten in den kommenden Wochen einige Gemeinden ausdrücklich als offener Ort präsentieren und Menschen einladen, die am Zustand dieser Welt zweifeln und verzweifeln und gemeinsam, in kleinen Gruppen, nach einem Sinn im Leben fragen. Typisch für den religiösen Umbruch in Holland ist auch, dass regelmäßig ein Monat der Spiritualität und auch ein Monat der Philosophie veranstaltet werden. Ein großer einflussreicher Fernsehsender nennt sich Evangelischer Rundfunk. Fernsehbeiträge etwa zur Leidensgeschichte Jesu erleben am Gründonnerstag einen absoluten Rekord der Einschaltquoten. Pilgerfahrten werden immer beliebter, die Gastfreundschaft in den wenigen verbliebenen Klöstern wird gern angenommen. Das Verschwinden der Klöster ist schon vom Kommunikativen und Spirituellen her betrachtet ein großer Verlust: In 20 Jahren wird es vielleicht noch fünf Klöster geben. Die Orden sterben aus, nur wenige sind in der Lage, interessierte Laien mit der Fortführung der einst (klerikal bestimmten) Traditionen zu beauftragen. Auch diese Entwicklung wird in Holland genau studiert und auch veröffentlicht, etwa in dem religionssoziologischen Studienzentrum KASKI an der Radbout Universität in Nijmegen: http://www.ru.nl/kaski/onderzoek/cijfers-rooms/

Man könnte sagen: Das Heilige ist heute in Holland sozusagen umgezogen. Gott wird auch in der Kultur, in der Kunst, der Musik, der Natur gesucht. Ein Benediktinerpater sagte mir: „Wer sich Atheist nennt, stellt oft die besten religiösen Fragen“.

Wichtige Literaturhinweise:

„God in Nederland“. Herausgegeben von Ton Bernts und Joantine Berghuijs. Ten Have Uitgeverij, Utrecht, 2016, 222 Seiten, 20 Euro.

Taede A. Smedes, „God iets of Niets“. (Gott – Etwas oder Nichts). De postseculiere maatschappij tussen Geloof en ongeloof. 2. Auflage 2016, Amsterdam University Press, 312 Seiten, 19,95 Euro.

Copyright: Christian Modehn Berlin

Auf der Suche nach dem verlorenen Gott: Religiöse Fragen französischer SchriftstellerINNen von heute

Ein Hinweis von Christian Modehn anlässlich der Frankfurter Buchmesse 2017.

Am Ende dieses Beitrags befindet sich ein wichtiger Hinweis auf die Arbeiten des Theologen Jean – Pierre Jossua, Paris, zur religiösen Bedeutung der Poesie.

Der weltanschauliche Pluralismus in Frankreich ist „bunter“ als in anderen Ländern. In jeder Religion gibt es zudem noch eine große innere Vielfalt. Das gilt auch für den Katholizismus, zu dem sich heute nicht einmal mehr die Hälfte aller Franzosen bekennt. Diese Pluralität gilt für den Islam und die ebenfalls zahlenmäßig starken Religionen Judentum und Buddhismus. Jeder zweite Franzose nennt sich „agnostisch“, unentschieden im Ja oder Nein zu Gott. Das gilt für viele Schriftsteller. Die Gottesfrage ist für sie zwar nicht ganz tot, aber entscheidend ist die Freiheit, das Passende aus religiösen Traditionen auszuwählen. Religionssoziologen urteilen: Franzosen „basteln“ ihre eigene Spiritualität. Die Übersichtlichkeit von einst ist vorbei.

Bis 1960 standen „die“ katholischen Autoren, Mauriac, Bernanos, Mounier, Marcel, „den“ atheistischen Schriftstellern Sartre, de Beauvoir, Gide, Génet gegenüber.

Dabei waren katholischen Autoren nicht immer, wie Léon Bloy, treue Verteidiger der Kirchenlehre: Der ursprünglich extrem konservative George Bernanos entwickelte sich zum heftigen Kritiker der spanischen Kirche wegen ihrer Verquickung mit dem Franco-Regime. Es gab weltanschauliche Polemik, aber es wurden auch Brücken gebaut: Die katholische Kulturzeitschrift ESPRIT förderte in den dreißiger Jahren Debatten mit Atheisten. Katholische Autoren wie Paul Claudel wurden (und werden!) auf den großen Bühnen gespielt. Claudel trat in die Öffentlichkeit, als er von seiner plötzlichen Bekehrung in der Kathedrale Notre Dame berichtete.

Auch heute sind öffentliche Bekenntnisse zur eigenen Spiritualität unter Frankreichs Autoren beliebt. Sie sorgen dafür, dass religiöses Fragen und Suchen die Gesellschaft beleben. Jetzt bekennt der umstrittene Autor Michel Houellebecq: Seit jungen Jahren sei für ihn die Philosophie Schopenhauers maßgeblich, diese buddhistisch inspirierte Zustimmung zum leidvollen Leben. Dabei freut sich Houellebecq aber doch, dass sein „Meister“ „die kleinen Momente unvorhergesehenen Glücks, die kleinen Wunder, schätzte“. An Wunderbares glaubt Houellebecq ohnehin: „Ich habe eine Vorstellung von Religion, die der Magie nahe steht. Das Wunder beeindruckt mich“, sagte er 2015 der katholischen Zeitung „La Vie“. Anläßlich seines Romans „Unterwerfung“ habe er den Koran gelesen: Er bekennt: „Nur die Djihadisten sind es, die eine Islamphobie provozieren“.Houellebecq lehnt ausdrücklich den Atheismus ab und bekennt sich zum Agnostizismus. Das schließt sein Interesse für den Katholizismus wiederum nicht aus: Im Dezember 2013 lebte er für ein paar Tage als Gast im Benediktiner – Kloster in Ligugé bei Poitiers: Und freute sich, dass die Mönche ihn gern aufnahmen! In der Tageszeitung „Le Monde“ betonten sie sogar, mit welcher Begeisterung sie die Romane Houellbecqs lesen. Denn dieses spiegeln die Suchbewegungen der französischen Gesellschaft.

Im Kloster Ligugé lebt ein Mönch, der als Schriftsteller und Poet einen guten Ruf hat: Dabei ist Pater Francois Cassingena – Trévedy auch Historiker, Theologe und Komponist. Seine Gedichtssammlungen haben den Titel „Etincelles“ (Funken): „Ich bin überzeugt: In jedem Menschen gibt es etwas Hervorragendes, das man dringend bewahren muss. Der Poet berührt das Mysterium. Er bringt es zur Sprache, er gibt der Sprache die wahre Größe wieder“. Aber im Unterschied zu Houellebecq ist der Dichter- Mönch nicht an der „Unterwerfung“, sondern am Ungehorsam interessiert: „Der wahre Aufstand ist der fundamentale Widerstand gegen Lügen, Idole, Moden… Der Widerstand gegen alles, was in uns verhindert, das Wehen des Geistes, das Licht, den Blick in die Weite zuzulassen.“.

In eine neue Weite des Denkens gelangen, bei der auch christliche Spiritualität Orientierung bietet: Daran arbeitet jetzt der Schriftsteller Emmanuel Carrère: Er hat den viel beachteten Rom „Das Reich Gottes“ verfasst, eine Auseinandersetzung mit dem frühen Christentum als aktuelle Frage, was die damals propagierten Werte heute bedeuten können: „Einst war ich gläubig“, bekennt Carrère, „ich habe aber ein Verkümmern des Glaubens erlebt. An die Auferstehung kann ich heute nicht mehr glauben. Aber allein, dass es Jesus gibt, ist mir jetzt wichtig. In seinem Sinne erhalten die Armen und Schwachen einen privilegierten Zugang zum Reich Gottes“. Entscheidend ist für ihn: „Das Buch Reich Gottes ist vielleicht noch nicht beendet, die Suchbewegung geht weiter“.

