“Bei Verstand bleiben”: Philosophie als Lebenshilfe in Zeiten politischer Verwirrung.Ein Salonabend

„Bei Verstand bleiben“: Philosophie als Lebenshilfe in Zeiten politischer Verwirrung

Ein Salonabend am Freitag, den 24. Februar 2017, um 19 Uhr.

Der Religionsphilosophische Salon Berlin ist ein Ort, in dem wir im selbstkritischen Nachdenken z.B. die Strukturen menschenwürdigen Lebens in der Gesellschaft reflektieren. In einer Zeit, die viele als tiefe Erschütterung und Verwirrung erleben, fragen wir: Kann Philosophie (noch) helfen? Und wenn ja, wie kann das (im Miteinander) gelingen? Bietet die Vernunft genug Widerstandsreserven gegen den vielen Unsinn, der heute nicht nur behauptet, sondern z.B. als Fremdenfeindlichkeit sich politisch leider durchsetzt? Können wir persönlich und politisch weiter kommen, wenn wir nicht ständig unsere Begriffe, unsere Denkkategorien, kritisch reflektieren? Ist in der Hinsicht nicht Philosophieren auch Lebenshilfe? Damit greifen wir die guten Traditionen der alten griechischen Philosophie wieder auf. Sie inspirieren! Aber wir müssen uns der heutigen drängenden Fragen stellen: Gibt es allgemeine und verbindliche philosophische Wahrheiten? Und warum ist die Anerkennung dieser verbindlichen Wahrheiten (man denke an den Kategorischen Imperativ) auch eine “Lebenshilfe”? 

Welchen Sinn hat die postmoderne Überzeugung, “alles ist Konstruktion”? Warum sind wir auf eine allgemein geteilte Anerkennung von Fakten angewiesen? Warum dürfen wir die Wahrheitsfrage (etwa bezogen auf Fakten) nicht der politischen Willkür der neuen populistischen Herrscher überlassen?

Wir treffen in der Kunstgalerie Fantom, Hektorstr 9 in Wilmersdorf.

Herzliche Einladung, weitere Hinweise zum Abend folgen. Anmeldung wie üblich an: christian.modehn@berlin.de 

Eine der besten Einführungen in die antike “Philosophie als Lebensform” hat der französische Philosoph Pierre Hadot verfasst. Auf Deutsch gibt es unverständlicherweise keine Bücher mehr von ihm, ein Skandal. Ich habe 2009 eine immer noch lesenswerte Einführung in das aktuelle Denken Hadots geschrieben, zur Lektüre klicken Sie hier.

Trump wird von Immanuel Kant verurteilt

Der Philosoph Immanuel Kant kann unter keinen Umständen die politischen Maximen von Mister Trump gelten lassen. “Make America great again”. Diese Maxime als Regierungsprogramm von Trump und Co. ist für den Philosophen Kant unvernünftig, unmenschlich, gefährlich. Denn: Wenn auch Deutschland diese nationalistische Maxime für die eigene Politik gelten lassen würde: “Macht Deutschland wieder groß”. Oder Österreich: “Macht Österreich(-Ungarn) wieder groß”. “Macht Spanien wieder groß wie einst im Kolonialismus”. Oder Russland:”Macht die Sowjetunion wieder groß” usw.: Wenn dieser Maxime jeder Staat heute in einem neuen nationalistischen Wahn folgen würde, hätten wir schnell den totalen Weltkrieg. Darum: Diese Maxime als Regierungsprogramm von Mister Trump ist kriegerisch, ist gefährlich, sie gehört verboten zu werden. Kant sagt: “Diese kriegerische Maxime hat wie jede andere kriegerische Maxime kein Recht. Sie entspricht nicht der Würde der Menschen und der Würde der Menschheit. Sie gefährdet sogar letztlich Mister Trump. Diese Maxime ist für alle lebensgefährlich, sie muss sehr schnell überwunden und abgeschafft werden”. Kant kann nur diese eine US-Maxime ertragen: “Make America democratic and human again”. Oder auch: “Gestaltet Deutschland und Europa und die Welt so, dass die Würde und vor allem die Gleichheit aller Menschen respektiert wird”. Und Kant sagt: “Überprüft alle eure politischen Maximen am Kategorischen Imperativ. Dann entsprecht Ihr den Grundsätzen der Menschlichkeit”.

Zur Vertiefung dieser philosophischen Kritik an den politischen Maximen von Mister Trump siehe die Hinweise von Peter Sloterdijk oder Thomas Jefferson, klicken Sie hier.

