Neuzelle: Das Kloster und das reaktionäre “Mutterkloster” Heiligenkreuz bei Wien: Die Kriminalpolizei ermittelt

Ein Hinweis von Christian Modehn am 20.6.2025

1.

Das Kloster der Zisterzienser Mönche in Neuzelle, im Land Brandenburg bei Eisenhüttenstadt, ist abhängig von seinem “Mutterkloster” Heiligenkreuz bei Wien: Nun ermittelt dort die Kriminalpolizei, und auch der Vatikan schickt spätestens im Herbst den Erzabt der Benedikter aus Rom zur Kontrolle und Überprüfung des “Innenlebens” im dortigen Kloster und der dortigen Hochschule, die bekanntlich sehr konservative Theologie lehrt mit zunehmendem Erfolg bei jungen, konservativen  Studenten, auch dies ist Ausdruck für den Zustand der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum. LINK:

2.

Die katholische Webseite kath.de hat am 7.5.2025 einen Bericht über den Zisterzienser Mönch des Stiftes Heiligenkreuz bei Wien, Pater Edmund Waldstein, veröffentlicht: Die Universität Innsbruck lehnt die von Pater Waldstein gewünschte Habilitation an der Fakultät ab: Der Grund: Pater Waldstein sei tief im rechtsextremen Milieu verwurzelt. kath.de schreibt u.a.: „Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Innsbruck hat sich von dem Heiligenkreuzer Zisterzienserpater und Theologen Edmund Waldstein distanziert und ihm nahegelegt, auf die geplante Einreichung seiner Habilitationsarbeit zu verzichten. Das bestätigte der Dekan der Fakultät, Wilhelm Guggenberger, der österreichischen Presseagentur Kathpress. Als Begründung führte Guggenberger Medienberichte an, die Waldstein in die Nähe von rechtskonservativen und reaktionären Netzwerken gerückt hatten. Man habe sich bereits im vergangenen Jahr nach einem kritischen Bericht in der österreichischen Wochenzeitung “Falter” mit Waldstein zusammengesetzt. Nach einer “nur halbherzigen Distanzierung” von den Vorwürfen und weiteren Berichten auf dem Internetportal “Feinschwarz” und in der Wochenzeitung “Die Furche” sei nun das Maß voll gewesen.
Konkret soll es laut Kathpress um den Vorwurf gehen, Waldstein, der an der Hochschule Heiligenkreuz und an der Katholischen Hochschule ITI in Trumau lehrt, sei so etwas wie eine Gallionsfigur des “Neo-Integralismus” mit Verbindungen bis in die obersten Kreise der US-Politik um Vizepräsident J.D. Vance.

Über  Pater Waldstein: LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

„Das Reich Gottes ist säkular, weltlich“

Befreiung von der imperialen christlichen Religion, fordert der katholische Theologe Urs Eigenmann.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 16.6.2025

1.
Immer wieder und auch jetzt geht die öffentliche Debatte um Kaiser Konstantin und das von ihm inszenierte Konzil von Nizäa (325): Damals wurde die Kirche zu einer imperialen Macht, zur Staatskirche, zur Religionsgemeinschaft, die sich bis heute noch weithin glanzvoll als Klerus-Kirche entwickelt…
Diese Erkenntnis ist bekannt, sie wird nun radikal unterstützt und erweitert in einer Studie des Katholischen Theologen Urs Eigenmann „Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit…“ FUßNOTE 1. (Die Seitenangaben beziehen sich auf dieses Buch).

Urs Eigenmann, Jahrgang 1946, ist durch zahlreiche theologische Publikationen bekannt geworden, er war „Wort zum Sonntag“ Sprecher im Schweizer Fernsehen, hatte als katholischer Gemeinde-Pfarrer gearbeitet, hatte Lehraufträge für praktische Theologie usw. Es ist die Auseinandersetzung mit den lateinamerikanischen Befreiungstheologien, die ihb „radikalisiert“ hat.

2.
Der Schweizer Theologe Urs Eigenmann zeigt sich in seinem genannten Essay als ein radikaler Theologe: Die Jesus Bewegung der ersten zwei Jahrhunderte war eine „nicht-religiöse Reich-Gottes-Bewegung“ (154), in Eigenmanns Formulierung: Ein besonderer Humanismus, nämlich ein „pauperozentrischer Humanismus“, d.h. ein Humanismus, in dem die Entwicklung der Menschenwürde der Armen und Unterdrückten ganz im Mittelpunkt stand. Jesus von Nazareth ist also der Initiator dieser humanistischen Bewegung. Denn die alles entscheidenden humanen „Werte“ Jesu sind zusammengefasst im Ideal des Reiches Gottes, und das ist immer auch ein politisches Projekt: Friede, Gerechtigkeit, Respekt, Liebe. „Jesus bezeugte also das Reich Gottes als säkular-universale, egalitär-solidarische Vision gesellschaftlichen Zusammenlebens“ (143). Dieser Humanismus zugunsten der Armen „kann als himmlischer Kern des Irdischen bezeichnet werden.“ (150).
Inmitten des „Irdischen“ gibt es also etwas „Himmlisches“ (Göttliches), so dass die Behauptung Eigenmanns von einer „nicht religiösen Reich-Gottes-Bewegung“ (154) problematisch, wenn nicht widersprüchlich ist. Wie soll man auch explizit von Reich Gottes (Gottes!) sprechen, ohne dabei das Wort „religiös“ zu gebrauchen?

3.
Eigenmann geht noch weiter: Himmlisches soll seiner Meinung nach auf Erden gelten und dadurch das zusammenleben auf Erden „himmlisch“ machen. Dagegen wurden immer wieder Argumente vorgebracht: Hybris sei diese Vorstellung, unmenschlich deren Realisierung (etwa im Kommunismus). Urs Eigenmann hält dem ein Statement des Soziologen und Befreiungstheologen Franz Hinkelammers (1931-2023, gestorben in Costa Rica) entgegen: „Wer den Himmel auf Erden nicht will, der schafft die Hölle auf Erden. Wir leben die Hölle. Sie ist von denen geschaffen, die all diejenigen denunzieren, die aufgebrochen sind, den Himmel auf Erden zu schaffen“ (also das Reich Gottes und seine Werte umfassend politisch zu verwirklichen, CM). (145).

4.
Es gibt für Eigenmann seit 1.700 Jahren eine tiefgreifende Kirchenspaltung: Mit der Herrschaft Kaiser Konstantins hörte die Kirche auf, die biblischen Weisungen des Reiches Gottes als ihren entscheidenden Mittelpunkt zu verstehen und zu gestalten: So pauschal denkt Eigenmann. Nur einige radikale christliche Minderheiten hielten an der absoluten Geltung des Reich Gottes – Gedanken fest, etwa der frühe Franz von Assisi und seine Armutsbewegung, die Waldenser… Die Kirchengeschichte wird also weithin zur Geschichte der Ignoranz gegenüber den politischen Idealen des Reiches Gottes…
Letztlich ist für Eigenmann also nur das Christentum vor Kaiser Konstantin authentisch, authentisch im Sinne von „jesuanisch“ (215). Danach sei das Christentum, also die Kirche, so wörtlich, „verkehrt, imperial-kolonisierend“ geworden (ebd.). Seit 1.700 Jahren stehen sich also die vorherrschende imperiale Kirche und die Minderheit der „Reich-Gottes-Humanisten“ gegenüber. Gesiegt hat politisch wie religiös und kirchlich: das Imperium. Und heute hat das Imperium einen Namen: Kapitalismus. Und das Denken von Karl Marx könnte auch heute Impulse bieten, etwas näher dem Reich Gottes zu kommen, meint Eigenmann.

5.Kritische Hinweise zu Eigenmanns Thesen: 
Urs Eigenmann geht in seiner richtigen Hochschätzung des Reiches Gottes als der alles entscheidenden Botschaft und Praxis Jesu von Nazareth so weit zu betonen, „dass das biblische Reich Gottes selbst eine säkulare Größe ohne Elemente einer traditionellen Religion darstellt.“ (214). Eigenmann ist mit der lateinamerikanischen Befreiungstheologie sehr verbunden, aber jener Theologie der Befreiung, die nicht von der offiziellen Glaubenskongregation in Rom als moderat gelobt wird.
Aber: Auch die radikalen, an der Basis der Armen lebenden Befreiungstheologen feiern Gottesdienste, lesen die Bibel, beten, sie sind als Basisgemeinden also auch rituell geprägt und dadurch religiös: Das heißt: Ohne religiöse Elemente kommt offenbar auch die humanistische säkulare Reich – Gottes – Bewegung im Sinne Eigenmanns nicht aus.