An dem Menschen Jesus ist auch der in Deutschland bekannte Poet Yves Bonnefoy interessiert. Für ihn hat Jesus völlig Anteil an der Endlichkeit des Menschen, die Auferstehung kann Bonnefoy nur abweisen. Denn jede Vorstellung einer Verzauberung der Welt oder von einem Jenseits ist eine Art Entfremdung. Bonnefoy will das einfache Leben ohne Illusionen zu Wort bringen. Religiöse Dogmen dürfen nicht im öffentlichen Leben bestimmend sein. Darin ist er ein typischer Verteidiger der französischen laicité, der Trennung von Religionen und Staat.

Einige Schriftsteller beziehen sich noch auf christliche Traditionen, übertragen sie aber in eine weltliche Lebenspraxis: Zum Beispiel: Jean Christoph Rufin. Er ist ein viel gelesener Autor, Mitglied der berühmten Académie Francaise, er arbeitete als Arzt und Menschenrechtsaktivist. Nun hat er sich als überzeugter Agnostiker aufs Pilgern eingelassen, bis nach Santiago de Compostela war er unterwegs: Darüber hat er ein bewegendes, persönliches Buch geschrieben: „Der Jacobsweg entfernte mich spirituell von unwichtigen Dingen, um zum Wesentlichen zu kommen. Ich wollte dem Leben, nicht den beruflichen Verpflichtungen die Priorität geben. Aber mit meinem Buch will ich kein konfessionelles Bekenntnis abgeben.“ Trotzdem muss er eingestehen, dass Spiritualität sein Thema als Schriftsteller wohl werden könnte. Ein schwacher Hinweis für einen möglichen, neuen Glauben.

Heftiger Antiklerikalismus hingegen ist im heutigen Frankreich eher unter Philosophen zu finden, etwa bei Michel Onfray. Aber auch für die viel gelesene Schriftstellerin Virginie Despentes ist heftige Kirchenkritikerin üblich, ihr Eintreten für weitestgehende sexuelle Freizügigkeit ist mit kirchlicher Moral schwer vereinbar. Man denke etwa an ihre Romane „Baise moi“ oder „Das Leben des Vernon Subutex“.

Einen ganz anderen Schwerpunkt hat sich die auch in Deutschland bekannte Theater – Autorin Veronique Olmi in ihrem neuesten Roman vorgenommen: Sie erzählt die Geschichte einer außergewöhnlichen Nonne: In ihrem Roman „Bakhita“ schildert sie das Leben einer, um 1860 geborenen, Sklavin aus dem Sudan: Gequält, vergewaltigt, wie ein Stück Vieh behandelt, hat Bakhita ihre inneren Widerstandsreserven entwickelt: Sie landet noch als Sklavin in Italien, wird befeit und tritt in Venedig in ein Kloster ein: Die Güte und Freundlichkeit der „schwarzen Nonne“ war so überwältigend, dass Bakhita im Jahr 2000 heilig gesprochen wurde. Veronique Olmi bekennt, in einer „sehr katholischen und bürgerlichen Familie groß geworden zu sein. Als junge Frau hat sie sich von der Kirche getrennt. Dann aber begegnet sie dieser ungewöhnlichen Bakhita: „Wo kommt bei der Frau dieses Licht her? Wie kann sie soviel Güte entwickeln bei all dem Leiden. Ihr innerer Widerstand bleibt ein Mysterium

Was mich beim Schreiben des Romans nicht verlassen hat: Ich fühle mich förmlich von dieser Frau beschützt…Diese meine Erfahrung ist noch zerbrechlich…“, bekennt Veronique Olmi. Der Roman hat im September 2017 den Preis des weltweiten Kulturkaufhauses FNAC erhalten.

Die Bindungen muslimischer SchriftstellerInnen in Frankreich (sie stammen oft aus Algerien oder Marokko) an „den“ Islam sind immer kritisch und gebrochen. Leíla Slimani, geboren 1981 in Marokko, hat schon als junge Autorin den hoch angesehenen Goncourt – Preis erhalten. Ihre Stimme wird gehört, zumal sie jetzt über die vielfachen Gründe der sexuellen Unterdrückung, vor allem der Frauen in Marokko, publiziert: Seit 21 Jahren lebt Slimani in Paris. Sie weiß von dem Problem, dass Islam – Kritik von rechtsextremer Seite missbraucht werden könnte. Dennoch fordert sie lautstark die Befreiung der Frauen im Sinne der universalen Menschenrechte, betont allerdings: Die Übermacht der Männer in Marokko sei nicht allein nur dem Islam zuzuschreiben, vielmehr hätte die europäische Kolonialherrschaft diese Macho – Tendenzen verstärkt.

Herrschaft und Brutalität in menschlichen Beziehungen legt unermüdlich Yasmina Reza frei, auch in ihrem neuen Roman mit dem durchaus bezeichnenden Titel „Babylon“: Die „gut“-bürgerlichen Ehen erscheinen als Beziehungen der Lüge. Bei den geringsten Anlässen kann das Wertegefüge zerbrechen. Diese Menschen erscheinen bei Reza als abgründige Wesen, sie entsprechen der üblichen Vorstellung von Babylon, dem Symbol für Verwirrung und Sittenlosigkeit. Mit der Erinnerung an Babylon als dem Nein zu einer göttlich gewollten menschlichen Welt werden letzte Reste einer biblisch geprägten Kultur noch von Ferne beschworen. Aber Religion, Gott, Glaube sind nur als beinahe unerreichbare „Hoffnungsfunken“ zu ahnen.

 

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Poesie als Weg zu Gott

Die ungewöhnlichen Studien des katholischen Theologen Jean-Pierre Jossua, Paris

 Ein französischer Theologe hat sich sein ganzes Leben mit der Suche nach dem Unendlichen, Sinnvollen, vielleicht auch Göttlichen in der modernen Literatur befasst: Das machen viele Theologen. Der Dominikaner Pater Jean – Pierre Jossua (Jahrgang 1930) ist ein ganz besonderer Theologe, der leider in Deutschland weithin unbekannt ist: Pater Jossua ist Dialogpartner für Dichter und Schriftsteller, etwa Yves Bonnefoy. Er will sie nicht belehren, sondern das Gesagte verstehen und das Ungesagte entziffern.

Zahlreiche große Studien sind Ausdruck dieser Haltung. Pater Jossua betont: „Die Poesie ist für unglaublich viele Menschen, und darunter sicher die besten, eine Form spiritueller Bewegung geworden. Poesie könnte für sie sogar die Religion ersetzen, die ihnen sonst wie tot vorkommt. Poesie könnte als ein Weg zu Gott, zum Absoluten, erscheinen. Tatsächlich möchte ich sagen: Die Poesie hat die Funktion des Gebets angenommen. Und das Gebet kann nur gewinnen, wenn es wieder die Form poetischer Qualität entdeckt“.

Von den zahlreichen Studien Jossuas soll hier nur erwähnt werden: „La passion de l infini: Littérature et théologie“. Nouvelles recherches. Paris 2011, Editions du Cerf.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin. Dieser Beitrag wurde im Oktober 2017 in leicht verkürzter Form in “PUBLIK FORUM” veröffentlicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

“Wahre Meisterwerte”: Ein Salonabend mit Wolfgang Ullrich

Am Freitag, den 26. Januar 2018, wird Dr. Wolfgang Ullrich in unserem Salon sein und mit uns vor allem über sein neuestes Buch “Wahre Meisterwerte” zu sprechen. Diese Veranstaltung ist ausgebucht, das heißt: Es stehen keine Plätze mehr zur Verfügung. Wer sich schriftlich angemeldet hat, ist selbstverständlich willkommen…

Das neue Buch von Wolfgang Ullrich hat den Untertitel “Stilkritik einer neuen Bekenntniskultur”, es ist im Wagenbach Verlag erschienen. Wolfgang Ullrich (Leipzig) ist einer der bedeutendsten Kunsthistoriker, auch Kritiker zeitgenössischer Kunst, er ist Philosoph. Seine zahlreichen Bücher zu den Themen finden weithin viel Beachtung. Wir treffen uns um 19 Uhr in der Kunstgalerie Fantom, Hektorstr. 9. Einige Hinweise zum Buch lesen Sie hier.

Zu der Veranstaltung ist – wegen der begrenzten Anzahl der Plätze  – eine schriftliche Anmeldung NOTWENDIG, mail an: christian.modehn@berlin.de   Der “Eintrittspreis” beträgt für diese Veranstaltung 8 Euro. Übliche Ermäßigungen möglich.