Copyright: Religionsphilosophischer Salon Berlin

Wer sich abschottet, der stirbt. Zum “Philosophie Magazin”, Ausgabe Februar-März 2017

Ein Hinweis von Christian Modehn

Wer heute für eine immer größere Abschottung und Abgrenzung von „den anderen“, den „Fremden“, eintritt, schließt sich selbst ein, begibt sich in einen Raum, in dem es auf Dauer nichts mehr zu atmen gibt: Weil die anregende frische Luft fehlt, die es nur im Austausch, also in der Offenheit gibt. Wolfram Eilenberger, der Chefredakteur des „Philosophie Magazin“, bringt diese Erkenntnis auf den Punkt: „Nur wer offen ist, kann dicht bleiben“ (Seite 3). Diese „Mitte“ zwischen Offenheit und Abgrenzung erst formt die eigene Identität; diese Mitte ist je neu in unterschiedlichen Situationen zu finden. Jede Selbstbegrenzung ist allerdings immer schon – zumindest geistig – über die eigenen Grenzen hinaus, also auf die anderen bezogen. Abschottung, Nationalismus usw. sind ein Selbst-Widerspruch, und somit Unsinn.

Aber wie das so ist mit den philosophischen Erkenntnissen: Sie können als Maxime der eigenen Lebenshaltung nur dargestellt und empfohlen, nicht aber politisch durchgesetzt werden. Gegen bornierte Dummheit, als bequemer Gehorsam gegenüber populistischen Sprüchen der Politiker, hat Philosophie nur die Macht des Arguments und des Dialogs. Wer sich heute mit den sehr rechtslastigen Freunden der Abgrenzung, die sich etwa auch „Identitäre“ nennen, auseinandersetzt, der erlebt einmal mehr die politisch-praktische Schwäche des Denkens, der Philosophie. Vielleicht sollte sie sich mit Künstlern verbinden und verbünden: Der radikale demokratische Aktionskünstler Pjotr Pawlenski, Russland kritisiert den Wahn des Putin-Regimes mit dem schmerzhaften Einsatz seines eigenen Körpers (bis hin zum Zunähen der eigenen Lippen). Über ihn wird im „Philosophie Magazin“ berichtet.

Die Februar Ausgabe (2017) des inzwischen vielfach geschätzten philosophischen Magazins kann, wie immer bei der Philosophie, dem Leser, der Leserin, nur zu denken geben. Und das ist viel. Philosophie kann die üblichen Begriffe stören und den angeblichen gesunden „Verstand des Volkes“ bloßstellen. Nur so können Neu-Orientierungen beginnen. Und dazu bietet das neue Heft ein weites Feld fürs eigene Nachdenken: Sind die ganz großen Pop-Diven die letzten mythischen Lebewesen? Sind Björk, Adele, Beyoncé und die anderen etwa die Göttinnen der (angeblich) säkularen Welt? Kann die so vielfach geliebte japanische Cyber-Celebrity Hatsune Miko die japanische, zenbuddhistisch inspirierte Spiritualität neu beleben? Dass alles Illusion ist, das alles Leibliche und Greifbare, also Menschliches vergeht? Dieses Thema, die neuen Götter und Engel, die sich in der POP-Szene tummeln, könnte weiter ausgebreitet werden: Sind die säkularen Menschen also doch irgendwie (noch) fromm, brauchen sie HalbgöttInnen und Schutzpatroninnen (wie Beyoncé)? Können diese mythische und göttliche Rolle nur Frauen übernehmen? Ist die klassische, männlich geprägte Religion irgendwie dann doch am Ende, trotz oder besser wegen der aggressivsten Männlichkeit, etwa in fundamentalistisch islamistischen Kreisen? Wenn man Göttinnen (des Pop) erzeugen kann, darf man dann auch menschliches Leben künstlich erzeugen, wird gleich im Anschluss im Heft gefragt. Ist das menschliche Leben ein „Designobjekt“ (S. 36) ?

Angesichts der bevorstehenden Wahlen in Frankreich (im Mai ) ist die Reportage über die französisch-israelische Soziologin Eva Illouz besonders interessant: Sie besucht die Stadt Sarcelles in der Nähe von Paris; dort hat sie als Jugendliche gelebt, dort gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Juden und Muslims. Heute werde dort der Schein des guten Zusammenlebens aufrecht erhalten, meint Frau Illouz: Religiöse Juden und religiöse Muslime sind vereint in der Ablehnung des Laizismus, der als Trennung von Religionen und Staat immer noch ein entscheidendes (und in unserer Sicht richtiges) kulturelles und religiöses Merkmal Frankreichs ist. Beim Kampf (Demonstrationen und Polemiken) gegen die „Ehe für alle“ waren religiöse Führer aller Religionen (bis auf Protestanten, also Reformierte und Lutheraner) ökumenisch vereint.

