Neue Erkenntnisse zu Maciel und den Legionären Christi. Warum hat Kardinal Ratzinger zu Maciel geschwiegen?

Legionäre Christi und Maciel: Immer neue Entdeckungen.
In welcher Weise hat der heutige Papst die Verbrechen Maciels gewusst und verschwiegen?
Mrz 12th, 2010 | By CM | Category: Religionskritik

Ein aktueller Hinweis: Am 26.11. 2010 habe ich einen aktuellen Beitrag veröffentlicht: “Das Neueste zu den Legionären Christi”.

Am 27. März 2010 berichtet die spanische Tageszeitung EL MUNDO auf Seite 28 über das offizielle Eingeständnis der Leitung der Legionäre Christi: “Unser Ordensgründer Marcial Maciel hat Minderjährige mißbraucht”. Die Zeitung wählt den Titel “Die Legionäre Christi =töten= ihren Vater”. Einen Bericht zum selben Thema veröffentlicht die spanische Tageszeitung EL PAIS am gleichen Tag auf Seite 30. In Spanien spielt der Orden der Legionäre Christi eine wichtige Rolle, er wurde und wird von der Hierarchie geliebt, weil er “orthodox” zuverlässig ist und viele junge Priester der Kirche zur Verfügung stellt. Der Orden verfügt z.B. über zahlreiche Bildungsstätten für Kinder aus der “ökonomischen Elite”. Deswegen werden in Spanien zahlreiche weitgehende Fragen diskutiert, die auch im “Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon” besprochen wurden: Warum hat die Ordensleitung so lange gewartet, die seit Jahren öffentlich bekannte Pädophilie Maciels einzugestehen? Am 19. Mai 2006, also erst ein Jahr nach seiner Wahl zum Papst, hatte Benedikt XVI. den völligen Rückzug Maciels aus der Öffentlichkeit befohlen, der Papst hatte dabei allerdings nach üblicher vatikanischer Art der sogenannten klerikalen Diskretion die Pädophilie Maciels verschwiegen. Seit Ende März 2010 sollen die Berichte der 5 Visitatoren vorliegen, die alle Einrichtungen der Legionäre Christi weltweit untersucht haben. In Spanien wird heute diskutiert: Hat das nun “so endlich” geschehene Eingeständnis der Ordensleitung, ihr “Vater” sei tatsächlich pädophil gewesen, etwas mit diesen Untersuchungen zu tun? Werden in diesen Untersuchungen vielleicht Tatsachen genannt, die noch viel “peinlicher” sind? Will die Ordensleitung nach dem bekannten theologischen Schema verfahren: Die Wurzel (also der Gründer) ist zwar schlecht, aber der Baum mit seinen Früchten (also der Orden) ist gut? Will die Ordensleitung so einer Auflösung bzw. Neugründung des Ordens zuvorkommen? EL PAIS berichtet weiter über eine (der) Frau(en) Maciels, Blanca Estela Lara, sie war 19 Jahre alt, als sie der Oberste dieses katholischen Ordens kennenlernte (Maciel war damals 56 Jahre alt). Von ihr hat Maciel drei Söhne, die Gonzalez Lara heißen, denn Maciel hatte sich für diese heterosexuelle Beziehung den Decknamen Gonzalez gewählt. Einer der Söhne, Raul Gonzalez Lara berichtet: ” Zum ersten Mal mißbrauchte mich mein Vater, als ich sieben Jahre alt war… ” Unklar ist, wie der Vatikan mit der Tatsache umgehen will, dass Papst Johannes Paul II. den Legionärsgründer Marcial Maciel offiziell und öffentlich “ein Vorbild für die Jugend” genannt” hat, obwohl seit 1997 im Vatikan Berichte von den mexikanischen Opfern der Pädophilie Maciels vorlagen… Weiterlesen ⇘

Legionäre Christi – Ihr Gründer Maciel ein enger Freund von Papst Johannes Paul II.

Der Legionärsgründer Marcial Maciel war ein enger Freund von Papst Johannes Paul II. (veröffentlicht am 13. Dez. 2009)

Ein aktueller Hinweis: Am 26. 11. 2010 habe ich einen weiteren, aktuellen Beitrag ins Netz gestellt: “Das Neueste zu den Legionären Christi”.

Der Religionsphilosophische Salon, unabhängig von jeder Kirche,  ist auch ein Ort der Religionskritik. Philosophie ohne Kritik der Religionen und Konfessionen ist undenkbar! Immer wieder wurde in unseren Gesprächskreisen nach den “Legionären Christi” gefragt, einem katholischen Orden, der jetzt auf  Befehl Benedikt XVI. weltweit  “untersucht”  wird. Im Mittelpunkt steht dabei die Tätigkeit des Ordensgründers, Pater Marcial Maciel. Er wird seit Jahren pädophiler Verbrechen beschuldigt, Jahre lang hat der Vatikan das ignoriert. Am 15. März 2010 wird die “Visitation” durch fünf Bischöfe abgeschlossen sein, so wurde Anfang Dezember 2009 berichtet. Ob diese Berichte öffentlich zugänglich werden, ist höchst unwahrscheinlich. Inzwischen hat sich der jetzige Generalobere des Ordens, Pater Alvaro Corcuera Martinez del Rio, bei den “Opfern” der sexuellen Umtriebe des einst wie ein Heiliger verehrten Ordensgründers in sehr allgemeinen Worten entschuldigt.

Corcuera versprach, dass dieser mächtige Orden nun “als demütige Kongregation”  auftreten werde. Wenn das Betteln per Zahlkarten in Zeitschriften und in privaten Bettelbriefen demütig ist, mag es stimmen. Aber damit wird der Eindruck erweckt, die Legionäre Christi seien bettelarm und sie bräuchten das Geld der berühmten armen Witwen, die ja besonders spendefreudig sein sollen, wie Kirchenleute gern sagen… Im folgenden Beitrag erinnern Insider daran, wie viele Millionen Dollar tatsächlich dieser äußerst wohlhabende Orden besitzt. Die Bettelei in Deutschland und anderswo kann nur skandalös genannt werden. Die Bettelei ist eine Schande. Den Spendern wird übrigens als Dank das neun tägige Gebet der Novizen der Legionäre Christi versprochen.

Weil es in deutscher Sprache keinerlei  (!)  kritische Auseinandersetzung mit den Legionären gibt, habe ich mich aufgrund der Anfragen im religionsphilosophischen Salon entschlossen, diese Studie als erste Orientierungshilfe zugänglich zu machen.  COPYRIGHT:Christian Modehn  (Dies gilt ja selbstverständlich für alle Texte des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salons. )

Ein Freund Johannes Paul II. – Pater Marcial Maciel.

Der Orden  „Legionäre Christi“ in Bedrängnis

Von Christian Modehn

Die „Legionäre Christi“, ein kirchlich wie gesellschaftlich sehr einflussreicher Orden, vergleichbar dem Opus Dei, werden auf Veranlassung Benedikt XVI. offiziell visitiert. Der Staatssekretär des Papstes, Kardinal Tarcisio Bertone, ordnete am 10. März 2009 eine „Apostolische Visitation“ an. Seit dem 15. Juli 2009  überprüften 5 Bischöfe den Orden (1). Auch drei Monate nach dem Beginn dieser offiziellen Überprüfung ist nichts von vorläufigen Ergebnissen oder Einsichten zu hören. Das ist nicht erstaunlich: Denn der Gründer des Ordens, Pater Marcial Maciel, wird beschuldigt, viele Jahrzehnte pädophile Verbrechen begangen zu haben, ohne dafür jemals belangt worden zu sein. Noch heikler ist die Erkenntnis: Der mexikanische Priester, er ließ sich immer offiziell „Generaldirektor“ nennen, war sehr eng mit Papst Johannes Paul II. befreundet, und auch der damalige Chef der obersten Glaubensbehörde, Kardinal Ratzinger, hat zu den Verbrechen geschwiegen. Ob jemals die Untersuchungsergebnisse veröffentlicht werden, ist angesichts dieser Verbindungen fraglich.

Nur so viel ist seit Beginn der Visitation klar: Es werden die Mitglieder befragt und die Institutionen des Ordens untersucht. Dabei ging es nicht darum, die Treue zur dogmatischen Lehre der Kirche festzustellen. In ihrem lautstarken Bekenntnis zum Papsttum und zum Lehramt lassen sich die Legionäre Christi und die mit dem Orden eng zusammenarbeitenden ca. 70.000 Laien der Bewegung „Regnum Christi“  kaum übertreffen (2). Es geht also vor allem um das moralische und sittliche Niveau der Ordensmitglieder sowie um finanzielle Verflechtungen des Ordens mit der ökonomischen „Elite“ Spaniens, Mexikos und anderer Länder.

Die Legionäre Christi wurden fast 60 Jahre von dem Gründer des Ordens, Pater Marcial Maciel (1920 – 2008) geleitet. Ihm wird vorgeworfen, pädophile Straftaten mit jungen Ordensleuten über viele Jahre begangen zu haben, zudem war er drogenabhängig und darüber hinaus Vater mindestens einer Tochter (3). Von der als maßlos beschriebenen  Bereicherung unter seinen „Freundinnen“ und Gönnern wird in diesem Beitrag noch zu reden sein. In führenden Kreisen der Legionäre („Legionarios“ werden sie in den Spanisch sprechenden Ländern genannt) wurde nach der öffentlich bekannt gewordenen leiblichen Vaterschaft ihres Ordensgründers die angekündigte Untersuchung mit einer nahezu überschwänglichen und schon beinahe verdächtigen Freude begrüßt. Nebenbei: Die Legionäre mussten Maciel stets als „nuesto padre“ oder „notre Père“ auf ausdrückliches Geheiß ihres Leiters ansprechen. Álvaro Corcuera, der jetzige Ordensobere, der ebenfalls den Titel „Generaldirektor“ trägt, erwähnte die pädophilen Verbrechen des Ordensgründers allerdings mit keinem Wort, als er seinen Mitgliedern die offizielle Visitation durch die römischen Gesandten mitteilte.  Corcuera hatte lediglich die Hoffnung ausgedrückt, dass nun »schwerwiegende Tatsachen zum Abschluss« gebracht werden. Welche „schwerwiegenden Tatsachen“ es seien, sagte er nicht.

Die Vaterschaft Maciels kann niemand mehr leugnen. Beobachter haben den Eindruck, dass die Legionäre über die nun bekannt gewordene auch heterosexuelle Orientierung ihres „Padre“ in gewisser Weise froh sind, lenkt das doch von den pädophilen Taten ab. Der Bruch des Zölibatsgelübdes wurde auch von Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa, Santiago de Chile, eher heruntergespielt und als Ausdruck „von zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten“ interpretiert. Maciel sei „ein armer (natürlich nicht im materiellen Sinne, der Autor!)  Mensch gewesen“ (4). Brisant wird die Bedeutung der Visitation durch weitere Dokumente, denen zufolge es innerhalb des Ordens und im Regnum Christi weiterhin ein „Netzwerk von Pädophilen“ (5) geben soll.