 

Wir gehören “zu den besten Berliner Salons”

Darf man sich auch mal freuen? Das bekannte und bewährte Berliner Stadtmagazin Tip zählt in seinem Beitrag von Eva Apraku auch unseren Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon zu den “besten Berliner Salons”: Unsere  10 jährige Arbeit hat bisher noch kein philosophisches “Medium” gewürdigt, ein theologisches schon gar nicht, wegen unserer Religionskritik. Und dabei sind wir der Meinung: Lieber 10 philosophische Salons in der Stadt als überschaubare Treffunkte und DIALOG Räume intellektuellen Austauschs zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen …. in völliger Gleichberechtigung als… drei große kirchliche Akademien, diese machtvollen, offiziellen Institutionen… Zur Lektüre des ganzen Beitrags im TIP klicken Sie hier.

“Alles ist vergänglich, sterblich”: “Vanitas” – ein aktuelles Thema

Von Christian Modehn. Diese Hinweise waren bestimmt für den Dialog im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin am 24.11.2017

Unter „Vanitas“ verstehe ich: Leerer Schein und Bedeutungslosigkeit von allem; also Nichtigkeit, Vergeblichkeit des Lebens. Leiden an der Endlichkeit, absolut sicher dem eigenen Tod-Ausgesetzt sein.

Der Vanitas Gedanke wurde machtvoll und präsent, als die Menschen erlebten, dass das geozentrische Weltbild zerbricht. Sie sind ausgesetzt in einem leeren unendlichen Raum. Der Mensch ist winzig.

Meine zentrale These: Die Auseinandersetzung mit den Vanitas-Darstellungen könnte uns von der heute üblichen Trivialisierung des Todes befreien und zum Bedenken des eigenen Todes führen.

Ich will jetzt keine langen Zahlenreihen und Statistiken präsentieren über die Toten, die uns aktuell oder im ganzen 20. Jahrhundert umgeben: 34.000 Ertrunkene oder Verdurstete Flüchtlinge auf der Flucht über das Mittelmeer. Berge von Leichen in Bosnien Herzegowina. 7 Millionen Tote im Bürgerkrieg im Osten Kongos. 6 Millionen ermordete Juden. Völkermord größten Umfangs unter Stalin, Völkermord unter Mao, Völkermord in Kambodscha, Völkermord an den indianischen Völkern durch brasilianische und internationale Konzerne usw.

Die Reaktionen der meisten Menschen hierzulande ist: Abgestumpft leben gegenüber dem Tod. Wer noch lebt und in Europa meistens relativ gut lebt, sagt: „Hurra, ich lebe noch“… Tot sind immer die anderen. Die Verdrängung scheint absolut zu sein.

Zur ständig zunehmenden Überflutung als Abstumpfung durch Darstellungen von Mord und Totschlag durch die Fernsehsender Deutschlands, siehe den Beitrag von Christian Schüle im Deutschlandfunk: http://www.deutschlandfunk.de/ueber-mord-und-tod-im-fernsehen-all-die-schoenen-toten.1184.de.html?dram:article_id=364111

Nur eine Statistik: Allein das ZDF ca. 430 Krimis pro Jahr. Über den Tatort – Kult wäre zu sprechen… Psychologen warnen vor der zunehmend aggressiveren Darstellung von Gewalt im Fernsehen. Aber das ist nicht unser Thema. Über die Verdrängung des Todes durch das massenhafte mediale Erleben des Todes anderer zu sprechen, wäre ein eigenes Vorhaben. Jedenfalls ist klar: Das massenhafte Sterben der Flüchtlinge im Mittelmeer, das Krepieren der Afrikaner in den von Europa bezahlten Lagern Libyens, hat europäische Politiker nicht zu einer großzügigen und humanen und klugen Flüchtlingspolitik geführt. Offenbar ist das Gegenteil der Fall. Das Stichwort ist: Abstumpfung des Humanen zugunsten nationalistischer Ideologien oder Angst um die Vorherrschaft der eigenen Parteien….

Wir sollten einen persönlichen, uns betreffenden Umgang mit dem Tod, mit unserem Tod, wiedergewinnen. Ich werde nicht nur sterben, also dies ist noch ein „Lebensprozess“, sondern ich werde tot sein und alle, die wir hier sitzen haben mindestens eines gemeinsam: Wir gehen dem Tod entgegen. Es ist interessant: Die meisten Menschen sprechen heute angesichts der Probleme rund ums Sterben bevorzugt vom Sterben und nicht so sehr vom Tod. Beim Sterben kann man noch etwas machen, mit meinem Tod ist von meiner Seite her und der der Hinterbliebenen nichts mehr zu „machen“ im Sinne von heilendem Eingreifen… Dabei ist diese behutsame, manchmal lange dauernde persönliche, philosophische Auseinandersetzung mit „meinem Sterben“ selbstverständlich auch ein Privileg der so genannten besseren Kreise. Ein sterbender Obdachloser in Berlin oder New York oder Bombay stellt sich diese Frage nach dem je meinigen Sterben oder gar nach „dem süßen Tod“ nicht.

Was können wir angesichts der Vanitas Darstellungen an Fragen entdecken: Man könnte sich fragen: Warum entsteht angesichts dieser allgemeinen menschlichen Verfassung, der absoluten Todesgewissheit, keine allgemein menschliche Solidarität? Es liegt wohl an der Verdrängung des eigenen Todes.

Und es wird hoffentlich unser eigener Tod sein, nicht ein Tod, andere über uns verfügen, etwa in Kliniken oder in Kriegshandlungen.

Wir sollten uns dem Vanitas Thema in der Kunst und Literatur stellen.  Vanitas deute ich also nicht als ein Angst machendes Thema. Das war sicher in der Vergangenheit der Fall. Vanitas erinnert uns heute – wie damals – an die unabwerfbare Grundverfassung unseres Daseins: Dies ist unsere – auch zeitliche – Endlichkeit. Der muss sich jeder stellen ohne Angst. Ich erinnere nur an das Gemälde von von Lucas Furtenagel, mit dem Titel „Die Gatten Burgkmaier“ von 1529, im Kunsthistorischen Museum Wien (S. 208). Es zeigt ein Ehepaar in einen Spiegel blickend: Und sehen sich darin als Totenköpfe. Ich denke solche Spiegelbilder sollte sich jeder Mensch öfter mal gönnen. Wir wissen von unserem Tod, aber wir wissen nicht, wann er eintritt. Es ist also ein gespaltenes Wissen. Wir werden nie unseren eigenen Tod erleben, das Sterben vielleicht, aber auch dann wissen wir im Sterben nicht, ob dieser Vorgang tatsächlich unser Ende sein wird. Das heißt: Unser Tod als gewusstes Ende entzieht sich unser genauen Kenntnis. Wir kennen den Tod als Tod als das nicht mehr leiblich Lebendigsein nur von außen, von anderen…

Wir werden so durch die Vanitas Thematik zur Frage geführt werden: Was ist eigentlich unser Leben? Wie gestalten wir unsere Lebenszeit? Wie gehen wir mit der Zeit um, die uns bleibt, deren Dauer aber ungewiss ist. Aus dem Faktum des Todes wird eine ethische Frage. Das ist eher selten in der Philosophie, wo dieser Übergang von Sein zum Sollen eintritt.

Wir sind also wesentlich konkrete einzelne Menschen, die durch die ständige und je eigene und einmalige Art mit unserer Lebenszeit umzugehen, d.h. sie zu gestalten, eben konkrete einmalige Menschen mit einem eigenen Profil geworden sind. Wir sind also diejenigen konkret, die wir uns in unserer Zeit „gemacht“ haben. Damit ist unser eigenes Leben uns selbst zur Aufgabe, wir entkommen nicht der Aufgabe, etwas mit uns selbst zu tun, zu machen. Unser eigenes Leben ist dann unser Werk, wobei auch Zufälle und unabsehbare Schicksalsschläge (Naturkatastrophen) eine prägende Rolle für mein Leben (als mein doch auch wieder manchmal entzogenes) Werk spielen.