Die Ehe für alle ist dann – Gott sei dank – doch Gesetz geworden. Für die konservativen Religionen, auch in Deutschland, ist das Thema allerdings nicht beendet….

Im offensichtlichen Sinne philosophisch sind die Beiträge über Epikur, da breitet Pierre Vesperini, Experte für antike Philosophie, die These aus: Epikur habe in seinem berühmten Garten so etwas wie einen religiösen Verein geleitet; eine These, der im Heft auch widersprochen wird. Dabei spricht vieles für die These des Philosophen Pierre Vesperini, Epikur habe wie die anderen großen Philosophen in Athen eine spirituelle Schule geleitet und sich selbst als religiösen Meister gesehen. Die religiöse Bedeutung der antiken Philosophieschulen hat ja auch Pierre Hadot in seinem umfangreichen Werk hervorgehoben, er ist sicher einer der besten Kenner. Etwa wenn er von den religiösen Exerzitien und geistlichen Übungen im Umfeld der griechischen Philosophen spricht. Der Beitrag verführt dazu, die Verbindungen der frühen Kirche mit der griechischen Philosophie weiter zu studieren: Etwa: Der Apostel Paulus hat in Athen den Dialog mit Philosophen auf dem Areopag gesucht, und in ihrem Sinne (so berichtet die Apostelgeschichte) allen Ernstes betont: „Da wir Menschen nun göttlichen Geschlechts sind…“ eine Formulierung, die auch an Epikur und andere erinnert. In der Theologie und der Philosophie ist leider auch die Tatsache der praktischen Hilfsbereitschaft der Philosophen für die frühe Kirche vergessen: Paulus hat nämlich in Ephesus zwei Jahre Unterkunft bei dem Philosophen Tyrannus gefunden und in dessen Schule gepredigt (!), weil der Apostel in der Synagoge nicht mehr reden konnte und wollte… (APG., 19, 8 ff.)

Erfreulich und inspirierend ist weiter, dass ein Interview mit dem umfangreichen Werk des Philosophen Hermann Schmitz (Kiel) bekannt macht: Schmitz ist der Begründer der „neuen Phänomenologie“: Sie will die Vielfalt subjektiver Erlebnisse, vor allem die unwillkürlichen Lebenserfahrungen, zur Sprache bringen und kritisch untersuchen, ein bislang oft übersehenes, schwieriges Unternehmen.

…..diese wenigen Hinweise können zeigen: Es lohnt sich wieder, das Philosophie Magazin zu lesen.

www. philomag.de

Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon, Berlin

 

Zygmunt Bauman: Gegen die Propaganda von Angst und Panikmache.

Ein Hinweis von Christian Modehn

Professor Zygmunt Bauman, 1925 in Posen geboren, ist am 9. Januar 2017 in Leeds, England, gestorben. Viele werden sein umfangreiches Werk kennen und schätzen, es kann als soziologisch begründete, stets auch philosophisch interessierte Zeitdiagnose gelesen werden. Bauman sei ein „jüdischer Kosmopolit“, hatte 2014 noch Ulrich Beck treffend bemerkt.

Leider sind in Deutschland Baumans Bücher aus dem Jahr 2015 über Gott und die Menschen kaum bekannt: Zygmunt Bauman hat sich darin auf einen Dialog mit Stanislaw Obirek eingelassen, dem heute vor allem in Polen bekannten katholischen Dissidenten: Er war (als Kritiker der polnischen Kirchenmacht) bis 2006 Jesuit und ist jetzt Universitätsprofessor in Warschau. Ein Buch hat den Titel: „Of God and Man“, das andere „On the World and Ourselves“, beide sind in Cambridge, Polity Press, erschienen als Übersetzungen aus dem Polnischen. Beide Autoren entwickeln in dem Buch „Of God and Man“ ihre gemeinsame Position des Agnostizismus, als einer „Antithese zum Monotheismus und einer abgeschlossenen Kirche(nlehre)“. Sie sehen den Agnostizismus als Weg der Befreiung von einem blinden und arroganten Wissen zu einer eher zurückhaltenden Position des Zeugnisses von der Vielfalt menschlicher Wahrheiten.(„paths from the blind arrogance of the possessor of a single truth to the restraint of a witness to multiple human truths“…(2). Diese Haltung schließt nicht aus, dass auch das Wissen und die Weisheiten der alten Religionen inspirierend sein können in einer sich „säkular“ nennenden Gesellschaft. Lediglich der religiöse Fundamentalismus (auch in der polnisch-katholischen Form) wird zurückgewiesen. Beide Bücher sind ursprünglich für ein polnisches Publikum verfasst worden. Sie haben große Bedeutung auch angesichts der offenkundigen Krise bzw. der latenten Abschaffung der polnischen Demokratie, verursacht von der sich allmächtig fühlenden reaktionär-katholischen PIS-Regierung.