Schon als junger Seminarist ein Liebhaber von Knaben

Die Geschichte des Ordens und seines Gründers ist voller Merkwürdigkeiten: Marcial Maciel wurde am 10. März 1920 in dem Dorf Cotija de la Paz in Mexiko (Bundesstaat Michoacán) geboren. Im Alter von 15 Jahren trat er ins Priesterseminar ein. Bis zu seiner Priesterweihe 1944 musste er mehrfach die Seminare wechseln – »wegen allerlei Verdächtigungen«, wie seine damaligen Oberen, darunter Jesuiten,  eher zweideutig erklärten. Schon als 16-Jähriger war Maciel fest entschlossen, aufgrund göttlicher Eingebungen, wie er sagte,  einen eigenen Orden zu gründen. Im Jahr 1941 konnte er, immer noch als Seminarist, 13 Knaben im Alter von etwa 12 Jahren, in einem eigenen »Kleinen Seminar um sich sammeln. Fotos zeigen ihn im Kreis seiner Lieben, alle Kinder sind in Talare gekleidet. Hartnäckig und intensiv betrieb er das Projekt der Ordensgründung! Ihm gelang es, 1946 mit Papst Pius XII. zu sprechen, der soll ihm empfohlen haben: „Nennen Sie Ihren Orden =Legionäre Christi=! Sie sollten sich um die Eliten kümmern“.  Maciel nutzte seine Beziehungen zu ihm wohl gesonnenen mexikanischen Bischöfen und erreichte 1948 die offizielle Errichtung seines Ordens in Mexiko. Die Kongregation für die Ordensleute in Rom hatte ihre Zustimmung gegeben. Dieses Placet musste Rom aber wegen heftigen Widerstandes vor allem von Seiten etlicher Theologen in Spanien, darunter auch Jesuiten,  zurückziehen. Sie wussten nämlich aus eigenem Erleben, dass Maciel eine „problematische Figur“ ist. Aber das entsprechende ablehnende Schreiben aus dem Vatikan erreichte den mexikanischen Bischof erst, nachdem er – zwei Tage vor Empfang dieses Briefes! – die offizielle bischöfliche Errichtung und Approbation des Ordens auf Diözesanebene schon vollzogen hatte. Beobachter meinen, Maciel hätte sich die Anerkennung seines Ordens erschlichen. Andere fragen sich, warum in Rom niemand darauf gedrungen hat, die bischöfliche Anerkennung des Ordens wieder rückgängig zu machen.

So mächtig wie das Opus Dei

Maciel baute den Orden zunächst in Mexiko auf, immer darauf bedacht, exklusive Privatschulen für die ökonomische Elite zu errichten. In diesen Kreisen suchte er auch mit viel Erfolg Nachwuchs für seinen Orden. In Rom eröffnete er schon 1950 sein erstes Haus. Seinem Orden wurde 1958 die Leitung der mexikanischen Kirche „Unsere liebe Frau von Guadelupe“ “ anvertraut, ein Hinweis darauf, wie der Orden sehr früh schon in Rom etabliert war. 1965 wurden die Legionäre Christi eine „Kongregation päpstlichen Rechts“. Aber erst 1983 hatte Papst Johannes Paul II. die Statuten des Ordens endgültig approbiert. Darin mussten sich die Mitglieder (seit Gründung des Ordens) verpflichten, nichts Negatives über den Orden nach außen dringen zu lassen. Dieses vom Gründer so genannte „Gelübde der Liebe“  wurde als Verpflichtung zum Schweigen genannt. Maciel redete seinen Leuten ein, dieses Sondergelübde sei Ausdruck des Willens Christi. Von zahlreichen Spendern unterstützt, konnten die Legionäre zusammen mit den ebenfalls eher wohlhabenden Laien aus dem „Regnum Christi“ im Laufe der Jahre ein weites Netz von Schulen auch außerhalb Mexiko aufbauen, wie in Chile, Spanien, Irland, den USA. Sie alle sind für die so genannte politische und ökonomische Elite bestimmt. Die us- amerikanische Website der Legionäre bezifferte Ende 2008 die Anzahl der Priester in der „Legion“ auf 800. Die Zahl der Seminaristen in Vorbereitung auf das Priestertum soll 2.600 betragen. Der Orden ist heute in 22 Ländern tätig, er leitet 15 Universitäten, 50 Hochschulen, 176 Grund und Mittelschulen mit insgesamt  132.000 Studenten. Mit seinen Massenmedien (Fernsehen, Zeitschriften, Internet, Zenit, eine internationale Presseagentur in Rom) erreicht er  3 Millionen Menschen.

Theologisch gehören die Legionäre eindeutig zu den ultra- konservativen Kreisen, sie gehören zu den erklärten Gegnern der Befreiungstheologie und propagieren eher eine „Theologie des Wohlstands“. In Deutschland zum Beispiel nehmen sie nicht an den von den eher progressiven Laien organisierten Katholikentagen teil, sondern an den reaktionären Treffen des „Forums deutscher Katholiken“, an denen übrigens auch Kardinal Ratzinger teilgenommen hat. In Spanien sind sie eng mit dem konservativen „Partido Popular“ (PP) verbunden, sie sind dort immer in Massen zur Stelle, wenn diese Partei zusammen mit der Bischofskonferenz Protestdemonstrationen gegen die sozialistische Regierung, vor allem gegen deren Gleichberechtigung homosexueller  Paare veranstaltet.

Pädophile Verbrechen werden öffentlich beschrieben

Die Öffentlichkeit erfuhr erst 1997 etwas vom wahren Gesicht dieses nach außen hin so missionarisch – rührigen Paters Maciel. Im November 1997 veröffentlichten 8 ehemalige Mitglieder des Ordens einen Offenen Brief, den sie dem Vatikan zusandten (7). Sie legten im Detail dar, dass sie als Jugendliche und als junge Ordensmänner von Pater Maciel sexuell missbraucht wurden. Weil sie unter diesem Verbrechen seelisch gelitten hatten und es aus Scham nicht wagten, früher an die Öffentlichkeit zu treten, hätten sie sich erst 1997 zu diesem Schritt in die Öffentlichkeit entschlossen. Später meldeten sich weitere ehemalige Legionäre als Opfer pädophiler Verbrechen Maciels. Einige berichteten in eher schockierenden Details,  wie etwa Pater Maciel eine urologische Krankheit vorgab, die nur durch die Sexualität mit den Knaben geheilt werden könnte. Und immer wurden sie nach vollzogener Tat instruiert, dass für sie das Gelübde der Geheimhaltung natürlich absolut gelte. Auch hätten sie von ihm in der Beichte die Lossprechung für die Sünde erhalten, ein Befund, der im geltenden Kirchenrecht die sofortige Exkommunikation nach sich zieht. Aber in Legionärs Kreisen wurde und wird darüber geschwiegen. Aber die Zeugnisse der Ex – Legionäre waren seitdem in der gesamten Spanisch sprechenden Welt sowie in den USA oder in Irland bekannt. In den USA wurde eine eigene DVD (»Vows of Silence«) zu dem Thema produziert, außerdem gibt es eigene Foren und Internetauftritte der Opfer wie www.exlc.org oder www.exlcesp.com.

Selbstverständlich wusste auch der Vatikan davon! Die Akten wurden schließlich von den römischen Behörden gelesen. Formal wurde eine Verteidigerin der Kläger ernannt, die Kirchenrechtlerin Martha Wegan.  Aber von päpstlicher Seite wurde nichts gegen den Generaldirektor unternommen. Maciel verteidigte sich damit, dass es sich um bösartige Verleumdungen handle und dass er nun wie Jesus Christus als ungerecht Verfolgter eben leiden müsse…

Drogenabhängig

Der Vatikan hatte in den neunziger Jahren offenbar verdrängt, dass es Mitte der fünfziger Jahre schon einmal eine Affäre Maciel gab. Damals wurde er als Generaldirektor auf päpstlichen Befehl hin seiner Funktionen entbunden und ins spanische Exil geschickt. Von einigen kritischen jungen Legionären wurde 1955 die Römische Kongregation für die Ordensleute dringend aufgefordert, die Qualitäten Maciels und die sittlichen Zustände im Orden zu untersuchen. Denn die Drogenabhängigkeit ihres Generaldirektors war den Ordensmitgliedern nicht verborgen geblieben. Felix Alarcon, auch er wurde von Maciel missbraucht, erklärte noch im August 2009 im Chilenischen Fernsehen, dass sich sein Generaldirektor regelmäßig Morphin Derivate spritzte, vor allem Pethidin, ein vollsynthetisches Opioid. Im Frühjahr 1956 befand sich Maciel zur Entgiftung in der römischen Klinik Salvator Mundi.

Auch 5 Bischöfe Mexikos wandten sich Ende August 1956 an Rom und beklagten, Maciel würde die Sodomie mit jungen Ordensangehörigen praktizieren. Seit der Zeit wurde eigentlich schon über die Päderastie des obersten Legionärs nach Rom berichtet!

1956 visitierte der damalige Generalobere der Unbeschuhten Karmeliten, Anastasio Ballestrero,  die Legionäre Christi. Seine Arbeit wurde vor allem behindert durch das so genannte „Gelübde der Liebe“, das alle Mitglieder verpflichtet, nichts Negatives über die Ordensleitung nach außen dringen zu lassen. Als Ergebnis seiner Untersuchungen wünschte Ballestrero die Ernennung eines neuen Generaloberen „von außen“, also eines Nicht- Legionärs,  sowie für allem die Abschaffung des „Schweigegelübdes“. Aber 50 Jahre konnte dieses an die Mafia Methoden erinnernde Gelübde (8) fortbestehen; erst im Jahr 2007 wurde es von Benedikt XVI. in aller Stille abgeschafft . Maciel verteidigte sich wie immer: Die gegen ihn geführte Kampagne als Verleumdung.

Aber die Forderungen Ballestreros wurden nicht nur nicht respektiert, es kam sogar zu einer erneuten Visitation des Ordens: Offenbar hatten befreundete Kardinäle in Rom, wie Micara, Pizzardo, Cicognani, Piazza und Tedeschini  sich für den Orden und für Maciel eingesetzt (9). Diese zweite Untersuchung, unter dem römischen Prälaten Alfredo Bontempi und dem Franziskaner Polidoro van Vlierberghe verlief äußerst positiv für den Orden. Die Frömmigkeit der Legionäre wurde gelobt, hervorgehoben wurde die Tatsache, dass sie die  Bücher progressiver Theologen, wie Congar oder de Lubac,  nicht lesen usw.

1962 wurde ihm offiziell mitgeteilt, dass es vom Vatikan aus keine Maßnahmen gegen ihn geben werde, seit 1959 war er ohnehin wieder offizieller Generaldirektor der Legionäre Christi.

Ein enger Freund des Papstes

Seine Blütezeit erlebte der Orden unter Johannes Paul II: Die Liste der freundschaftlichen Verbindungen ist lang:

1991 wurde Maciel Mitglied der Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode über die Priesterausbildung in der gegenwärtigen Situation.

Im selben Jahr wurde er Mitglied der Kommission für die gerechte Verteilung des Klerus.

1992 wurde er Mitglied der IV. Allgemeinen Konferenz der Bischöfe Lateinamerikas in Santo Domingo.

1993 wurde er Mitglied der Bischofssynode über das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt.

1994 wurde er zum ständigen Berater der Kongregation für den Klerus ernannt.

1997 wurde er Mitglied der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika (10). Über die theologische Kompetenz Maciels gibt es keine Zweifel: „ Er hatte eine ärmliche theologische Bildung“, schreibt einer der besten Kenner der Legionäre, der Sozialwissenschaftler Professor Fernando M. González, Mexiko (11).  Wer die Bücher Maciels liest, wird von der absoluten Schlichtheit seines theologischen Denkens überzeugt (12).

