Toulouse – Perspektiven einer Kulturstadt

Toulouse – Perspektiven einer lebendigen Kulturstadt

Von Christian Modehn

Toulouse – eine Stadt, in der rassistisch motivierte Verbrechen geschahen und Kinder an der jüdischen Schule Ozar – Athora erschossen wurden,

Toulouse eine Stadt, die noch immer unter dem Schock der Verbrechen leidet, verübt von einem Mörder, der auch Militärangehörige tötete.

Toulouse, das darf nicht vergessen werden, steht eigentlich glanzvoll da, wenn man nur einige Aspekte seiner Geschichte betrachtet:

Hier hat der junge Philosoph Vladmir Jankélevitch gewirkt, er wurde vom Vichy – Regime verfolgt, lehrte seine Philosophie aber trotz allem weiter in einigen Cafés von Toulouse.

In Toulouse hat Kardinal Saliège gelebt, der als einer der wenigen französischen Bischöfe öffentlich die Nazis und das mit ihnen verbandelte Vichy – Regime kritisierte.

In Toulouse fanden die Republikaner Spaniens Zuflucht, als sie von den Franco – Truppen verfolgt wurden.

In Toulouse hat André Malraux, Schriftsteller und Widerstandskämpfer, die Befreiung erwartet.

In Toulouse hat Jean Jaurès, Sozialist und Pazifist, als Journalist gearbeitet.

In Toulouse wurde die katholische Kirchenmusik grundlegend erneuert, mit den Kompositionen der „Messe tolosane“, vor allem durch den Musiker und Komponisten André Gouzes aus dem Dominikanerorden (der Orden wurde übrigens 1215 in Toulouse gegründet).

Toulouse – die Erinnerung an eine lebendige Stadt der Kultur und der Toleranz wird alles Leiden am Schrecken der Verbrechen überdauern.

 

Wir weisen gern auf das Buch von Stéphane Baumont hin:  Le Gout de Toulouse. 2006.

Aus einer Besprechung:

Ville d’un fleuve, la Garonne, entre Atlantique et Méditerranée ; capitale de l’aéronautique comme du rugby, ville de paradoxes et de singularités entre pastel et vent d’autan, tango et bel canto ; république des Capitouls et des temps de libération, Toulouse c’est aussi et d’abord, comme le souligne Marie-Louise Roubaud, «une couleur, le rouge ocre de la brique, un accent chantant, un esprit dérangeant qui résiste». Claude Nougaro lui a donné son hymne, «Ô mon païs, ô Toulouse», entre langue d’oc et catharisme. D’autres, écrivains, poètes, troubadours, journalistes, chroniqueurs, ont su décrire le génie du lieu, terre promise de cocagne et d’esthétique architecturale. Promenade en compagnie de Gustave Flaubert, Tristan Derème, José Cabanis, Jean Jaurès, Raymond Abellio, André Fraigneau, Renaud Camus, Kléber Haedens, Stendhal, Saint-Exupéry et bien d’autres.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anpassung statt Résistance. Zur Kollaboration der katholischen Kirche in Frankreich.

Anpassung statt Résistance
Zur Kollaboration der katholischen Kirche in Frankreich.
Anlässlich des Kinofilms „Die Kinder von Paris“
Von Christian Modehn

Diesem Beitrag liegt ein Kommentar für den NDR vom 13. 2. 2011 zugrunde. Einige FreundInnen wünschten etwas ausführlichere Informationen, deswegen dieser (immer noch knappe) Text zu einem weithin unbekannten Thema….

Seit dem 10.Februar läuft in den Kinos ein bewegender, ja durchaus: ein „anrührender“ Film. Er erzählt die Geschichte jüdischer Familien, die am 16. Juli 1942, während der Nazibesetzung, in Paris verhaftet wurden. In einer Art Zwischenlager, der Halle der Radrennbahn, trieb die französische Polizei 13.000 Juden, darunter 4.000 Kinder, zusammen, bevor sie in die KZs im Osten transportiert werden.
Den Film „La Rafle“, die Razzia, haben in Frankreich bis jetzt 3 Millionen Menschen gesehen, ein riesiger Erfolg! In Deutschland wird er unter dem Titel „Die Kinder von Paris“ gezeigt.