In philosophischer Hinsicht sind viele Themen Baumans bleibend aktuell, seine zentralen fragen: Wie destruktiv ist die Ratio der Aufklärung (im Blick auf den Holocaust)? Wie begegnen die westlichen Gesellschaften dem Zusammenbruch der alten rationalen Ordnungen? In wiefern ist die Moderne flüchtig, zerbrechlich, verschwimmend? Wo zeigt sich ein Halt in dieser Situation? Gibt es überhaupt noch eine Sprache, gibt es Begriffe, für diese neue Situation des globalen Wandels?

Ulrich Beck hat darauf hingewiesen, wie auch zentrale Begriffe Baumans zu weiterer (philosophischer) Reflexion auffordern: Etwa das Wort Überleben. Gemeint ist: Wenn ich überleben kann und darf, wurde ich aus einer größeren Gruppe von Todeskandidaten ausgesondert. Überleben hat also auch mit Selektion zu tun. Nur der Stärkere überlebt. Sind das Erkenntnisse, die auch in der Debatte über Flüchtlinge eine Rolle spielen? Auch viele Menschen in den westlichen Gesellschaften haben –etwa angesichts der vom Neoliberalismus bzw. Neo-Kapitalismus verursachten Krisen – die Überzeugung, physisch und psychisch nur noch zu „überleben“. Von einer eigenen, freien autonomen Lebens-Führung kann bei vielen Menschen selbst in der westlichen Welt keine Rede mehr sein.

Wichtig bleiben Baumans Überlegungen zu dem Trend, sich wieder in die eigene Nation abzukapseln: In seinem Buch „Flüchtige Moderne“ (Suhrkamp 2003) ist vor allem das Kapitel „Gemeinschaft“ wichtig. Nationalismus, so Bauman, lebt grundlegend vom Hass auf die anderen. Man will als Nationalist (Patriot) den eigenen Staat und damit das eng umgrenzt Eigene ausleben und feiern. Man fühlt sich nur noch in der Runde der mit mir Identischen, der Patrioten, wohl. Nur mit diesen Menschen will man verbunden sein, so entstehen Abneigung und Hass auf alle „Andersartigen“. Der Kommunitarismus wird aktiviert jetzt z.B. in Ungarn oder Polen,in Frankreich finden die nationalistischen Sprüche wie „La France d abord“ immer mehr Zustimmung. Mister Trump will die USA am liebsten einmauern als Lebensraum für die „richtigen Amerikaner“, die so weiß und christlich bzw. unchristlich wie er selbst sind. Für Baumann ist klar: Die Fixierung auf die vertraute, Fremde ausschließende Gemeinschaft führt zu einer gefährlichen „Verengung“ des ganzen Lebens, die sich in Aggressionen gegenüber den anderen nicht nur an der Grenze des Eigenen entlädt.