Wie die Legionäre auf die Kirche Einfluß nehmen

Die Zuneigung Papst Johannes Paul II. für Maciel und seine Legion hatte sicher mehrere Gründe: Sein Orden hatte stetig viele Priesterweihen, die auch in Rom als „Massenereignis“ zelebriert wurden.  Zudem zeigten sich die Legionäre ausschließlich im schwarzen Talar und dachten ausdrücklich „im Gleichschritt mit der Kirche“, wie Maciel sagte, d.h. mit  der Hierarchie. Auch aus diesem Grund beauftragte Johannes Paul II. Maciel, seine päpstlichen „Pastoralreisen“ nach Mexiko vorzubereiten und zu gestalten. Der Papst gestattete dem Orden den Aufbau der eigenen Universität „Regina Apostolorum“ in Rom, die noch vor kurzem durch Kurse für Exorzisten von sich reden machte. Er überließ dem Orden die Leitung eines Priesterseminars in Rom, in dem Weltpriester aus allen Kontinenten während ihrer Studien wohnen können. Er überließ den Legionären die Leitung des monumentalen „Instituts Notre Dame“ in Jerusalem (das kürzlich noch Papst Benedikt XVI. während seiner Reise nach Israel besuchte). Johannes Paul II. förderte die vatikantreue Legionärs Presseagentur Zenit usw. Auf diese massive Unterstützung von päpstlicher Seite hat der damalige Kardinal Joseph Ratzinger eine entscheidende Antwort gegeben, als er einem der Missbrauchsopfer sagte: „Ich kann in Ihrem Fall nichts tun, denn P. Maciel ist ein persönlicher Freund des Papstes, er hat ihm auch viel Vermögen gegeben“.  (13) Kardinal Ratzinger hat über Jahre verhindert, dass der „Fall Maciel“ kritisch und öffentlich diskutiert wurde…

Die Moral des Papstes: Über die Fehler anderer schweigend hinwegsehen

Auch Johannes Paul II. hat das Gelübde der Geheimhaltung bei den Legionären selbstverständlich gekannt und sogar öffentlich gelobt, als er am 4. Januar 2001 bei einer Audienz eigens für die Legionäre unter anderem sagte: „Ihr wolltet die Herausforderung des Evangeliums in Angriff nehmen, indem ihr die besondere Betonung auf die brüderliche Herzlichkeit eurer zwischenmenschlichen Beziehungen legt und den Geist der Nächstenliebe in euren Gedanken und Werken pflegt. Dabei seht ihr schweigend über die Fehler der anderen hinweg und stellt vielmehr deren positive und nützliche Taten heraus. Möge euch der Herr diese Geisteshaltung bewahren…“

Die Verbundenheit des Papstes mit Maciel war so umfassend, dass es Johannes Paul II. noch am 30. November 2004, also bereits sehr schwer erkrankt, sich nicht nehmen ließ, zusammen mit dem Legionärs Förderer, Kardinal Sodano, noch einmal die Legionäre mit ihrem Generaldirektor zu empfangen, um mit ihnen den Jubeltag des 60. Jahrestages der Priesterweihe dieses „vorbildlichen“ Priesters zu feiern. Der Papst sagte: „Ein herzlicher Gruß geht vor allem an den lieben Pater Maciel, dem ich meine besten Wünsche für einen von den Gaben des Heiligen Geistes erfüllten priesterlichen Dienst ausspreche. Außerdem grüße ich die Oberen des Instituts Legionäre Christi…Der freudige Anlass, der euch alle hier um den Gründer versammelt sieht, lädt ein, jener Gaben zu gedenken, die er in den 60 Jahren seines priesterlichen Dienstes vom Herrn empfangen hat, und bietet zugleich die Gelegenheit, jene Verpflichtungen zu bekräftigen, die ihr als Legionäre Christi im Dienst am Evangelium übernommen habt…“.

Die Verbrechen werden nicht juristisch verfolgt

Aber der öffentliche Ruf Maciels hatte in der Zeit derart gelitten, dass Kardinal Ratzinger im Januar 2005 nicht mehr umhin kam, persönlich eine Untersuchung der zur Pädophilie des Generaldirektors zu veranlassen. Mit der Recherche wurde Msgr. Charles Scicluna (Rom) beauftragt. Dessen Recherchen waren offenbar so erschütternd gewesen, dass sich Joseph Ratzinger, gerade Papst geworden, genötigt sah, am 26. Mai 2006 Maciel den völligen Rückzug aus der Öffentlichkeit zu befehlen. In der üblichen vatikanischen Diplomatensprache war die Rede davon, Benedikt XVI. hätte Maciel , so wörtlich, „gebeten“  ein Leben der Buße und des Gebetes zu führen. Von den pädophilen Verbrechen war von päpstlicher Seite keine Rede, von den Opfern wurde nicht gesprochen, die Affäre Maciel sollte ohne jegliche juristische Klärung ausgelöscht und vergessen werden. Ein Jahr zuvor, 2005, hatte Maciel seinen Posten als Generaldirektor aufgegeben, Altersgründe wurden vorgeschoben…Inzwischen hatten einige Bischöfe in den USA den Legionären Christi und dem Regnum Christi jede Aktivität in ihren Diözesen verboten. Schon im Oktober 2004 entschloss sich z.B. der Erzbischof von Saint Paul und Minneapolis, Harry J. Flynn, zu dem Schritt. Als Begründung sagte er: „Die Legionäre bauen eine Parallel-Kirche auf und entfernen somit die Gläubigen von ihren Gemeinden“.

Alles im Schweigen übergehen

Am 30. Januar 2008 ist Maciel nicht am Ort seiner „Buße“, also in Rom, sondern in den USA gestorben. Bestattet wurde er in seinem mexikanischen Heimatdorf, wo man ihm zu Ehren schon früher eine Art „Heiligtum“ errichtet hatte. Prominente Kirchenführer aus Mexiko oder aus Rom waren bei der Bestattung nicht dabei! Der Vatikan war offenbar froh, dass Maciel fern von Rom begraben wurde. Bei einem Begräbnis in Rom hätte der Papst noch eine offizielle Delegation senden müssen, und das wäre höchst peinlich gewesen. So steht das für Maciel vorbereitete Mausoleum in Rom also leer. Das Leben eines Mannes, der von den Seinen wie ein Heiliger verehrt wurde, endete im völligen Abseits.

Sexuell vielseitig – um des Geldes willen

Aber die Affäre Maciel, die eine Affäre der Legionäre ist, erhält nach dem Tod eine neue Dimension: Am 4. Februar 2009 hatte die New York Times berichtet, eine junge Frau hätte öffentlich gestanden, die Tochter Maciels zu sein. Die Mutter der Tochter mit dem Namen Linda meldete sich. Diese einstige Geliebte heißt Norma Hilda Banos, sie stammt aus Acapulco, Mexiko. Beide Frauen wohnen in einem Luxuappartment, das ihnen der Vater, Pater Maciel, in Madrid gekauft hatte. Die Tochter hätte sich offenbar gemeldet, um Anteil an der Erbschaft ihres äußerst vermögenden Vaters zu erhalten, hieß es. Noch wird darüber gestritten, ob der Orden rechtlich verpflichtet ist, die Erbschaft ihres einstigen Generaldirektors zu verteilen. Inzwischen haben sich drei weitere Kinder Maciels in Mexiko gemeldet, so berichtet ihr Rechtsanwalt Jose Bonilla Sada. Die Erben wollen ihren Anteil! Tatsache ist, dass der Orden mit seinen 800 Priestern weltweit über äußerst erhebliche Geldmittel verfügt. José Barba, als ehemaliger Legionär ein Insider, schätzt den Jahreshaushalt des Ordens auf mehr als 500 Millionen Euros, praktisch das Dreifache das Haushalts des Vatikans. Das gesamte Vermögen des Ordens beziffert es auf mehr als 20 Milliarden Euro, aber dies seien Schätzungen, weil ja auch über das Vermögen dieses Ordens, Geheimhaltung besteht.(14) Dieser unermessliche Reichtum ist Resultat einer langjährigen Verbundenheit mit den ökonomischen „Eliten“ in Mexiko, Spanien, Chile usw. Es ist bekannt, das  der mexikanische Multimillionär Carlos Slim, einer der reichsten Männer der Welt, ein alter Freund der Legionäre ist. Er war kürzlich eigens nach Chile gereist, um einer Konferenz der Legionäre teilzunehmen (15). Andererseits ist es kein Geheimnis, dass sich Maciel sehr viel Geld von seinen zahlreichen wohlhabenden Liebhaberinnen schenken ließ: Namentlich bekannt sind:  Talita Reyes, Pachita Pérez, Dolores Barroso, Josefita Pérez und Flora Garza Barragán, sie ist eine bekannte wohlhabende Dame aus Mexiko. Von ihr berichtet deren Tochter Flora in der Zeitschrift „Proceso”, Mexiko: „Seit ihrer Bekanntschaft mit Maciel, dem sie blind vertraute,  gab meine Mutter ihm 50 Millionen Dollar. Bis zu ihrem Tod dachte sie an ihn, sie bat ihn, dass er sie wenigstens anrufe, aber das hat er dann niemals mehr getan“. (16) Diese Aussagen werden jetzt vom Neffen Maciels, Alejandro Espinosa, selbst ehemaliger Legionär, bestätigt. „Maciels  Reichtum ist unermesslich, sagte er. „Er hat auch für mich Geld auf einem Konto in New York angelegt, er hat auch seine acht Brüder reich gemacht. Im übrigen war die Sexualität, die Fähigkeit zur sexuellen Verführung die Passion meines Onkels“ (17).

Sollen die Legionäre weiter bestehen?

In den USA haben in den Wochen nach Bekanntwerden der Vaterschaft Maciels einige Legionäre den Orden verlassen. Die anderen Mitglieder tun so, als hätten sie nie „etwas“ gewusst, andere beklagen die Sünden ihres Gründers, lassen aber durchblicken, dass sein Werk fortgeführt werden muss: „Denn die Leistungen seien doch bedeutend“. Ob die Anmeldungen zu den Eliteschulen der Legionäre nun zurückgehen, bleibt abzuwarten,  genauso, ob sich die Reichen als Förderer zurückziehen. Offiziell wollen sich die Legionäre von ihrem einst wie einen heiligen verehrten Vater distanzieren: Sie haben in ihren Internetauftritten die Hinweise auf Maciel auf ein Minimum reduziert. Und die üblichen Bilder des Gründers, die einst jedes Legionärs-Haus zierten, wurden kommentarlos abgehängt. Manche Beobachter in Mexiko fühlten sich dabei an Machtwechsel in der Sowjetunion erinnert. Ob man so schnell diese „Kriminal – Geschichte“   voller Korruption und Verbrechen zu einem Abschluss bringen kann, ist freilich die Frage. Noch wichtiger ist die Frage, ob die 5 Visitatoren alle Schandtaten tatsächlich erkennen und diese auch der Öffentlichkeit zugänglich machen. Kardinal Franc Rodé, Präfekt der vatikanischen Kongregation für die Ordensleute, gilt jedenfalls als enger Freund des umstrittenen Ordens. Beobachter meinen, die Rom gefällige Lösung der „Affäre Maciel“ besteht darin: Den armen Sünder Pater Maciel zu bedauern, aber sein Werk zu loben und sich weiterhin an dem reichen finanziellen Schatz des Ordens zu erfreuen.

Konservative Katholiken in den USA sehen allein schon wegen dieses intimen Verflechtung Johannes Paul II. mit Maciel die Notwendigkeit, ganz neu über eine mögliche Selig- und Heiligsprechung des polnischen Papstes nachzudenken (6).

Literaturhinweise:

Torres Robles, Alfonso, „La prodigiosa aventura de los Legionarios de Cristo“, 2001, Ed. Foca, Madrid.

Fernando M. González, „Marcial Maciel“, Ed. Tusquets, 2006

-ders. „La iglesia del silencio“, Ed. Tusquets, 2009

Fernando M. Gonzalez, „La iglesia del Silencio“, De martires y pederastas, Tusquets Editores Mexico, 2009.

„El circulo del Poder y la espiral del silencio“. Ed. Salvador Guerrero Chiprés et alii. Ed. Grijalbo, Mexiko 2004.

Jason Berry, „Vows of Silence“. With Gerald Renner, Free Press, New York, 2004.

Jose Martinez de Velasco, „Los documentos secretos  de los Legionarios de Cristo“. Editiones B. Barcelona, Bogota, Bues Aires, 2004.

Marcial Maciel, „Mi vida es Cristo“. Planeta Editicion, Barcelona 2003.

Angeles Conde, David J.P. Murray, „Fundacion“. Historia y actualidad de Legion de Cristo. Planeta Editcion,  2005.

Fußnoten zum Beitrag über die Legionäre Christi von Christian Modehn

1) Es handelt sich um fünf Bischöfe:

-Msgr. Ricardo Watty Urquidi, M.Sp.S., Bischof von Tepic (Mexiko). Er untersuchte die Legionäre in Mexiko, wo der Orden sehr viel Einfluß hat, und in Zentralamerika.

-Msgr. Charles Joseph Chaput, O.F.M. Cap., Erzbischof von Denver (USA), er untersuchte die Legionäre in den USA und Kanada.

-Msgr. Giuseppe Versaldi, Bischof von Alessandria (Italien), er untersuchte die Legionäre in Italien, Israel, Korea und auf den Philippinen.