Die Vanitas Darstellungen sind wichtig als Kontrapunkt gegen die Verdrängung des Todes:

Jedes menschliche Leben ist begrenzt. Selbst wenn in 50 Jahren einige Millionäre, durch den Transhumanismus bestimmt, vielleicht 150 Jahre lang leben können. Dies ist die neueste Form der Todes – Verdrängung… Menschliches Leben bleibt trotzdem endlich. Nur weil wir sterblich sind, entsteht unser Gedanke: Es ist wichtig, dass wir unser Leben jetzt und immer wieder gestalten. Wir haben nicht ewig Zeit, auf dieser Erde unser Leben zu gestalten.

Über die Verdrängung des Todes wäre zu sprechen, etwa auch in Seniorenresidenzen: Dort wird nicht öffentlich mitgeteilt, etwa in den Runden des gemeinsamen Essens, welcher Mitbewohner gestorben ist. Plötzlich sitzen andere Leute an dem Platz.

Der Trend zum Beschönigen als Verschwindenlassen des Todes in den USA: Siehe das klassische Werk „Tod in Hollywood“ von Evelyn Waugh.

Gründe für die Verdrängung des Todes:

Entscheidend ist die Orientierung am Haben. „Die Angst vor dem Sterben ist die Befindlichkeit des dominant am Haben orientierten Menschen“ (Rainer Funk, Mut zum Menschen, S. 319). Je mehr deshalb jemand im Modus des Seins lebt, desto weniger werden ihn Altern, Sterben und Tod ängstigen, weil er auch im Nachlassen der physischen, emotionalen und geistig – intellektuellen Kräfte eine bejahende Einstellung zu dieser Wirklichkeit menschlicher Existenz hat“ (ebd.) Erich Fromm sagt: „Die Angst vor dem Sterben ist die Angst davor, das, was ich habe zu verlieren, mein Ich, meinen Besitz, meine Identität, die Angst vor dem Abgrund der Nichtidentität zu stehen, die Angst verloren zu sein“, (ebd. S. 320, Zit. Fromm, aus „Haben oder Sein“). Die Angst vor dem Sterben lässt nach, „da es dabei nichts zu verlieren gibt“ für einen Menschen, der nicht primär am Haben interessiert ist. Diese Menschen im Habensmodus sind primär an die Vergangenheit gebunden, Nostalgie, Archiv, Veraltetes Aufheben, Vergangenes pflegen, vgl. Rainer Funk, S. 320.)

Ich bin gemeint: Die Vanitas Bilder zeigen auch: Mein Tod steht mir bevor: Ich bin als einmaliger sterblich und sollte auch meinen eigenen Tod haben. Das hat zur Folge: Ich darf mich z.B. nicht (unfreiwillig) im Krieg töten lassen und ich darf nicht andere töten. Der Betrachter eines Totenkopfes sieht: Der Tod ist zwar das alle Menschen Verbindende und insofern absolut allgemeine, aber immer ist der Tod der Tod eines Individuums, einer Person, die als einzelne Person das Menschenrecht hat, auf je eigene Art zu sterben. Insofern gilt: Für den Betrachter des Totenkopfes: Ich darf nicht töten.

Die klassische Vanitasvorstellung bezieht sich auf das alttestamentliche Buch Kohelet, auch „Der Prediger Salomo“ genannt.

Im „Alten Testament“ wird Kohelet zu den Weisheitsbüchern gezählt. Eitelkeit hatte einst die Bedeutung von Vergänglichkeit. Eitelkeit ist die übertriebene Sorge um sich selbst., um Schönheit, Glanz.

Kohelet meint „Sammler von Sprüchen“ und Kohelet wird in dem Buch auch als Eigenname verwendet. Es ist entstanden im 3. Jh vor Christus.

Tiefer Pessimismus gegenüber den alltäglichen, unreflektierten Überzeugungen der Menschen ist bestimmend. ABER: Es geht um eine sinnvolle Lebensgestaltung.

Dies ist kein Text des Nihilismus. Es ist ein philosophischer Text in der Bibel. Anders als andere AT Texte, in denen Gott selbst autoritativ zu den Menschen spricht. Es geht um das Erreichen eines glücklichen Lebens. Etwa in Kapitel 11: „Freue dich in deiner Jugend, und lass dein Herz guter Dinge sein in deinen jungen Tagen. Tu, was dein Herz gelüstet und deinen Augen gefällt. ABER wisse, dass dich Gott um das alles vor Gericht ziehen wird“.

Die entscheidende Erkenntnis wird am Schluss des TEXTES noch mal gesagt: „Fürchte Gott und halte seine Gebote“, im Kapitel 12.

Die Vanitas Idee als Warnung vor der Eitelkeit (noch einmal Erinnerung an ein Gemälde aus der späten Renaissance Zeit, mit dem Spruch: „Vive. memor. leti. fugit. Hora: Lebe, eingedenk des Todes, es flieht die Zeit (Stunde)

Ein Gemälde von Barthel Bruyn d.Ä., (1493 – 1555): „Der Ordensritter“, 1531. Im Kunsthistorischen Museum Wien) steht meiner Meinung nach gegen das vulgär – epikuräische „Carpe Diem“, denke nur an den heutigen Tag. Die Maxime „carpe diem“ , ist ein Wort des Dichters Horaz (65 bis 8 vor Chr): Genießen wir heute und jetzt! Und nichts auf den nächsten Tag verschieben. (Man weiß ja nicht, ob man dann noch lebt). Dies ist ein hedonistischer Vorschlag, aber nicht im Sinne des Philosophen Epikur. Er legte Wert auf das rechte Maßhalten…Mit Maßen und Bedacht die Lust genießen. Den Schmerz vermeiden, um zur Ataraxia, der Ruhe und Ungestörtheit zu kommen.

Die biblische Vanitas Vorstellung steht also auch gegen Epikurs Lehre vom Tod, wenn er behauptet: „Der Tod geht uns nichts an. Solange wir existieren, ist der Tod nicht da. Und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr“. („Von der Überwindung der Furcht“) Das könnte man eine verhaltenstherapeutische Lehre (der Oberflächlichkeit) nennen.

Ist es nicht so: Dass der Gedanke an meinen Tod eigentlich ständig aufblitzen kann? Ich kann mir also den Gedanken an den Tod nicht selbst abgewöhnen oder verbieten.

Die AUFKLÄRUNG wandte sich gegen das “barocke Grausen”. Der Mensch soll sich entwickeln und angstfrei gestalten. Aufklärung ist Glaube an die Möglichkeiten des Menschen.

Der Tod erscheint jetzt nicht mehr als Knochenmann, sondern als schöner Jüngling, klassisch griechisch, etwa bei Lessing, (1729 bis 1781), siehe die Schrift: „Wie die alten den Tod gebildet“, 1769. Es geht Lessing dabei um die Erkenntnis, dass in Griechenland und im alten Rom der Tod nie als hässliches Gerippe, als Knochenmann, erschien. Der Tod als Strafe Gottes konnte für vernünftige Menschen nicht in den Sinn kommen. Lessing meint, die Heilige Schrift rede auch von einem Engel des Todes, er wehrt sich gegen die biblische, von Paulus stammende Vorstellung: „Der Tod ist der Sünde Sold“, das heißt eine Strafe für die Sünde, die Adam und Eva im Paradies in ihrem Ungehorsam gegangen haben

Es gibt selbstverständlich mehrere philosophische Möglichkeiten mit dem Tod umzugehen. Diese Vielfalt ist Ausdruck dafür, dass es angesichts des Todes keine gedankliche Klarheit, kein wirkliches Wissen (wie in den Naturwissenschaften) geben kann. Alles Denken steht hier vor einer großen Fraglichkeit, die man auch Geheimnis nennen sollte. Also der Tod ist kein irgendwann lösbares Rätsel, sondern der Tod als Erkenntnis bleibt uns wesentlich verschlossen, er ist „da“ als Realität, aber nicht im Wissen zu umgreifen. .