„Ich will mit meinem Film Mitleid und Mitgefühl wecken“, betont die Regisseurin Rose Bosch, durch Emotionen könnten vor allem jüngere Menschen dazu bewegt werden, sich mit dem Grauen der Judenvernichtung gründlicher als bisher auseinanderzusetzen. Denn ganz selbstverständlich sonnen sich die meisten Franzosen noch immer in dem Glauben, ihre „Grande Nation“ habe im ganzen tapfer Widerstand geleistet gegen die Nazis und ihre Kollaborateure. Die Realität ist anders. Erst 1995 fand sich der französische Staatspräsident Jacques Chirac bereit, die von den meisten Franzosen still geduldete und akzeptierte Judenverfolgung öffentlich als die “große Schande unseres Landes“ zu nennen. Der „glorreiche General de Gaulle“ wurde also in seinem Londoner Exil nicht von einer großen Volksbewegung unterstützt, die meisten Franzosen waren Mitläufer, und oft auch Mittäter.
Es ist also höchste Zeit, die viel beschworene „Résistance“, den Widerstand gegen das nazifreundliche Regime des General Pétain realistisch wahrzunehmen; auch dazu fordert der Film auf: Da kümmert sich etwa die historisch verbürgte Gestalt der Krankenschwester Annette Monod um die drangsalierten Juden in der Radrennbahn. Ausdrücklich wird sie in dem Film als Protestantin vorgestellt; ein Hinweis, dass sich die kleine Kirche der Calvinisten viel deutlicher als die Katholische Kirche den Nazis und ihren Kollaborateuren widersetzte. General de Gaulle lobte schon im Juni 1945 die Protestanten, sie hätten „die klare Vision für die Interessen der Nation bewahrt und Widerstand geleistet“.
In der katholischen Kirche gab es auch einige Mitglieder der Résistance, wie den späteren, weltberühmten Sozialpriester „Abbé Pierre“ oder den Jesuiten Pierre Chaillet, der mitten in der Résistance die (immer noch bestehende) Wochenzeitung „Témoignage Chrétien“ gündete.
Aber es ist doch bezeichnend, dass sich die Bischöfe Nordfrankreichs eine Woche nach der Verhaftung der Juden in Paris ausdrücklich weigerten, gegen die Deportationen zu protestieren. So wollten sich die Oberhirten das Regime bei Laune halten, hatte sich doch Staatschef Pétain als Förderer der katholischen Schulen gezeigt; Kreuze hingen wieder in öffentlichen Gebäude: Welch ein Erfilg! Hatte Pétain doch versprochen, den antiklerikalen, den so genannten freimaurerischen und sozialistischen Ungeist der Republik zu vertreiben. Pétain mit seiner Nazi – freundlichen Regierung in Vichy wurde katholischerseits ganz offiziell als Geschenk der Vorsehung gepriesen, „Pétain arbeitet an der Auferstehung Frankreichs“, betonte etwa der Erzbischof von Aix en Provence. Die Katholiken hatten endlich ihre eigene, ihre klerikal gefärbte Revolution, nach der Abgrund tiefen Ablehnung der „großen Revolution von 1789“ war Pétain und co. ein Lichtblick. Der Publizist Jacques Duquesne nennt in seiner Studie „Les catholiques francais sous l occupation“ zahllose ähnliche Beispiele: In der Wallfahrtskirche von Annonay wurde gar ein Bild Pétains aufgestellt; in einer katholischen Schule im Département Lot begann der Unterricht mit einem Gebet: „Unter den Augen Gottes unseres Vaters, gehorsam den Weisungen des Marschalls Pétain gehen wir Kinder Frankreichs an die Arbeit – für die Familie, das Vterland“. Der katholische Dichter Paul Claudel schrieb gar eine Ode an den Marschall, darin heißt es u.a. „Frankreich, höre diesen alten Mann, der sich mit dir befasst und der zu dir spricht wie ein Vater…“ Kardinal Baudrillart, Chef der Katholischen Universität on Paris, lobte gar die Kollaboration mit den Nazis, weil nur so der Kommunismus besiegt werden könnte. Und Monsignore Moncelle scheute sich nicht, Marschall Petain und sein Regime, in den Worten des Johannes Evangeliums „als Weg, Wahrheit und Leben“ zu rühmen.
Das autoritäre und antisemitische Regime wurde allgemein mit einem Glorienschein ausgestattet. So ist es kein Wunder, dass nach der Befreiung durch de Gaulle lange Listen unerwünschter (weil kollaborierender) Bischöfe verbreitet wurden, auch der Name des Pariser Kardinals Emmanuel Suhard stand darauf. Aber weil sich der Papst einschaltete, wurden letztlich nur neun von 20 Bischöfen ihrer Ämter enthoben. Eine wirkliche „Reinigung“ der katholischen Kirche vom antisemitischen und antirepublikanischen Ungeist hat nicht stattgefunden. Es gab nur zwei Bischöfe, die mit der Résistance zusammenarbeiteten: Erzbischof Saliège von Toulouse und Bischof Théas von Montauban, er war einer der Mitbegründer der katholischen Friedensbewegung Pax Christi.
Einige tausend französische Juden haben ihr Leben retten können; couragierte Nachbarn fanden sich bereit, sie zu verstecken. Aber dieser Widerstand der kleinen Leute, vielleicht auch der Katholiken an der Basis, widersprach der offiziellen bischöflichen Linie. Die globale Sympathie der katholischen Kirchenführung für Pétain und seine Nazi-Freunde ist um so erstaunlicher, als der viel geliebte Marschall alles andere als ein – in offizieller Sicht – vorbildlicher Katholik gelten konnte. Er war mit der von den Päpsten verbotenen „Action Francaise“ verbunden und mit deren Chefideologen Charles Maurras. Die Spezialisten für diese Fragen, die Historiker F. und R. Bédarrida, schreiben: „Die Hierarchie ging das Wagnis ein, als eines der wichtigsten Elemente im Vichy – Regime zu erscheinen. Die Katholiken sollten dem Programm der „Nationalen Revolution“ zustimmen. In der Praxis lief diese Haltung auf eine gleichsam unbedingte Unterwerfung der Kirche unter die Macht Pétains hinaus“.