-Msgr. Ricardo Ezzati Andrello, S.D.B., Erzbischof von Concepción (Chile), er untersuchte die Legionäre in Südamerika.

-Msgr. Ricardo Blázquez Pérez, Bischof von Bilbao (Spanien), er untersuchte die Legionäre in Europa (mit Ausnahme von Italien).

2) Bezüglich der Mitgliederzahlen des Regnum Christi schwanken die Angaben. Die Legionäre selbst nennen am 5. Febr 2009 die Zahl 50.000, andere Quellen nennen höhere Zahlen.

3) New York Times, 4. Februar 2009.

4) Chilenisches Fernsehen am 18.8.2009, Nach einem Bericht der Zeitung La Tercera, Santiago, 19. August 2009.

5) Maciel war nicht der einzige Legionär, den man pädophiler Handlungen anklagte. Einige Jugendliche haben von ihrem Missbrauch gesprochen, in Mexiko gab es Vorfälle in den Schulen Cumbres (1970), Ceica (1983) und Cumbres de Cancun (1991) Siehe: Luis Pablo Beauregard in: http://www.soitu.es/soitu/2009/08/11/actualidad/1249988409_011150.html

6) siehe: Renew America,  August 2009, Eric Giunta.

7) Im November 1997 veröffentlicht, wurde dieser Brief  unterschrieben von:

* Félix Alarcón Hoyos, Priester in den USA

* José de J. Barba Martín,Professor am Instituto Tecnológico Autónomo de México;

* Saúl Barrales Arellano, Professor an einem katholischen Kolleg

* Alejandro Espinosa Alcalá, Unternehmer

* Arturo Jurado Guzmán,  Professor an der Escuela de Lenguas del Departamento de Defensa de Estados Unidos;

* Fernando Pérez Olvera, Chemiker

* José Antonio Pérez Olvera, Rechtsanwalt.

* Juan José Vaca Rodríguez, laisierter Priester, enger Mitarbeiter Maciels während 30 Jahren und ehemaliger Leiter der Legionäre in den USA.

Quelle: http://www.mexiko-lexikon.de/mexiko/index.php?title=Marcial_Maciel_Degolla

8) Zum Missbrauch des Beichtgeheimnisses („absolutio complicis“) durch Maciel verweist der Kenner der Legionäre Fernando M. Gonzalez, auf den ähnlichen Umgang der Mafia mit dem Beichten, am Beispiel des Sizilianers Bernardo Provenzano, in „La iglesia del silencio“, dort S. 232. Siehe Literaturliste am Ende des Beitrags.

9) Auf dieses römische „Netzwerk“ weist Angeles Conde hin in seinem Buch „Die Gründung“, Geschichte und Gegenwart der Legionäre Christi, Wien 2006, S 264. Dieses Buch ist wohl die zeitlich letzte Hagiographie, die über Maciel veröffentlich wurde.

10) dokumentiert in: http://www.mexiko-lexikon.de/mexiko/index.php?title=Marcial_Maciel_Degollado

11) in: „La iglesia de silencio“, op.cit. S 236.

12) Nur ein typisches Zitat aus den „theogischen“  Arbeiten Maciels: „Wahre Freude bestehe nicht, wie vielfach irrtümlich angenommen, in Geld, Genuss oder Macht, sondern darin, dass wir einen einfachen und authentischen Glauben leben. Wer Gott aufnimmt, wer ihn liebt, ihm nachfolgt, ihn nachahmt, der verwirklicht das „innerste Verlangen seines Daseins, der findet den Ort der Glückseligkeit, des Friedens, der inneren Ruhe. So Maciel in seinem Buch: „Es ist wirklich sehr einfach glücklich zu sein“, 2008 erschienen in dem Verlag „Center for Integral Formation“.

Im Verlag der Catholic Media erschienen von Maciel u.a. „Christus ist mein Leben“ und „Priester für das dritte Jahrtausend“. Ausgerechnet Maciel äußerte sich darin auf 287 Seiten zur „Ganzheitlichen Priesterausbildung“. Vgl. Zenit vom 13. Juni 2008.

13) Auch der laisierte Priester Alberto Athié berichtet von Kardinal Ratzinger, der auf die Frage antwortete, warum er nicht die Anklagen der Missbrauchsopfer ernst nehme: „Dies wäre nicht klug, denn Pater Maciel ist eine vom Papst Johannes Paul II. sehr geliebte Person“.

In: „El Circulo del Poder“, S. 92. siehe Literaturliste am Ende des Beitrags.

14) Zum Reichtum der Legionäre: http://www.redescristianas.net/2009/08/15/la-hija-del-pecador-legionario-de-cristoidoia-sotajose-manuel-vidal

15) siehe: El Mercurio, Santiago de Chile, sábado 19 de septiembre de 2009

16) siehe:

http://institutointerglobal.org/catolicismo/1254-marcial-maciel-degollado-y-los-legionarios-de-cristo-iun-hombre-de-dios

17)siehe: http://www.redescristianas.net/2009/09/23/guerra-por-la-herencia-de-maciel-el-estremecedor-testimonio-de-su-sobrino-alejandro-espinosa/

COPYRIGHT: christian modehn religionsphilosophischer-salon.de

Beiträge von Christian Modehn in der Zeitschrift Orientierung, Zürich.

Meine Beiträge, etwa über die Neue Rechte in Frankreich (1982), in der Zeitschrift Orientierung, Zürich, sind erreichbar unter:
http://www.orientierung.ch/page.asp?DH=30&t1=Christian&t2=Modehn
Die Zeitschrift ORIENTIERUNG wurde leider eingestellt. Aber im Internet sind die Beiträge dieser wichtigen Zeitschrift noch ereichbar.
Meine Artikel im einzelnen:

KIRCHE Nr. 3 15. Februar 1983
Guy-Marie Riobé (1911-1978): Zu einer Veröffentlichung von J. S. Six – Biographie mit reichhaltiger Dokumentation – Ein traditioneller Christ wird Bischof – Öffentlicher Fürsprecher für Kriegs- und Atomtestgegner – Im gesellschaftlich-politischen Konflikt Berufung zum Bischof neu entdeckt – Die politisch-soziale Dimension des Amtes – Im Zweifel für die Freiheit des Evangeliums – «Mystik des Ereignisses» – Priester- und Amtsfrage in der Kirche – Isoliert von seinen bischöflichen Kollegen.
Christian Modehn, Berlin

IDEOLOGIE Nr. 11 15. Juni 1982
Die neue Rechte – europäisches Phänomen (2):: Nominalistischer Wirklichkeitsbegriff und zyklisches Geschichtsverständnis – Herren-Moral bestimmt über Gut und Böse – Lob des Polytheismus gegen den jüdisch-christlichen Monotheismus – Wider die Sprengkraft der politisch umgesetzten Gleichheitsforderung – Christentum nur als Ordnungsmacht akzeptierbar – Forderung nach einem «unversehrten» Europa – Mögliche politische Wirkung der Neuen Rechten: sie bietet einem repressiven Staat Legitimationssprache an.
Christian Modehn, Berlin

IDEOLOGIE Nr. 10 31. Mai 1982
Die Neue Rechte – europäisches Phänomen (1): Gruppierungen, Zeitschriften und Autoren – «Deutsche Seelentiefe» neuentdeckt in Paris – A. de Benoist als wichtigster Propagandist – Nach rückwärts gewandte Kulturkritik – Gefährlicher Denkfehler: Gleichsetzung von «verschiedenen» und «ungleich» – Sozialbiologisch verpacktes Plädoyer für Renaissance von Führern und Eliten – Hierarchie im Tirereich abgstützt.
Christian Modehn, Berlin

PASTORAL Nr. 2 31. Januar 1979
Carl Sonnenschein (1876-1929): Berliner Großstadt-Seelsorger in den «zwanziger Jahren» – Lehrjahre in Wuppertal/Elberfeld und Arbeit beim Katholischen Volksverein in Mönchengladbach – Für die Entklerikalisierung der christlichen Gewerkschaften – Antwort auf die Herausforderungen der Großstadt und ihrer sozialen Probleme – Engagement in der Publizistik – Kirche und deren Klassenbindung als Anfrage an kirchliches Handeln.
Christian Modehn, Berlin

KLÖSTER Nr. 18 30. September 1978
Neue und alte Kommunitäten in Paris: Eine Ordensgründung eigener Art: die «Neue Mönche» in St. Gervais –Oasen der Kontemplation auch bei Benediktinern, Klarissen und Vistitantinnen – «Au curé» gegenüber dem Moulin Rouge – «Gemeinschaft der Hoffnung» – Das Vorbild der Dominikanerinen. Le Saulchoir: Theologie für die Stadt.
Christian Modehn, Berlin

GEMEINDE Nr. 17 15. September 1978
Experimente in Paris: Neue Formen pastoraler Präsenz in der Metropole – Die «offene Kirche» von St. Séverin: Abendkonferenz und Gespräche für jedermann – St. Merri beim Centre Pompidou: Kunstausstellungen und Kirchenmusik – St. Louis d’Antin: Elf Eucharistiefeiern in Bahnhofnähe – Experimente von Laienverantwortung in der Gemeindeleitung.
Christian Modehn, Berlin

THEOLOGIE Nr. 12 30. Juni 1973
Theologie der Befreiung im Gespräch: Südamerikanische Theologie gewinnt in Europa Interesse – Hoffnung nach der Überwindung falscher Gegensätze – Ist die europäische Theologie kapitalistisch? – Die Mühe des Verstehens – Das Ungenügen der Theorie.
Christian Modehn, St. Augustin

Benedikt XVI. und die Hierarchie

Die Pyramide des lieben Gottes

Über die Macht und das System in der römischen Kirche

Von Christian Modehn

Dieser Text entspricht weitgehend der WDR Sendung:

Lebenszeichen vom 1. 11. 2009

1.O TON, 0 10“, Pesch

Egal, wie man das Wort Hierarchie versteht: Herrschaft kann und darf es nicht bedeuten. Wenn es das tut, ist es Missverständnis und Missbrauch.

Sprecher:

Otto Hermann Pesch, katholischer Theologe in München, plädiert für menschenfreundliche Strukturen in der römischen Kirche:

2. O TON, 0 14“, Pesch

Dass die Fakten oft anders sind, muss in diesem Sinne also dann als Defekt bezeichnet werden, als ein Missbrauch, der geändert werden muss.

Sprecher:

„Ändern“ wollten Papst und Bischöfe ihren Umgang mit der Macht tatsächlich schon einmal: Vor fast 50 Jahren, beim Zweiten Vatikanischen Konzil, verpflichteten sich die „Oberhirten“, ihre Vorherrschaft zu begrenzen.

3. O TON, 0 21“, Pesch

Wenn sich eins im Vergleich zur Zeit vor dem Konzil bleibend im Bewusstsein der katholischen Gläubigen festgesetzt hat, dann ist es das Bewusstsein: Wir sind die Kirche. Und nicht wie früher: Wir haben an ihr Teil, während die Kirche die Hierarchie eben ist. Wir sind die Kirche!

Sprecher:

Worte, auf die sich Kirchenreformer bis heute wie auf eine göttliche Utopie berufen. Unmittelbar nach dem Konzil wurden zahlreiche Landessynoden und Beratungen in den Bistümern veranstaltet. Dort versammelte sich das „Volk Gottes“  im Geist der Gleichheit und Brüderlichkeit. Den Weg der Kirche mitzubestimmen, sollte kein frommer Wunschtraum der Laien bleiben.

4. O TON,  0 15“, Pesch

Auf der anderen Seite fällt auf, dass man aus Furcht vor Demokratisierung der Kirche mit dem Volk-Gottes-Begriff in den lehramtlichen Äußerungen nach dem Konzil sehr zurückhaltend geworden ist.

Sprecher:

Das Prädikat „zurückhaltend“ findet Otto Hermann Pesch dann doch zu beschönigend.  Er entschließt sich, deutlicher zu werden:

5. O TON, 0 17“, Pesch

Manche sprechen ja regelrecht schon von einer Art roll back hinter das Konzil zurück., Man fürchtet, dass doch wieder daran gearbeitet wird, faktisch doch wieder die alten Überordnungs-  und Unterordnungsverhältnisse, oder wenn sie wollen, Herrschaftsverhältnisse wiederherzustellen.