Es gibt also vielfache Antworten, die letztlich sich alle jeweils auf eine These beziehen, die man sich im Glauben aneignet. Diese Basis – These wird als Ausgangspunkt gewählt, weil man darin auch eine Orientierung für sich selbst sieht. Die Wahl dieser Basisthese (etwa: „Nach meinem Tod ist alles aus“) enthält auch Implikationen zum jeweiligen Selbstbild, zur Bedeutung, die man der eigenen Person zuweist.

Es gibt etwa die heute sehr weit propagierte (Glaubens) These: Der Tod, mein Tod, ist ein definitives Verschwinden ins Nichts. “. So etwa der italienische Philosoph Norberto Bobbio, in „Vom Alter“. „Das Nichts, das ich einmal war, wusste nichts von meiner Geburt, von dem was ich werden sollte. Das Nichts, das ich einmal sein werde, wird nichts von dem wissen, was ich gewesen bin…

Diese Aussage arbeitet mit einem zum Objekt gemachten Begriff des Nichts als einer Realität, die behauptet wird und an die geglaubt werden muss. Es ist die Rede vom Nichts wie von einem Zustand. Ist es denn so klar, dass der einzelne geborene Mensch aus dem Nichts kommt? Hatte er nicht zumindest Eltern? Woher kamen die her? Will man die ganze Evolution entlang zurück gehen und dann landet man bei der Frage: Woher stammt eigentlich die Welt im ganzen und damit die Menschheit? Und dann kann die Frage entstehen, ohne in eine naive Bibel-Deutung zu geraten: Gibt es so etwas wie eine Schöpfung? Und wenn es so etwas wie eine Schöpfung gibt, davon sind viele, nicht nur fromme Leute überzeugt, wie George Steiner, dann gibt es auch die Vorstellung von einem Schöpfer, der diese Welt als Evolution (!) auf den Weg gebracht hat. Dazu später noch ein Hinweis.

Albert Camus hat die Sterblichkeit eines jeden Menschen wie unaufhebbares Verurteiltsein zum Tode bestimmt. Wir sind alle zum Tode verurteilt. Dieses Urteil müssen wir wie Sisyphus förmlich abarbeiten. Und darin unseren Sinn finden. Aber das führt bei Camus zu einer eher heiteren Stimmung.

Camus schreibt aber immer wieder in vorsichtiger, poetischer Sprache, dass der sterbende Mensch angesichts seines bevorstehenden Todes nicht doch Hoffnungen hat auf etwas Besseres, als was dieses irdische Leben für ihn war….

Camus sieht im Erleben der Schönheit der Natur vor allem eine Dimension des Heiligen. Für ihn ist dies kein Rückfall in romantische Gefühle, sondern eine moderne Weltsicht, die den Menschen aus der Verkapselung in Individualismus und Egoismus befreien kann. Diese sinnstiftende Gabe der Natur kann nur wahrnehmen, wer sich der Welt geradezu andächtig zuwendet und die Natur nicht dem technischen Zugriff unterwirft. In der Profitgier entstehen nur verwüstete Landschaften. In seinem Buch „Licht und Schatten“ schreibt er – beinahe mystisch bewegt – von einem Besuch in Palma de Mallorca: „Wenn ich dort in den Höfen voller grüner Pflanzen und runder grauer Säulen stehen blieb, verschmolz ich mit diesem Geruch des Schweigens. Ich verlor meine Grenzen und war nichts anderes mehr als der Klang meiner Schritte oder jener Vogelschwarm, dessen Schatten ich in der Höhe auf den sonnigen Mauern wahrnahm. Im Schweigen dort fand ich eine neue und doch vertraute Köstlichkeit“. Nur die Gegenwart ist im Naturerleben „da“. Wer dies achtsam erlebt, wird in die Zeitdimension der langen Dauer gehoben, in einen gedehnten, sozusagen stehenden Augenblick. Der fließende Zeitstrom ist überwunden und die Ahnung wird geweckt, was Ewigkeit meinen könnte. Von der Schönheit der Natur unterstützt, wird dabei das Geheimnis allen Lebens berührt. Die Gegenwart ist kein Element der üblichen physikalischen Zeitstrecke Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Vielmehr ist Gegenwart der erfüllte, lange währende, zeitlich nicht messbare Augenblick, der aus der Verfallenheit in die Zeit für eine Dauer befreit. Bei Camus: Selbst noch der Mörder Mersault, der Protagonist in dem Roman „Der Fremde“, kann sich in seiner Zelle kurz vor seiner Hinrichtung durch den Anblick der Natur geborgen, wenn nicht gerettet fühlen. „Ich bin mit den Sternen über dem Gesicht wach geworden. Geräusche vom Lande stiegen zu mir herauf. Gerüche von Nacht, Erde und Salz erfrischten meine Schläfen. Der wunderbare Frieden dieses schlafenden Sommers drang in mich ein wie eine Flut“.

Mir kommt es entschieden darauf an, die heute beliebte These vom Sturz des Menschen ins Nichts beim Tod ein wenig philosophisch in Zweifel zu ziehen. Camus ist ein Denker, der, obwohl nicht-kirchlich und Agnostiker, doch eine sanfte Sprache für die „ewige Gegenwart“ als Gegenwart des Ewigen gefunden hat.

Es kommt auf die Erfahrung der Gegenwart an: Gegenwart ist kein Punkt in der unendlich langen Zeitreihe in die Zukunft hin, wonach dann jede Gegenwart wieder verlischt und Vergangenheit ist…

Gegenwart ist die Dauer als das Heraustreten aus dem Zeitstrom. Das ist die Grunderfahrung von Ludwig WITTGENSTEIN: 1889-1951. „Nur wer nicht in der Zeit, sondern in der Gegenwart lebt, ist glücklich”.

Für das Leben in der Gegenwart gibt es keinen Tod“. Ähnlich auch im  Tractatus Logico Philosophicus: 6.4311:
„ Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt“.

Wenn immer wieder, auch in Europa, philosophische und religiöse Überlegungen vorgeschlagen werden, die für eine mögliche Form des „Weiterlebens nach dem Tod“ eintreten, dann nur unter der Voraussetzung: Die gegebene Welt (und sie ist für uns alle immer eine zum Staunen führende „Gegebenheit“: „Warum ist etwas und nicht vielmehr Nichts) kann als „Schöpfung“ verstanden werden. Wobei die dann verwendeten Begriffe wie Schöpfung und Schöpfer nicht banal aus der endlichen Welt her verstanden werden, sondern eben analog, als Bilder, etwas Gegebenes, aber nicht zu Greifendes, auszusagen! Dies führt dann beim Bedenken der Welt als Schöpfung zu der Frage: Zeigt sich im Leben selbst ein Hinweis auf die Frage, was ist nach dem Tod? Oder anders gefragt: Gibt es im reflektierten Leben selbst Hinweise auf eine Form des „Weiter Lebens“ nach dem Tod. Damit wird nicht die Frage nach den Nahtod Erlebnissen gestellt, sondern es gilt die allgemeine und viel grundsätzlichere Frage: Gibt es mitten im geistvollen im Leben Hinweise auf ein selbstverständlich immer analog zu verstehenendes „Weiterleben“, die angesichts einer kritischen Reflexion Bestand haben.

Ein erster Hinweis kann ein: Wir sterben in gewisser Hinsicht als ständiges Abschiednehmen von eigenen Lebensentwürfen. Und wir leben ständig in einer Situation des Abschieds, des Loslassens, auch physisch verändert sich unser Körper. Aber dies wäre nur ein Beleg für die allgemeine Verfallenheit zum Tode hin. Gibt es nun auch für Hinweise auf das Ewige im Menschen?

Wenn die Welt und die Menschen also Schöpfungen eines Gottes sind, dann kann die Welt als das andere dieses Gottes nicht völlig außerhalb Gottes stehen. Denn dann hätte sich Gott mit der total von diesem Gott losgelösten Welt eine Art endlichen Gegengott geschaffen. Und wenn es zwei Götter gäbe, müsste die Frage diskutiert, welcher dieser beiden Götter ist der Vor-Herrschende. Also: Diese Konzeption führt nicht weiter. Es ist spekulativ nur denkbar, dass Gott als Schöpfer IN der Welt und damit im Menschen anwesend ist, ohne dabei die Endlichkeit des Menschen aufzuheben.