„Die Angst vor den anderen“ ist eines der letzten Essays von Zygmunt Bauman, bei Suhrkamp 2016 erschienen. Es zeigt, dass die europäischen Regierungschefs sich längst an die politische Lösung des ungarischen Nationalisten und Ministerpräsidenten Orban halten: Die Grenzen für Flüchtlinge zu schließen, auch durch den Einsatz von hohen Stacheldrahtzäunen. Bauman zitiert einen Artikel in der NYTimes vom 21. 12. 2015 an, der zeigt: Dass sich europäische Staatschefs „wenn auch nicht im selben hässlichen Tonfall an Orbans Politik angeschlossen haben“. Aber: „Diese Europäer verstecken ihre Botschaft feige oder scheinheilig hinter dem Schleier eines politisch korrekten Vokabulars“: Sie wollen als angeblich gute Europäer, aber sich oft versteckt gebende Nationalisten unbedingt die „Kontrolle über die Außengrenzen des Kontinents wiedergewinnen“: Dahinter stecke, so Bauman mit Michel Agier (einem der kenntnisreichsten Erforscher der mehr als 2000 Millionen Migranten) die Vorstellung, eine „Aufteilung der Welt in zwei große Weltteile (zu verfestigen): Auf der einen Seite eine saubere, gesunde und sichtbare Welt; auf der anderen Seite die Welt des dunklen, kranken und unsichtbaren Rests…. Flüchtlings-Lager werden nicht mehr dazu dienen, wehrlose Flüchtlinge am Leben zu erhalten, sondern unerwünschte Menschengruppen jeglicher Art zu parken und unter Bewachung zu halten“ (S. 88). Mit anderen Worten: Die Flüchtlingspolitik der zudem angeblich so christlichen und kirchlichen Europäer führt zur Sichtbarkeit eines (lange schon lebhaften) globalen Rassismus. Die Einwanderung, auch von Flüchtlingen, wird nicht mehr als positive, auch ökonomisch positive Entwicklung gesehen. Die Tatsache, dass einige Terroristen unter den vielen tausend Flüchtlingen sind, wird auch von den Medien, die darin den Politikern folgen, so sehr in den Mittelpunkt aller politischen Überlegungen und Entscheidungen gestellt, dass der Eindruck entstehen soll: Flüchtlinge sind a priori nur gefährlich, tendenziell gewalttätig. Wenn dieser falsche Eindruck weiterhin von führenden Politikern auch in Deutschland propagiert wird, weil sie sich der angeblichen Volksstimmung anpassen (ihrer eigenen Politiker Karriere willen), wird nur das Ziel des so genannten Islamischen Staates betrieben: Das Ziel ist: Angst zu schüren, Nationalismus zu fördern, die Gesellschaft im Westen zu spalten. Politiker, die heute Flüchtlinge nur als Gefahr ansehen, betreibe sozusagen in gewisser Weise unbewusst das Geschäft des so genannten IS. Können Argumente, können Gespräche, noch die Vernunft fördern, die darin besteht: Die Flüchtlinge als Chance zu sehen und in den Herkunftsländern tatsächlich für eine Verbesserung der politischen und ökonomischen Verhältnisse zu sorgen sowie hier die bestehenden (!) Gesetze zur Abwehr von Terroristen europäisch koordiniert anzuwenden. Momentan aber wird angesichts des Terrors weitgehend bewusst eingesetzte Panikmache betrieben. Und wie mit Selbstverständlichkeit wird der Wahn verbreitet: Sicherheit sei für den Menschen und die Gesellschaft immer wichtiger als individuelle und gesellschaftliche Freiheit. Wenn die Freiheit der Sicherheit geopfert wird, gibt es keine umfassend menschlichen Wesen mehr, für die die Sicherheit noch relevant sein könnte. Unfreie Menschen leben nicht mehr im emphatischen Sinne; sie überleben bloß noch, aber sicher. Bloß wozu noch? Um den autoritären Staaten und ihren autoritären Regierungen zu dienen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Trump widerstehen. Thomas Jeffersons Vorschläge und ein Hinweis von Peter Sloterdijk

Ein Hinweis zum 20. Januar 2017: Mister Trump wird US-Präsident und er befindet sich als (zukünftiger) “Mauerbauer” in bester Gesellschaft mit dem Mauerbauer Walter Ulbricht, DDR.

«Der Geist des Widerstands gegen die Regierung ist bei gewissen Gelegenheiten so wertvoll, dass ich mir wünsche, er möge immer lebendig bleiben. Ich mag ein bisschen Rebellion dann und wann. Sie ist wie ein Sturm in der Atmosphäre.»

Das schrieb der spätere US – Präsident Thomas Jefferson 1787 als Botschafter in Paris, in den Monaten vor der Französischen Revolution. Die Hoffnung der Menschen, die sich nicht nur ihre Vernunft bewahrt haben, sondern  – im Unterschied zu Mister Trump – auch einen letzten Rest von Anstand und Wahrhaftigkeit, werden auf diesen “Sturm des Widerstands” gegen Trump hoffen und alle Möglichkeiten suchen, vernünftig den Geist des Widerstands gegen diese Regierung zu leben. Sie werden sich dabei nicht national einschließen, sondern auch die besonders Betroffenen, etwa die Mexikaner und Lateinamerikaner im allgemeinen, unterstützen im Widerstand gegen die verbrecherische Mauer, die Mister Trump an der Grenze zu Mexiko bauen will. Der letzte, der eine ganz große Mauer baute, war 1961 der kommunistische Diktator Walter Ulbricht. Trump ist also – wieder mal – in “bester Gesellschaft”.