Sprecher:

Die Hoffnungen auf eine möglichst herrschaftsfreie Kirche ließen sich nicht verwirklichen. Kritische Theologen wissen spätestens seit dem Regierungsantritt Benedikts des XVI: Papst und Bischöfe bevorzugen wieder verstärkt uralte Modelle geistlicher Herrschaft. Professor Otto Hermann Pesch:

6. O TON, 0 37“ , Pesch

Der Ausdruck Hierarchie für die kirchliche Ämterverfassung kommt zum ersten Mal auf im 5. und 6. Jahrhundert im Zusammenhang mit einem berühmten Buch eines Verfassers namens Dionysius vom Areopag. Und der hat ein Buch geschrieben über die himmlische Hierarchie, und das bedeutet die Abstufung, der Stufenweg, von Gott zur Schöpfung und der Stufenweg von Gott zu den Menschen. Und dieser Hierarchie, der himmlischen Hierarchie, muss auch die kirchliche Hierarchie entsprechen. Das heißt, auch da muss es dann auch die Abstufungen geben.

Sprecher:

So gibt es also auch seit dem 4. Jahrhundert eine regierende Spitze und eine gehorsame Basis. Dieses Modell ist nicht von Weisungen des Evangeliums inspiriert, sondern vom Meisterdenker Platon aus dem 3. Jahrhundert vor Christus. Der Kopf als „Ort“ des Geistes sei wichtiger als der übrige Körper, meinte der griechische Philosoph, und so seien auch die führenden Häupter wichtiger als der Leib mit seinen niederen Organen. Diese untergeordneten Glieder sind für die geweihten Amtsinhaber „natürlich“ das Volk, die „Laien“. Das griechische Wort laikós (Betonung hinten!) bedeutet ja: Zum Volk gehörig. Auch mit dem Urbild des altägyptischen Sakralbaus, der Pyramide, konnte sich das Papsttum anfreunden: An der obersten Spitze thront mit Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist der Papst, der Stellvertreter Christi auf Erden. Mit diesem eher unbescheidenen Denken hat sich der katholische Theologieprofessor Josef Imbach aus Basel befasst:

7. O TON, 0 46, Imbach

Faktisch wird das so gehandhabt, dass man von diesem pyramidalen Denken ausgehen muss. Aber theologisch hat dieses pyramidale Denken eigentlich keinen Rückhalt. Wenn wir auch die Konzilstexte in Betracht ziehen, letztes Konzil,  und natürlich auch die Anfänge der Christenheit, dann stellen wir da schon ein anderes Denken fest. Wenn wir dann zurückschauen auf die frühe Christenheit, die haben schon gestritten, aber das Communio prinzip, das war natürlich maßgebend, das Gemeinschaftsprinzip, Austausch usw. Von daher ist das pyramidale Denken theologisch gar nicht haltbar.

Sprecher:

Zeitgemäße theologische Kritik hat für viele Kirchenführer in Rom keine Bedeutung, meinen etliche Beobachter. Und mit dem Kirchenmodell des Neuen Testaments, der „brüderlichen Gemeinschaft“, wollten sie auch nicht so viel zu tun haben. Statt dessen bestimmten autoritärer Umgang, Kontrollen, Überprüfungen, Treue – Eide, Zensurbestimmungen das kirchliche Leben.

Nur ein Beispiel: Der Minoritenpater Josef Imbach, Professor an der Päpstlichen Fakultät San Bonaventura, wurde vom vatikanischen Machtapparat gemaßregelt: Auf Betreiben der römischen Glaubenskongregation unter Kardinal Joseph Ratzinger musste er im Jahr 2002 seinen Lehrstuhl aufgeben. Der Grund: Er hatte die Lehre über die von Gott gewirkten Wunder modern interpretieren wollen. Ein fairer Prozess nach demokratischen Grundsätzen wurde ihm wie so vielen anderen „verdächtigten“ Theologen nicht zugestanden. Inzwischen arbeitet der Katholik Josef Imbach an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Basel. Aber viel schwerwiegender als die eigenen Erfahrungen sei die Personalpolitik des Papstes, meint der angebliche Irrlehrer.

8. O TON, 0 24“,  Imbach

Da werden Bischöfe ernannt von Rom. Welche Personen kommen da in Frage? Personen, die von vornherein sich die römische Denkart voll und ganz zu eigen gemacht haben. Dann ist es klar, dass dann der Weltepiskopat einheitliche Positionen von vornherein vertritt, eben aufgrund dieser Auswahlkriterien.

Sprecher:

Auch die gesamte theologische Lehre und Forschung steht unter der Kontrolle der Ortsbischöfe oder des Vatikans selbst. In Deutschland dürfen nur Theologen an eine katholische Fakultät berufen werden, die die offizielle Genehmigung, das nihil obstat der Kirche haben;  eine Politik des Verdachts, die Joseph Ratzinger schon als Kardinal offiziell verteidigt hat:

9. O Ton mit Applaus 0 21“, Ratzinger

Deswegen verursachen wir manchmal mit dem nihil obstat Ärger, es zieht sich hin  usw.,  aber ich nehme diesen Ärger auf mich. Weil ich glaube, es ist wichtig, dass wir eben Ärger eben einkaufen müssen. Beifall.

Sprecher:

Fröhlichen Beifall für eine harte Linie spenden hier Mitglieder des ultra konservativen „Linzer Priesterkreises“. Ganz anders ist dem katholischen Theologen Josef Imbach zumute:

10. O TON, 0 28“, Imbach

Das ist der Tod der theologischen Forschung. Denn wer irgendwie  eine akademische Laufbahn einschlagen möchte, wird sich natürlich von vornherein hüten müssen, irgendwelche heißen Eisen auch nur anzurühren. Und so wird auch hier langfristig eben dirigiert. Und das ist natürlich katastrophal für die theologische Forschung. Es ist nicht so, dass alles gesagt wurde, was hätte gesagt werden sollen. Es ist so, dass sich niemand zu sagen traut, was zu sagen ist.

Sprecher:

Als vor zwei Jahren im brasilianischen Aparecida (sprich: Appareßida mit Betonung auf dem i!) Bischöfe aus ganz Lateinamerika behutsam die Basisgemeinden unter Führung von Laien fördern wollten, korrigierte der Vatikan vor der Veröffentlichung kurzerhand das Dokument.  Der katholische Theologe und Lateinamerika Experte Gerhard Kruip hat diesen Vorgang unmittelbar beobachtet, wie ein progressives Reformpapier „gesäubert“ wurde:

11. O TON, 0 40“  Kruip

Die Änderungen sind erfolgt aus einem großen Misstrauen heraus gegenüber kritischen Kräften innerhalb der katholischen Kirche. Die Änderungen sind geprägt von einer Haltung der Ängstlichkeit. Man betont immer wieder den hierarchischen Aspekt der Kirche! Man betont immer wieder die Kontrolle, die die Bischöfe ausüben müssen über ihre Ortskirchen, man ist insgesamt skeptisch gegenüber allem, was ein Neuaufbruch sein könnte. Wenn es vorher hieß, die Basisgemeinden sind ein Zeichen der Vitalität der lateinamerikanischen Kirche: Dann ist das nachher unter die Bedingung gestellt worden, dass die Basisgemeinden treu zur katholischen Lehre und zum jeweiligen Ortsbischof stehen.

Sprecher:

Pfarrer sind die Stellvertreter der Bischöfe in den Gemeinden und damit ebenfalls Glieder der Hierarchie. Weil aber der Mangel an Priestern immer größer wird, haben viele tausend Gemeinden keinen eigenen Pfarrer mehr. Aber anstatt kompetente Laien, Frauen und Männer, mit der Leitung der Gemeinden zu beauftragen, werden die wenigen verbliebenen Priester mit immer mehr Aufgaben belastet, berichtet der katholische Theologe Xaver Pfister aus Basel:

12. O TON, 0 30“ Pfister

wobei bei uns jetzt Pfarreien zusammengelegt werden! Da muss immer ein leitender Priester dabei sein. Wenn ein Regionaldekan in 17 Pfarreien die Pfarreiverantwortung hat, dann ist dem Buchstaben Genüge getan, aber dem Leben überhaupt nicht. In dieser Zeit ist ganz klar die Tendenz, dass der Bischof Kirche repräsentiert und jede Pfarrei vom Bischof her ihre Form hat und nicht eine Vielfalt hat.

Sprecher:

Diese Entwicklung ist in ganz Europa und auch in Amerika zu beobachten. Den autoritären Führungsstil der Kirchenleitung erleben Betroffene als heftigen Widerspruch zur Kultur ihrer Länder:

13. O TON, 0 29“, Pfister

Man hat keine Mühe damit, dass etwas entschieden wird, wenn das einmal einsichtig ist. Aber man möchte eigentlich eine Einsicht haben und ernst genommen sein als Mensch, der handelt, weil er etwas einsieht. Und der nicht handeln muss, weil es ihm etwas aufoktroyiert ist oder befohlen ist. Das ist sicher ein sehr wichtiger Aspekt, dass man demokratisch verhandeln kann und aushandeln kann, dass das so gehandhabt wird.

Sprecher:

Xaver Pfister hat unter den so wenig demokratischen Maßnahmen der kirchlichen Hierarchie über viele Jahre schwer gelitten. Als langjähriger Leiter der Pressearbeit im Bistum Basel ist er schließlich an Depressionen erkrankt, darüber hat er später in einem Buch berichtet. Wie er freimütig bekennt, hat ihn auch das Erleben kirchen-amtlicher Autorität psychisch geschädigt.

14. O TON, 0 32“, Pfister.

Ich hatte da zu wenig Rollendistanz gehabt, und ich hab mich von meinem Naturell her ganz reingegeben, und immer wieder was Neues probiert und noch mal probiert. Da kommt mal an eine Grenze. Es fehlt auch die nüchterne Bilanz: Was ist der Spielraum, was ist möglich, was ist erwartbar. Aber es gibt eine Grenze. Und jetzt beschränke ich mich darauf meine Überzeugung zu sagen.

SPR.:

Der stille Rückzug der Reformer stört die meisten „Hierarchen“ wenig. Gemeint sind mit dem Wort Machthaber in der Kirche, geweihte Männer, die die Herrschaft des Klerus über die Laien verteidigen. Wer noch katholisch sein will, soll gehorsam sein und dem „Mitarbeiter der Wahrheit“ Folge leisten! Diesen anspruchsvollen Wahlspruch hatte  sich Joseph Ratzinger als Kardinal in München ausgesucht: An seinem Motto „Mitarbeiter der Wahrheit“  hält er auch als Papst unbeirrt fest, meint der katholische Theologe Herman Häring aus Tübingen.

15. O TON, 0 40“, Häring

Nach meinem Wissen gibt es keinen Fall, also keinen Kollegen, keine Kollegin, kein betroffenes Kirchenmitglied, das vorher Sanktionen erfahren hat und bei dem, bei der er sich mal entschuldigt hätte oder was revidiert hätte. Es wurde auch nichts zurück genommen. Für ihn war katholischer Glaube von Anfang an ein autoritätsgebundener Glaube. Mich hat er immer erinnert an ein Kirchenlied, das wir als Kinder gesungen haben: Fest soll mein Taufbund immer stehen, ist der erste Vers, und der zweite: Ich will die Kirche hören. Nicht: ich will die Bibel oder Christus, sondern die Kirche. Und das war für ihn dann schon immer der Rahmen

Sprecher:

Schon als Kardinal ermunterte Joseph Ratzinger besonders „rom-treue“ Studenten, ihre möglicherweise häretischen Theologieprofessoren aufzuspüren und zu benennen. Von „Spitzeln“ wollte er bei einem Vortrag im Jahr 1990 doch lieber nicht sprechen.

16. O TON, 0 34“, Ratzinger

Mir scheint, dass also ein erster Punkt der ist, dass solche Theologiestudenten in aller Offenheit dies dem Bischof offenbaren in einer Weise, die ihm auch verständlich macht, dass es hier nicht um Denunziation oder irgendetwas geht, sondern wirklich um die Not des Gewissens und um die Verpflichtung des Glaubens, den Dienst der Kirche und die Verkündigung ihres Glaubens rein zu halten.