Wenn also ein Gott auch die Welt in seinen „Bereich“ einbezogen hat, wie die klassische Philosophie etwa Hegel lehrt, dann muss der Gott in der evolutiven endlichen Welt selbst anwesend sein als ein Element der Ewigkeit in der endlichen Welt. Diese Erkenntnis verändert alle Einschätzungen des Todes und der Endlichkeit. Der Tod als Ausdruck der Endlichkeit ist dann sogar von Gott gewollt. Dass der Tod und das Sterben auf dieser Welt so miserabel zugeht, ist dem Menschen anzulasten, seinem Egoismus, seinem Nationalismus, seiner Kriegslust und Zerstörungslust.

Noch einmal zu dem oben erwähnten Norberto Bobbio. Er behauptet: „Alles, was einen Anfang hatte, hat ein Ende“ (S. 54). Das gilt für die Dinge INNERHALB der Welt selbstverständlich. Dann aber folgt der entscheidende Satz: „Nur das, was keinen Anfang hatte, hat kein Ende. Was jedoch weder Anfang noch Ende hat, ist die Ewigkeit“ (ebd).

Damit führt Bobbio selbst genau auf unsere Philosophie der Schöpfung und der Ewigkeit von Gott und Welt und der nicht greifbaren und nicht „abzuschaffenden“ Anwesenheit Gottes in der Seele des Menschen: Denn wenn die Welt als Schöpfung von Gott stammt als dem Ewigen und der Gott in der Welt als der dann ewigen Welt selbst anwesend ist, dann hat der Mensch, jeder Mensch, bleibend Ewiges in sich. Das heißt: Dieses Ewige als Teil des Göttlichen (was wir Seele nennen) wird mit dem Tod des irdischen Menschen nicht vernichtet.

Meister Eckart (1260 – 1328) hat das so ausgesagt, indem er auf den göttlichen Gott Bezug nahm: „Ich bin ungeboren (damit meint er: ich bin eine Schöfung Gottes) und nach der Weise meiner Ungeborenheit (mein Sein durch Gott und In Gott) kann ich niemals sterben. Nach der Weise meiner Ungeborenheit bin ich ewig gewesen und bin ich jetzt und werde ewiglich bleiben. Was ich meiner Geborenheit (also meiner weltlichen und endlichen Herkunft nach bin, das wird sterben und zunichte werden, denn es ist sterblich“. (Deutsche Predigten, „Beati pauperes“, in: Meister Eckart, „Einheit mit Gott“, hg Dietmar Mieth, 2002, S. 154). Noch einmal: Ungeborensein heißt: Aus Gott stammen und das Wesentliche (die Seele) eben nicht von den irdischen Eltern und der irdischen Mutter empfangen, Menschen als Menschen können das Ewige nicht vermitteln. Es geht also auch um Eckarts Lehre vom Seelenfunken. Dieser drückt eine Gleichheit mit Gott aus, die für den Menschen schon vor seinem Leben auf der Welt, dann mitten im irdischen Leben und dann wieder nach dem Tod Wirklichkeit ist, (Alois M. Haas, Meister Eckart als normative Gestalt….Einsiedeln 1979, S. 126) Dies ist für Eckart die höchste Vorstellung vom Glück. …“Eigentlich spricht Eckart von nichts anderem als der Einheit zwischen Mensch und Gott“ (130).

Ich möchte zum Schluss auch auf HEGEL hinweisen, auf die Phänomenologie des Geistes“. Darin geht es Hegel auch um die Anerkenntnis der absoluten Kraft des Geistes, der Vernunft, die sich gerade im geistigen „Abarbeiten“ an der Endlichkeit und dem Tod zeigt: „Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht ist er nicht als das Positive, welches von dem Negativen wegsieht, wie wenn wir von etwas sagen, dies ist nichts oder falsch, und nun, damit fertig, davon weg zu irgend etwas anderem übergehen; sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die es in das Sein umkehrt“ , In Hegel, Phänomenologie des Geistes, Werke in 20 Bänden, hier Band 3, Phänomenologie des Geistes, Vorrede, Suhrkamp, 1970, S 36.

Die Welt ist nicht der eigentliche „Aufenthaltsort“ des Menschen, wir gehören in eine göttliche Welt. Diese Überzeugung hat Heinrich Böll einmal formuliert: „Der Mensch ist für mich ein Gottesbeweis“, sagt er in einem Interview: „Wie meinen Sie das?“, fragt Karl-Josef Kuschel.  Bölls Antwort: „Die Tatsache, dass wir eigentlich alle wissen, auch wenn wir es nicht zugeben, dass wir hier auf der Erde nicht zuhause sind, nicht ganz zuhause sind. Dass wir also noch woanders hingehören und von woanders herkommen. Ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der sich nicht, jedenfalls zeitweise, tageweise oder auch nur augenblicksweise klar darüber wird, dass er nicht ganz auf diese Erde gehört. Und das hat nicht nur soziale und gesellschaftliche Gründe Es sind auch die Schwierigkeiten, sich mitzuteilen, sich darzustellen…. Der Wunsch, die Sehnsucht erkannt zu werden, führt in eine andere Welt“ …(Karl – Josef Kuschel, Weil wir uns auf dieser Erde nicht ganz zu Hause fühlen“ (Piper, 1986, S. 65 f).

Dies ist für mich die entscheidende Erkenntnis in meiner Sicht: Der Tod, unser Tod, ist, wenn man den Unendlichen mit dem üblichen Symbolwort benennen soll, also von „Gott“ als der Instanz, die die endliche Welt geschaffen hat, sozusagen „gewollt“.   In der Hinsicht ist der Tod grundsätzlich kein Übel. Er ist in dieser Philosophie gottgewollt. Das konkrete Sterben ist leider für viele ein Übel. Aber dies wäre prinzipiell zu verbessern.

 Die Welt als Naturgegebenheit selbst ist endlich, begrenzt, unüberschaubar, das zeigen die Naturkatastrophen, etwa Erdbeben. Klimakatastrophen sind vom Menschen gemacht, siehe den Egoismus der Industrie-Nationen.

Die Menschen sind endlich. Sie neigen zum Egoismus, also zum Tun des Bösen. Das Böse kommt durch das Tun der Menschen in die Welt, das Böse wäre also eigentlich zu reduzieren in einer von Vernunft und Empathie und Respekt bestimmten Welt.

Wie gesagt: Das Böses-Tun der Menschen kann aus Verzweiflung über die eigene Endlichkeit geschehen: „Ich will für immer herrschen, will nicht meine Endlichkeit, meinen Tod, akzeptieren“. Siehe die Studien von Erich Fromm. Die Herrschenden, die nach Besitz und Haben Greifenden verhindern als den je eigenen humanen Tod. Daran wäre zu „arbeiten“…

Der je eigene Tod bleibt durchaus ein leider wohl noch fernes Ziel einer humanen Welt.

Copyright: Christian Modehn

 

 

 

 

 

Sehnsucht – diese gesunde “Sucht” nach einem besseren Leben: Ein philosophischer Salon

Am Freitag, den 15. Dezember 2017, veranstalten wir um 19 Uhr in der Galerie Fantom, Hektorstr. 9, einen (religions-) philosophischen Salon über die Sehnsucht: Ohne Sehnsucht nach den anderen Menschen, nach Schönheit, nach Frieden, vielleicht auch (ich würde sagen hoffentlich) nach der Nähe des Göttlichen, können wir “eigentlich” nicht leben. Sehnsucht ist ein Thema, das viel zu selten philosophisch gewürdigt wird. Wir versuchen es an diesem Abend vor Weihnachten, wo manche eine starke (kindliche ?) Sehnsucht haben nach einem anderen, einem nicht-kommerziellen Fest.

In einer Welt, die das meiste, was für den Menschen wichtig ist, technokratisch “löst” und eindimensional “beantwortet”, ist Sehnsucht eine seelische Kraft des Widerstands. Erich Fromm hat Sehnsucht und die immer vorhandenen psychischen Bedürfnisse eng verbunden. Ist Sehnsucht dann das Leiden an den unerfüllten seelischen Bedürfnissen, wie “Verwurzeltsein”, “Identität erleben”, “Bezogensein auf Transzendenz”, wie Erich Fromm schreibt?