Der Philosoph Peter Solterdijk schrieb am 24. November 2016 in “Die Zeit”, Seite 49, einen meines Erachtens eher wenig beachteten Text. Slolterdijk rechnet nämlich ganz schlicht damit, dass alsbald die Frage auftritt, wie man die Zeit nach Trump gestalten solle. Der Philosoph Sloterdijk schreibt dann: “Die Chance von Donald Trump, die ersten zwei Jahre seiner Amtszeit zu überleben, liegt vermutlich bei kaum mehr als zehn Prozent”. Slolterdijk nennt die USA weiter eine bloß hypothetische Demokratie, weil in dieser stets umstrittenen, “wackligen”  Demokratie der politische Mord eine, so wörtlich von Sloterdijk, “aktive Option”  ist. Im Falle eines Ausscheidens von Trump wäre dann Pence, der Vizepräsident, so Sloterdijk, der “richtige Trump-Nachfolger”… “Auf seine Mediokrität ist Verlass”.

Lassen wir diese heftigen Spekulationen Sloterdijks… Inspirierend sind auch die Überlegungen des US Literaturwissenschaftlers Mark Greif in der TAZ vom 14.1. 2017 Seite 03 veröffentlicht. Der ernstgemeinte Titel des erregten Autors Greif: “Ausflippen! Jetzt!” Zur Lektüre des TAZ-Artikles klicken Sie hier.

Zur (hoffentlich eintretenden) Möglichkeit der Amtsenthebung des Herrn Trump als US-Präsident schreibt der Berliner Politologe Prof. Christian Lammert, klicken Sie hier.

Auch der Philosoph Immanuel Kant kann in der heutigen vernetzten Welt niemals der Maxime von Mister Trump zustimmen: “Make America great again”. Wenn auch Deutschland diese Maxime für die eigene Politik gelten lassen würde: “Mach Deutschland wieder groß”. Oder Österreich: “Mach Österreich(-Ungarn) wieder groß”. Oder Russland:”Mach die Sowjetunion wieder groß” usw.: Wenn dieser Maxime jeder Staat heute in einem neuen nationalistischen Wahn folgen würde, hätten wir schnell den totalen Weltkrieg. Darum: Diese Maxime als Regierungsprogramm von Mister Trump ist kriegerisch, ist gefährlich, sie gehört verboten zu werden. Kant sagt: “Diese kriegerische Maxime hat wie jede andere kriegerische Maxime kein Recht. Sie entspricht nicht der Würde der Menschen und der Würde der Menschheit. Diese Maxime ist lebensgefährlich, sie muss überwunden werden”. Kant kann nur diese Maxime ertragen: “Make America democratic and human again”. Oder: “Gestaltet Deutschland und Europa und die Welt s0, dass die Würde und die Gleichheit jedes Menschen respektiert wird”.

Noch einmal, auch aus religionsphilosophischen Gründen, zurück zu Jefferson und nem Aufruf zum Widerstand: Jefferson war von 1801 bis 1809 der 3. Präsident Amerikas, er ist der Autor der Unabhängigkeitserklärung; ein einflussreicher Staatstheoretiker. Die Trennung von Kirche und Staat in den USA geht auf ihn zurück. Als Präsident nannte er für sich keine Religionszugehörigkeit, obwohl anglikanisch erzogen.

Interessant ist: Er zerschnitt seine Bibel, um die für ihn entscheidenden Textstellen für sich zusammenzustellen, Aussagen, die vor der kritischen Vernunft Bestand haben. Es entstand die „Jefferson – Bibel“. Er sagte: „Der Korruption des Christentums stehe ich in der Tat ablehnend gegenüber, aber nicht den wahren Prinzipien Jesu. Ich bin ein Christ in dem Sinne, wie Jesus es wollte.“ Als Propagandist für kirchenfeindliche Strömungen ist der dritte US-Präsident völlig ungeeignet.

Copyright: Christian Modehn Berlin

Für die Vielfalt, nicht nur im Glauben. Ein Interview mit Prof. Johan Goud, Den Haag

Für die Vielfalt, nicht nur im Glauben

Ein Interview mit dem Theologen und Pastor der Remonstranten-Kirche Prof. em. Johan Goud (Den Haag):

Die Fragen stellte Christian Modehn

Zwei Fragen beziehen sich unmittelbar auf die Theologie: Die Freiheit ist entscheidend für Remonstranten, auch die Selbstbestimmung des einzelnen, seinen Glauben zu leben auf seine je individuelle Art. Haben deswegen die Remonstranten de facto kein allgemein verbindliches Glaubensbekenntnis? Ebenso gilt die weitere Frage: Was hält Remonstranten zusammen bei der akzeptierten Glaubens-Pluralität? Und warum ist Pluralität der religiösen Überzeugungen ein Vorteil?

Aber zunächst zur aktuellen politischen Situation in den Niederlanden, dort sind Parlaments-Wahlen am 15. März 2017, mit der Prognose, dass die populistische und rechtslastige Partei PVV stark wird): Was können Christen in den Niederlanden, was können Remonstranten, jetzt tun gegen Wilders und die PVV?