Sprecher:

Der „reine Glaube“  wird als ein wertvoller Schatz gedeutet, als „Glaubensdepósitum“, wie man in Rom sagt, als ein dogmatisches System, das es zu hüten und pflegen gilt:  Der katholische Theologe Hermann Häring:

17. O TON, 0 15“ , Häring

Für ihn ist der Glaube halt von Anfang an sozusagen das Glaubensdepositum gewesen. Man denkt automatisch an Fort Knox, mit Goldbarren, die drin liegen, und da ist alles, und das muss unberührt bleiben, und da kann man mal was abrufen.

Sprecher:

Was einmal als Dogma formuliert wurde, behält nach amtlicher Lehre ewige Gültigkeit. Revisionen und Korrekturen sind unerwünscht. Eines von vielen Beispielen ist die Erbsündenlehre aus dem 4. Jahrhundert, der zufolge alle Menschen schon mit der Geburt als Sünder definiert werden, für den Philosophen Herbert Schnädelbach ein eher abstoßender Gedanke:

18. O TON, 0 34“, Schnädelbach

Das geht ja vollkommen gegen den Augenschein. Also, wir haben das Glück, drei sehr niedliche Enkel zu haben Und wenn ich mir jetzt vorstelle und gucke mir die an und sehe wie die aufwachsen. Und dann zu sagen: So sind das sind geborene Sünder und die müssen erst mal getauft werden. Das ist ja eine Geschichte, die hat die Menschen Jahrhunderte tyrannisiert. Da wurden Halb- und Totgeborene noch schnell getauft, dann gab es diese Lehre von der Vorhölle für die ungetauften Kinder alle sind. In dieser ganzen Debatte wird ja klar gemacht, sie sind unfähig zum Guten. Und das ist ja  etwas, wo gegen man sich auflehnen kann.

Sprecher:

Denn ohne Taufe, also ohne die entscheidende Mitwirkung der Kirche, bleibt jeder Mensch ein unwürdiger Sünder… Zwar möchten auch Theologen diese Lehre neu interpretieren, aber diese Dogmen gar abzuschaffen, dürfen sie sich nicht erlauben. Selbst bei vorsichtigen neuen Deutungen uralter Traditionen stoßen sie in Rom keineswegs auf offene Ohren, meint Otto Hermann Pesch:

19. O TON,  0 26“ Pesch

Wenn da eine offenere Gesprächsatmosphäre wäre, auch mit dem Risiko, dass man einen Konfliktfall im Moment nicht beilegen kann, sondern darauf vertraut, dass in der öffentlichen Disputation innerhalb der Kirche sich dann die Wahrheit herausstellt, wenn solches Vertrauen mal wachsen und ein Papst auch mal sagen würde: Habt keine Angst vor dem streit in der Kirche bei einer so wichtigen Sache wie den Dingen, die christliche Glaube vertritt, ist doch natürlich, dass man darüber sich streitet, wie das richtig zu verstehen ist. Habt keine Angst, wenn es solchen Streit gibt, als ob dann der Untergang der Kirche bevorstünde, wenn so etwas mal von päpstlicher Seite aus gesagt würde, das würde Mut machen.

Sprecher:

Aber das bleibt ein frommer Wunsch. Die meisten Oberhirten halten sich lieber an die Gruppen und Zirkel treu ergebener Schäfchen. Hubert Gindert vom sehr konservativen „Forum deutscher Katholiken“ hat diese Vorliebe Roms  noch mit Kardinal Ratzinger besprechen können:

20. O TON, 0 14“  Gindert

Er hat sich einmal geäußert, ihm kommt es nicht auf die große Zahl an. Nein, ihm kommt es drauf an: Gibt es innerhalb der Volkskirche, gibt es also hier missionarische Bewegungen, missionarische Zellen.

Sprecher:

Die Kirche als kleine Herde der hundertprozentig treuen Seelen: das ist das Kirchenbild heutiger Hierarchen. Kritische Beobachter fürchten, die römische Kirche könnte sich bald dem intellektuellen Niveau einer großen Sekte nähern. Der Baseler katholische Theologe Xaver Pfister hat diese Mentalität der Behüter und Bewahrer genau beobachtet:

21. O TON 0 14“, Pfister

Wir müssen die sammeln, die noch übrig sind. Und die sollen zusammenbleiben und die sollen eine Heimat finden. Und in dieser Einseitigkeit, denke ich,  ist das wirklich der Selbstvollzug des Endes.

Sprecher:

Aber selbst vom Schwund an Gläubigen lassen sich viele Bischöfe gar nicht irritieren. Sie sind eher stolz darauf, dass noch einige Kreise der offiziellen Lehre treu ergeben sind und dies auch lautstark bekennen, wie Pater Klaus Einsle vom Orden der Legionäre Christi:

22. O TON, 0 30“ Einsle

Wir wissen, dass Christus die Kirche gegründet hat mit einer bestimmten Struktur, einer bestimmten Hierarchie und diese Hierarchie ihre Funktion hat. Und in dem Sinn haben wir ein ganz krampfloses Verhältnis und positives Verhältnis zum Papst, den Christus bewusst eingesetzt hat. Die Kirche ist für uns das Lehramt und die Bischöfe, die in Einheit mit dem Lehramt sind. Da würde ich sagen, dass unsere Denkart sehr die des Lehramtes ist.

Sprecher:

Wie das Lehramt denken und alle Glaubenssätze möglichst unverändert bewahren: Darin sieht auch die weltweite Gemeinschaft der konservativen Neokatechumenalen Gemeinschaften ihre Aufgabe, betont der Missionar Bruno Caldera:

23. O TON, 0 14“   Caldera

“Unsere Theologie ist das Katechismus der katholischen Kirche. Gott ist derjenige ist, der uns lehrt. der jenige, der  uns lehrt, der uns die Antwort gibt. Ich bin der Meinung, dass Gott da ist, um uns Antworten zu geben”.

Sprecher:

In den Kreisen der neuen geistlichen Gemeinschaften, also der  Neokatechumenalen und Legionäre, der Charismatiker und Opus Dei Mitglieder, fühlten sich konservative Amtsträger sehr wohl, betont der katholische Theologe Pfarrer Ferdinand Kerstiens aus Marl. Er hat sich als  Mitglied im „Freckenhorster Kreis“, einem Forum von Kirchenreformern, mit diesen „Bewegungen“ auseinander gesetzt.

24. O TON, , 0 17″  Kerstiens

Solche Gruppierungen sind immer bei der Hierarchie beliebt, weil sie keine Schwierigkeiten machen, weil sie keine kirchlichen Strukturen in Frage stellen, weil sie keine kirchlichen Gesetze in Frage stellen, weil Sachen wie Zölibat und Priestertum der Frau und solche Fragen bei ihnen nicht diskutiert werden.

Sprecher:

Angesichts der machtvollen Hierarchie ist die römische Kirche heute gespalten: Selbstbewusste, kritische Gläubige sehnen sich noch immer nach dem geschwisterlichen „Volk Gottes“. Ihnen steht die einflussreiche Gruppe derer gegenüber, die den Ruhm des Papsttums und der  Hierarchie wie ein Glaubensbekenntnis verstehen:

25. O TON,  0 22“, Meisner

Der Petrus von heute heißt Benedikt XVI. Sein Verkündigungsdienst ist heilsnotwendig für Kirche und Welt. Mit hoher Authentizität verkündet der Papst die rettende Kraft des Evangeliums, um dann einen überzeugenden Weg zum Heil aufzuweisen.

Sprecher:

Kardinal Joachim Meisner bei einer Messe zu Ehren des Papstes in der Berliner Sankt Hedwig – Kathedrale im April 2007:

26. O TON, 0 33“. Meisner

Papst Benedikt XVI ist es gegeben, die den Menschen heil machende Botschaft des Evangeliums in ihrer Schönheit, in ihrer Faszination und Harmonie aufzuzeigen, so dass man ihn Mozart unter den Theologen nennt.

Seine Worte klingen wie Musik in den Ohren und Herzen des Menschen. Ihm gelingt es wirklich meisterhaft, die Noten des Evangeliums in hinreißende Musik umzusetzen.

Sprecher:

Diese „hinreißende Musik“ päpstlicher Stellungnahmen enthält aber auch kritische Töne, zum Beispiel den Vorwurf: In den Staaten der westlichen Welt herrsche „der Relativismus“.

27. O TON, 0 24“, Meisner

Als Diktatur des Relativismus bezeichnet der Papst das Grundübel unserer westlichen Gesellschaften, für die es keine oberste und unveräußerlichen Wahrheit und Werte mehr gibt,  für sie ist alles gleichgültig, was die Menschen dann gegenüber der Frage nach gut und böse gleichgültig macht.

Sprecher:

Relativismus bedeutet für die modernen demokratischen Gesellschaften das Ringen verschiedener, aber gleichberechtigter  Positionen um die Wahrheit: Niemand „hat“ die Wahrheit, alle suchen sie. Relativismus und Demokratie sind untrennbar! Die Frage drängt sich auf: Ist die Ablehnung des Relativismus durch den Papst zugleich eine Zurückweisung der Demokratie?

Die Entwicklung solcher Denkmodelle findet der protestantische Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf  aus München alles andere als erstaunlich:

28. O TON, 0 37“, Graf

Es gibt keine römisch-katholische Demokratie-Theorie, in der nicht die Zustimmung zur Demokratie von Vorbehalten abhängig gemacht worden ist. Es heißt immer: die wahre Demokratie, die rechte Demokratie, nie die Demokratie als solche. Und die eigentliche Demokratie ist die Demokratie, die sich den sittlichen Einsichten, den moralischen Vorschriften des Lehramtes öffnet. Es ist jedenfalls nicht eine parlamentarische, pluralistische Parteiendemokratie, in der die Kirche in ihren Mitbestimmungsansprüchen an den Rand gerückt wird.

Sprecher:

Die römische Kirche kann zwar nicht mehr die Gesetze der Staaten bestimmen. Aber sie kann in der Gesellschaft versuchen, ihre traditionellen  Moralvorstellungen durchzusetzen, etwa zu Fragen der Schwangerschaft. Die katholische Ethik gilt den Konservativen innerhalb der Hierarchie als die letzte Bastion, die es unbedingt zu verteidigen gilt. Der Theologe Friedrich Wilhelm Graf:

29. O TON, Graf, 0 40“.

Man kann sagen, dass die Römisch-Katholische Kirche seit 200 Jahren den Prozess der Modernisierung darin kritisch begleitet, dass sie sich als eine Gegeninstitution etabliert. Deshalb hat sie die Autorität des Papstes zunehmend verstärkt im 19. Jahrhundert, deshalb hat sie immer stärker auf römischen Zentralismus gesetzt. Was wir jetzt erleben ist im Grunde genommen eine innerlich stimmige, konsequente Kirchenpolitik: Je mehr religiösen Pluralismus es gibt, desto konsequenter stellt die Römisch katholische Kirche ihre spezifischen Merkmale in den Raum. Hier RAUS GEHEN

Sprecher:

Hingegen meint der katholische Theologe Hermann Häring, Relativismus und Katholizismus seien durchaus zu versöhnen:

30. O TON, 1 03“.  Häring

Ich bin Relativist, weil ich weiß, ich hab nicht die ganze Wahrheit. Und nicht, weil ich die andere Meinung als Bedrohung, sondern als Ergänzung, als Erweiterung, als eine andere Perspektivierung meiner eigenen erfahre. Deshalb verstehe ich nicht, dass manche Leute Relativismus so schlimm finden. Jeder, der die Wahrheit in einer Organisation sieht,  der kann keine Abweichung dulden, für den ist die Wahrheit in der Sprachregelung. Das verstehe ich wohl. Aber das Problem, dass man eben meint, diese Organisation sei die Wahrheit. Ich halte bei Gott viel von der katholischen Kirche oder von den christlichen  Kirchen, aber sie sind nicht die Wahrheit, sondern sie haben sie weiter zu tragen. Es gibt ein rabbinischen Spruch, der sagt: Ein Schriftwort, das nicht 99 Auslegungen zulässt, hat die Wahrheit Gottes nicht.