Bis heute sind in dem weiten Sympathisantenumfeld der so genannten Piusbrüder die Freunde Pétains und seiner Nazi – Kollaborateure zu finden. Diese Kreise sollen, so will es ausdrücklich Papst Benedikt XVI. mit der römischen Kirche wieder voll versöhnt und integriert werden. Einen der deutlichsten Sympathisanten dieser Kreise, den einstigen Pius Bruder Abbé Laguerie, hat Benedikt XVI. wieder in die offizielle römische Kirche aufgenommen und ihn einen eigenen Orden, die Brüder vom Guten Hirten ( L institut du Bon Pasteur) in Bordeaux gründen lassen. Der Papst ist glücklich: Diese „guten Hirten“ stellen jetzt viele junge Priester, das ist ja für den Papst bekanntlich am aller wichtigsten…(Hübsche Bilder dieser Herren findet man im Internet).

Zahlreiche Informationen zu diesem Text beziehen sich auf mein Buch „Religion in Frankreich“, Gütersloher Verlagshaus, 1993. Das Buch kann noch antiquarisch bezogen werden.

Laien leiten katholische Gemeinden in POITIERS, Frankreich.

Gegen den Trend

Im französischen Bistum Poitiers leiten Laien die Gemeinden. Hier ist der Weg von unten die Antwort auf die Kirchenkrise

Von Christian Modehn.