Johan Goud:

Diese Frage betrifft auch den Populismus, der sich im Augenblick in der ganzen Welt regt und der in den Niederlanden verbunden ist mit dem Namen Weiterlesen ⇘

Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche soll nun Friedenskirche heißen.

Von Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin. Veröffentlicht am 21. Dezember 2016 um 18 Uhr.
Siehe auch einen aktuellen Beitrag vom 12.6.2020: LINK

Der Gottesdienst am Abend des 20. Dezember 2016 hat es gezeigt: Pfarrer und Bischöfe unterschiedlicher Konfessionen, Imame und ein Rabbiner können gemeinsam und in der – durch diese Praxis bewiesenen – Anerkennung der Gleichwertigkeit eine religiöse Feier, eine im umfassenden Sinne ökumenische Feier gestalten. Diese interreligiöse Gedenk-Stunde (mit protestantischer Dominanz) fand in der “Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche” statt. So wurde ansatzweise (wo waren die Vertreter der Konfessionsfreien, etwa der Humanisten, wo Buddhisten usw. ?) eine Ahnung von dem vermittelt, was die wahre “Berufung” dieser Kirche am Breitscheid-Platz ist, gerade jetzt, nach dem Terroranschlag des 19. Dezember 2016: Sie ist eine Friedens-Kirche, sie sollte ein Friedens-Tempel für alle werden. Das heißt: Aus der „Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche“ wird nun die „Friedenskirche“. Sie erhält den neuen Titel “Friedenskirche”. Ein traditionsreiches Kirchengebäude verliert seinen unsäglichen Titel (Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche) und wird so förmlich „neu errichtet“.

So sehr die Menschen auch betroffen sind vom Terroranschlag auf die Besucher des Weihnachtsmarktes rund um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und so sehr sie leiden angesichts der Ermordung von mehr als 12 Personen und der zahlreichen schwer verletzten Opfer: Diese widerwärtige Tat eines – offenbar – total enthemmten religiösen Fundamentalisten darf nicht als Beginn eines „Kriegszustandes“ gedeutet werden. SPIEGEL ONLINE publizierte am 20.12. vormittags diese Einschätzung des Vorsitzenden der Innenministerkonferenz Klaus Bouillon CDU (Saarland). Darin ist er wohl nicht weit entfernt von rechtsextremen Kreisen; sie schwadronieren angesichts des Anschlags, wie zu erwarten, von einer „Kriegserklärung“ „des“ Islam auf „das Abendland“. Auf die sinnlose Debatte, was denn überhaupt ein Krieg sein könnte, wenn eine Partei den Feind („einzelne versteckte Terroristen“) gar nicht genau greifen, definieren und finden kann, wollen wir uns gar nicht einlassen. Einen „Krieg“ gegen einzelne Terroristen(gruppen) in Europa kann es „per definitionem“ nicht geben.

Weiter führt die Erkenntnis: Diese unmenschliche Tat fand im Schatten einer weltweit bekannten Kirche statt. Sie hat immer noch den Titel „Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Offenbar ist der Name ihrer Kirche für die Gemeinde selbst und die Evangelische Kirche in Berlin insgesamt aber durchaus peinlich. Denn sie verwenden oft, etwas verschämt, nur noch den völlig nichts sagenden Titel „Gedächtniskirche“ oder gar nur die drei banalen Anfangsbuchstaben KWG.