Vielleicht bietet unser persönlich – reflektiertes Sprechen im Salon einige Anregungen. Vielleicht auch Reflexionen über die belebende Kraft der Sehnsucht, auch Gedanken zur unerfüllten Sehnsucht. Und Gedanken, dass Sehnsucht so etwas wie ein “leises” Erscheinen einer anderen Welt ist, die eigentlich ihr gutes Recht haben sollte in dieser realen Welt? Sehnsucht kann auch politisch werden und sich als Empörung äußern. Oft aber bestimmt uns angesichts der politischen Krisen der Gegenwart, d.h. des Zerfalls demokratischer Ordnungen, nur noch “ein Überrest nostalgischer Sehnsucht nach den Gewissheiten des (einst) anti-totaliären und liberalen Westens” (so der Autor Pankaj Mishra,  “Die grosse Regression”, 191). Werden wir zur befreienden Sehnsucht finden anstelle nostagischer Schwärmereien?

Herzliche Einladung also mit der dringenden Bitte, um nicht Verpflichtung zu sagen, sich anzumelden, angesichts der für einen Salon nun einmal begrenzten Teilnehmer Zahl. Wir sind keine “Akademie” mit ihren großen Vorträgen, sondern uns liegt am Austausch, am Gespräch, am Dialog. Anmeldung an: christian.modehn@berlin.de

Teilnehmergebühr, nur für die Raummiete: 5 Euro, Studenten haben freien Eintritt.

Bitte schon vormerken: Am Freitag, den 26. Janar 2018 ist Wolfgang Ullrich (Leipzig) bei uns, sehr vielen als Autor zu Kunstgeschichte und Philosophie bekannt ist. Wir sprechen mit ihm über sein neues Buch über Werte. Für diese außergewöhnliche Veranstaltung gelten nur schriftliche Anmeldungen.

Heinrich Böll als Katholik: “Nicht versöhnt”

Ein Hinweis von Christian Modehn. Zum 100. Geburtstag des Dichters. Und nun auch zum 50. Gedenktag der Übergabe des Literaturnobelpreises 1972.

Zwei Böll-Gedenktage also! Denken wir also wieder mit Böll, dem Dichter, dem politisch mutigen und immer demokratischen Zeitgeonossen. Am 21. Dezember 1907 wurde in Köln der Dichter Heinrich Böll geboren. Am 16. Juli 1985 ist er gestorben. Am 20.Dezember 1972 hat er den Literaturnobel-Preis erhalten.

Uns interessiert hier vor allem der Katholik Heinrich Böll, der er immer war, selbst wenn er heftigste Vorbehalte gegenüber der Institution hatte und 1972 aus der Kirche ausgetreten war.

1. Katholisch – aber kritisch.

Es ist klar, dass Religion und Kirche in den Werken Bölls beinahe allgegenwärtig sind. Böll war in der „mystischen Welt“ des Katholizismus tief verwurzelt. Er weiß, dass der Mensch sich auf dieser Erde nie ganz zu Hause fühlen kann. „Dass wir also noch woanders hingehören und von anders herkommen“. Böll will die Sakramente in neuer, menschenfreundlicher Bedeutung erleben. Er ist so tief in seinem Glauben, dass „ich mir einen Atheisten nicht vorstellen kann… Wir kommen von außerirdischen Kräften her“ (in: Karl – Josef Kuschel, Weil wir uns auf dieser Erde nicht ganz zu Hause fühlen“, Piper Verlag 1986, S. 65)

Nur aus dieser Bindung an die mystische Seite des Glaubens ist Bölls heftige Kritik an der Institution Kirche zu verstehen. Böll wollte die Kirche im Licht der Gestalt Jesu Christi bewerten. Darin kann man durchaus einen reformatorischen Impuls sehen, selbst wenn Böll vom Protestantismus wenig wusste.

Es ist keine Frage: Viele Aspekte von Bölls Kirchenkritik sind heute aktuell. Bölls Werke sind also in der Hinsicht überhaupt nicht „veraltet“. Die Debatten über die Zahlung der Kirchensteuer als Ausdruck der Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinschaft sind ja keinen Schritt vorangekommen…Und genau in den Zusammenhang passt gut die Verteidigung, die Böll leistete für den katholischen Dichter Reinhold Schneider (gestorben 1958). Auch Schneider ist aus religionsphilosophischen Interessen für uns sehr wichtig, vor allem wegen seiner offenkundigen und eingestandenen Gott-Ferne, wenn nicht Atheismus, was in dem Buch Schneiders “Winter in Wien” förmlich in die Augen springt. Böll schätzt den eigentlich einst eher konservativen Reinhold Schneider, weil er nun, nach dem Krieg, zum entschiedenen Pazifisten wurde. Und damit selbstverständlich in der militär-freundlichen Adenauer Kirche, also der katholischen, in Ungnade fiel. Man lese dazu in Heinrich Böll, “Die Fähigkeit zu trauern”, S. 67 f.

2. Erfahrungen mit der Institution Kirche.

Man sehnt sich förmlich nach mutigen Intellektuellen wie Böll, die noch mit dem Glauben an Jesus von Nazareth kritisch verbunden sind. Es gibt solche Menschen in den Kirchen nicht mehr. Die Kirchen in Deutschland sind intellektuell verödet, am Nullpunkt, es herrscht die Bürokratie, es gibt noch einige konservative, treu -römische, damit geistig unfreie, ideologische Autoren, aber an die  denken wir gar nicht mehr. Die katholische Kirche in Deutschland ist materiell stinkend reich, aber intellektuell verarmt, es gibt nur noch ein paar gut bezahlte intellektuelle Funktionäre (oder Theologieprofessoren) der Kirche.

Hilfreich ist bei dem Thema das Interview, das der französische Journalist und Autor René Wintzen mit Heinrich Böll im Oktober 1976 führte, es ist zuerst in Paris erschienen, später auch Taschenbuch bei DTV unter dem Titel „Eine deutsche Erinnerung“ (1981). Das Buch ist nur noch antiquarisch zu haben.

Böll beschreibt darin zum Teil drastisch, immer aber der Wahrheit verpflichtet, Erfahrungen mit der Kirche in seiner Jugend: Er kritisiert etwa die Bauwut der Bischöfe nach dem Ersten Weltkrieg: Überall entstehen neogotische Kirche „von einer industriellen Kälte“, dort „fanden die Pflichtgottesdienste statt, es gab den Katechismus Unterricht, dieser ganze fürchterliche Wahnsinn des 19. Jahrhunderts würde über einem abgerollt“ (39).

Die Indoktrination, die Ideologisierung, des Glaubens war ihm zuwider. Auch „die religiöse Erziehung der Eltern war wahrscheinlich schlimm“. Er geht als Jugendlicher nicht zum Sonntagsgottesdienst, „ohne unreligiös zu werden“ (40). Böll weist auf lächerliche rechtliche Bestimmungen hin: Etwa das Kirchengebot, nur nüchtern, d.h. ohne Speisen gegessen zu haben, an der Kommunion teilnehmen zu dürfen. (42). Das „Nüchternheitsgebot“ wurde dann 1964 fast ganz abgeschafft. Ein Gebot, für das einst die Päpste kämpften, verschwand also, ohne dass man den Menschen sagte, „warum man es jahrhundertelang aufrechterhalten hat“ (42). Die plötzliche Zurücknahme unsinniger Kirchengebote und Gesetze ist natürlich eine Wohltat, sie kommt meist plötzlich von Rom. Und die Leute, die einst gegen die Feuerbestattung kämpften, werden nun plötzlich konfrontiert mit der Entscheidung, auch für Katholiken ist Feuerbestattung möglich. Es ist diese Herrscher Allüre, die Böll so aufregt, zurecht

Die Kirchenkritik Bölls ist motiviert von der intellektuellen Armut der Kirche: Er verwendet übrigens immer wieder für das Wort „Milieu“, das „katholische Milieu“. Manche glauben noch heute, es förmlich riechen zu können.