Dieser Beitrag wurde im Jahr 2009 publiziert. Inzwischen gab es einen Wechsel in der Leitung des Erzbistums Poitiers, nach der altersbedingten Pensionierung des sehr verdienten und mutigen Erzbischofs Albert Rouet. Er hat das Programm “Laien leiten Gemeinden” und “Laien leiten Sonntagsgottesdienste mit Kommunionempfang (!)”  entworfen und immer unterstützt. Manche sahen in dem (unten beschriebenen Projekt) eine Chance, auch kleine Gemeinden, auf dem Land zumal, lebendig zu erhalten und mit dem üblichen (und bei dem zunehmenden Mangel an Priestern für die Gemeinden zerstörerischen) dominanten Klerus-Modell endlich Schluss zu machen. Der neue Erzbischof ist seit 2012 Pascal Wintzer. Er baut dieses stark auf die verantwortliche Mitwirkung der Laien setzende Modell langsam ab und kehrt zur römisch willkommenen Klerus-Vorherrschaft in den Gemeinden wieder zurück. In der vorzüglichen Studie “Trombinoscope des Eveques 2016-2017 (Edition Golias, Villeurbanne, Nov. 2016) wird jeder (!) französische Bischof, wie es sich journalistisch gehört, krititisch, also nicht kirchenabhängig, gewürdigt. Auf den Seiten 316 bis 320 wird über Erzbischof Pascal Wintzer, Poitiers, berichtet; der Beitrag über ihn hat den bezeichnenden Titel “Fossoyeur”, also Totengräber … für diese neuen Gemeindeformen. In diesen Tagen tritt eine Synode in Poitiers zusammen, dort treffen sich die Katholiken, die dem Erzbischof treu ergeben sind (“identitaires”, wie die “Trombinoscope” S. 320 berichtet. Sie sollen die Laien ablösen, die noch für das Laien-Gemeinde-Modell eintreten, schreiben die Autoren der “Trombinoscope” (= “Jahrbuch”)…Wir empfehlen allen Interessierten dieses in unserer Sicht einmalige Buch über den realen Zustand der französischen Hierarchie. Und bitten alle, die enthusiastisch einst die unten notierten Zeilen gelesen haben, und das sind auch in Deutschland viele, mit ihrer (üblichen) Frustration fertig zu werden. Im Reformationsgedenken 2017 gilt das Motto: Der Klerus beherrscht die römische Kirche … nach wie vor. Insofern bleibt Luther aktuell…

Ergänzung im November 2016: Die Gemeinden in Frankreich sterben aus, weil der Klerus ausstirbt. So einfach ist das. Und so schlimm, wenn man an den Tod der Kommunikation dadurch in den Dörfern und den möglichen Verlust an Spiritualität denkt. Über jüngste (2016) Entwicklungen, zum Thema, im Bistum Tulle (Corrèze) klicken Sie hier.

Der publizierte Text von 2009:

Die Vergangenheit wirkt so beruhigend, weil sie tot ist.« Albert Rouet, Erzbischof von Poitiers im Westen Frankreichs, liebt klare Worte, wenn er von der »Pfarrgemeinde« als Organisationsform kirchlichen Lebens spricht: Sie ist für ihn überholt. »Bei der Pfarrei ging es seit Jahrhunderten um Macht: Die Priester bestimmten alles. Jetzt sind sie noch mehr überlastet. Ständig müssen sie Messen feiern. Eine grundlegende Erneuerung ist so nicht möglich.« Weiterlesen ⇘

Vor 20 Jahren haben sich die Traditionalisten von Rom getrennt

Vor 20 Jahren haben sich die Traditionalisten von Rom getrennt

Von Christian Modehn
1.SPR.: Erzähler
2.SPR.:Übertsetzer der O TÖNE
7 O TÖNE, incl. Einer musikal Zusp.

Moderationshinweis:
Die römisch-katholische Kirche ist seit 20 Jahren gespalten. Das höchste Ideal Weiterlesen ⇘