Tatsächlich kann sich jeder etwas historisch Gebildete nur peinlich berührt fühlen, wenn er sich an den Titelgeber dieser berühmten Kirche tatsächlich erinnert.Und dann noch sozusagen im Schatten, der stillen Anwesenheit, dieser Person in diesem Gotteshaus singt und betet: Kaiser Wilhelm der Erste (geboren 1797, gestorben 1888) war nicht nur König von Preußen, sondern seit 1871 auch Deutscher Kaiser. Und er war ein begeisterter Kriegs-Herr und stolzer Sieger über den Erzfeind Frankreich im Jahr 1871. So verfügte Wilhelm II. als oberster Chef der evangelischen Kirche, dass eine neue Kirche in einem Zentrum Berlins, im „alten Westen“, zu Ehren Wilhelm I. gebaut werden sollte. Unbescheidenerweise fand die Grundsteinlegung an Wilhelm I. Geburtstag, also an einem 22. März des Jahres 1891 statt. Und noch pikanter: Für die Einweihung der prächtigen Kirche im neoromanischen Stil hatte Wilhelm II. den so genannten „Sedan-Tag“ gewünscht, also das deutsch-nationalistische Gedenken an die Kapitulation der französischen Armee am 2. September 1871 in der Stadt Sedan. Militärische Siege, erkauft mit massenhaften Sterben von Soldaten und Zivilisten, sollten von vornherein den Glanz dieser Kirche verstärken. Sie ist also selbst noch mit dem banalen Titel „KWG“ architektonischer Ausdruck einer militaristischen, staatskonformen Theologie. Man möchte beinahe zynisch werden und sagen, Gott sei Dank wurde diese Kirche im 2. Weltkrieg zerstört. Denn mit ihr ging, symbolisch, die – eigentlich seit Luther – skandalöse Kirche-Staat-Einheit in die Trümmer. Aber ein Turm blieb ein bisschen erhalten und er wird als Ruine ständig weiter gepflegt. Der sehr gelungene Kirchenneubau durch den Architekten Egon Eiermann (die Einweihung fand am 17. Dezember 1961 statt) behielt aber wieder den Titel Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Dass die Gemeinde eigentlich den Frieden und nicht den Kriegsherren Kaiser Wilhelm I. verehren will, ist ansatzweise wenigstens schon jetzt offenkundig: Es wird die Zeichnung eine „Stalingrad-Madonna“ ausgestellt, sie erinnert an den Tod deutscher UND russischer Soldaten.

Nun ist aber angesichts der Terror-Attacke vom 19. Dezember 2016 der Moment gekommen, der Kirche insgesamt, auf dem zentralen Breitscheid-Platz, einen neuen Namen zu geben. Ein Symbol mit einem neuen Namen muss der Gewalt auf diesem Breitscheid-Platz widerstehen! Übrigens: Rudolf Breitscheid war als SPD Politiker Widerstandskämpfer, er ist im KZ Buchenwald ermordet worden. An diesem zentralen Platz in Berlin also, wo sich so viel Schrecken und Leiden am 19.Dezember ereignete, muss eine Kirche präsent sein, die zu Mord und Totschlag und Terror schon im Titel NEIN sagt: Und dies kann nur eine Kirche sein, die Friedens-Kirche heißt. Kaiser Wilhelm war Kriegs-Treiber. Also: Weg mit ihm aus der religiösen Erinnerung.

Seit dem 19. Dezember 2016 gibt es also keinen Grund mehr, sich in einem Gotteshaus an den Kriegsherren Kaiser Wilhelm I. zu erinnern. Dieser Herr und Kirchenfürst hat ausgedient; er darf nur noch historisch-kritisch studiert werden, er darf nicht länger mehr „Namenspatron“ einer Kirche sein.

In der Friedenskirche auf dem Breitscheid-Platz können dann weiter, wie schon am 20.12., interreligiöse Friedensgebete und Friedensfeiern und Friedensdiskussionen stattfinden, selbstverständlich auch mit jüdischen und islamischen Gemeinden oder auch mit buddhistisch-Frommen und den in Berlin so zahlreichen humanistisch Engagierten. Friede ist etwas Universales. Eine Friedenskirche darf nicht konfessionalistisch verengt sein.

Kaiser Wilhelm ist, Gott sei Dank, in seinem Sarg fest eingeschlossen. Sein Gespenst huscht nicht mehr durch die Kirche auf dem Breitscheid-Platz. Leben soll dort nur der Friede, der von allen Menschen gesucht wird. Diese neue Friedenskirche wird dann auch ein beliebtes Zentrum für Dialog und Toleranz werden.

Zudem: Der Verzicht auf den unsäglichen Kaiser-Wilhelm-Titel wäre ein toller Beitrag im Luther – und Reformationsgedenken 2017. Da würden die Stadt Berlin und die Menschen im ganzen Land spüren: Die evangelische Kirche bewegt sich etwas, sie denkt mit; sie setzt Zeichen des Lebens auch dadurch, dass sie sich – endlich – von historischen Schrott-Titeln trennt. Damit wäre im Reformationsgedenken 2017 ein Weg geöffnet, über viele andere unsägliche Namen evangelischer Kirchen nachzudenken: Was soll eine “Königin-Luise-Gedächtniskirche”? Was bedeuten so banale Namen wie “Auenkirche” oder “Kirche am Seggeluchbecken”, um nur weitere Titel aus Berlin zu nennen? Gibt es denn keine ökumenischen Vorbilder oder Heilige? Ist die Kirche an Vorbildern so arm?  Je mehr man allerdings “die Gedächtnis-Kirche” auch als banalen Titel so toll und wunderbar findet, wird die Gedankenlosigkeit nur befördert.

Copyright: Christian Modehn im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin.