Glauben ist die Lust zu denken! Sowie: „Hegel und der Rassismus“

Von Christian Modehn

Veröffentlicht in der empfehlenswerten Zeitschrift PUBLIK FORUM am 28.08.2020

Vor 250 Jahren wurde der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel geboren. In seinem umfassenden Werk sind die Religionen zentrales Thema. Kann Hegel auch eine christliche Spiritualität für heute inspirieren?

Der christliche Glaube ist wie ein Sprung, hinein ins göttliche Mysterium«. Diese Weisheit wird viel zitiert und prominent verteidigt, etwa von dem Philosophen Søren Kierkegaard oder den Theologen Karl Barth und Joseph Ratzinger. Letzterer schreibt in seiner »Einführung in das Christentum«: »Immer schon hat der Glaube etwas von einem Sprung an sich.« Das Gegenteil betont der Philosoph Hegel: »Jeder Mensch wird durch seine Vernunft, also im Denken, Schritt für Schritt zu Gott geführt. Was wäre auch sonst der Mühe wert zu begreifen, wenn Gott unbegreiflich ist?«
Hegel hat nie geleugnet, dass seine Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie nicht nur sehr anspruchsvoll, sondern auch anstößig ist. Als Philosoph will er wesentliche Überzeugungen des Christentums für die moderne Welt nicht nur darstellen, sondern geradezu »retten«. Hegels Vorschläge für eine zeitgemäße christliche Spiritualität befreien von der Last, sich an »Wundersames«, »Mysteriöses« zu binden. Hegels Spiritualität hat einen praktischen Zweck: Sie zeigt, wie Menschen versöhnt mit sich selbst und friedlich mit anderen in einem Staat leben können, der den Menschenrechten entspricht. Hegel als Lehrer philosophischer Spiritualität zu begreifen ist ein Wagnis. Denn als Mensch des 19. Jahrhunderts ist er in die damalige Welt eingebunden. Aber warum sollen seine Erkenntnisse zur Spiritualität weniger wert sein als die der »großen Mystiker« aus dem 16. Jahrhundert oder dem Mittelalter? Friedrich Nietzsche, der Gottesleugner, hat schon recht, wenn er in seiner »Fröhlichen Wissenschaft« Hegels Leistung beschreibt: »Er hat den Sieg des Atheismus noch einmal verzögert, und zwar par excellence.«

Hegel wurde am 27. August 1770 in Stuttgart geboren. Philosophie und Theologie hat er in Tübingen studiert, unter den Kommilitonen sind Hölderlin und Schelling seine inspirierenden Freunde. Die damalige Theologie erlebt er entweder als eine abstrakte und spröde Ideologie oder als Ausdruck überschwänglicher Charismatiker und Pietisten. Davon distanzierte er sich immer. Hingegen bleibt ihm die Gestalt Jesu Christi seit seiner Studentenzeit wichtig. Aber später, als »reifer Philosoph«, interessiert er sich immer weniger für alle Details der »Biografie Jesu«: Entscheidend wird ihm die Gestalt des Gottmenschen Jesus Christus: Sie deutet er philosophisch als den Höhepunkt der nach den Prinzipien des Geistes verlaufenden Religionsgeschichte. Jesus wird so zur maßgeblichen Verkörperung der Einheit von Göttlichem und Menschlichem! Jesus als historische Glaubensgestalt wird »aufgehoben«, das heißt: »verändert bewahrt«, in einem nun für alle zugänglichen Denken. Hegel bezieht sich also auf überlieferte Glaubensinhalte, aber er übersetzt sie ins begriffliche Denken. Das ist seine spirituelle Provokation für die Moderne. Gott und Mensch im Geiste eins.
Nach dem Studium muss er als Hauslehrer seinen Unterhalt verdienen, später arbeitet er als Zeitungsredakteur, schließlich als Direktor eines protestantischen Gymnasiums in Nürnberg. Dort heiratet er Maria Tucher »aus gutem Hause«, zwanzig Jahre jünger als er … Erst als Professor in Heidelberg kann er sich ganz auf die Philosophie konzentrieren. In Berlin lehrt er von 1818 bis zu seinem Tod 1831 mit großem öffentlichen Interesse und viel Widerspruch. Kein anderer Philosoph hat einen so vielfältigen Schüler-Kreis hinterlassen. Prominent sind Feuerbach und Marx. Und kein anderer Philosoph hat wie Hegel durch sein Werk Weltgeschichte mitgestaltet. Immer ist seine Philosophie verbunden mit den Problemen seiner Zeit. Er kritisiert die Allmacht reaktionärer Politiker, wenn sie die Menschenrechte ignorieren, er weist die Ansprüche des katholischen Klerus zurück, die das Gewissen der Gläubigen bestimmen oder kirchliche Gebote bei der Gestaltung eines Rechtsstaates durchsetzen wollen. In Berlin hält sich Hegel, der Republikaner, in Distanz zum königlichen Hof: Als gut situierter Bürger liebt er die Oper, die Matthäuspassion von Bach lernt er schätzen. Er ist gern gesehen in den damals beliebten literarisch-philosophischen Salons. Zu den protestantischen Theologen an der Universität hält er einen polemischen Abstand. Ein eifriger Kirchgänger ist der Lutheraner Hegel nicht gewesen, aber seine Kinder lässt er konfirmieren. Hegel geht seinen eigenen Weg, er lebt in einer »Frömmigkeit des Denkens«. Diese ist die Basis seiner philosophischen Spiritualität, wie er sie in seiner »Phänomenologie des Geistes« und in seiner »Logik« entwickelt: Der menschliche Geist, so zeigt er, kann sich in mühevollen Reflexionen zum göttlichen Geist erheben. Hegel ist überzeugt: »Der Mensch gehört dem göttlichen Wesen an.« Gott und Mensch sind wesentlich eins. Zwar weiß sich der Mensch immer auch als eine endliche, begrenzte Person, aber als Geschöpf Gottes handelt er wesentlich mit Gottes Geist verbunden. Böse wird der Mensch, wenn er egozentrisch diese Verbundenheit aufgibt … und dadurch sich selbst und andere schädigt. Das gilt auch für die Geschichte der Menschheit. Auch sie ist vom Zusammenwirken göttlichen und menschlichen Geistes als einem einzigen Geist bestimmt. Hegel spricht vom »Weltgeist«, im Detail betrachtet sicher einer seiner umstrittensten Begriffe. Wenn er von den großen Individuen spricht, etwa Napoleon, bewundert er ihn nicht nur, sondern nennt ihn auch »Koloss«, der dann endlich gestürzt wurde. Es ist letztlich eine zwiespältige Bewertung. Im Hinblick auf die Spiritualität heißt es provozierend: Die ganze Weltgeschichte ist vom Geist bestimmt. Negatives, wie Kriege oder auch Schmerzen und Leiden der Einzelnen, leugnet Hegel überhaupt nicht! Leitend ist aber die heilsame Erkenntnis: Menschen sollen in allen negativen Situationen wissen, dass der Geist, der göttlich-menschliche, trotz allem die stärkste Kraft ist. »Nur die philosophische Einsicht kann den Geist mit der Weltgeschichte und der Wirklichkeit versöhnen, dass das, was geschehen ist und alle Tage geschieht, nicht nur nicht ohne Gott geschieht, sondern wesentlich das Werk seiner selbst ist.«

Diese eine Frage lässt Hegel nicht los: Wer also ist der Gott der Christen? Seine Antwort befreit von allen Begrenzungen anschaulicher Bilder: »Gott ist Geist, absoluter ewiger Geist.« Als allumfassendem Geist gehört auch das Andere seiner selbst, also Welt und Menschen, zu ihm. Wären Welt und Mensch außerhalb des Göttlichen, dann wäre Gott, so Hegel, nicht mehr allumfassend. Er hätte dann sozusagen »natürliche Konkurrenten«. Aber das Verhältnis dieser grundlegenden Einheit bei aller Verschiedenheit ist ein Verhältnis der Liebe der Verschiedenen Einen. So weit geht die philosophische Spekulation!

Wo also hat der Glaube seinen alles entscheidenden Mittelpunkt? In der Selbsterfahrung des Geistes, der heilig ist: »Denn wir Menschen wissen im Geist unmittelbar von Gott. Dies ist die Offenbarung Gottes in uns«, sagt Hegel 1830 in einer Vorlesung. Natürlich sind Christen auch mit Weisheiten und Lehren konfrontiert, die ihnen von außen, etwa von der Institution Kirche, begegnen. »Aber diese religiösen Lehren kann der Mensch nur ernst nehmen, weil sie den eigenen Geist treffen, »erregen«, wie Hegel sagt. Alle Religionen sind zudem selbst nichts anderes als sich immer deutlicher entwickelnde Produkte des Geistes. Diese Entwicklung findet im Christentum ihren Höhepunkt, weil nur hier Gott als Geist gewusst und verehrt wird! Darüber sollten sich heute Religions-Theologen streiten … Hegel spitzt seine Spiritualität der Einheit von Gott und Mensch noch weiter zu, wenn er provozierend sagt: »Die Philosophie ist der wahre Gottesdienst«. Er weiß aus eigener Erfahrung: Wenn der Mensch sich auf seine Vernunft bezieht, dann erhebt er sich aus seiner engen, begrenzten Welt, er verbindet sich mit der Unendlichkeit Gottes und kann nur staunen über diese ihm zugänglichen Dimensionen. Und dieses Erleben ist der entscheidende »Dienst an Gott«, also Gottesdienst. Um dahin zu gelangen, plädiert Hegel für eine Askese, eine geistige Übung, also eine Art privater Andacht: »Gott ist nur für den denkenden Menschen, wenn der sich still für sich zurückhält«: Das heißt: Der sich zurückziehen kann, aber auch sein eigenes Ego »zurückhält«. Von der Einheit von Gott und Mensch haben früher schon Mystiker gesprochen. Daher schätzt Hegel den Dominikanermönch Meister Eckhart oder den schlesischen Denker Jakob Böhme. Aber er meint durchaus unbescheiden: Erst seine eigene Philosophie zeige begrifflich klar: Gott und Mensch sind füreinander keine Fremden. In diesem einen göttlichen Geist lebt alles und sind alle – bei bleibendem Unterschied – geborgen. Das ist kein »Pantheismus«, für den alles ohne Unterschied göttlich ist, sondern sehr nahe am Apostel Paulus. Dieser schreibt im ersten Korintherbrief: »Uns aber hat Gott die Weisheit Gottes enthüllt durch den Geist. Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes.« Das könnte Hegel nicht besser sagen. Als lebendiger Geist ist Gott Liebe. Auch dies sagt Hegel ausdrücklich. Gott zeigt sich Menschen wie ein Freund, der seine Sonderstellung, seine »abstrakte Ferne« aufgibt und sich mit dem anderen im Geist vereint. Sogar über den Tod hinaus. Hegel selbst hielt es für egozentrisch, an die eigene leibliche Auferstehung zu glauben. Von der Unsterblichkeit der Seele war er jedoch überzeugt: »Der Tod hat den Sinn, dass das Menschliche abgestreift wird und die göttliche Herrlichkeit hervortritt.« Denn Gott habe als absoluter Geist die Negativität des Todes besiegt, das werde in der Auferweckung Jesu von Nazareth sichtbar und gelte für alle. Hegel macht es als spiritueller Lehrer den Christen auch heute nicht einfach, weil er auch die Kirchen nach den Maßstäben seiner Vernunft bewertet. Grundsätzlich hält er die Prinzipien der protestantischen Kirche besser geeignet, die Lehre von der Einheit Gottes mit dem Menschen zu akzeptieren. Denn schon Luther habe alle Bindungen der Christen an »äußerliche Frömmigkeit« aufgegeben, die Wallfahrten und die Heiligenverehrung, die Verehrung von Reliquien und die Leidenschaft, Wunder zu erleben. Der protestantische Glaube kenne prinzipiell (!) die Hochschätzung der Innerlichkeit. Und er passt in die Zeit der sich mühevoll durchsetzenden Menschenrechte, weil er die wesentliche Gleichheit aller Kirchenmitglieder lehrt: »Laien« gibt es nicht im Protestantismus. Ebenso wenig einen Klerus, der das »Heil« vermittelt. Hegel geht so weit zu sagen: »Der Protestantismus ist wesentlich Bildung des Geistes, seine wahren Tempel sind Schulen und Universitäten.« Die katholische Lehre fördere dagegen nicht den reifen, selbstbewussten Glauben, sondern die Haltung von Untertanen. Der Katholizismus ist für Hegel, trotz mancher Reformen im 16. Jahrhundert, auf dem geistigen Niveau des Mittelalters stehen geblieben. Sonst würde man nicht die Hierarchie so sehr in den Mittelpunkt stellen, die Menschenrechte für eine Irrlehre erklären und nach wie vor am Ablass festhalten. Trotzdem hat Hegel nie für Übertritte zum Protestantismus geworben. Hellsichtig sah er, dass es auch dort Widersprüche zwischen dem Ideal und der Realität gab. Letztlich, so Hegel, rettet allein die Philosophie eine vernünftige Spiritualität.

Hegel hat darunter gelitten, dass er als Philosoph naturgemäß vom Allgemeinen, vom Wesentlichen, sprechen muss und viel zu wenig vom bunten Leben der vielen einzelnen Menschen sprechen konnte. Aber er tröstet sich und seine Leser: Der einzelne Mensch ist immer auch im allgemeinen Menschen. Insofern ist auch eine Spiritualität hilfreich, die sich aus der Reflexion des allen Menschen gemeinsamen göttlichen Geistes ergibt!

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Von Sklaven und Afrikanern
Von Christian Modehn (PUBLIK FORUM vom 28.08.2020)

Obwohl Hegel Sklaverei vehement verurteilte, hat er sich dem Rassismus seiner Zeit nicht ganz entzogen.

Hegels Philosophie ist von der Hochschätzung der Französischen Revolution bestimmt. Er hat sie »als herrlichen Sonnenaufgang« gepriesen, weil »Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit« nun grundsätzlich als höchste Prinzipien für jede staatliche Ordnung gelten sollen. Aber sein republikanischer Enthusiasmus wird gebremst durch die Erfahrung der Gewaltexzesse seit Robespierre und auch durch reaktionäre Ideologien, die in Preußen seit 1818 die freie Meinungsäußerung einschränken.

In der Hochzeit des Kolonialismus war Rassismus allgemeine Ideologie, die auch an den Universitäten Einzug hielt. Die »Schädellehre«, »Cranioskopie«, wollte wegen der Größe des Kopfes die »Weißen« zu den wertvolleren Menschen erklären. Als einer der wenigen widersprach der Anthropologe Johann Blumenbach. Seiner Kritik schloss sich Hegel an und schrieb in seiner »Rechtsphilosophie«: »Das Sein des Geistes ist doch kein Knochen.« Auch zum Thema Sklaverei äußert sich Hegel pointiert. Über den Aufstand der Sklaven auf »Saint Domingue«, heute Haiti, war er gut informiert. Seine Sympathie galt der ersten Republik der einstigen Sklaven, die die Kolonialherrschaft bereits 1804 überwunden hatten. Als die neuen Herrscher dann aber ebenfalls blutige Gewalt ausüben, modifiziert Hegel seine Meinung. Die Befreiung von Sklaverei sollte nur moderat, schrittweise, geschehen. Dennoch sieht er klar: »Sklaverei ist an und für sich Unrecht. Denn das Wesen des Menschen ist die Freiheit. Der Besitz an einer anderen Person ist ausgeschlossen. Dass keine Sklaverei sei, ist eine sittliche Forderung.« 1822 schreibt er: »Was den Menschen zum Menschen macht, Freiheit und Vernunft, daran haben alle Menschen gleiches Recht.« Gegen Ende seines Lebens passt sich Hegel allerdings doch der allgemeinen, rassistischen Ideologie an – vielleicht weil die staatlichen Repressionen ihm gegenüber immer größer werden. In seinen »Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte« nennt er Afrika einen Kontinent der »Wildheit und Unbändigkeit«, der keine Bedeutung für den Fortschritt in der Weltgeschichte habe. »Hegel wird – in politischer Hinsicht – dümmer«, meint die Philosophin Susan Buck-Morss.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Pfarrer begleiten Patienten in der Euthanasie. Beobachtungen in Holland

Abschied nach dem Vaterunser
Kirchliche Begleitung für Menschen, die aktive Sterbehilfe wünschen
Ein Bericht aus Holland
Von Christian Modehn

Der folgende Beitrag erschien vor fast zwanzig Jahren, am 23. 3. 2001, in der empfehlenswerten Zeitschrift PUBLIK FORUM. Einige LeserInnen wollen diesen Text jetzt noch einmal lesen und diskutieren, zumal Landesbischof Ralf Meister (Hannover) in einem Interview mit der Zeitschrift “Christ und Welt” vom 27. August 2020 die aktive Sterbehilfe – auch gegenüber den immer noch heftigen kirchlichen Bedenken – mit guten Gründen verteidigt.

Insofern zeigt mein Beitrag von 2001 auch die unglaublich langsame und eher marginale Öffnung von Christen in Deutschland zu diesem wichtigen Thema. Schon Mitte Juli 2014 hatte der damalige Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, zum Thema aktive Sterbehilfe konstruktiv Stellung genommen.
Tatsache aber ist weltweit: Christen setzen sich vehement und leidenschaftlich für das ungeborene Leben ein (“Pro Life”), das förmlich für viele (in den USA) zum absoluten Mittelpunkt des Glaubens geworden ist. Deswegen wählen sie auch Trump wieder… Aber nicht einmal ansatzweise setzen sich diese Pro-Life Christen (wie Bolsonaro und andere Evangelikale) so deutlich ein für jene schwerst leidenden Menschen ein, die sich den “milden Tod” als aktive Sterbehilfe wünschen.

Ich hatte 2014 geschrieben:

Wir weisen darauf hin, dass dieser folgende Beitrag zwar im Jahr 2001 erschienen ist, aber als Dokument von Interesse bleibt, weil deutlich ist: Es gibt durchaus Christen, Theologen und Pfarrer in Holland, die bereit sind, Menschen zu begleiten, die dort um die gesetzlich erlaubte Euthanasie bitten. Wir haben auf dieser website auch auf das entsprechende Plädoyer des hoch angesehenen Bestatters Fritz Roth, Bergisch Gladbach, hingewiesen. Wir haben auf dieser Website auch an unseren Freund, Herman Verbeek (Groningen NL) erinnert, der als katholischer Priester, Theologe, Poet und Politiker der Partei „Grün-Links“ durch die Hilfe der Euthanasie im Jahr 2013 sterben konnte. In ihrem Buch “Vrije Rituelen” (Freie Rituale), Meinema Verlag 2007, hat eine Theologin der Remonstranten Kirche in Holland, Christiane Berkvens-Stevelinck, ein eigenes Kapitel verfasst zum Thema Rituale angesichts von Euthanasie. Das Buch wurde nicht ins Deutsche übersetzt.

Der folgende Text aus Publik Forum wurde in kürzerer Fassung auch als Radiobeitrag für den Saarländischen Rundfunk gesendet (Red. Norbert Sommer). Für diese Sendung erhielt der Autor einen Preis der DGHS (Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben), Augsburg.

Hier also der Beitrag aus PUBLIK FORUM, 2001:

“Pieter B. wollte nicht qualvoll sterben und bat um den milden Tod. Beobachtungen in Holland”

In den Niederlanden ist Euthanasie, die aktive Sterbehilfe, gesetzlich jetzt (2001) erlaubt. Unter genau beschriebenen Bedingungen können Ärzte auf ausdrücklichen Wunsch von schwer kranken Patienten das aussichtslose Leiden beenden. Damit geht die etwa 15 Jahre dauernde Phase der »Duldung« des »Todes auf Verlangen« zu Ende. Für deutsche Verhältnisse ein ungewöhnliches Ereignis! Hier findet in den Grauzonen medizinischen Handelns, verschleiert und unter anderem Titel, so etwas wie aktive Sterbehilfe statt, wobei der Patient jedoch nicht aktiver Mitgestalter dieses Prozesses ist wie nun in Holland. In Deutschland ist die Diskussion über das Thema Euthanasie auf Grund der Nazizeit besonders belastet. Dabei haben die Nazis hilflose Menschen getötet, die niemals den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe geäußert hätten. Dass nun in Holland Euthanasie gesetzlich erlaubt wurde, bezeichnen deutsche Beobachter als einen »gefährlichen ethischen Dammbruch«. Doch die meisten niederländischen Pfarrer aller Konfessionen sind bereit, Patienten auch im Fall von Euthanasie seelsorgerlich zu begleiten. Pfarrer Hans Günther aus Amsterdam: „Ich habe erlebt, wie dieser Mensch gelitten hat. Das war nicht mehr zum Ansehen. Der hatte einen Krebs, wo ihm vom Ohr bis in den Hals und die Speiseröhre und die Organe daneben alles unter großen Schmerzen wegfaulte. Der arme Mann konnte kaum noch reden und essen sowieso nicht. Das war so etwas Entsetzliches, sagen wir ruhig, so ein „viehisches Leiden“, menschenunwürdig, dass ich bei meinem Besuch dachte: Wenn ich das bloß verhindern könnte, wenn ich diesem Elend ein Ende machen könnte, dann würde ich das unmittelbar tun; am besten wäre es, den Menschen zu heilen, aber das war aussichtslos.«
Hans Günther berichtet von einem Krankenbesuch. Er ist lutherischer Pfarrer in der Rivierenbuurt von Amsterdam, einem bürgerlichen Wohnviertel im Südosten der niederländischen Hauptstadt. Ihm liegt an einer zeitgemäßen Theologie: Für die Predigt am Sonntagmorgen wendet er etliche Stunden auf. Darum ist ihm auch das Bibelgespräch so wichtig. Zusammen mit den Gemeindemitgliedern möchte er die uralte Botschaft des Glaubens für die heutige Zeit neu buchstabieren. Viele Stunden verbringt er damit, ältere oder kranke Gemeindemitglieder zu Hause zu besuchen. Vor einigen Monaten hatte ihn Anne B. angerufen: »Kommen Sie doch mal wieder zu meinem schwer kranken Mann«, hatte sie am Telefon gesagt. Da saß er nun am Bett des Sterbenskranken. Die Frau berichtete ihm: »Für meinen Mann gibt es überhaupt keine Aussicht auf Heilung: Das haben uns zahlreiche Ärzte vor Wochen schon gesagt. Und sie mussten uns auch die schreckliche Wahrheit mitteilen, dass die großen Schmerzen noch stärker werden. Am schlimmsten war es, als der Hausarzt sagte: Eines Tages werde der Tod durch qualvolles Ersticken eintreten.« Nach ausführlichen Beratungen hatte sich Pieter B. entschieden, um Euthanasie zu bitten. Schon einige Jahre zuvor hatte er eine Patientenverfügung unterschrieben: Dort bekundete er seinen Willen, unter keinen Umständen einem langsamen, qualvollen Sterben ausgeliefert zu werden. Über diese Zusammenhänge war Pfarrer Günther längst informiert: Bei seinem Besuch erfuhr er nun, dass der Termin bereits feststand, an dem die Medizin, das tödliche Euthanaticum, verabreicht werden sollte. Pieter B. hatte noch den dringenden Wunsch, die letzten Tage vor dem selbst gewählten Ende mit geistlichem Beistand zu verbringen: »Über einen Zeitraum von drei Wochen bin ich ziemlich oft dort gewesen. Und das Gespräch verlief so, dass ich versucht habe, deutlich zu machen: Was ihr tut, wenn ihr den Arzt um Euthanasie fragt, bedeutet nicht das Beenden des Lebens. Euer Arzt wird nicht zum Mörder. Sondern ihr nehmt die Möglichkeit wahr, um das Ende des Lebens, das deutlich ist, das logisch und absehbar ist, nicht zu einer menschenunwürdigen Qual werden zu lassen. Also das Ziel des Euthanasieprozesses, wenn man das so sagen will, ist nicht das Töten eines Menschen in dieser Situation! Sondern Sie gebrauchen die Möglichkeiten, die die Medizin uns bietet, um doch ein menschenwürdiges Sterben und einen menschlichen Abschied zu erreichen.«
Der Tag des Sterbens rückte näher. In einer Klinik sollte die Spritze gegeben werden: Die Eheleute hatten sich darauf verständigt, dass sie diesen Termin den »Tag der Operation« nannten: Während der Mann sehnsüchtig auf diesen Moment wartete, hatte die Frau doch viel Mühe, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen: »Mein Mann wird in meinen Armen sterben; seine Qual wird auf eigenen Wunsch ein Ende haben.« In dieser spannungsreichen Situation von Erwartung und Angst besuchte Pfarrer Günther das Ehepaar ein paar Stunden vor dem endgültigen Abschied: »Ich war an dem Tag zuvor bei ihm. Und wir haben ein Gebet gesprochen. Das hat Pieter B. noch hören können, er war bei vollem Bewusstsein, reden konnte er nicht mehr. Ich sprach ein Gebet, was ich frei formuliert habe. Ich habe dann auch Gebetsformeln gebraucht, die der Frau bekannt waren; das Vaterunser haben wir miteinander gebetet, und danach, ja, da haben wir uns endgültig verabschiedet.«
Ein paar Stunden später wurde Pieter B. ins Krankenhaus gebracht: Nur seine Frau sollte dabei sein, wenn der Arzt zuerst das Schlafmittel, und dann, nach zehn Minuten, das Euthanaticum spritzt. Sanft und friedlich ist Pieter B. entschlafen. »Ein milder Tod«, sagte die Frau nachher, nicht ohne Erleichterung. Pfarrer Günther kümmerte sich um die Witwe in ihrer Trauer: »Ich bin ein paar Tage später wieder dort gewesen, und auch ein paar Wochen noch ab und zu vorbeigegangen bei der Frau. Ich habe den Eindruck, dass sie es ganz gut verkraftet hat; dass sie den Frieden damit hatte, würde ich mal sagen.«
Pfarrer Günther verteidigt nicht pauschal die Euthanasie; er meint, niemals dürfte der sanfte Tod als die beste Methode angepriesen werden. Euthanasie ist etwas für »Ausnahmefälle«. Der Amsterdamer Seelsorger ist aber auch überzeugt: Die palliative Therapie, die umfassend von Schmerzen befreit, sollte noch viel mehr praktiziert werden. Denn viele Patienten leben wieder auf, wenn sie trotz schwerer Krebserkrankung schmerzfrei auf den Tod warten können. Aber längst nicht in allen Fällen hilft die palliative Therapie. Und das ist eine entscheidende Erkenntnis, die oft unterschlagen wird: Für Pieter B. zum Beispiel war Euthanasie der einzige Ausweg, den grässlichsten Leiden, dem Verfaulen bei lebendigem Leib, zu entkommen. Darum verteidigt Pfarrer Günther die Euthanasie, so wie sie in Holland möglich und erlaubt ist: »Ich finde, sie ist ein Vorteil, auch für die Frau, die ihren Mann verliert. Wo es natürlich eine Rolle spielt, auf welche Weise sie ihn verliert. Sagen wir mal: Wenn er schreiend sterbend in seinem Bett zu Hause umkommt. Oder ob sie ihn im Krankenhaus einschlafen sieht und seine Hand dabei halten kann, und das geschieht in Ruhe. Das ist ganz wichtig für die Zukunft dieser Frau. Das, finde ich, ist ein Fortschritt. Aber ja!«
Bisher war der »milde Tod« nur »gedoogt«, wie man in Holland so gern sagt, »er wurde nur geduldet«. Ärzte, die auf dringenden Wunsch ihrer Patienten die Euthanasie anwendeten und dies den Behörden meldeten, wurden strafrechtlich nicht verfolgt. In einigen seltenen Fällen mussten sich die Gerichte mit der Frage befassen, ob tatsächlich alle strengen Vorschriften beachtet wurden. Aber noch nie ist ein Arzt sozusagen »wegen Tötung« verurteilt worden! (Stand 2001, CM) Jetzt ist aus der Duldung eine gesetzlich klar umschriebene Möglichkeit geworden. Mit überwältigender Mehrheit hat das Parlament in Den Haag für die gesetzliche Regelung der Euthanasie gestimmt, und manche Beobachter in Deutschland und anderswo meinen, dass diese Politiker allesamt dem Morden Tür und Tor öffneten. Doch sie wollten den Tod möglichst aus den »Grauzonen« medizinischen Handelns herausholen und dem Patienten selbst das letzte Wort über sein Schicksal zugestehen. Die wichtigste Vorschrift der neuen Gesetze heißt: Einzig und allein der Patient darf die Bitte um Euthanasie äußern; also Verwandte oder Freunde des Betreffenden haben in diesem Fall nichts zu bestimmen. Mehrfach und über einen längeren Zeitraum muss der Euthanasie-Wunsch besprochen werden, alle anderen Möglichkeiten ärztlichen Handelns müssen erwogen werden. Schließlich beraten mehrere Ärzte über jeden einzelnen Fall. Wie bei jeder gesetzlichen Regelung gibt es auch die Möglichkeit des Missbrauchs. Aber die meisten Holländer sehen in der gesetzlich erlaubten Euthanasie eher einen Vorteil für die Patienten als einen Nachteil. Die zum Tode führenden Euthanatica verabreichen meist die Hausärzte; Euthanasie ist sozusagen der Tod in einem stillen, privaten Rahmen. Viele Beobachter sehen auch darin durchaus eine positive Entwicklung: Das bewusst gesetzte Ende kann im Alltag erlebt werden kann. »Manchmal haben diese Abschiede zugleich eine stoische Ruhe und eine gläubige Geborgenheit«, so ist immer wieder zu hören. Aber auch in den Kliniken ist Euthanasie schon fast eine gewisse Alltäglichkeit geworden“, sagt Rob Mascini, er ist katholischer Klinikpastor in Haarlem: Ihn rufen vor allem Patienten, die noch mit der katholischen Kirche verbunden sind. Und auch sie wünschen immer wieder »den milden Tod«. »Die meisten Patienten haben Gott befragt. Und das sagen sie dann auch mir: Ich kann nicht glauben, dass der liebe Gott mir diese Schmerzen gibt. Und er möchte nicht, dass ich so leide. Und er ruft mich schon so lange, sagt man meistens. Aber die Menschen wollen nicht, dass ich in den Himmel gehe. Die Menschen, die Ärzte, halten mich hier fest. Warum muss ich noch bleiben, wenn Gott mich ruft? Ich will freiwillig aus dem Leiden heraustreten.« Niederländische Katholiken haben keine Schwierigkeit, ihre Bitte um Euthanasie mit dem eigenen Glauben zu verbinden. Deswegen hat Pastor Mascini auch keine Vorbehalte, diesen Patienten in der letzten Stunde beizustehen: »Wenn ein Mensch zu einer solchen Entscheidung kommt in einer Lage, die so schmerzvoll ist, dann muss ich als Seelsorger bei diesem Menschen bleiben und Respekt haben, Ehrfurcht haben vor der Überzeugung, dass es gut ist, Euthanasie anzuwenden. Dann bitten die Patienten um die heilige Kommunion, oder sie fragen nach der Krankensalbung. Oder sie bitten um ein Gebet oder einen Segen. Dann denke ich: Wer bin ich, um diesen Menschen das Gebet zu enthalten und den Segen von Gott zu enthalten in solch einer entscheidenden Angelegenheit?«
Pastor Mascini und die meisten holländischen Klinikseelsorger orientieren ihre Hilfe und Begleitung am konkreten Bedürfnis der Patienten. Der leidende Mensch steht im Mittelpunkt, nicht ein theologisches Prinzip oder eine kirchenrechtliche Vorschrift. Auch der katholische Krankenhauspastor André Zandbelt in Haarlem wird immer wieder gerufen, wenn Patienten auf die Euthanasie warten: »Wenn Euthanasie beispielsweise mittags stattfinden soll, dann gehe ich schon morgens zum Gespräch mit dem Patienten; ich rede auch mit dessen Angehörigen. Wenn der Patient gläubig ist, bete ich auch mit ihm und feiere kleine Rituale, damit er sich gut Gott anheim geben kann. Aber wenn dann mittags wirklich das Euthanaticum gespritzt wird, dann bin ich zwar dabei, aber dann tue ich von meiner Seite aus nichts mehr.« Manchmal können Klinikpfarrer noch in den letzten Minuten den Menschen nahe sein, die auf die Euthanasie warten. Pastor Mascini erinnert sich: »Da gab es eine Frau, sie war in der Vergangenheit katholisch, aber sie ging nicht mehr zur Kirche und wollte auch nichts mehr mit Gott zu tun haben. Und doch habe ich sie immer wieder auf ihren eigenen Wunsch hin besucht. Einmal komme ich ins Zimmer und frage sie: „Wie geht’s“ Da sagt sie: „Sehr gut, um drei wird es passieren.“ „Was wird passieren“. Ja, dann gehe ich weg. Dann sagte ich: Euthanasie „Ja“. Dann bin ich weg. „Kann ich noch etwas für sie tun, habe ich nach einer Weile gefragt. „Nein, war die Antwort. Sie können nichts mehr für mich tun. „Kann ich um Drei zur Kapelle gehen und eine Kerze anzünden und beten?“ Und da fängt die Frau schrecklich an zu weinen, in diesem Moment kommen alle Emotionen hoch. Und ich konnte dieser Frau noch ein bisschen helfen, in ihren letzten Stunden auch diese Seite von ihrer Emotion zu bearbeiten.«
Die offizielle katholische Glaubenslehre verurteilt Euthanasie aufs Schärfste. Im »Katechismus der Katholischen Kirche« wird Euthanasie als »unannehmbar« bezeichnet. Von prinzipieller Strenge sind auch die Dokumente der niederländischen Bischofskonferenz; sie hat mehrfach in öffentlichen Erklärungen betont: „Euthanasie kann niemals geduldet werden. Sie widerspricht dem grundlegenden Schutz des Lebens. Es kommt zu einem Bruch in unserer Kultur, wenn Euthanasie sogar noch legalisiert wird.“ Diese Position sei ethisch rigoros, aus der Distanz formuliert, zu prinzipiell und zu allgemein, sie sei sozusagen am grünen Tisch geschrieben, sagen die meisten niederländischen Christen, die für Euthanasie Verständnis haben: Sie wollen ja in keiner Weise den Suizid fördern; sie wollen einzig und allein unerträgliches Leiden beenden helfen. Laut Umfrage bejahen 70 Prozent der Katholiken die Möglichkeit, Euthanasie in Ausnahmefällen anzuwenden. Bei den Protestanten findet Euthanasie eine ähnlich hohe Zustimmung. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern denken die Pfarrer Hollands genauso wie die Laien in den Gemeinden: So auch Pastor Mascini: »Nichts ist heiliger in unserer Kirche als unser eigenes Gewissen. Natürlich müssen wir unser Gewissen auch orientieren an dem, was uns vorgegeben wird. Aber wenn ein Mensch vor dem Angesicht von Gott zur Entscheidung kommt, Euthanasie sei gut für ihn, dann müssen wir das respektieren und diesem Menschen nicht unser Gebet und unseren Segen enthalten!« Über die Erfahrungen mit der Euthanasie wird in den Kirchen Hollands immer wieder öffentlich diskutiert: In Utrecht zum Beispiel wurde anlässlich des »Forums für Kirchenreform« von der kritischen »8. Mai-Bewegung« eine Großveranstaltung über Euthanasie und Seelsorge angeboten. Jetzt hat die 8. Mai-Bewegung sogar ein eigenes Papier zur Euthanasie publiziert: »In Notfällen sinnvoll und möglich«, ist der Grundton dieses Textes. Auch in den Pfarrgemeinden ist die freie Entscheidung für den eigenen Tod ein Thema der Bildungsveranstaltungen. In einigen protestantischen Kirchenkreisen gibt es Pfarrer, die sozusagen als Spezialisten für Euthanasie gelten und sogar eigene Abschiedsriten entwickeln, wie der Amsterdamer Pfarrer Wim van der Sluis. Immer ist in Holland Euthanasie mit dem Begriff »freiwillig« verbunden.
Sozusagen als Lobbyisten in dieser Sache arbeitet in Holland nun schon seit 17 Jahren der »Verein für freiwillige Euthanasie« mit dem Kürzel NVVE. Der Verein vermittelt allerdings nicht Ärzte, die zur Euthanasie bereit sind, und auch der Versand von »Sterbepillen« ist ausgeschlossen. Er versteht sich lediglich als Informationszentrum über alle Fragen von Sterben und Tod. Der NVVE verschickt auch die so genannten Lebenstestamente: Dort können Menschen bei klarem Verstand, sozusagen noch jung an Jahren und bei guter Gesundheit, festlegen, welche medizinischen Eingriffe sie noch im Falle von schwerster Erkrankung wünschen. Die Mitgliederzahlen steigen, momentan gehören 100 000 Niederländer dazu, nichtreligiöse Menschen wie auch Kirchenmitglieder. Auch Anhänger der Christlich Demokratischen Partei (CDA) sind dabei.
Die Autonomie – die Selbstbestimmung – der Patienten steht im Mittelpunkt der »Philosophie des NVVE«: Menschen, die ihr ganzes Leben in eigener Freiheit und Verantwortlichkeit gestaltet haben, wollen nicht die letzten Tage und Wochen ihres Lebens dem Reglement der Ärzte (und der Power von Maschinen) überlassen bleiben. Pastor Zandbelt kann sich als Holländer mit dem Prinzip der Autonomie, diesem grundlegenden philosophischen Ideal der Patienten, durchaus anfreunden. Im praktischen Alltag spielen für ihn noch andere Motive eine Rolle: »Ich kann mich an meine Erfahrungen in der Klinik gut erinnern, dass Euthanasie wie eine Erlösung wirkt für die Patienten. Dabei spielt natürlich Selbstbestimmung immer eine Rolle. Ich muss sagen, der Gedanke der freien Selbstbestimmung tritt doch oft zurück vor der viel wichtigeren Erkenntnis: Euthanasie ist eine medizinische Tat, die dem Erbarmen entspringt, dem Mitleid, wenn alle anderen Auswege blockiert sind.« Im Umgang mit der Euthanasie entdecken niederländische Christen auch ein neues Gottesbild: Das aussichtslose Leiden unter starken Schmerzen wurde einst als eine Art mystischer Weg zu Gott gedeutet. »Wen Gott liebt, den züchtigt er«, heißt eine alte Glaubensweisheit, die man noch heute im ganzen deutschsprachigen Raum hören kann. Holländer denken da anders: Für sie ist Gott kein Sadist, der Freude hat am Leiden seiner Geschöpfe. Pastor Mascini: »Ich bin überzeugt: Gott kann das schwere Leiden unter grässlichen Schmerzen nicht ertragen. Das will Gott nicht! Und wenn dann ein Mensch in seinem Gespräch mit Gott in Freiheit entscheidet, dass Euthanasie ein Ausweg ist, dann glauben diese Menschen, dieser menschenfreundliche Gott wird mich in Barmherzigkeit empfangen. Bei solchen Gedanken müssen wir Pastoren und Theologen schweigen.« Der neue, der freie Umgang mit dem eigenen Tod verändert das religiöse Denken: Früher hatten die niederländischen Christen noch in ihre Glaubensbücher geschrieben: »Gott hat dem Menschen das Leben als Geschenk gegeben, deswegen darf der Mensch nicht von sich aus das Leben beenden und damit des Geschenks unwürdig werden.« Mit diesem Bild können sich holländische Theologen und christliche Ethiker heute nicht mehr so recht anfreunden. Darf denn der Beschenkte nicht eigentlich mit dem Geschenk machen, was er will? Darf der Schenkende denn bestimmen, was mit dem Geschenk passiert? Der protestantische Ethiker Evert van Leeuwen aus Amsterdam sagt dazu: »Es gibt in der Theologie eine sehr schwierige Debatte über das Leben, die immer noch nicht zu Ende geführt wurde. Kann man das Leben zurückgeben, dürfen wir das? Und ich glaube: das Leben ist nicht so etwas wie Objekt, das man geben und zurückgeben darf. Gott hat uns vielmehr die Freiheit gegeben: So können wir in einem bestimmten Moment uns zu Gott bekennen und sagen: Es ist genug, es reicht jetzt aus. Dann dürfen wir unser Leiden beenden.« Im Dialog mit Gott dürfe sich der Mensch die Freiheit nehmen, sein Leben Gott zurückzugeben. Die Rückgabe des Lebens an Gott entspreche genau der Freiheit, die Gott ihm gegeben habe. Von allen Theologen hat sich der protestantische Theologe, Professor Harry Kuitert, seit den siebziger Jahren am nachdrücklichsten mit dieser Frage befasst, er ist sozusagen ein theologischer Vordenker: »Ich glaube, dass das Leben das Ziel des Schöpfers ist. Und dass wir dem Schöpfer folgen, wenn wir einander das Leben geben und schützen. Und doch gehört der Tod so sicher zum Leben, dass wir auch mit dem Tod fertig werden sollten mitten im Leben. Wir können meines Erachtens unsere persönliche Freiheit auch dem Tod gegenüber gestalten. Wir dürfen unter den Bedingungen großen Leidens selbst bestimmen, wenn es so weit ist, aus dem Leben zu scheiden. Das kann man vor Gott verantworten, glaube ich.«

copyright: christian modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Voices: Max Richters neuestes Werk: Vom musikalisch – seelischen Erleben der Menschenrechte!

Ein Hinweis von Christian Modehn

Max Richter hat kürzlich sein neuestes Werk vorgelegt: „Voices“. Ein eher schlichter Titel für ein anspruchsvolles Werk mit anspruchsvollem Inhalt: In dieser Musik will Richter die Menschenrechte (in ihrer Erklärung von 1948) nicht nur als immer und überall gültiges Programm der globalen Menschheit feiern. Er will musikalisch beitragen, dass die HörerINNen die Menschenrechte als Grundlage nicht nur der Politik, sondern förmlich als den Geist ihrer humanen Seele wahrnehmen. Das kann nicht besser gelingen als … durch die Musik. Die eingesprochenen Texte der Menschenrechtserklärung gehören nicht nur als Hintergrund zu dieser Musik. Die Worte öffnen den Raum des Verstehens von „Voices“.

Wenn man nun Musik wieder einmal hilflos in Worte übersetzen muss: Dann entwickelt sie sich von einer eher melancholischen Dimension hinaus in eine eher verhalten lichtvolle Atmosphäre. Je nachdem, wie die Hörer dieser CD gestimmt sind: Sie werden „Voices“ als den zwar stillen, aber möglichen Sieg der Humanität deuten oder noch als schwebendes Suchen nach dem lichtvollen Sinn und Ziel des Ganzen, also der Humanität. Und ich meine, wir sollten diese neue Musik von Max Richter, wie so oft bei ihm, guten Gewissens „gebrauchen“, immer wieder hörend, als eine Ermunterung, das Leben zu bestehen. Musik gehört als „Hilfe“ mitten ins Leben. Die universalen Menschenrechte gelten „prinzipiell“ in fast allen Staaten, (nur nicht im Staat „Vatikanstadt“ ), aber sie sind nur selten auch nur annähernd politische, kulturelle und ökonomische Realität. Dies ist unser Leben: Das Gespanntsein zwischen der Sehnsucht nach wahrem Leben und den Fakten der nur sehr mäßig verwirklichten Menschlichkeit.
Max Richters Musik erlebe ich als Aufforderung, weiterzugehen … in die Richtung der Menschlichkeit. Sie ist insofern Ermunterung… die verzweifelte Lage der Menschheit nicht zu vergessen. Insofern ist seine Musik politisch.

Mit dem Titel „Gebrauchsmusik“ kann der Komponist Max Richter durchaus etwas anfangen, bekennt er in einem Interview mit der TAZ am 5.1.2013. Endlich jemand, der sich aus der lange währenden „l art pour l art“ – Gefangenschaft der Kunst befreit oder aus der postmodernen Beliebigkeit heraustritt,
Max Richter weiß sich in großer Tradition: Denn die von ihm unterstützte Qualität, „Musik zum Gebrauche“, also zur hilfreichen Inspiration für Menschen im Alltag, galt schon für die Musik der Barockzeit: „Mir gefällt diese Idee der zweckmäßigen Musik“, sagt er in dem Interview.
Und was für eine Musik der Komponist Max Richter uns immer wieder bietet! In keinem Fall solche, die man „nach Gebrauch“ beiseite legt oder gar schnell wieder vergisst.
Über Max Richter ist viel geschrieben worden, und Details zu seiner Biographie findet man vieles im Netz. Für uns ist bemerkenswert, in welcher Offenheit er sich zu religiösen Dimensionen und spirituellen Aspekten seiner Arbeiten bekennt. Der Komponist lebt und bewegt sich in der Musik, aber gerade dabei und darin erlebt er Religiöses, das musikalisch seinen Ausdruck findet: „Wenn Sie Musiker sind, dann leben Sie auch in der Musik. Für manche ist es wie eine Religion. Man trägt die Musik halt immer mit sich herum.“
Schon anlässlich seines Werkes „Sleep“ (das mehr als acht Stunden dauert) wurde bemerkt: Diese Musik von Richter führt weiter, hinaus, ins Freie, aber durchaus auch ins mystisch Dunkle, in die Trance, aus der der Hörer aber wieder herausfindet … ins Licht.
Max Richter wird von Kritikern mit einer Etikette versehen und als „Neo-Klassizist“ bezeichnet. Wunderbar, meine ich, warum nicht zurückgreifen auf alte, immer aber gegenwärtige Traditionen? Wenn sie helfen, auch den Vorgriff auf die bessere Zukunft, die Geltung der Menschenrechte, zu vermitteln? Und, nebenbei gefragt: Warum soll nicht endlich einmal die so genannte zeitgenössische Musik auf diese Weise auch weite Kreise erreichen?
Mich hat gewundert, dass in dem Interview (für die TAZ) Max Richter den ziemlich weltberühmten Berliner Club „Berghain“ einen „religiösen Ort“ nennt, dort wurde seine Neuschöpfung der „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi aufgeführt: Dieser zweifelsfrei auch erotisch lebendige Musikclub als ein religiöser Ort: Das wäre ein Thema für Religionsphilosophen und vielleicht auch noch für Theologen, die endlich verstehen wollen, wie und wo Religion außerhalb der Kirchenmauern in Berlin lebt.
Jetzt aber wäre mein Vorschlag: Man sollte VOICES in den Kirchen aufführen, auch über den gut eingerichteten Klang einer CD, und zwar gerade anstelle der üblichen und immer gleichen Liturgien in den Sonntagsgottesdiensten. Dies ist keine Vereinnahmung von Kunst, sondern sozusagen das Geltendmachen von „Fremdprophetie“, also von Kunst, für die religiöse Welt.
Dies ist ein Vorschlag, wie mir scheint, dringend geboten, um nicht nur die ewige Bach-Musik oder Mozart aufzuführen und als „wahrhaft“ religiös wahrzunehmen. Max Richters „Voices“ ist – dem Geist der universalen, „ökumenischen“ Menschenrechte entsprechend überkonfessionell…
Hören wir also seine Musik. Sie bietet den Eintritt in eine andere Welt, eröffnet uns Räume zum meditativen Verweilen und Nach-Denken. Und zieht damit die übliche Definition in Zweifel, Musik wäre eigentlich nichts anderes als eine von vielen Sprachen, eben „nur“ eine „andere Sprache“. Nein, Musik ist nicht eins zu eins in die sonstigen, verbalen Sprachen übersetzbar, so wie man einfach einen Text aus dem Deutschen in die englische Sprache überträgt.
Musik ist eine eigene Welt, in die wir eintreten können, und dabei erleben: Es gibt mehr als unsere allmählich flach und banal gewordene Sprech – und Schreibwelt der so üblich gewordenen Kurzmitteilungen.
Musik befreit vom Verfall ins Alltägliche, führt woanders hin, sicher ins Erleben der Seele.
„Voices“. Von Max Richter. Double CD Album. DECCA Records Release, 2020, Product code 0898651.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Über die Papstkirche und den absoluten Papst Pius IX.

Das neue Buch des Historikers Hubert Wolf „Der Unfehlbare“
Ein Hinweis von Christian Modehn

Unser Motto, noch einmal gesagt: Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie ist immer auch Religionskritik.

Die katholische Kirchenführung, also Klerus, Bischöfe, Papst, hat in gewisser Weise Glück gehabt: Im Juli standen dringende Probleme im Mittelpunkt öffentlichen Interesse, Probleme, die sich auf das Überleben der Menschheit beziehen, also Corona und Klimakatastrophen. Vom Überleben der katholischen Kirche war zwar auch die Rede, aber dabei ging es “nur” um den stetigen Mitgliederschwund in Deutschland. Aber ein großes „Überlebens“ – Thema wurde förmlich ausgeblendet: Die katholische Kirche im ganzen ist als Institution sozusagen „innerlich“, von der eigenen Lehre und Dogmatik, bedroht. Diesen Kampf ums geistige Überleben veranstalten nicht „Feinde“ von außen; sondern die Krise ist begründet am sturen Festhalten von befremdlichen, belastenden, nicht mehr eines modernern Glaubens würdigen Dogmen.

Dieser Gedanke drängt sich förmlich auf, wenn man das neueste Buch des Kirchenhistorikers Professor Hubert Wolf (Universität Münster) liest. Es hat den Titel „Der Unfehlbare“, der Untertitel nennt den Inhalt der Studie schon in Kurzform: „Pius IX. und die Erfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert“. Papst Pius IX., der von 1846 bis 1878 die Kirche beherrschte, hat die bis heute noch weithin gültige Gestalt des Katholizismus absolut eigenmächtig und mit aller egozentrischen Bravour festgelegt.

Diese Bewertung ist die Summe der sehr differenzierten Studie über Pius IX. von Hubert Wolf, die er ausdrücklich als Biographie versteht. Wegen des Dogmas von der “Unfehlbarkeit des Papstes”, formuliert vor 150 Jahren, im Juli 1870, von Pius IX., kämpft die katholische Kirche bis heute um ihr Überleben, d.h. um die geistige und spirituelle Akzeptanz von nachdenklichen, gebildeten Christen. Dieses Dogma liegt wie ein erratischer Fels in der “geistigen und religiösen Landschaft”.

„Man hat (durch Pius IX.) eine neue Kirche gemacht“. Mit diesen Worten eines Münchner Theologen und Zeitgenossen Pius IX. beendet Wolf sein Buch. Das heißt: Die katholische Kirche wurde als Papstkirche förmlich zementiert. Mit Pius IX. setzte sich das Bild eines charismatischen Papstes durch, dessen Person und Persönlichkeit ganz in den Mittelpunkt gerückt wurde. Die Verehrung und Bewunderung für die Person dieses obersten „Führers“ führte etliche fromme Leute, ja ganze Bewegungen, zu einem ungeahnten Personenkult. Dabei hatte Pius IX. sich in den ersten Monaten nach außen hin etwas liberal gezeigt, darauf weist Wolf hin, was angesichts seines reaktionären Vorgängers Gregor XVI.auch nicht so schwer war. Aber Pius IX täuschte die Leute: Schon seine erste Enzyklika war Ausdruck von Feindseligkeit gegen die moderne Welt. Den Fußkuss erwartete dieser Nachfolger des Fischers Petrus ganz selbstverständlich, kritischen Leuten gab er sogar nach dem Kuss noch einen leichten Tritt, auch dies ist überliefert.

Trotzdem galt er vielen, die ohnehin schon politisch konservativ bis reaktionär gestimmt waren, als ein „charismatischer Papst“.

Dieser Personenkult um eine „charismatische Papst-Persönlichkeit“ setzte sich in gewisser Weise fort, man denke an Papst Johannes XXIII. oder noch viel mehr an Johannes Paul II., der auch post mortem einen irrational wirkenden Kult etwa in Polen erlebt. An Papst Franziskus scheiden sich heute die Geister, aber für viele ist er trotz aller seiner theologischen Widersprüche eine absolute Lichtgestalt. Die Menschen brauchen – leider – immer wieder Führer, von denen sie förmlich Wunderbares erwarten…Und konservative Franziskus-Feinde sehen in ihm den charismatischen Führer in den Niedergang…

Hubert Wolf zeichnet als Biograph Papst Pius IX. nicht allzu ausführlich dessen aktuelle Wirkungsgeschichte bis heute nach, über die Absetzung von Hans Küng als katholischem Theologen an der Uni Tübingen (wegen seiner kritischen Studie zur Unfehlbarkeit) erfährt man nichts.
Aber Wolf stellt klar: Mit diesem Papst ist die Kirche anders geworden, noch autoritärer, noch distanzierter und feindlicher gegenüber der modernen, der liberalen und demokratischen Welt. Und im Innern ist die Kirche monolithisch geworden, intolerant gegenüber progressiven Theologen, alles auf einen angeblich zu kontrollierenden Einheitskurs trimmend.

Das zeigt Wolf ausführlich an den Debatten während des Ersten Vatikanischen Konzils von 1870: Da setzte sich Pius IX. trotz heftigen Widerspruchs zahlreicher Bischöfe mit seiner Lieblingsidee durch, der Unfehlbarkeit des Papstes, die er zum Dogma erhob und für alle Katholiken als bindende Wahrheit verkündete. Dieses Dogma wurde vor 150 Jahren, am 18. Juli 1870, offiziell ausgesprochen. Der Papst konnte nun gegen die Überzeugung der Bischöfe, gegen die Einsichten von Konzilien, alles aus eigener Macht lehren und verfügen. Schon 1854 hatte Pius IX. die absolute Machtfülle förmlich schon mal vorgeführt, als er ebenfalls gegen den Widerspruch kompetenter Theologen und Bischöfe die „Unbefleckte Empfängnis Mariens“ zum Dogma erhob, also den frommen Glauben, dass Maria, die Mutter Jesu, „unbefleckt“, (was für ein Begriff ! ), also ohne die für alle Menschen sonst übliche Erbsünde empfangen und geboren wurde. Denn die Erbsünde werde, so meinen die Kirchenführer bis heute, durch den Sex, also auch durch Sperma, also durch „Flecken“, übertragen… Das ist, milde gesagt, problematisch, wenn nicht lächerlich. Zumal auch die „echten“ Eltern Marias gar nicht namentlich als historische Personen bekannt sind: Die Kirchenführer haben dann einfach als Mutter eine gewisse Anna (aber natürlich auch als imaginäre Gestalt heilig) konstruiert und als Vater einen imaginären Joachim. Über die hoch umstrittene Erbsünde will ich hier kein Wort verlieren…

Jedenfalls hat sich Pius IX. immer in seiner eigenen privaten theologsichen Liebhaberei und Meinung durchgesetzt. Er hat sich, auch das zeigt Wolf, mit untertänigen, eher unbegabten, wenn nicht korrupten Beratern umgeben. Auch in der ausdrücklichen Verurteilung der modernen Gesellschaft und des neuen italienischen Staates, vor allem in der Enzyklika „Quanta Cura“ und im „Syllabus errorum“ von 1864, profilierte sich dieser Papst als Feind der Freiheit, als Feind der Moderne.

Pius IX. hat die Kirche definitiv ins Getto bewusst führen wollen, das war sein starrsinniger Wille, auch wenn ihm viele Leute zujubelten, die gerade auch aus politisch – reaktionären Gründen diese kirchliche Sonderwelt in Form einer großen Sekte rühmten, wie der Erzreaktionär Joseph de Maistre. Die Jesuiten als Herausgeber der damaligen „Stimmen der Zeit“ (mit dem Titel „Hefte aus Maria Laach“) haben diesen Kurs offen unterstützt.
Und bis heute ist das offizielle katholische Gesetzbuch, der Codex Iuris Canonici, noch von diesem Ungeist des absoluten Papst-Fixierung geprägt: Wenn dieses Gesetzbuch, in der Neufassung aus dem Jahr 1983 !, das Kapitel „Papst und Bischofskollegium“ eröffnet, heißt es gleich am Anfang im § 331: „Der Papst verfügt kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann“. Das hätte der absolutistische Papst Pius IX. nicht besser sagen können. Wenn das auch heute so ist, dann wundert sich manch einer vielleicht, warum nicht der angeblich so progressive Papst Franziskus kraft seiner päpstlichen All-Gewalt das Zölibatsgesetz von heute auf morgen abschafft oder Frauen als Priesterinnen zulässt, all dies könnte er ja kraft seiner absoluten Gewalt des Kirchenrechts. Aber er tut das nicht…
Ich empfehle das Buch von Hubert Wolf ausdrücklich, es ist eine gut lesbare Biographie eines Mannes aus dem italienischen Adel. Geboren am 13.5.1792 als Giovanni Maria Mastai Ferretti macht er in der Kirche systematisch Karriere, obwohl er als junger Mensch schwer erkrankt (an Epilepsie) und mit etlichen Gönnern wird er Priester, Bischof, Kardinal. Seinen launischen und cholerischen Charakter mit Tobsuchtsanfällen (S. 313) hat er sich stets bewahrt und von vielen, die ihn als Papst dann kannten, wurde er als verrückt und geisteskrank beschrieben (S. 311) Die Lebensgeschichte dieser kranken, autoritären Person stellt Wolf in den größeren politischen Zusammenhang des Untergangs des Kirchenstaates und des mühevollen Entstehens des vereinten Italiens, dem sich Pius IX. auch widersetzte. Als sein Leichenwagen durch die Straßen von Rom fuhr, wurde er von wütenden Bürgern mit Steinen beworfen. Pius IX. hätte selbst dies noch gefreut, denn er wusste: Als Verteidiger der einen und einzigen absoluten Wahrheit hat er eben auch böse Feinde.