3. So viel katholischer Unsinn.

In diesem Milieu wird zu viel Unsinn gelehrt, etwa die Lehre von der heiligen Familie, bestehend aus Josef, Maria und dem Jesuskind. Wie kann dieses Zusammensein eine Familie sein, wenn in ihr Erotik und Sexualität der Eheleute überhaupt keine Bedeutung haben. Wie kann man solch eine Konstruktion den Katholiken gar als Familien-Vorbild, als heilig, einschärfen? (54 f.).

Sehr heftig wurde Böll, wenn er auf die Kirchensteuer zu sprechen kam. Er fand es skandalös, dass ein Katholik nur dann Kirchenmitglied sein darf, solange er die Kirchensteuer bezahlt. „Man verrechtlicht das Verhältnis zu einer Religion, man fiskalisiert es, materialisiert es, das ist klassischer Materialismus“ (57). Böll ist dann 1976 wegen dieses offiziellen kirchlichen Materialismus aus der Kirche ausgetreten. Seiner Entscheidung sind dann viele andere gefolgt. Böll nannte die leidenschaftliche Sucht der Hierarchie nach Kirchensteuern den „kirchliche Materialismus“. Er besteht bis heute. Die Kirchenführung nahm und nimmt Geld von Leuten, die nur aus Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit oder Tradition noch ihre Kirchensteuer zahlen, dann aber werden diese Menschen von den Herren der Kirche als „Kartei-Leichen“ abqualifiziert. Ein Wort aus dem Wörterbuch des Unmenschen… Das Geld dieser „Leichen“ stinkt aber gar nicht. Darum liebt die Kirchenfphrung diese Leichen.

Aktuell und wichtig ist Bölls tief greifende Kirchenkritik bis heute: Insgesamt herrscht in der katholischen Kirche ein administrativer Umgang mit den Sakramenten vor, man denke an die Debatten um Mischehen und Wiederverheiratet Geschiedene, diese Themen, die angesichts des Zustands dieser Welt heute geradezu absurd und lächerlich erscheinen. Darüber ereifern sich alte zölibatäre Bischöfe bis heute wochenlang, Jahre alt, immer dasselbe Argument vortragend, und viele Katholiken nehmen an dieser absurden Diskussion teil, ohne sich die Freiheit zu nehmen, einfach den eigenen Weg zu gehen…

Böll ist den eigenen Weg gegangen, auch in der Kirche. Er hat sich die richtige Frage gestellt: Warum ändern sich, verbessern sich, eigentlich die Katholiken nicht, die ständig an der Messe teilnehmen? Warum ist der Gottesdienstbesuch so wirkungslos? (62). Die Pflicht an der Sonntagsmesse teilnehmen zu müssen nannte Böll treffend „Druck, Magie, Terror“. Diese sitzen so tief, „dass sich die Menschen dem unterwerfen, gegen ihre Einsicht“ (ebd).

Noch viel zu wenig debattiert wird Bölls Vorschlag, anstelle der Sonntagsmesse lieber in kleinem Familienkreis einmal in aller Ruhe und stilvoll gemeinsam zu speisen, zu sprechen, sich auszutauschen, das Leiden und die Freude der Familienmitglieder zu teilen? (63).

Insgesamt beschreibt Böll die Kirchenführung mit den Worten „Unbarmherzigkeit, Hochmütigkeit und heuchlerische Frömmigkeit“, so die Germanistin Elisabeth Hurth in der „Herderkorrespondenz“ (2010).

4. Eigentlich gibt es eine Sehnsucht nach Heil und Befreiung. Nur: Die Kircheninstitution verwehrt das.

Dabei weiß Böll, dass die Gesellschaft heute religiöse Vollzüge, authentisch gelebt, mit dem Interesse an seelischer Heilung und Befreiung, dringend bräuchte. „Glaube und Religion geben dem Leben nicht nur Halt, sie geben ihm auch eine Form“, schreibt Elisabeth Hurth.

Am 9.9. 1983, also 2 Jahre vor Bölls Tod, veröffentlichte die Zeitschrift PUBLIK FORUM ein Interview mit Böll, das Karl-Josef Kuschel führte (auch als Buch der Serie Piper, „Weil wir uns auf dieser Erde nicht ganz zu Hause fühlen“, 1986, dort S. 64 ff. ). Dabei fällt wieder auf, dass Böll einerseits den mystischen, den inneren, den spirituellen Wert des katholischen Glaubens für sich wichtig findet, dabei aber betont: „Ich betrachte mich nicht als Kirchenhasser, nicht andeutungsweise“ (67). Andererseits ist aber seine Kritik an der CDU/CSU und der Liebe der Hierarchie zu diesen Parteien ungebrochen. Er fragt explizit, warum sich diese Parteiführer und Parteimitglieder mit dem „C“ nie auf Jesus Christus berufen. „Christliche Politiker sprechen ja nie von Jesus Christus… Wenn man nur die (alles Jesuanische neutralisierenden, CM) Worte christlich oder Christentum benutzt, dann sind diese Worte sozusagen Abschiedsbegriffe“ (68), solche also, die nur noch sehr ferne Erinnerungen an die radikale Gestalt Jesu von Nazareth wachrufen.  Man stelle sich vor, in der Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen jetzt in Europa hätten sich die C Politiker an Jesus von Nazareth thematisch erinnert…

Ulrich Greiner hatte in „Die Zeit“ vom 27. Januar 2010 (anlässlich des Abschlusses der 27 Bände umfassenden -Kölner Ausgabe-) einen Beitrag über Böll verfasst mit dem Titel „Der Schriftsteller des Mitleids“. Das soll heißen: Böll war nie ein Liebhaber böser Ironie. Er sprach nicht distanziert lästerlich lächelnd über die Dinge: Er war in sie involviert, nahm daran teil. „Wir können diese Haltung als christliche Caritas beschreiben, als absichtslose, vom eigenen Nutzen absehende Zuwendung zu den Menschen. Das ist die Bedingung von Mitleid…Wer zum Mitleid imstande ist, der kennt auch den Zorn und die Empörung“ (Ulrich Greiner).

5. Der zornige Böll – der radikale Demokrat Böll.

Frömmigkeit und leidenschaftliches Eintreten für die Demokratie und die Menschenrechte FÜR ALLE gehörten für Heinricht Böll zusammen. “Böll, der von Natur aus ein sanfter, versöhnlich gestimmter Mann war, zerschnitt jedes Tischtuch, an dessen Ende jemand hockte, dem Rechtstaatlichkeit, Freiheit und Gerechtigkeit nur Dekoration war” (Hilmar Klute, SZ, 3./4. Dezember 2022, Seite 15.) Von daher Bölls Kampf gegen die Verleumdungen der Springer-Presse. Als hätte er die Wiederkehr bzw. die Zunahme des Faschismus und Antisemitismus in Deutschland schon gespürt, abgesehen von der Präsenz alter Nazis an der Spitze etlicher BRD – Institutionen, schrieb er 1960 (!) an die jüdische Dichterin Jenny Aloni: “Ich habe Angst um die jüdischen Kinder, die hier aufwachsen wie um meine eigenen. Man kann dem Boden hier nicht trauen.” (Zit .ebd.) Dem politischen Schriftsteller Böll machten die reaktionären Kräfte das Leben schwer:  “Razzien in seinem Haus in der Eifel, nächtliche Anrufe, beinahe tägliche Hetze gegen ihn in der einschlägigen Presse…” schreibt Hilmar Klute (ebd.).

6. Eine Frage – Wäre Heirnich Böll heute bei der “Letzten Generation”?

Hilmar Klute stellt die richtige Frage: “Würde sich der alte Dichter, die Raucherbeine mit Krücken gestützt, vielleicht nicht doch zu den Klebenden auf die Autobahn setzen? In Mutlangen sah man ihn 1983 auch die Zufahrtswege der US-Army-Trucks blockieren….”

Eine persönliche Erinnerung an Begegnungen mit Heinrich Böll hat der Theologe und hervorragende Kenner deutscher Literatur, Prof. Karl-Josef Kuschel, in seinem neuen Buch “Magische Orte. Ein Leben mit der Literatur” veröffentlicht, Patmos Verlag, 2022, 660 Seiten, zu Heinrich Böll: S. 486-518.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.