Sprecher:

Aber von jüdischer Weisheit lässt sich der Vatikan nicht so häufig inspirieren… Die Vielfalt der Meinungen zu akzeptieren, könnte ja bedeuten, den demokratischen Staat nachzuahmen und demokratische Prinzipien für die Kirche selbst anzuerkennen. Tatsächlich gleicht der Vatikan eher einem spätantiken Feudalstaat. Dort vereinte der eine Herrscher alle Gewalten in seiner Person. Der Vatikan glaubt, diese Rolle habe der Papst von  Anbeginn gehabt. Aber gibt es wirklich eine ungebrochene Linie vom ersten Papst, dem Fischer Petrus vom See Genezareth, hin zu Benedikt XVI. in seinem Palast?  Der katholische Theologe Otto Hermann Pesch warnt vor einer allzu weitgehenden Interpretation:

31. O TON, 0 30“,  Pesch

Wie kommt es dann, dass die Nachfolger des Petrus bis hin zu Clemens absolut legendarische Figuren sind. Auf festem Boden einer römischen Gemeinde mit ganz bestimmter Leitungsstruktur sind wir wieder erst mit dem ersten Clemens,  der nach Corinth schreibt, aber nicht mit Weisungsbefugnis, sondern mit Ermahnung.  Dieser Clemens ist nun mitnichten Papst Clemens der Erste, sondern Mitglied des römischen Presbyteriums.

Sprecher:

Der Papst als der erste unter vielen anderen Bischöfen inmitten vieler Gemeinden: Ist diese frühchristliche Tradition wirklich nicht mehr gültig? Könnte sich der Stellvertreter Christi auf Erden nicht daran orientieren, fragt Otto Hermann Pesch:

32. O TON, 0 43“ Pesch.

Er sollte sein Amt verstehen und auch ausüben, wie es allein vom Neuen Testament her begründet werden kann, nämlich als Petrusdienst. Man sagt heute schon mal ganz gerne Petrusdienst und meint  das Petrusamt, das ist aber in der Form dann etwas eine  Schönfärberei. Petrusamt heißt Vollmacht des Papstes in jede einzelne Diözese hineinregieren zu können, nach gutem Ermessen, um nicht zu sagen nach Gutdünken. Petrusdienst heißt, dass der Papst als Bischof von Rom und eben Haupt des Bischofskollegiums einen Dienst tut, da, wo er helfen muss und helfen kann.

Sprecher:

Der Papst als bescheidener Helfer, als Ratgeber, als Freund und Begleiter: Das ist keine Utopie, sondern biblischer Auftrag.

Joseph Ratzinger hat selbst bei einem Vortrag im österreichischen Aigen  vor 15 Jahren einmal angedeutet, dass es den Amtsträgern nicht in erster Linie auf Macht und Einfluss ankommen sollte:

33. O TON, 0 43“ Ratzinger, mit Beifall

Auch in der Kirche ist nicht das entscheidende, welche Funktion einer einnimmt. Sondern  das Höchste, was wir erreichen können, ist nicht, dass man Kardinal wird oder ich weiß nicht sonst etwas wird, sondern das Höchste, was wir erreichen können, ist, dass wir Gott nahe und ihm ähnlich werden, dass wir heilig werden. Und wenn ein Bischof oder Kardinal es nicht wird, dann nützt ihm seine ganze Würde nichts, dann ist er wirklich eben bei den geringsten im Reich Gottes, wo wir immer noch hoffen, dass er wenigstens noch drinnen ist.  Lachen und Beifall.

Sprecher:

Kritische Äußerungen zum Umgang mit päpstlicher Macht hat man  von Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. (noch) nicht gehört. Darum sind sich viele kritische katholische Theologen in aller Welt einig: Das vom Vatikan seit Jahrhunderten geförderte hierarchische System kann nur zu einer in sich geschlossenen Herrschaftselite führen, zu Abwehr, Ausgrenzung und neurotischem Freund  – Feind – Denken. Trotzdem: Mit dieser Vorherrschaft maßgeblicher kirchenamtlicher Kreise wollen sich viele „Kirchenreformer“  nicht abfinden. Sie haben dabei allerdings viel Mühe, die so oft von Päpsten und Prälaten beschworene „Freude am Glauben“ zu bewahren. Pater Josef Imbach:

34. O TON, 0 30“, Imbach

Wie können wir eigentlich froh unseren Glauben leben, wenn es in unserer Kirche so unfroh zu- und hergeht? Der französische Schriftsteller Paul Claudel hat einmal gesagt: Dort, wo die meiste Wahrheit ist, ist auch die meiste Freude. Ja, wenn sie sich dann so umschauen innerhalb unserer Kirche, dann muss ich mich ja fragen, wie viel Wahrheit ist eigentlich in unserer Kirche, in meiner Kirche

LITERATUR:

Graf, Friedrich-Wilhelm: Missbrauchte Götter. Zum Menschenbilderstreit in der Moderne. C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58478-7

Graf, Friedrich-Wilhelm: Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51750-1

Häring, Hermann: Im Namen des Herrn. Wohin der Papst die Kirche führt.  Gütersloher Verlagshaus. 2009, 192 Seiten.

Imbach, Josef: “Der Glaube an die Macht und die Macht des Glaubens.

Woran die Kirche heute krankt”. 248 Seiten, Patmos Verlag Düsseldorf, 2.

Aufl., 2005,

Modehn, Christian: „Alles, was rechts ist.. Politisch theologische Optionen Joseph Ratzingers“, S 143 – 162. in: Sommer, Norbert. und Seiterich, Thomas (Hg.): Rolle rückwärts mit Benedikt. Wie ein Papst die Zukunft der Kirche verbaut. Publik – Forum- Edition, Oberursel, 2009, 222 Seiten.

Pesch, Otto-Hermann: Katholische Dogmatik aus ökumenischer Erfahrung, Bd. 1/1: Die Geschichte der Menschen mit Gott, Ostfildern 2008

Posener, Alan: “Benedikts Kreuzzug. Der Kampf des Vatikans gegen die moderne Gesellschaft” (Ullstein 2009)

Sommer, Norbert und Seiterich, Thomas (Hg.): Rolle rückwärts mit Benedikt. Wie ein Papst die Zukunft der Kirche verbaut. Publik – Forum- Edition, Oberursel, 2009, 222 Seiten.

Anglikaner konvertieren – eine neue “Ökumene” ?

Anglikaner kehren nach Rom zurück

Die Ökumene erhält eine neue Richtung

Von Christian Modehn , ein Beitrag für NDR INFO  am 24. 10. 2009

—Im RELIGIONSPHILOSOPHISCHEN SALON wird aus der gebotenen kritischen Distanz das religiöse Geschehen beobachtet und kommentiert. Wenn jetzt offenbar “massenweise” konservative Anglikaner zum Katholizismus konvertieren, ist das auch für uns ein Thema. Angesichts des sogenannten Ökumenischen Kirchentages in München 2010 kommen da gewisse Fragen auf… Trotz aller ökumenischen Gespräche wird allmählich dem letzten ökumenischen Optimisten klar: Die römische Kirche fühlt sich als das einzig wahre Zentrum der vielen christlichen Kirchen —

Konservative Gläubige der Anglikanischen Kirche, Bischöfe,  Priester und Laien, werden jetzt mit offenen Armen in die katholische Kirche aufgenommen; und es können viele tausend werden, die zur sogenannten „Mutter – Kirche“, also nach Rom zurückkehren. Diese Nachricht wird dieser Tage verbreitet, und sie kann ein historisches Datum markieren.  Denn bisher stand das Gespräch der getrennten Christen, nicht aber die Konversion im Mittelpunkt der ökumenischen Bemühungen um die Einheit der Kirchen. Christian Modehn berichtet.

Heute gehören etwa 70 Millionen Menschen weltweit zur  Anglikanischen Kirche, die aus der „Church of England“ hervorgegangen ist. Wer an ihren Gottesdiensten teilnimmt, fühlt sich angesichts der liturgischen Pracht oft an katholische Messen erinnert. Diese Kirche entstand, als sich König Heinrich VIII. im Jahr 1534 vom Papst lossagte und sich selbst zum Kirchenoberhaupt ernannte. So konnte er die päpstliche Ehegesetze ignorieren und problemlos mehrfach heiraten, immer aber mit kirchlichen Zeremonien, die ihm das römisch-katholische Kirchenrecht verweigert hatte. Auch seinen Priestern gestattete der König die Heirat. Und so sind auch die anglikanischen Pfarrer, die sich jetzt von ihrer Kirche trennen und in die Katholische Kirche eintreten, keineswegs zölibatäre Geistliche. Der Vatikan hat für diesen Fall bereits eine Ausnahmeregelung geschaffen, und so dürfen die  anglikanischen Pfarrer jetzt als  katholische Priester ihre Ehe selbstverständlich weiterführen. Diese verheirateten katholischen Priester werden allerdings in einer eigenen kirchlichen Struktur arbeiten, also nicht einem Ortsbischof unterstellt sein, sondern einem weltweiten „anglikanisch – katholischen Bistum“ mit einem eigenem Oberhirten, der muss allerdings unverheiratet sein. Soweit geht die päpstliche Toleranz in Zölibatsfragen dann doch nicht.

Interessant ist es in jedem Fall, wie schnell sich der Papst bereit findet, den sonst mit höchstem dogmatischen Eifer verteidigten Zölibat doch als relativ und sekundär anzusehen, wenn es um ein noch höheres Ziel geht, nämlich um die Rückkehr der von Rom getrennten Seelen zur „Mutter Kirche“, wie man gern sagt, zum Katholizismus. Die Freude über die Rückkehrer ist in konservativen Katholischen Kreisen nicht zu überhören, wird dadurch doch das Selbstbewusstsein gestärkt, der Katholizismus sei die wahre Kirche, die für alle getrennten Brüder und Schwestern Raum bietet. Die Konvertiten gehören zum Teil zu einer unabhängigen traditionalistischen Gruppierung der Anglikaner, andererseits  sind sie aber noch Mitglieder dieser Kirche selbst. Sie haben seit 17 Jahren dagegen protestiert, dass es nun auch  Priesterinnen in der Anglikanischen Kirche gibt, sie haben sich gegen alle Formen eines zeitgemäßen Glaubens ausgesprochen, etwa gegen die Segnung homosexueller Paare in der Kirche. Sie haben entsetzt aufgeschrieen, als in den USA ein homosexueller Priester Bischof ihrer Kirche wurde. Vertreter des Vatikans haben diesen Kreisen schon immer deutlich gemacht, dass der Papst ihre Überzeugungen mit Sympathie begleitet.

Durch die Massenkonversion erhalten aber jene römischen Kreise weitere Verstärkung, die sich ebenso vehement gegen das Priestertum der Frau wehren oder gegen die Gleichberechtigung homosexueller Partnerschaften  polemisieren. Die römische Kirche wird durch die Massenkonversion also noch konservativer. Die Einrichtung eines neuen weltweiten anglikanisch – katholischen Bistums dürfte als Vorbild gelten für die bevorstehende Integrierung traditionalistischer Katholiken aus den Kreisen der berüchtigten Pius Brüder. Und es bleibt abzuwarten, ob sich nun  auch konservative Lutheraner etwa aus Schweden, den USA oder Lettland berufen fühlen, sich mit dem Papst versöhnen. Die Ökumene hat schon jetzt eine neue Richtung genommen, nicht mehr nur auf freundliche Gespräche kommt es an, Konversionen sind als Ziel der Ökumene in Rom durchaus erwünscht. Nach diesen Ereignissen sind die  Aussichten für die wenigen noch verbliebenen progressiven Katholiken eher düster: Sie sehen sich einer konservativen Übermacht in ihrer eigenen Kirche gegenüber und müssen erleben, wie Rom offenbar nach dem Motto handelt: Je traditionalistischer ein Christ denkt, um so stärker ist er beim Papst willkommen.