6.
Kritisch zu sehen ist auch Eigenmanns Deutung des Prozesses und der Verurteilung Jesu: Für ihn sind ausschließlich die Vertreter des Römischen Imperiums in Israel damals verantwortlich für Jesu Hinrichtung. Dass führende jüdische Kreise Jesus von Nazareth verurteilten und ihn dann den römischen Behörden zur Hinrichtung übergaben, wird von Eigenmann verschwiegen. Diese Zusammenarbeit von jüdischer Elite (im Sanhedrin) und römischer Besetzung ist für historisch -kritisch arbeitende Bibelwissenschaftler evident und alles andere als Ausdruck von Antisemitismus. Nebenbei: Das so genannte Alte Testament enthält so unterschiedliche Bücher mit so widersprüchlichen, durchaus unangenehmen Aussagen (wie im Buch der Könige), dass man sich im Umgang mit „DEM“ biblischen Denken durch Eigenmann etwas mehr Differenzierung wünschen würde.

7.
Bedauerlich ist Eigenmanns radikale Ablehnung aller Philosophie im Christentum, sie wird für die Herrschaft des imperialen Denkens der Kirche verantwortlich gemacht. Dass die philosophisch gebildeten Theologen der ersten zwei Jahrhunderte (und danach) bemüht waren, den christlichen Glauben (also doch wohl auch den Glauben an das Reich Gottes) in die Kultur der Griechen (der „Heiden“) zu inkulturieren, also in deren Kultur zu verwurzeln, wird von Eigenmann bestritten: „Die Übernahme griechischer Philosophie durch die christliche Theologie als Inkulturation zu bezeichnen, ist irreführend. Es handelt sich vielmehr um DE- oder ENTkulturation biblischen Denkens durch den hegemonial gewordenen gewordenen kategorialen Rahmen griechischer Philosophie“ (174). Die griechische Philosophie habe also „das“ biblische Denken verfälscht: ABER: Es gab gar nicht, wie schon gesagt, damals wie heute „das“ biblische Denken! Es herrschte eine konkurrierende Vielfalt der theologischen jüdischen Schulen … auch zur Zeit Jesu.

8.
Und vor allem: Unter welchen Bedingungen hätte denn die Jesus – Gemeinde (nennen wir sie Christen, Kirche) bestehen können, wenn sie nur biblisch, d.j.jüdisch – auf welche Art von jüdisch auch immer- geblieben wäre? Die Inkulturation der Jesus Bewegung ins griechische Denken wie später auch ins germanische oder japanisch oder auch ins chinesische Denken usw… ist also eine Notwendigkeit gewesen fürs Überleben der Jesus-Gemeinde. Und das gelingt NICHT ohne vermittelnde philosophische, vernünftige Reflexion. Sie ist der Maßstab im theologischen Streit damals wie heute.

9.
Die Frage bleibt: Wie hätte eine richtige Inkulturation der Jesus Bewegung geschehen können? Die Ausbildung der Klerus – Hierarchie ist das Problem. Hätte die nun machtvolle Klerus – Hierarchie in einer Staatskirche auch trotz der Inkulturation in die griechische Lebenswelt und Philosophie vermieden werden können? Urs Eigenmann glaubt nicht daran. Und es fällt uns schwer, ihm da zu widersprechen. Und man möchte in dem Zusammenhang von einer gewissen Tragik sprechen: Die humane, die „säkulare“ Jesusbewegung ist als Kirchenorganisation kaum realisierbar. Denn die Macht der religiösen „Gewohnheit“ ist trotz aller Säkularisierung groß: Viele Menschen klammern sich an Religion als Verzauberung, als Weg ins Außerirdische, als Glauben an Wunder, als Verzücktsein in der barocken Welt voller Weihrauchwolken oder als „mystischer“ Heilig – Abend – Gottesdienst… Soll man von dieser Religiosität die Menschen heilen, sie davon befreien? Soll man also in dem Sinne den Abschied von der Religion, diesen Kirchen fördern? Ist der säkulare Humanismus in seiner Nüchternheit und Rationalität ein Ersatz fürs klassisch Religiöse, auch traditionell Kirchliche? Darauf gibt Eigenmann keine Antwort.

10.
Aber vielleicht lebt die humane und säkulare Jesusbewegung im Sinne Eigenmanns heute gerade da, wo man sie eher nicht vermutet: In vielen humanen NGOs, „Ärzte ohne Grenzen“, “Amnesty International“, OXFAM usw… Und viele humane NGOs sind nebenbei gesagt auch kirchlichen Ursprungs, Brot für die Welt, Misereor: Sind diese Hilfswerke etwa „imperiale“ Hilfswerke im Sinne Eigenmanns? Vielleicht sollte eine neue Ekklesiologie (Kirchenlehre) in Zusammenhang mit diesen weltlichen Gruppen entstehen, ohne ihnen dabei etwas Religiöses oder Christliches „überzustülpen“…

FUßNOTE 1:
„Der himmlische Kern des Irdischen“, das Buch ist erschienen: Edition Exodus, Edition it-Kompass, 2025, der Beitrag Eigenmanns S. 117 bis 230.

COPYRIGHT: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Die Theologie Augustins überwinden.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 10.6.2025.

Wir haben mit der Wahl eines Augustiners (“Sohn des heiligen Augustinus”, Selbstbezeichnung Leo XIV.) zum Papst eher Schlimmes befürchtet: Dies ist die ständige Bezugnahme auf den heiligen Augustinus, er lebte im 4. und 5. Jahrhundert. Ein moderner Heiliger? Garantiert nicht. Lassen wir ihn ruhen.  Aber leider bestätigt sich diese unsere Prognose der Augustinus Zitiererei durch den Papst  fast ständig: Den Kandidaten für Priesteramt (“Seminaristen”) empfahl Leo XIV., sich an Sprüche Augustins  zu halten und vor allem den Zölibat hochzuschätzen. Mit etwas Anstrengung sei der Zölibat doch zu leben, sagte er den 20 -25 Jahre jungen Männern, darf man das theologisch und psychologisch naiv nennen? Natürlich. LINK:

Und auch die am 25. 6. versammelten Bischöfen ermahnte er, “Vorbild” zu sein. LINK

Immer wieder wird Augustin zitiert von Papst Leo XIV.: Der Journalist und Vatikan – Spezialist der angesehenen katholischen Tageszeitung LA CROIX (Paris), Mikael Corre,  schreibt am 14.6.2025 zusammenfassend über die Form der Argumente von Papst Leo XIV.: Er hielt einen Vortrag für Priester, Mikale Corre berichtet.: Leo XIV. beendet sein Statement für die Priester, indem er den heiligen Augustinus zitiert, wie er es in fast allen seinen Ansprachen tut: Papst Leo zitierte also Augustin: “Liebt diese Kirche, bleibt in dieser Kirche, seid diese Kirche. Liebt den Guten Hirten, den sehr schönen Gatten (sic), der keine Person täuscht und nur will, dass keine Person untergeht…” (Le 12 juin, Léon XIV terminait son adresse aux prêtres en citant saint Augustin (Sermons 138, 10), comme il le fait dans presque tous ses discours. « Aimez cette Église, restez dans cette Église, soyez cette Église. Aimez le bon Pasteur, l’Époux très beau, qui ne trompe personne et ne veut que personne ne périsse…”). LINK

Wie soll theologisch diese offenbar vom Papst geteilte Priesterspiritualität aus dem 4. Jahrhundert bewertet werden? In jedem Fall ist sie nicht auf der Höhe der Theologie von heute… Nach einer Abschaffung des sinnlosen Zölibatsgesetzes klingen seine Worte jedenfalls  nicht…Wir haben unsere Meinung schon früher mitgeteilt: Zu den “Progressivsten” zählen die dem Denken des heiligen Augustin verpflichteten Theologen, also auch die Augustiner, bekanntermaßen nicht. Wegweisende moderne Theologen gehören eher anderen Orden an. Ob auch der Augustiner Papst Leo XIV. zu den eher behutsamen, durchaus das übliche Katholische unbedingt bewahrenden, auf Ausgleich und “Einheit” bedachten Augustinern gehört, ist wahrscheinlich…

Nebenbei: Kann ein Papst dieser Kirche überhaupt progressiv sein? Erst dann, wenn er selbst das Papsttum abschafft. Das könnte zumal ein Papst, dessen Mitbruder im Augustinerorden Martin Luther ist! Aber von Martin Luther hat Leo XIV. bisher nicht einmal gesprochen…

Ein Vorwort zu unserem Hinweis, einer “Provokation”: 
Heute sollten sich Christen und TheologInnen mit der Theologie des Augustinus befassen, um die Grenzen und Begrenztheiten des Theologen Augustin zu erkennen und sich auch von den Verirrungen seiner Theologie zu befreien. Augustinus mag ja einige allgemeine humane Weisheiten etwa in seinen „Confessiones“ geschrieben und etwa über die Zeit treffend philosophiert haben: Aber einzelne populäre Weisheiten wie: „Unruhig ist unser Herz, bis ruht in dir o Gott“ (das heißt: „Ruhe gibt es auf Erden nicht, auch nicht durch die Philosophie, auch nicht durch den Glauben“) bestimmen nicht das Gesamtwerk.
Dabei sind wir uns der Allmacht der Theologie Augustins bis heute bewusst, etwa auch im offiziellen „Katechismus der Katholischen Kirche“ (Vatikanstadt 1993): Dort wird Augustinus in 88 Paragraphen zitiert, häufiger als Thomas von Aquin… Nebenbei: Aus dem 20.Jahrhundert wird niemand zitiert, aus dem 19. Jahrhundert nur der Pfarrer von Ars, der zwar heiliggesprochen wurde, aber theologisch völlig ungebildet war, betonen Historiker. Der Pfarrer von Ars, Johannes Vianney, wird im Katechismus zitiert: „Der Priester setzt auf Erden das Erlösungswerk fort“…, § 1589.

Zu Augustins Aussagen über “die Frauen” siehe FUßNOTE 2.

 

Unsere Thesen:

1.
Augustinus und seine Theologie wird zweifellos im Mittelpunkt der theologischen Debatten und spirituellen Interessen der nächsten Monate und Jahre stehen: Auch eine „augustinische Bücherflut“ ist wahrscheinlich… Papst Leo XIV. ist Mitglied des Augustinerordens (OSA), er hat von Anfang an als Papst betont „Ich bin ein Sohn des heiligen Augustinus“, er spricht immer wieder in seinen Ansprachen von einigen allgemeinen Aspekten der Theologie Augustins. Und der Papst setzt sich sogar gelegentlich, im allgemeinen verbleibend, von ungewöhnlichen theologischen Aussagen Augustins ab (Fußnote 1).

2.
Es ist also Zeit, etwas näher das theologische Profil von Augustinus außerhalb von wohlwollenden Zitaten kritisch zu betrachten. Angesichts des nur riesig zu nennenden Umfangs der Schriften des Augustinus können hier selbstverständlich nur einige „Grundlinien“ seines Werkes kritisch erwähnt werden, eines Denkens, das durchaus Entwicklungen vorweist, und diese Entwicklung führt weg von großer Offenheit in jungen Jahren hin zur Strenge und Militanz im Alter als Bischof.

3.
Kurt Flasch, Philosophiehistoriker und Philosoph, Spezialist für mittelalterliches Denken, ist ein international geschätzter Kenner der Werke des Augustinus. Kurt Flaschs Studien sind deswegen wichtig, weil sie nicht kirchengebunden sind, die bekanntlich oft der „enormen Größe und Bedeutung des heiligen Augustinus“ erliegen und nur nebenbei die Grenzen seines Denkens freilegen.

4.
Kurt Flasch bietet in einigen Kapiteln seines Buch „Warum ich kein Christ bin“ aus dem Jahr 2013 ( C.H.Beck Verlag) zentrale Erkenntnisse zu wichtigen theologischen Aussagen Augustins: Die Seitenzahlen in den Zitaten hier beziehen sich auf dieses Buch. Auf die große Augustinus – Studie Kurt Flaschs „Augustin. Einführung in sein Denken“, 487 Seiten (Reclam Verlag, 1980) kommen wir später zurück, um die eher knappen Ausführungen Flaschs von 2013 zu bestätigen.

5. Zum Umgang mit der Bibel:
Augustin will in seinem Buch „De consensu evangelistorum“ („Über den Konsens der Evangelisten“) eine Harmonie der Aussagen der vier Evangelisten herausstellen. „Augustin sah die Autorität der Glaubenszeugen bedroht, wenn sie nicht mit EINER Zunge sprachen. Seine Argumentation illustriert als ihr Gegenteil die historisch – kritische Methode der Bibelauslegung.“ (S. 53). „An einer kulturell – historischen Einordnung des Bibeltextes hatte er kein Interesse.“ (Ebd.). „Augustinus konnte kein Hebräisch und kaum Griechisch verstehen“ (ebd.), er glaubte mit den Übersetzungen der Bibel ins Lateinische die Bibel kompetent auslegen zu können…

6.
Augustin war als neu-platonischer Philosoph an rationalen Begründungen des Glaubens interessiert. Aber als Begründungen, sich auf den Glauben einzulassen, waren ihm dann doch äußerliche Fakten wichtig: Etwa: Die Missionserfolge der Kirche wurden gerühmt, auch die Wunder Jesu seien ein Grund zu glauben; und die regelmäßige Abfolge der Bischöfe seit Petrus sei hoch zu respektieren. Und vor allem: „Allein seine, Augustins Kirche sei die katholische, denn selbst Häretiker nennen sie so“ (S. 64).

7.
Platon spielte in der geistigen Entwicklung Augustins eine entscheidende Rolle. Augustin lehrte: „Der Glaube an die zeitliche Offenbarung (in Jesus) ermögliche die rein geistige Einsicht. Diese bestehe in der platonisierenden Erkenntnis Gottes als dem einzig beständigen Glück der Seele“ (S. 92f.)
Wesentliches der Philosophie Platons stimme mit dem christlichen Glauben überein, meinte Augustin. Das können Christen aber erst erkennen, wenn sie von der Gnade Gottes angeleitet werden.
„Wenn die großen griechischen Philosophen noch lebten, würden sie Christen sein. Sie bräuchten an ihren Lehren nur wenige Worte zu ändern“, so fasst Kurt Flasch Augustins Überzeugung zusammen (S. 93).
Augustin übernahm also den „platonisch-universalen Theismus“ (S. 93). Platons Begriff von Gott als dem „höchsten Gut“ setzte sich dann in der Kirche durch, ebenso die platonische Überzeugung, „sinnliches Vergnügen sei der Bestimmung der Seele fürs Jenseits unterzuordnen. (S. 94). „Augustins Neu – Platonismus konzentrierte sich darauf, die Seele durch asketisches Leben zum jenseitigen Dauerglück beim rein geistigen Gott zu führen.“ (S. 94).

8.
Die radikale Lehre von der Gnade, die Gott gewährt, ist seit 396/397 für Augustin entscheidend: „Für ihn endeten nicht mehr nur alle Ungetauften im ewigen Höllenfeuer, sondern auch die Mehrheit der Christen“ (S. 87).

9.
Auf die verheerende Erbsündenlehre Augustins, haben wir schon oft hingewiesen. LINK. Mit seiner Erbsündenlehre hat Augustin das christliche Denken vergiftet und Sexualität letztlich als „Übertragungsweg“ der Erbsünde deklariert.
Kurt Flasch schreibt: „Augustinus machte aus dem Apfelbiss, den der Jesus der Evangelien nie erwähnt hatte, den Sündenfall der gesamten Menschheit und den Beginn der Teufelsherrschaft auf Erden“ (S. 196). „Augustin dachte die Erbsünde als die durch geschlechtliche Vermehrung übertragene Fortdauer der Ursünde im Paradies. Augustin ERFAND die Erbsünde, die in der Theologie vor ihm nur ein Erbschaden war, nun als wahre Schuld, als wirkliche Sünde, die auch den Neugeborenen anhafte…“ (S. 197).
Die Konsequenz: „Im Denken Augustins kommen selbst alle Getauften nicht mehr in den Himmel.“ (S. 197) Erlösung heißt dann: Der von den Sünden der Menschen erzürnte Gott (Vater) „kann allein besänftigt werden durch die Tötung seines eigenen Sohnes, des Gottesohnes, am Kreuz“ (S. 198.) Diese abstoßende Vorstellung von einem Gott, der seinen Sohn in den Tod schickt als Erlösung der Menschen wird heute noch theologisch gelehrt, hat sich aber heute de facto wohl erledigt: Gebildete Christen glauben das einfach nicht mehr…
Aber Augustinus sagt: „Wenn Gott wollte, würden alle gerettet. Aber Gott will es nicht seit Adams Sünde; er rettet aus der Masse der Sünder nur, wen er retten will. Also geht die überwiegende Mehrheit für immer verloren“ (S. 208). An dieser Stelle muss an das Fortleben dieser theologischen Ideologie etwa im Denken des Reformators Calvins erinnert werden…