Darüber wird hoffentlich beim Ökumenischen Kirchentag in München im nächsten Jahr gesprochen werden. Die Massenkonversion traditionalistischer Anglikaner sollte die Programmgestaltung bestimmen. Es geht um die Frage: Ist der Katholizismus die einzig wahre christliche Religion, zu der alle Christen streben sollten, oder ist er eine von vielen gleichberechtigten christlichen Kirchen? Die Ereignisse der letzten Tage geben bereits eine – vorläufige – Antwort auf diese Frage.

Benedikts Kreuzzug – ein Buch von Alan Posener

“Gefährlich und menschenverachtend“

Zu einem neuen Buch von Alan Posener über das politische Denken Benedikt XVI. .

Von Christian Modehn

Benedikt XVI. wird als „Mozart der Theologie“ hoch geschätzt und sogar als „Geistesriese“ in philosophischen Fragen gerühmt: Könnte man solche Lobeshymnen auch anstimmen, wenn man die politischen Auffassungen des deutschen Papstes näher kennt? Was hält er von Demokratie und Menschenrechten? Der Berliner Publizist Alan Posener hat diese Fragen untersucht. Sein Buch ist vor wenigen Tagen erschienen, es trägt den Titel: „Benedikts Kreuzzug“.  Christian Modehn hat es gelesen.

Alan Posener hat als freier Schriftsteller und Publizist auch für Zeitungen aus dem Springer Verlag gearbeitet. Sie haben bekanntermaßen nicht gerade den Ruf, eine Art Forum von Papstkritikern zu sein. Es waren persönliche Neugier und wissenschaftliches Interesse, die den Autor zum Studium der politischen Äußerungen des früheren Kardinals Joseph Ratzinger und heutigen Papstes Benedikt führten. Das  Ergebnis seiner Recherchen fasst Alan Posener im Untertitel seines Buches zusammen, „Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft“. Im Vorwort wird der Autor noch deutlicher: „Ich klage Benedikt an. Ich halte sein politisches Denken für irregeleitet, gefährlich und in letzter Instanz für menschenverachtend“.  Alan Posener liebt die Zuspitzung, auch die Polemik, und so ist seine reich dokumentierte Studie zugleich eine Aufforderung, über die politischen Auffassungen des Papstes zu debattieren und zu streiten. Denn die Sache ist schwerwiegend: Wenn das geistliche Oberhaupt von 1,3 Millionen Katholiken ein gebrochenes Verhältnis zur Demokratie hat, hat das letztlich weltweit Auswirkungen, zumindest bei Gläubigen, die sich als gehorsame und papsttreue Schäfchen sehen.

Wie sein Vorgänger hält auch der deutsche Papst, so wörtlich,  die demokratische Gesellschaft und die demokratische Staatsordnung bloß für „ein geringeres Übel gegenüber der Diktatur des Kommunismus“. Auch nach dem Zusammenbruch dieses totalitären Regimes bleibt die westliche Demokratie für den Papst trotzdem „ein Übel“. Denn in der Herrschaft des Volkes haben unterschiedliche Auffassungen und Meinungen gleiche Rechte. Jede Position ist in der Demokratie nun einmal  relativ, keine Überzeugung darf sich als einzige und unumstößliche Wahrheit präsentieren. Benedikt XVI. lehnt diese  demokratische Kultur ab, er nennt sie „die Diktatur des Relativismus“.  Sie fördere in ihrer angeblichen Beliebigkeit nur den Missbrauch der Freiheit und damit die Lust am Bösen. Dem hält Alan Posener entgegen: Wollen wir denn anstelle der angeblichen Diktatur der demokratischen Vielfalt etwa eine Diktatur der absoluten Wahrheit des Papstes? In seinem Buch führt Posener den Nachweis, wie Benedikt XVI. und seine Curie (sein Hofstaat) daran arbeiten, die moderne Welt unter die geistliche, moralische Herrschaft der Kirche zu stellen.

Der Autor hat auch die katholischen Quellentexte studiert, etwa den Katechismus, an dem Joseph Ratzinger als Kardinal mitwirkte, darin wird Demokratie gar nicht erwähnt.

Für viele Leser wird es überraschend sein zu erfahren, wie sich der Vatikan mit reaktionären islamischen Staaten verbündet, um eigene Positionen durchzusetzen, etwa in der Abwehr von Frauenrechten oder im Kampf gegen die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften. Interessant sind die Hinweise über die Kontakte zwischen dem Vatikan und dem Iran. Ausdrücklich lobt ein führender Jesuit aus Rom diesen fundamentalistischen, antisemitischen Staat, weil dort, so wörtlich, eben auch eine Hierarchie herrsche… Der Vatikan ist sich mit fundamentalistischen islamischen Staaten immer einig, wenn sie sich gemeinsam gegen kritische, angeblich blasphemische Karikaturen wehren. In diesen Fällen treten sie gemeinsam für die Einschränkung der freien Meinungsäußerung ein.

Alan Posener zeigt, wie Benedikt XVI. alles tut, um die moderne Vernunft zu diffamieren, jene Vernunft, die sich in der philosophischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts zu Wort meldete und letztlich zur Formulierung der Charta der Menschenrechte führte. Im Vatikan Staat hat z.B. die Gewaltenteilung keine Bedeutung.

Das neue Buch von Alan Posner wird, so ist zu hoffen, gründliche Diskussionen anstoßen, etwa über die Frage: Wie heilig ist denn der „Heilige Vater“ angesichts der hier vorgelegten Hinweise zu seinem vordemokratischen, wenn nicht antidemokratischen  Denken. Leider hat der Autor nicht die Frage beantwortet, warum denn der Vatikan seit etlichen Jahren zum Beispiel die Rechte der Armen in Afrika oder der Flüchtlinge und Arbeitslosen verteidigt. Zeigt sich darin nur die Caritas, die christliche Nächstenliebe, oder ist auch dieses Engagement nur eine Art Feigenblatt, um machtpolitische Interessen zu verbergen? Bei einer 2. Auflage dieses wichtigen Buches hätte man gern darauf eine Antwort.

Alan Posener, Benedikts Kreuzzug. Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft. Ullstein Verlag Berlin, 272 Seiten, 18 Euro.

Dieser Beitrag wurde auch im NDR gesendet.

Der Gründer der Legionäre galt als Heiliger

Der religionsphilosophishce Salon diskutiert auch Fragen der Religionskritik, zeigt Phänomene auf, wie auch die christliche Religion “entgleisen” kann. Die Diskussion wird dadurch nur vertieft, wie kann eine vernünftige und freie Form christlichen Lebens heute aussehen?

Päderast und Frauenheld

Der Gründer der „Legionäre Christi“ erschüttert die katholische Kirche

Von Christian Modehn

Moderationshinweis:

Noch ist nicht abzusehen, wie die römische Kirche ihr Problem mit den erzkonservativen Pius – Brüdern zu lösen gedenkt, da erschüttert schon eine weitere Krise nicht nur den Vatikan: Der Gründer einer der einflussreichsten katholischen Ordensgemeinschaften, der Legionäre Christi, war nicht nur „Pater“, sondern auch Vater mehrerer Kinder. Dies wird jetzt bekannt. Darüber hinaus wurde er schon seit vielen Jahren wegen pädophiler Umtriebe beschuldigt. Seit einigen Wochen wird zudem berichtet,  dass sich der oberste Legionär Christi, Pater Marcial Maciel, viele Millionen Dollar durch Betrug erschlichen hat. Ein Ende dieser Skandalgeschichte ist noch nicht abzusehen, sie  scheint die Affäre um die traditionalistischen und zum Teil antisemitischen Pius Brüder noch in den Schatten zu stellen. Denn Pater Marcial Maciel, war einer der engsten Freunde Papst Johannes Paul II. Ein Kommentar von Christian Modehn.

Die Geschichte könnte einem Krimi als Drehbuch dienen: Der oberste Leiter eines päpstlich anerkannten Ordens vergeht sich Jahre lang sexuell an Schülern, Studenten und jungen Ordensmitgliedern. Unter Drohungen zwingt er sie zu schweigen. Als sich die eingeschüchterten Missbrauchsopfer nach Jahren melden und dem Vatikan Bericht erstatten, werden sie abgewiesen und ignoriert. Einige Opfer, wie José Barba, haben ihre seelische Qual in Büchern dargestellt; aber der Einfluss des Ordens über die Medien war so groß, dass diese Zeugnisse weithin ignoriert wurden. Der Pater jedoch, sexuell offenbar nicht ausgelastet, wendet sich auch Frauen zu, mit einigen hat er Kinder: Seine wahre Identität als Priester verheimlicht er ihnen. Seiner Lieblingsfrau und der gemeinsamen Tochter Norma Hilda Rivas kauft er zwei Luxusappartements in Madrid, damit sie schweigen. Das Geld stammt aus anderen Liebschaften des Ordensoberen: Er bevorzugt Frauen aus der Oberschicht Chiles und Mexikos, wie Flora Barragún oder Dolores Barroso. Sie überlassen ihm, offenbar von der Sexualität des Paters umnebelt,  ein großes Vermögen. Hat er das Geld in der Tasche, zieht der Pater weiter, zur nächsten Frau und zum nächsten jungen Mann. Diese Details aus dem Alltagsleben Pater Marcial Maciels werden dieser Tage bekannt. In Mexiko haben sich 6 weitere Kinder des Ordensgründers gemeldet, sie lassen sich von Rechtsanwalt Jose Bonilla (sprich Bonija) vertreten. Die Priesterkinder waren  entsetzt, als sie hörten, dass ihr Vater ein notorischer Pädophiler war. Ihren Anteil an der Erbschaft aus dem Millionenvermögen ihres Vaters fordern sie trotzdem. Erst jetzt, ein Jahr nach dem Tod von Pater Maciel, hat weltweit eine öffentliche Debatte über diesen betrügerischen und verbrecherischen Ordensgründer begonnen. Papst Benedikt XVI. bekundet jedenfalls Interesse an der Freilegung der Wahrheit, denn in seinem Auftrag sind seit dem 15. Juli fünf Bischöfe unterwegs, um alle Mitglieder und alle Häuser der Legionäre Christi weltweit zu untersuchen. Hinter dieser offiziellen „Visitation“ steht das Eingeständnis: Auch der 2.500 Mitglieder zählende Orden und die mit ihm verbundenen 70.000 Laien in der Bewegung „Regnum Christi“ haben von den finanziellen Machenschaften Pater Maciels profitiert, und einige Patres haben ihrerseits pädophile Neigungen ausgelebt. In den Schulen der Legionäre Christi gab es immer wieder Fälle von sexuellen Übergriffen  durch Priester, so dass ein ganzes einschlägiges Netzwerk im Orden vorhanden ist, auch darüber wird jetzt berichtet. Ob die päpstlichen Visitatoren die volle Wahrheit nicht nur erfahren, sondern auch veröffentlichen, ist fraglich: Denn die Legionäre Christi gehören zu den päpstlich besonders geförderten Gemeinschaften. Papst Johannes Paul II. hatte sich den Legionärs Gründer, den notorischen Pädophilen, Pater Maciel,  gar als seinen besonderen Freund und Ratgeber auserwählt. Er war der Koordinator der päpstlichen Reisen nach Mexiko, er war gefragt, als die Befreiungstheologie und die Basisgemeinden ausgegrenzt und diffamiert wurden.  Die Affäre Maciel wird jetzt zum Skandal für die päpstliche Kurie, denn auch Joseph Ratzinger hat noch als Kardinal dem Treiben Pater Maciels kein Ende setzen wollen. Er schrieb dem Missbrauchsopfer José Barba: „Da kann ich nichts machen, der Orden gibt dem Johannes Paul II. Papst viel Geld“. Als Papst kann nun Joseph Ratzinger den Skandal Orden nicht länger decken. Einige Beobachter fordern jetzt, der Orden sollte aufgelöst werden. Aber dazu wird es nicht kommen: Die Legionäre Christi sind fest mit ihren über 700 Bildungseinrichtungen weltweit fest in der Kirche etabliert. In jedem Fall aber hat die Glaubwürdigkeit der römischen Kirche einmal mehr schwer gelitten.