10.
Kritische Hinweise zu einigen zentralen theologischen Aussagen Augustins bietet keineswegs nur Kurt Flasch. Man muss nur die ausführliche Biographie des Historikers Peter Brown (Oxford) „Augustinus von Hippo“ lesen (auf Deutsch erschienen 1982): Auch Peter Brown beschreibt den schwierigen Charakter Augustins, seine Strenge als Bischof im Kampf gegen die große Glaubensgemeinschaft der Donatisten, seinen leidenschaftlichen, polemischen Kampf gegen Andersdenkende insgesamt. Sein Kampf galt auch kompetentem gebildeten Bischöfen wie Julian von Eclanum: Er lehnte die Erbsündenlehre Augustins ab und wurde von ihm verfolgt… Die Erbsündenlehre Augustins, die Julian von Eclanum zurecht ablehnt, beschreibt Peter Browns: „Da der Geschlechtstrieb für Augustin eine permanente Strafe war, wurde er als permanente Neigung, als triebhafte Spannung dargestellt, der man widerstehen konnte, die jedoch in Tätigkeit blieb, selbst wenn sie unterdrückt wurde“ (S. 340). Und weiter: „Der Gott des Augustinus war ein Gott, der eine Kollektivstrafe für die Sünde eines Mannes (Adam) verhängt hatte“. Die Lehre des 1. Timotheus Briefes im Neuen Testament: „Gott will, dass ALLE Menschen gerettet werden“ (1 Tim. 2,4) bemühte sich „Augustin wegzuerklären… (S. 351), also beiseite zu lassen, zu ignorieren. Und angesichts der theologischen Lehren des „liberalen“, auf die Kraft der menschlichen Freiheit setzenden Theologen Pelagius wollte er seine katholische Gemeinde wie in eine Festung einsperren, um sie vor den Angriffen des Irrlehrers zu schützen.“(S. 352). Über Pelagius contra August hat Kurt Flasch in seiner Studie „Augustin. Einführung in sein Denken“ ausführlich geschrieben (S. 176 ff.): “Als der Bischof von Rom, Zosimus, den Theologen Pelagius rehabilitierte, intrigierte Augustin solange beim kaiserlichen Hof in Ravenna, bis der Kaiser intervenierte…“ Deswegen wurde Pelagius aus Rom verbannt…“ (S. 178) und seine Anhänger auf Betreiben Augustins verfolgt. Augustin gelang es mit Bestechungen die Pelagius – Freunde einzuschränken, „gegen die verbleibenden Anhänger des Pelagius mobilisierte Augustin die Staatsgewalt“ (S. 179).

11.
Man mag auch im Buch von Peter Brown einzelne Zitate und Sentenzen finden, die einen sympathischen Augustinus zeigen: Aber im ganzen war er als Bischof ein sehr polemischer Theologe in den aufgewühlten Zeiten des 4. und 5. Jahrhunderts. Und es mag ja sein, dass seine Weisungen, also seine „Regel“ zum Zusammenleben der Priester (die so genannte Ordensregel) nach wie vor allgemein gehaltene, durchaus noch inspirierende Vorschläge enthalten, aber was bleibt denn sonst noch?
Nebenbei: Dass Augustinus von seiner Herkunft her ein Afrikaner ist, wird meines Wissens oft übersehen oder vergessen. Vielleicht wäre dieser „afrikanische Augustinus“ nicht nur eine Herausforderung für die Augustinerorden (es gibt ja mehrere), etwa indem sie ihre Klöster in Europa für Flüchtlinge aus Afrika öffnen und – wie die Jesuiten – einen „Flüchtlingsdienst“ einrichten…

12.
Henri Marrou, ein „klassischer“ Augustinus- Kenner und durchaus Augustinus – Freund, schreibt über die enorme Bedeutung Augustins in den Kirchen im 17. Jahrhundert: „Er erfüllt das ganze Jahrhundert, alle zitieren, benutzen und kommentieren ihn… es wird schließlich eine Besessenheit daraus: Man wagt nicht mehr, Vorbehalt und Kritik zu äußern, der heilige Augustinus hat immer und überall recht.“ (in Rowohlts Monographie „Augustinus“ von Henri Marrou, 1984, S. 147).

13.
Hinweise von Kurt Flasch aus einem Buch „Augustin. Einführung in sein Denken“, Reclam, 1980:
Im 17. Kapitel seiner Studie spricht Flasch vom „Zwiespalt Augustins“ (S. 403 ff.). Augustin sieht „das Böse gerade bei den `guten` Taten (S. 404). „Er bestand darauf, das Höllenfeuer sei körperliches Feuer“ (S. 419). „Solche Sätze gaben dem Kirchenglauben der westlichen Christenheit eine Buchstäblichkeit und Enge, die ihn mit der (philosophischen) Aufklärung in Konflikt brachte (S. 419). Und auch dies: „Die Gewohnheiten der Gruppe (bestimmter Christen) sollte das Sprechen einzelner normieren. Vielleicht hat Augustin an keiner anderen Stelle seinen Bruch mit dem antiken Ideal freier Rede härter und folgenreicher ausgesprochen als an dieser Stelle“ ( S. 420). „Der Militärdienst wurde bei ihm unbedenklich. Augustin konnte christliches Leben und Militärdienst erbaulich in Parallele setzen“(S. 422).

14.
Papst Leo XIV. beschwört als Augustiner seit Beginn seiner Regierung ständig den Wert der EINHEIT unter den Gläubigen. Der Papst meint, Einheit sei DIE zentrale Forderung Augustins für die Kirche auch heute. Wer sich allerdings genauer anschaut, wie im einzelnen Augustin als Bischof für die Einheit unter den vielfältigen Christen in Nordafrika damals sorgte (von der großen kirchlichen Bewegung der Donatisten war schon die Rede) und seiner katholischen Kirche auch mit Druck und Zwang zum Sieg verhalf, der hat seine Zweifel an der Relevanz der augustinischen Einheits-Idee. Sie passt angesichts der Pluralität der Kulturen und Theologien nicht mehr in unsere Zeit.

15.
Die Idee einer theologischen Einheit unter den eineinhalb Milliarden Katholiken heute ist ohnehin sehr problematisch. Denn die Vielfalt der Glaubensüberzeugungen und moralischen Vorstellungen ist unter den 1,5 Milliarden Katholiken heute so unterschiedlich, dass von einer Einheit keine Rede sein kann, Einheit im Sinne von: “Wir Katholiken glauben alle das Gleiche und haben die gleichen theologischen Prinzipien etwa zur Rolle der Frauen oder der Homosexuellen in der Kirche“ . Und eine solche Einheit „Alle glauben das Gleiche und sprechen in gleichen Formeln vom Glauben“ ist nicht nur faktisch unmöglich, sondern auch theologisch nicht wünschenswert und angesichts der Vielfalt der Kulturen auch sinnlos.

16.
Über die Bedeutung der Einheitsvorstellung beim Augustiner Papst Leo XIV. wird in Zukunft noch viel debattiert und kritisiert werden, hoffentlich.

Fußnote 1:
Es ist aber beachtlich, dass der Augustinus – begeisterte Papst Leo XIV. schon am 18.Mai 2025 in seiner ersten großen, wichtigen Predigt zur Amtseinführung betonte: “Es geht niemals darum, andere durch Zwang, religiöse Propaganda oder Machtmittel zu vereinnahmen, sondern immer und ausschließlich darum, so zu lieben, wie Jesus es getan hat.“ Und der Augustiner Papst Leo XIV. machte diese Aussage noch deutlicher: „Wir sind gerufen, allen Menschen die Liebe Gottes zu bringen, damit jene Einheit Wirklichkeit wird, die die Unterschiede nicht aufhebt, sondern die persönliche Geschichte jedes Einzelnen und die soziale und religiöse Kultur jedes Volkes zur Geltung bringt.“ Das sind hoffentlich programmatische, man möchte beinahe sagen: anti – augustinische Worte. LINK https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-05/wortlaut-predigt-von-leo-xiv-zur-amtseinfuhrung.html
Der Augustiner Papst Leo XIV. widerspricht der höchst problematischen Weisung des Bischofs Augustinus, man solle die unwilligen Menschen auch zwingen, den Glauben anzunehmen… Augustinus bezieht sich dabei auf das Gleichnis Jesu vom großen Gastmahl (Lukas14,23). Dieses Wort Jesu ist eine Einladung fremder Gäste zu einem Festmahl, es hat aber nichts mit zwanghafter Einfügung von Ketzern in die katholische Kirche zu tun, wie Augustinus dieses Jesuswort umdeutete. Augustinus versteht es als „Aufforderung zur Gewaltanwendung und er verwendet es neben anderen Argumenten als Beleg zur Billigung von Gewaltmaßnahmen gegen Häretiker. Das von Augustinus als dem erstem, doch nicht häufig verwendete Zitat hatte für die Ketzerbekämpfung in Mittelalter und Neuzeit verheerende Wirkung.“ LINK:

Fußnote 2:

Augustins Aussagen über Frauen:

“Ist Augustin auf eine gleichrangige Bewertung beider Geschlechter bedacht, so ändert sich das Bild bei der Frage nach dem Zweck der Erschaffung eines weiblichen Partners für Adam und den daraus folgenden spezifischen Aufgaben der Frau. Augustin: „Erschaffen wurde die Frau also für den Mann, aus dem Mann, mit ihrem Geschlecht, ihrer Formung und der Verschiedenheit ihrer Organe, die das Kennzeichen der Frau sind.“ Die Hilfsfunktion der Frau erfüllt sich ausschließlich in ihrer Rolle als Mutter. Die Frage nach möglichen Alternativen für die Rolle der Frau stellt Augustin sichtlich vor ein Rätsel: „Wenn die Frau nicht dem Manne zur Hilfeleistung, um Kinder hervorzubringen, gemacht worden ist, zu welcher Hilfe ist sie dann gemacht worden?“ Der Gedanke, Mann und Frau könnten durch freundschaftliche Beziehungen miteinander verbunden sein, erscheint Augustin als abwegig, schließlich birgt der Umgang mit Frauen stets die Gefahr der Erotisierung in sich, welche die Reinheit des freundschaftlichen Umgangs trüben könnte. Zudem implizierte der antike Freundschaftsgedanke die Freundschaft unter Gleichen, die allein die notwendige Einheit und Verbundenheit zu erbringen vermag.

Ihre anthropologische Bestimmung als Gehilfin des Mannes verpflichtet die Frau in der ehelichen Beziehung zu spezifischen Pflichten und Wesenszügen. Augustin entwirft das Sittenbild einer christlichen Ehefrau mit den wesentlichen Tugenden des Gehorsams und der Sittsamkeit im Rahmen ihrer Aufgabe als treusorgende Mutter der aus der Ehe entsprungenen Kinder.

Augustin beschränkt die Möglichkeiten weiblicher Selbstverwirklichung wie seine christlichen Zeitgenossen auf die Ehe, die Witwenschaft und die Jungfräulichkeit, wobei er stets die Superiorität der Jungfräulichkeit hervorhebt. Paradebeispiel für die Vollendung des „züchtig-frommen Frauentypus“ ist Maria, da sie sowohl das Ideal der Jungfräulichkeit als auch das der Ehefrau und Mutter in Reinform repräsentiert. An ihr wird auch die androzentrische Perspektive des frühchristlichen Frauenbildes deutlich, denn Maria erscheint nie als eigenständige Persönlichkeit, sondern stets nur in ihrer Beziehung zu einem männlichen Partner: Sie ist die jungfräuliche Mutter, die Braut Christi und die folgsame Gattin Josefs, und ihre Aufgaben beschränken sich auf ihre dienende mütterliche Funktion.

Sexuelle Enthaltsamkeit ist für Augustin aber nur dann von moralischer Bedeutung, wenn sie in dem höheren sittlichen Zweck der exklusiven Bindung an Gott und der Abwendung von allem Weltlichen gründet. Selbst eine mehrfach verheiratete christliche Frau ist für Augustin besser als eine jungfräuliche Häretikerin, da die spirituelle Virginität auch ohne die des Körpers realisierbar ist und umgekehrt.

Allerdings gibt der Autor Kiesel zu bedenken, dass Augustins Frauenbild auf dem Boden einer asketisch geprägten eschatologischen Naherwartung entstanden ist und demzufolge alle irdischen Beziehungen unter dem Aspekt der Vorläufigkeit und Zweitrangigkeit zu betrachten sind.”

Quelle: https://www.information-philosophie.de/augustinus-frauenbild.html.

SIEHE AUCH UNSEREN BEITRAG “AUGUSTIN EIN RIGIDER THEOLOGE der spätantiken Welt. veröffentlicht am 26.5.2025: LINK 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

Die kirchliche Lust am Alten und Veralteten: Über die Bindungen an das Konzil von Nizäa vor 1.700 Jahren.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 2.6.2025.

1.
Es ist wohl ein Ausdruck der geistigen Ermüdung und des Verlustes des Gefühls für das heute wirkliche Wichtige, dass nun immer noch und immer wieder über das Konzil von Nizäa vor 1.700 Jahren in der katholischen und den orthodoxen Kirchen nicht nur diskutiert wird. Es herrscht das krampfhafte Bemühen vor, unter katholischen Theologen etwa, dieses Konzil und vor allem sein Glaubensbekenntnis als relevant und hilfreich zu propagieren.
Und wie schon zu Zeiten von Papst Franziskus: Es geht in der interessierten Öffentlichkeit um die Frage, ob denn nun der neue Papst Leo XIV. an den Feierlichkeiten anläßlich des Jubeljahres des Konzils von Nizäa in der Türkei teilnehmen wird. Dies ist wohl wahrscheinlich, wenn man weiß, wie wichtig den Päpsten die Verbundenheit mit den orthodoxen Patriarchen ingesamt ist. Dass diese meist von einer extrem konservativ – theologischen Haltung bestimmt sind, wird dabei geflissentlich übersehen und verschwiegen, weil eigentlich willkommen. In Kreisen, die an uralten Glaubensformeln festhalten, fühlen sich halt Päpste und Prälaten wohl.

2.
Wir haben in früheren Hinweisen zum Thema „NIZÄA“ schon etwas ausführlicher erinnert: LINK:

Zur Erinnerung: Dieses Konzil wurde von einem Kaiser, Konstantin, einberufen. Der Kaiser hat also nicht nur in kirchliche Belange eingegriffen, er hat sie bestimmt. Damit in seinem großen Reich ideologische, d.h.religiöse Einheit herrscht mittels eines Glaubensbekenntnisses, dass der neuplatonischen Philosophie mehr verpflichtet ist als den Erzählungen des Neuen Testaments. Der theologisch – ideologische „Hammer“ ist: Durch das Konzil werden die Christen förmlich gezwungen, wenn sie denn „rechtgläubig“ sein wollen, zu sagen: Dieser Jesus von Nazareth ist wesensgleich mit Gott, Jesus ist also selbst Gott. Bei diesem neuplatonischen Bekenntnis wird die Verbundenheit dieses Jesus als des Christus mit dem Judentum völlig verschwiegen.
Das Konzil von Nizäa besiegelt also den ideologisch – theologischen Buch mit dem Judentum.

3.
Wir sind erstaunt, dass der viel gerühmte katholische Theologe Prof. Michael Seewald (Uni Münster) sich heftig einsetzt für dieses in vielerlei Hinsicht hoch problematische Glaubensbekenntnis von Nizäa, verbunden mit dem Bekenntnis des Konzils in Konstantinopel (381). Auf die Frage von Radio Vatican am 24.5.2025: Was kann man sich denn erwarten von den 1700-Jahr-Feiern des Konzils von Nizäa? antwortet Professor Michael Seewald. „Dass wir wenigstens das Credo wieder auswendig können…“

Wir meinen: Wir schlagen dringend vor, dass dieses Bekenntnis, weil unverständlich, weil antijüdisch, beiseite gelegt wird! Und dass neue Glaubensbekenntnisse (Plural!), von verschiedenen Christen verschiedener Kulturen formuliert werden, Bekenntnisse, die heutige Menschen ohne die Verwendung theologischer Lexika (wie im Falle von „Nizäa) verstehen können.

Aber zu solchen Aussagen, zweifellos radikal, aber gerade deswegen heilsam und hilfreich, haben die Herren Theologieprofessor keinen Mut, von Päpsten und Patriarchen kann man solchen Mut ohnehin nicht erwarten, sie lieben ja die erstarrten Dogmen und uralten Floskeln als Ausdruck für die irgendeine Kontinuität der Kirche und die Unaufgebbarkeit der Dogmen insgesamt.

4.
Eine Ausnahme sind für uns die vorsichtigen, diplomatisch aber klugen Aussagen des katholischen Theologen Prof. Magnus Striet (Freiburg), er sagt in einem Interview mit der katholischen Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ (22/2025) endlich einmal realistisch: „Vermutlich gibt es einen nicht geringen Teil praktizierender Christinnen und Christen, die das Credo (des Konzils von Nizäa) vor allem aus ritueller Gewohnheit sprechen.“ Und das schwierige Thema „Erlösung durch Jesus Christus“ formuliert Magnus Striet durchaus mutig, man möchte sagen gut „liberal-theologisch“: „Als erlösende, d.h. soteriologische Grundbotschaft leite ich die Ermutigung Gottes an uns ab: Lebe dein Leben, für den Rest sorge ich. Du musst mit den Brüchen deines Lebens umgehen, ja, aber sie werden nicht das letzte Wort über dich haben. Genauso wenig, wie der Tod das letzte Wort über dich haben wird.“ Dies könnte so etwas wie eine Basis eines modernen Glaubensbekenntnisses werden. Dass es auch andere, etwas ausführlichere bereits gibt, darauf haben wir hingewiesen: Etwa das Glaubensbekenntnis der theologisch-liberalen, humanistischen protestantischen Kirche der Remonstranten: LINK.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

Wer stoppt das Aushungern der Palästinenser im Gaza – Streifen?

Wenn faschistische Ideologie zur Realität der Regierung Israels wird.

Die 25. unserer „unerhörten Fragen“,  von Christian Modehn am 26.5.2025

Der Hintergrund: Das Wort „aushungern“ gehört wie „ausmerzen“ und „ausrotten“ zur Sprache der Nazi – Verbrecher.

Vor allem der rechtsextreme Finanz – Minister Israels Bezalel Smotrich hat das faschistisch zu nennende Projekt „aushungern“ (store) für die Palästinenser in die Öffentlichkeit gebracht und durchgesetzt. Sogar der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, kritisiert jetzt öffentlich dieses Programm des Rechtsextremen Belazel Smotrich.

Der Eindruck einiger Menschen in Deutschland:
Die verhungernden Menschen im Gaza-Streifen, ihr Betteln um ein paar Reste Nahrung, ihr Leiden im einzigen verblieben, aber auch schon von Isarelis ruinierten Krankenhaus… Das erinnert deutlich an Bilder in den KZs der Nazis. Die Bilder vom Damals der KZs und vom Heute in Gaza erleben Menschen auch in Deutschland sozusagen als eine Art Überblendung, wenn nicht als Einheit.

Zur Erinnerung: Die Gründer des Staates Israel wollten diesen Staat als einen explizit jüdischen (und demokratischen) Staat. Das heißt: Verpflichtet auch den humanen Weisungen der hebräischen Bibel, vor allem der Propheten. Wie wenig gilt jetzt noch dieser Geist, diese “Spiritualität”? Die Rache Israels – wegen der Verbrechen der Hamas am 7. Oktober 2023 – wird ins absolut Maßloseste übertrieben. Dieser verrückte Spruch der Bibel: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ meint: Wenn man sich rächt, dann nur in GLEICHER HÖHE des Schadens, den der Täter angerichtet hat. Es ist bei diesem Denken gar nicht zynisch, seit dem 7.10.2023 die Zahl der Toten in Israel und die Zahl der Toten im Gaza-Streifen zu zählen und die Zahl der zerstörten Häuser und Hochhäuser in Israel und die Zahl der zerstörten Häuser und Hütten im Gaza-Streifen zu nennen…

Wann kommt es zum Aufstand der Demokraten in Israel gegen diese ihre faschistische Regierung? Ist die in Europa so viel gelobte „Demokratie“ Israels schon zerstört?
Europäer wissen aber nun klar zu unterscheiden: Anti-Israelismus (bei dieser Regierung dort !) hat überhaupt nichts zu tun mit Antisemitismus.
Der erste Schritt Europas zur Rettung der Verhungernden im Gaza-Streifen ist: Keine Waffen mehr für Israel … bei diesen faschistischen Politikern.

Die viel besprochene und durchaus wichtige „Jüdisch – christliche Zusammenarbeit“ (“Woche der Brüderlichkeit”!) müßte unter den aktuellen Bedingungen ab jetzt neu definiert werden. Und bei dieser (!) Regierung in Israel auch das  „Anti-israelische” (gemeint ist diese Regierung) einbeziehen.

Es gibt bekanntlich viele Juden weltweit, die gegen diese eher faschistisch zu nennende Regierung in Israel protestieren. Sie haben sich bis jetzt leider nicht durchgesetzt…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Der Gott des Marktes hat gesiegt. Von Pepe Mujica, Uruguay.

Pepe Mujica, ehem. Staatspräsident Uruguays, über die Krise der Menschheit im Kapitalismus. Dieser grundlegende Beitrag wurde im November 2013 im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon von Christian Modehn publiziert.

Vorwort: José Mujica war Staatspräsident Uruguays von 2010-2015. Er wurde zurecht immer wieder der ärmste Staatspräsident der Welt genannt, da er 90 % seines Einkommens sozialen Projekten spendet. Pepe Mujica wurde 1935 in Montevideo geboren, am 13. Mai 2025 ist er dort gestorben. Siehe den wichtigen Beitrag der TAZ anläßlich des Todes von Pepe. LINK:

Pepe Mujica hielt auf der 68. Vollversammlung der Vereinten Nationen im September 2013 diese nach wie vor bemerkenswerte Rede.
“Wir haben unsere alten, spirituellen Götter geopfert und den Tempel dem Gott des Marktes überlassen. Nun organisiert dieser Gott uns Wirtschaft und Politik, Leben und Alltagsgewohnheiten. In Raten und per Kreditkarte finanziert er uns den Anschein von Glückseligkeit. Konsum scheint der Sinn des Lebens zu sein, und können wir nicht konsumieren, sind wir frustriert, fühlen uns arm und ausgeschlossen. Wir verbrauchen und hinterlassen Abfall in solchen Mengen, dass die Wissenschaft meint, wir bräuchten drei Planeten, wenn die gesamte Menschheit leben wollte wie ein Mittelschichts-US Amerikaner.

Unsere Zivilisation basiert also auf einer verlogenen Versprechung. Der Markt stilisiert unseren heutigen Lebensstil zur allgemein gültigen Kultur, obwohl es niemals für ALLE möglich sein wird, diesen angeblichen „Sinn des Lebens“ zu finden. Wir versprechen ein Leben der Verschwendung und Freigiebigkeit und stellen es zukünftigen Generationen und der Natur in Rechnung. Unsere Zivilisation richtet sich gegen alles Natürliche, Einfache und Schnörkellose. Aber das Schlimmste ist, dass uns die Freiheit beschnitten wird, Zeit zu haben für zwischenmenschliche Beziehungen, für Liebe, Freundschaft und Familie; Zeit für Abenteuer und Solidarität, Zeit, um die Natur zu erforschen und zu genießen, ohne dafür Eintritt zu zahlen. Wir vernichten die lebendigen Wälder und pflanzen anonyme Wälder aus Zement; Abenteuerlust begegnen wir mit gepflegten Wanderwegen, Schlaflosigkeit mit Tabletten, Einsamkeit mit Elektronik …

Können wir überhaupt glücklich sein, wenn wir uns dem zutiefst Menschlichen entfremdet haben? Wie benommen fliehen wir vor unserer eigenen Natur, die das Leben selbst als letzten Grund für das Leben definiert und ersetzen sie durch, nur dem Markt dienliche, Konsumorientierung. Und die Politik, ewige Mutter des menschlichen Schicksals, hat sich längst der Wirtschaft und dem Markt unterworfen.
Nach und nach ist Selbsterhalt zum Ziel von Politik geworden, weshalb sie auch die Macht abgab und sich einzig und allein mit dem Kampf um Regierungsmehrheiten beschäftigt. Kopflos marschiert die Menschheit durch die Geschichte, alles und jedes kaufend und verkaufend, Mittel und Wege findend, selbst das Unverkäufliche zu vermarkten. Es werden Marketingstrategien für Friedhöfe und Beerdigungsunternehmen, ja selbst für das Erlebnis Schwangerschaft erdacht. Vermarktet wird von Vätern über Müttern, Großeltern, Tanten und Onkeln bis hin zur Sekretärin, Autos und Ferien, alles.

Alles, alles ist Geschäft. Marketingkampagnen fallen sogar über unsere Kinder und ihre Seelen her, um über sie Einfluss auf die Erwachsenen nehmen zu können und sich ein zukünftiges Terrain abzustecken.
Der Mensch unserer Tage taumelt zwischen Finanzierungsverhandlungen und routinierter Langeweile wohl klimatisierter Großraumbüros hin und her. Ständig und immer träumt er von Urlaub, Freiheit und Vertragsabschlüssen, bis eines Tages sein Herz zu schlagen aufhört und „Tschüss!“… Sofort wird es einen anderen Soldaten geben, der das Maul des Marktes füllt und die Gewinnmaximierung sicherstellt.
Die Ursache für die heutige Krise liegt in der Unfähigkeit der Politik begründet. Die Politik hat nicht begriffen, dass die Menschheit das Nationalgefühl noch nicht überwunden hat und sich nur schwer davon lösen kann, denn es ist tief verankert in unseren Genen.

Dennoch ist es heute notwendiger denn je, den Nationalismus zu bekämpfen, um eine Welt ohne Grenzen zu schaffen.
Die größte Herausforderung heute ist, das Ganze im Blick zu haben. Doch die globalisierte Wirtschaft wird nur von Privatinteressen einiger weniger gesteuert, und jeder Nationalstaat hat nur seine eigene Stabilität im Blick. Als wäre das nicht schon genug, werden die produktiven Kräfte des Kapitalismus auch noch gefangen in den Tresoren der Banken, die letztendlich der Auswuchs der Weltmacht sind.
Veränderungen sind dringend notwendig, setzen aber voraus, dass das Leben und nicht die Gewinnmaximierung kursbestimmend wird. Ich bin allerdings nicht so naiv zu glauben, dass Veränderungen leicht zu erreichen wären. Uns stehen noch viele unnötige Opfer bevor. Die Welt von heute ist nicht in der Lage, die Globalisierung zu regulieren, weil die Politik zu schwach ist.

Eine Zeitlang werden wir uns an den mehr oder weniger regionalen Abkommen, die einen Freihandel vorgaukeln, beteiligen. Dann wird sich zeigen, dass sie in Wahrheit von notorischen Protektionisten erdacht wurden. Wir lassen uns trösten von wachsenden Industrie- und Dienstleistungszweigen, die sich der Rettung der Umwelt widmen. Gleichzeitig wird die skrupellose Gewinnsucht zum Wohlwollen des Finanzsystems weiter existieren. Weiterhin werden Kriege stattfinden, die Fanatismus schüren, bis endlich die Natur unserer Zivilisation Grenzen setzt. Vielleicht sind meine Vision und mein Menschenbild grausam, aber für mich ist der Mensch die einzige Kreatur, die in der Lage ist, gegen die Interessen der eigenen Spezies zu agieren.

Die ökologische Krise des Planeten ist die Konsequenz des überwältigenden Triumphs menschlichen Strebens. Die ökologische Krise wird dem menschlichen Streben aber auch ein Ende setzen, wenn die Politik unfähig ist, einen Epochenwechsel einzuläuten.“

Übersetzung: Anne Nibbenhagen (Christliche Initiative Romero)
Quelle: Magazin presente 4/2013 „Kaufst du noch oder denkst du schon? Konsumethik im Wandel“ der Christlichen Initiative Romero (CIR)

Über Pepe Mujicas Beziehung zum Glauben, zu Papst Franziskus: LINK:
….
Der Beitrag „ Pepe Mujica und der christliche Glaube“ (von Moriam Diez)  vom 18.Mai 2025: LINK.

Barcelona. Domingo, 18 de mayo de 2025. 05:30

“Dios no existe, pero ojalá me equivoque”. José (Pepe) Mujica, el ateo más conocido de Uruguay, ha muerto a los 88 años, solo pocas semanas después del papa Francisco, a quien admiraba a pesar de no comulgar con su manera de entender la vida.
En Uruguay, el país con menos personas creyentes de toda América, el expresidente era un referente moral que encarna los valores más radicales de la propuesta cristiana: la mayor parte del dinero que cobraba lo daba a caridad (el 90%), era el icono de la austeridad y vivía con total desprendimiento.
Uruguay es secularizado. En su país no existe Semana Santa (se llama la Semana del Turismo) ni Navidad (tiene el nombre de Día de la Familia). Para Mujica, creer no era una opción, se decía no creyente, pero si le preguntabas te decía que le gustaría tener fe, pero que no podía. Además, su visión de las religiones no era benévola y las tildaba de “arrogantes”.
El expresidente era un referente moral que encarna los valores más radicales de la propuesta cristiana: la mayor parte del dinero que cobraba lo daba a caridad, era el icono de la austeridad y vivía con total desprendimiento
Sin embargo, mantenía palabras positivas para el cristianismo de los orígenes, pero “el auténtico”, el de las pequeñas comunidades que partían el pan y la vida, pero no su posterior evolución, que detestaba. La persona de Jesús para Mujica era un “militante político que llevó el sentido de la igualdad y el amor a la vida”.
Mujica era una brújula de valores: “Pagamos con el tiempo de nuestras vidas: en realidad no compras con dinero, compras con el tiempo de tu vida”. Nadie como él ha encarnado el pasaje de Antonio Machado de ir “ligero de equipaje” cuando se acabe el paso por esta vida.
Su agnosticismo no le impidió visitar el Vaticano. Lo hizo en dos ocasiones y siempre con el papa Francisco, con quien mantenía una fuerte conexión. La primera fue en 2013, cuando era presidente y el pontífice acababa de ser escogido papa. Y la segunda audiencia tuvo lugar hace 10 años. Últimamente, habían quedado (el papa Francisco y su mujer Lucia, que era quien hablaba por teléfono) en que buscarían un momento porque Mujica y el papa Bergoglio tenían “un mensaje” para los jóvenes. La reunión no se celebró, pero una persona joven lo tiene fácil estudiando el perfil de estos dos latinoamericanos para adivinar hacia donde iba su discurso, alejado de falacias materialistas y centrado en aquello que verdaderamente importa.

Der Krieg der Bauern im Allgäu – gegen die „Herren Äbte“ in den Klöstern!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 22.5.2025.

Dieser kurze Hinweis ist eine Ergänzung und Verteigung zu unserem Beitrag über den Reformator Thomas Müntzer. LINK

1.
Auch die Bauern im Allgäu konnten ihre Lebensbedingungen, also Ausbeutung und Leibeigenschaft, zu Beginn des 16. Jahrhunderts nicht länger ertragen: Sie wagten den Aufstand gegen ihre Herren: Diese Herren waren vor allem die sich christlich nennenden Äbte der Klöster, „geistliche Herrschaften“. Die Benediktiner-Klöster in Augsburg, Ottobeuren und Irsee etwa verfügten über sehr viel mehr Territorien als die weltlichen Reichsstädte Memmingen, Kaufbeuren und Kempten. Die Äbte forderten exzessiv Abgaben von den Bauern.
Als sie den Aufstand wagten, „standen die Bauern mit dem Rücken zur Wand, um ihre Freiheit, gesellschaftliche Anerkennung und politische Teilhabe zu erkämpfen. Hinzu kam ihre Sehnsucht nach einer christlichen Seelsorge, die diesen Namen auch verdient hätte,“ schreibt der Historiker Stefan Fischer in seiner „Kleinen Geschichte des Bauernkriegs 1525“ mit dem Titel „Aufruhr im Allgäu“ (S. 140). Auch wenn die Bauern der Übermacht der Herren unterlegen waren: Sie hatten immerhin im März 1525 die grundlegenden „Zwölf Artikel“ in Memmingen formuliert: Dies sind die ersten Forderungen, Menschenrechte und Freiheitsrechte auch für Bauern, „den gemeinen Mann“, durchzusetzen. Interessant ist, dass das „Gottes Recht“, also das Wort Gottes (Weisungen der Bibel), herrschen sollte und nicht das willkürliche, menschliche „Rechtswesen“, das zugunsten der Herren von den Herren formuliert wurde. „Das „göttliche Recht“ forderte in letzter Konsequenz eine neue Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Das „göttliche Recht“ der Bibel hatte also, wörtlich genommen und ohne den klerikalen Filter gelesen, eine revolutionäre Bedeutung. In dem Zusammenhang von „religiösem Fundamentalismus“ zu sprechen, ist schwierig, weil es von der Vernunft her formulierte Menschen Rechte noch nicht gab. Und der Humanismus, etwa eines Erasmus, fand keine weite Anerkennung, durch Martin Luther, den Feind der Philosophie, auch nicht.
Zu den „Zwölf Artikeln”: Siehe Fußnote 1.
Bemerkenswert ist: Diese Zwölf Artikel wurden als Druckschrift mit sehr hoher Auflage verbreitet. Dieser Text hatte eine weite Wirkung bis in die USA und nach Frankreich.

2.
Das Buch von Stefan Fischer macht einmal mehr klar: Der Bauernkrieg war keineswegs nur ein auf Mitteldeutschland begrenztes Ereignis und keineswegs nur ein Kampf unter der Inspiration des Reformators Thomas Müntzer. Das Buch bietet nicht nur eine anschauliche, differenziert argumentierende Beschreibung der Ereignisse im Krieg der Bauern gegen ihre Herren, es werden auch entscheidende Stichworte zum Hintergrund ausführlich erläutert, wie „Die Leibeigenschaft“, „Der Bundschuh“, „Der schwäbische Bund“ oder ausführliche Informationen auch zu wichtigen Protagonisten in diesen Auseinandersetzungen wie „Sebastian Lotzer“ oder „Gordian Seuter“.
Die geistlichen Herren in den Klöstern, wie im Stift Kempten, hielten nach der Niederlage der Bauern 1525 an der Leibeigenschaft, wenn auch “gemäßigt“ (S. 132) fest. Nach dem Krieg wurde eine die politische Mitwirkung der Bauern in ihrer Heimat sehr begrenzt gewährt. Die Leibeigenschaft wurde erst 1803 gesetzlich abgeschafft.

3.
Das Benediktinerkloster Ottobeuren hat kürzlich (2023) ein neues durchaus prächtig zu nennendes „Klostermuseum“ eröffnet: Tatsächlich: „Eines der modernsten Museen im Allgäu, hier werden Wissen und Informationen spannend, interaktiv, multimeldial vermittelt“, wie es im offiziellen Werbe- Flyer heißt (https://www.vereinigung-ottobeuren.de/klostermuseum/).
Nebenbei: Es ist eher wahrscheinlich, dass das ganze Kloster bald zum Museum wird; zur Zeit leben in dem riesigen Klostergebäude noch 15 Mönche eher reiferen Alters (https://www.abtei-ottobeuren.de/content/konvent/konvent/).
Leider nur bis zum 1.6.2025 ist eine Sonderausstellung „Spuren des Bauernkrieges“ im Theatersaal des Klostermuseums Ottobeuren zu sehen; danach, ab 1. Oktober 2025 für knapp drei Monate noch einmal im Stadtmuseum Memmingen. Dabei gehört doch das Thema „Bauernkrieg und das Kloster Ottobeuren“ wirklich auf Dauer in die zentrale „moderne“ Ausstellungswelt des Klostermuseums. Aber es ist für Klöster immer noch unangenehm , wenn sie im Blick auf die eigene Geschichte zugeben und dokumentieren müssen: Auch wir katholischen Mönche hatten leibeigene Bauern, die sich im Geist des Evangeliums gegen uns, den Klerus, im Krieg erhoben… Gewiss: Die Bauern haben 1525 das reiche Kloster Ottobeuren geplündert. Aber es zeigt die begrenzte Sichtweise: Nur dieses Ereignis der Plünderung wird in der offiziellen Kloster „Zeittafel“ erwähnt. (https://abtei-ottobeuren.de/content/klosteranlage/historisches/). So wird der kritische Blick der Besucher des prächtigen modernen Klostermuseums nicht übermäßig geschärft. Und der tatsächliche (dokumentierte) Glanz wissenschaftlicher Leistungen einiger Mönche dieses Klosters bleibt in der Erinnerung. Die barocke Klosterwelt muss ad aeternum nichts als schön sein.
Zur barocken Basilika des Klosters: prachtvoll, himmlisch und außerirdisch:https://abtei-ottobeuren.de/content/klosteranlage/die-basilika/

Fußnote 1:
Flugschrift der Zwölf Artikel von 1525
Eine der Originalurkunden der Zwölf Artikel wird im Stadtarchiv Memmingen verwahrt. Nachfolgend eine grobe Übertragung des Texts der Zwölf Artikel in heutiges Deutsch:
– Jede Gemeinde soll das Recht haben, ihren Pfarrer zu wählen und ihn zu entsetzen (abzusetzen), wenn er sich ungebührlich verhält. Der Pfarrer soll das Evangelium lauter und klar ohne allen menschlichen Zusatz predigen, da in der Schrift steht, dass wir allein durch den wahren Glauben zu Gott kommen können.
– Von dem großen Zehnten sollen die Pfarrer besoldet werden. Ein etwaiger Überschuss soll für die Dorfarmut und die Entrichtung der Kriegssteuer verwandt werden. Der kleine Zehnt soll abgetan (aufgegeben) werden, da er von Menschen erdacht (und nicht biblisch begründet) ist, denn Gott der Herr hat das Vieh dem Menschen frei erschaffen.[7]
-Ist der Brauch bisher gewesen, dass man uns für Eigenleute (Leibeigene) gehalten hat, welches zu erbarmen ist, angesehen, dass uns Christus alle mit seinen kostbarlichen Blutvergießen erlöst und erkauft hat, den Hirten gleich wie den Höchsten, keinen ausgenommen. Darum ergibt sich aus der Schrift, dass wir frei sind und sein wollen.
– Ist es unbrüderlich und dem Wort Gottes nicht gemäß, dass der arme Mann nicht Gewalt hat, Wildbret, Geflügel und Fische zu fangen. Denn als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt über alle Tiere, den Vogel in der Luft und den Fisch im Wasser gegeben.
– Haben sich die Herrschaften die Hölzer (Wälder) alleine angeeignet. Wenn der arme Mann etwas bedarf, muss er es für das doppelte Geld kaufen. Es sollen daher alle Hölzer, die nicht erkauft sind (gemeint sind ehemalige Gemeindewälder, die sich viele Herrscher angeeignet hatten), der Gemeinde wieder heimfallen (zurückgegeben werden), damit jeder seinen Bedarf an Bau- und Brennholz daraus decken kann.
– Soll man der Dienste (Frondienste) wegen, welche von Tag zu Tag vermehrt werden und täglich zunehmen, ein Einsehen haben und uns nicht so sehr belasten, so, wie unsere Eltern gedient haben, allein nach Laut des Wortes Gottes.
– Soll die Herrschaft den Bauern die Dienste nicht über das bei der Verleihung festgesetzte Maß hinaus erhöhen. (Eine Anhebung der Fron ohne Vereinbarung war durchaus üblich.)
– Können viele Güter die Pachtabgabe nicht ertragen. Ehrbare Leute sollen diese Güter besichtigen und die Gült nach Billigkeit neu festsetzen, damit der Bauer seine Arbeit nicht umsonst tue, denn ein jeglicher Tagwerker ist seines Lohnes würdig.
– Werden der großen Frevel (Gerichtsbußen) wegen stets neue Satzungen gemacht. Man straft nicht nach Gestalt der Sache, sondern nach Belieben (Erhöhungen von Strafen und Willkür bei der Verurteilung waren üblich). Ist unsere Meinung, uns bei alter geschriebener Strafe zu strafen, wonach die Sache gehandelt ist, und nicht nach Gunst.
– Haben etliche Wiesen und Äcker, die einer Gemeinde zugehören (Gemeindeland, das ursprünglich allen Mitgliedern zur Verfügung stand), angeeignet. Die wollen wir wieder zu unseren gemeinen Händen nehmen.
– Soll der Todfall (eine Art Erbschaftssteuer) ganz und gar abgeschafft werden, und nimmermehr sollen Witwen und Waisen so schändlich wider Gott und Ehre beraubt werden.
– Ist unser Beschluss und endliche Meinung, wenn einer oder mehr der hier gestellten Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß wären …, von denen wollen wir abstehen, wenn man es uns auf Grund der Schrift erklärt. Wenn man uns schon etliche Artikel jetzt zuließe und es befände sich hernach, dass sie Unrecht wären, so sollen sie von Stund an tot und ab sein. Desgleichen wollen wir uns aber auch vorbehalten haben, wenn man in der Schrift noch mehr Artikel fände, die wider Gott und eine Beschwernis des Nächsten wären.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Zw%C3%B6lf_Artikel

Stefan Fischer, „Aufruhr im Allgäu. Kleine Geschichte des Bauernkriegs 1525.“ Verlag Friedrich Pustet2024, 144 Seiten, 16.95€.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.