Und eigentlich ist es bei dieser Kirche normal, dass dieser Pius IX. dann vom polnischen Papst Johannes Paul II. „selig“ gesprochen wurde (2000), trotz erheblicher Widerstände von Historikern und Theologen. Unter Papst Paul VI. wurde diese Seligsprechung schon einmal inszeniert, aber vergeblich: Damals folgte der Papst den kenntnisreichen Warnungen der Historiker vor diesem seelisch offenbar kranken Papst (vgl. besonders S. 313).

Aber Pius IX und Johannes Paul II. waren geeint in ihrem exzessiven, fanatischen Glauben an die Wunderkraft Marias, der unbefleckt empfangenen! Pius IX. glaubte, dass die himmlische Jungfrau ihm so gar himmlische Heerscharen zur Rettung senden würde (vgl. S. 201). Und ohne Marias Beistand konnte sich Johannes Paul II. zum Beispiel den Untergang des Kommunismus auch nicht vorstellen. Und die Liebe des polnischen Papst zu den „Erscheinungen Marias“ in Fatima, wo sie höchstpersönlich zu einigen Kindern sprach, ist bekannt. Man darf sagen, durch solche infantilen religiösen Praktiken haben diese Päpste den christlichen Glauben eigentlich zur mysteriösen Story gemacht, man könnte auch sagen: „Warum ist eigentlich nicht auch im Himmel Jahrmarkt? Diese Flucht der obersten Kirchen-Führer, der Päpste und mit ihnen die devoten Bischöfe, ins Mysteriöse, hat Menschen aus der Kirche getrieben, die noch wertlegen auf die Gültigkeit des göttlichen Gabe, Vernunft genannt!

PS: Als Trost für alle Laien in dieser Kirche, die noch Nerven haben dieses wichtige Buch von Hubert Wolf zu lesen: „Selbst minimale politische Forderungen innerhalb des Kirchenstaates, wie die Mitverantwortung von LAIEN in der Verwaltung auf kommunaler Ebene, wurden von Pius IX. als verbrecherisch diffamiert.“ (S. 79). Da dürften doch heute im Verwaltungsbereich katholische Laien (nicht in der Gemeindeleitung) ein bisschen mehr tun… Der Fortschritt ist also auch katholischerseits nicht zu stoppen, er dauert nur Jahrhunderte. „Macht nichts“, denn die Kirchen-Führer denken in „Kategorien“ der Ewigkeit. Die einzelnen betroffenen und leidenden Katholiken können und wollen nicht so denken. Aber das ist den „geistlichen“ Herren und war den „geistlichen“ Herren immer schon egal. Es ist dieser den Geist-tötende egozentrische Klerikalismus, den das große Buch von Hubert Wolf einmal mehr freilegt als chronische Krankheit des Katholizismus.

Hubert Wolf, „Der Unfehlbare. Pius IX. und die Erfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert“. C. H. Beck Verlag München 2020, 431 Seiten, 28 €.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

“Der Katholizismus ist veräußerlicht”. Ein Hinweis zur Religionskritik Georg W.F. Hegels

Hegel kritisiert den Katholizismus

Hinweise von Christian Modehn, Juli 2020.

1.
Auf das aktuelle Thema „Hegel und der Katholizismus“ habe ich schon mehrfach aufmerksam gemacht. Es ist kein Sonderthema für einige Spezialisten, sondern es bezieht sich auch auf die aktuelle Situation im Miteinander von Gesellschaft und Staat einerseits und Katholizismus auf der anderen Seite. Man denke an den ständigen Versuch des Klerus, etwa mit theologischen/biblischen Prinzipien in die Gestaltung demokratischer Ordnungen bestimmend einzugreifen, siehe das heutige Polen oder Italien (z.B. den heftigen katholischen Widerstand gegen die „Ehe für alle“). Das gilt auch für Deutschland im Kampf der Katholiken von „Pro Life“ für die Ungeborenen und weniger entschieden für die schon Geborenen, aber Bedrohten und Sterbenden, die Flüchtlinge im Mittelmeer.
Zu sprechen wäre auch über den Zusammenhang von „Katholizismus und Korruption“, ein Thema das schon Hegel aufgreift. Diese Korruption ist heute auch in den orthodoxen Kirchen oder unter Evangelikalen/Pfingstlern sichtbar. Aber diese Bindung an korruptes Verhalten ist prominent seit Jahrhunderten im Katholizismus Realität, die Studien zur Geschichte der Kirche sind voll davon. Korruption ist für den Katholizismus wesentlich strukturbedingt und nicht bloß auf die allgemeine „Sündhaftigkeit“ der einzelnen zurückzuführen.
2.
Hegel ist seit fast 200 Jahren tot. Aber wer genauer seine Erkenntnisse zum Thema betrachtet, entdeckt: Hegel ist auch in der Hinsicht alles andere als „ein toter Hund“, wie manche seiner Gegner/Feinde schon Mitte des 19. Jahrhunderts völlig unbegründet behaupteten.
Der Maßstab, den Hegel zur Beurteilung der Religionen, auch des Katholizismus, einsetzt, kann gar nicht den immer begrenzten Weisungen einer bestimmten Religion, Konfession oder Theologie entstammen. Der Maßstab kann nur ein philosophischer, ein reflektierter und allgemein gültiger sein: Hegel weiß: Mit der Anerkennung dieses vernünftigen und allgemeingültigen Maßstabes zur Beurteilung der humanen Bedeutung einer Religion und ihrer Lehren wird den Werten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ein absoluter Wert zugesprochen: Jeder Mensch soll sich frei wissen und frei fühlen. Kein Mensch darf also Institutionen, staatlichen wie religiösen, hilflos ausgesetzt sein, die in ihrer Gesetzgebung der Willkür von Gewaltherrschern folgen.
3.
Natürlich kann jeder Mensch bei der geltenden Religionsfreiheit freiwillig einer Sekte angehören, die in ihrer Lehre wie in der internen Gemeinde-Praxis die Freiheit des einzelnen Mitgliedes ausschließt. Das ist prinzipiell möglich, solange diese Sekte nicht die Freiheit der anderen Menschen in Gesellschaft und Staat in Frage stellt und zerstört.
4.
Hegel hat recht, wenn er das Ziel geschichtlicher Entwicklung formuliert: Dieses ist persönliche wie politische Freiheit, verstanden als Bei-Sich-Selbst-Sein in jeder Hinsicht. Nicht Chaos, sondern Freiheit und Gerechtigkeit für alle, Gleichheit vor dem Gesetz. Das ist das ersehnte und praktisch zu gestaltende Ziel. Deswegen spricht Hegel auch vom Fortschritt, aber dieser ist für ihn immer zuerst ein „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“. Dieses Bewusstsein muss dann im Rechsstaat zu einer Gesetzgebung führen, die den Grundsätzen der Menschenrechte entspricht. Allen, die Menschenrechte jetzt postmodern relativ finden, sie dies gesagt: Die Herkunft der Menschenrechte aus Europa sagt gar nicht gegen deren universale Gültigkeit.
Wonach sehnen sich denn die Unterdrückten in den Diktaturen damals und heute weltweit, wofür setzen sie ihr Leben ein: Sie wollen endlich Freiheit, gemäß den universal gültigen Menschenrechten, dies gilt, ob es nun von einzelnen explizit gewusst wird oder nur unthematisch in ihnen lebt. Aber „im „Herzen“, in der „Seele“ wird diese Freiheit für alle von allen gewünscht. Krieg und Chaos und Diktatur erstreben nur Unvernünftige, Verwirrte, Kranke …
5.
Jetzt sind wir wieder bei „Hegel und dem Katholizismus.“ Denn nach der umfassenden Gültigkeit der eigentlich universal geltenden Menschenrechte sehnen sich auch heute viele Katholiken. Das ist ein weltweites Phänomen und dieser Kampf wird geführt von Frauen, auch Ordensfrauen, Homosexuellen, Priestern, die Priester sein wollen ohne das Zölibatsgesetz, insgesamt von Katholiken, die endlich synodale Strukturen, also Demokratie in der Kirche, wünschen, also die Abschaffung der Klerusherrschaft und letztlich auch der Allmacht des Papsttums (siehe das umstrittene Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes, verkündet vor 150 Jahren von Papst Pius IX., den einige hochrangige Kleriker damals als geistig verwirrt beschrieben haben. (LINK:https://religionsphilosophischer-salon.de/12895_ueber-die-papstkirche-und-den-absoluten-papst-pius-ix_religionskritik)

Diese Zustände eines in sich dogmatisch abgeschlossenen Katholizismus sind allseits bekannt, sie sind zudem eine der entscheidenden Ursachen für die Kirchenaustritte aufgeklärter Katholiken. Der Kampf etlicher katholischer „Reform“ Gruppen über all die Jahrzehnte hat de facto keine strukturellen grundlegenden Verbesserungen gebracht. Es wurden Reförmchen eingeleitet, Reförmchen – Versprechen von den Hierarchen gegeben. Aber die Arroganz der klerikalen Macht ist trotz aller Proteste und Mahnwachen und Unterschriftensammlung von so genannten Reformgruppen geblieben.
6.
Was hat Hegel damit zu tun? Er sagt in vielen seiner Bücher und Vorlesungen Überraschendes, Klares, Hellsichtiges, Vernünftiges: Zusammenfassend gesagt: Der Katholizismus braucht in seiner Sicht eine umfassende Reformation und NICHT Reformen oder Reförmchen. Allein eine neue Reformation kann den Katholizismus aus der mittelalterlichen Welt herausführen, in der er sich – nach Hegels Erkenntnis – immer noch befindet. Mittelalterlich Geprägtsein ist für ihn dabei nichts Pejoratives: Das Mittelalter hatte in der Weltgeschichte einmal seinen notwendigen Platz und seine begrenzte Bedeutung. Alle geistigen Wirklichkeiten sind Produkte des Geistes, so auch das Mittelalter, Produkte, „Objektivationen“ und Manifestationen des zugleich menschlichen wie göttlichen Geistes! Das ist bekanntlich Hegels grundlegende Erkenntnis. Aber der Geist ist ein lebendiger, und als lebendiger Geist entwickelt er sich, wandelt er sich, gelangt zu größer Klarheit seiner selbst. Das „Bewusstsein der Freiheit“ entwickelt sich also stetig weiter: Vom Mittelalter geht es über in die Reformation Martin Luthers … hinein in die moderne Welt.
7.
Der Katholizismus ist also für Hegel „stehen geblieben“. Es gibt ihn noch immer, aber er ist nicht „wirklich“, im emphatischen Hegelschen Sinn von Vernünftigsein! Der Katholizismus ist also durchaus „veraltet“, überholt, „aufgehoben“, weil eingebunden in eine vom Geist und der Vernunft längst überwundene Erfahrung von Gott, Mensch und Freiheit.
Im Mittelalter wurde Gott als ferner Himmelsherr verehrt, umgeben von der Himmelskönigin Maria und den vielen Heiligen, dieser Gott war anschaulich, männlich mit Bart, dargestellt. Die gotischen Kathedralen bezeugen diese Allmacht des mittealterlichen Glaubens. Sie bieten nach wie vor ein schönes Kunsterlebnis, aber ihre architektonische Struktur musste sich auf den Altarraum, reserviert für Priester, fixieren. Laien wurden auf Abstand gehalten! Dem setzt Hegel die moderne Erfahrung der Unmittelbarkeit Gottes entgegen: Gott ist Geist. Das ist wenig und so viel, was Hegel von Gott sagen kann … im Sinne vieler Zeugnisse des Neuen Testaments übrigens.
Diese Hinweise bedeuten aber auch, dass einzelne Impulse des eigentlich überholten Katholizismus für Hegel noch interessant bleiben, etwa dessen Vorliebe für die Philosophie oder die Mystik.
Natürlich hat Hegel gar nichts dagegen, wenn sich Menschen noch in dieser alten Welt des Katholizismus bewegen. Nur: Wirkliche Menschen der Gegenwarts sind sie für ihn eigentlich nicht. Sie leben förmlich in einer Spaltung, einer Bindung an das religiöse Mittelalter und – etwa politisch, sozial, kulturell – in einer Bindung an die Werte der Moderne, die universalen Menschenrechte z.B.
8.
Dafür bietet Hegel Beweise in seinem Werk, wie gesagt in vielen unterschiedlichen Büchern, mit vielen historischen Belegen. Denn Hegel ist zwar ein „spekulativer Philosoph“, aber einer, der sein Denken auf eine breite Fülle von Fakten stützt.
9.
Das Zentrum der Kritik:
Der Katholizismus ist für Hegel eine Kirche, die den einzelnen Gläubigen nicht zu einer reflektierten Innerlichkeit führt, weil der Katholizismus die Menschen vor allem an Äußerlichkeiten bindet. Deswegen kann der einzelne Glaubende meinen, fromm zu sein, mit Gott verbunden zu sein, wenn er schon äußere Riten vollzieht und dabei Gott selbst als etwas Äußeres und Äußerliches wahrnimmt.
Die katholische Glaubenspraxis mag zwar berauschende Gefühle wecken, Gefühle der Verzauberung dieser Welt, an Wallfahrtsorten und Wunderorten, mit heiligen Wassern oder hoch verehrten Knochen (Reliquien) heiliger Verstorbener, selbst wenn diese noch so umstritten sind wie der heilige Scharlatan, der angeblich stigmatisierte Pater Pio in Süditalien. Diese Verzauberung wird zudem in Barockkirchen geweckt mit den vielen Heiligenbildern und Bildchen, den Putten und den Engeln, die ja bekanntlich jetzt ein großes „interreligiöses“ Comeback erleben, etwa in den Erfolgsbüchern von Anselm Grün. Darin sind sich also die verschrobensten Esoteriker und die Katholiken einig: Sie lieben die Engel (mehr als Gott).
10.
Zentral für Hegels Katholizismus Kritik ist die Verehrung bzw. Anbetung der Hostie: Diese ist der verwandelte, trans-substituierte Jesus Christus, verwandelt in ein winziges Stückchen Brot Und diese Hostie ist in eine goldene Monstranz gesetzt. Die „ewige Anbetung“ der Hostie ist ja auch heute sehr beliebt als populäre katholisch Praxis… Die Hostie als äußere und äußerliche also veräußerlichte Präsenz des Göttlichen hat für Hegel weit reichende Bedeutung: “Wenn aber einmal zugegeben ist, dass Gott in äußerlicher Gegenwart ist, so wird zugleich dieses Äußerliche zu einer unendlichen Mannigfaltigkeit…dass Christus da und dort, in diesem und jenen, erschienen ist…Allerorten werden also in höher begnadeten Erscheinungen, Bluteindrücken von Christus sich Vergegenwärtigungen des Himmlischen begeben…Die Kirche ist daher eine Welt voller Wunder… Das Göttliche erschient als ein vereinzeltes Dieses, also ein Ding, eine Reliquie etwa“. („Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte“, Meiner Verlag, Hamburg, 1968, Seite 823 f.).
11.
Die Konsequenzen dieser veräußerlichten Frömmigkeit, die sich an wundersame Dinge, heilige Gegenstände, heilige Orte, heilige Personen, heilige Leichen, Reliquien usw. hält, sind für Hegel gravierend: Es gibt dann die entzückten, aber ungebildeten, dumm gehaltenen Laien, die sich an diese heiligen Dinge gewöhnen sollen. Und es sind die Kleriker, die diese veräußerlichte Form des Frommseins fördern. Man denke jetzt etwa an die „Weihe“ eines Bistums an die himmlischen Herzen Jesu und Mariens…Damals gab es schon die umstrittenen Wallfahrten zum „Heiligen Rock“, der angeblichen Kleidung Jesu Christi.
Es wird also in der Sicht Hegels den Laien verwehrt, im eigenen Geist die unmittelbare Verbindung mit Gott zu leben. In seinen Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie sagt Hegel in dem Zusammenhang die durchaus bis heute aktuellen Worte: „Die Menschen sind keine Laien“ (S. 297), „die Laien sind (im Katholizismus) aber dem Göttlichen fremd“ (S. 454) und vor allem: “Denkende Menschen als Laien behandeln ist das Härteste“ (S. 297). („Theorie Werkausgabe“, Suhrkamp, 1970).
12.
In der katholischen Frömmigkeit erscheint für Hegel so wörtlich das Verderben, der Aberglauben überhaupt in der Verehrung von heiligen Orten, von heiligen Knochen. „Das ist Wunderglaube der ungereimtesten und läppischsten Art. Denn das Göttliche wird auf eine ganz vereinzelte und endliche Weise für ganz endliche und besonders Zwecke da zu sein gemeint…“ (S. 873). Hegels Kritik – Erich Fromms Erkenntnis zur „Nekrophilie“ vorausgreifend – findet förmlich Unterstützung von Jesus Christus selbst: Der Philosoph zitiert die Frage des „Auferstandenen“: „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten“? („Vorlesung über die Philosophie der Geschichte“, S. 471, bezogen auf Lukas Kap. 24). Das Geistvolle, das Lebendige, ist einzig bei Geistigen zu suchen.
13.
Das „Christentum als ein grundlegendes „geistiges Prinzip“ („Vorlesungen. über die Philos. der Weltgeschichte“, S. 875) wird erst von Martin Luther als Prinzip des Glaubens erkannt. „Versöhnung mit Gott kann es für Luther nicht auf äußerliche Weise, sondern nur auf geistige Weise geben“ (ebd. S. 878). Mit anderen Worten: Die Prinzipien (!) des Protestantismus haben das Freiheitsbewusstsein gefördert, der Protestantismus ist grundsätzlich (!) die Gestalt des christlichen Glaubens, die in der modernen Welt bestimmend sein sollte. Dabei weiß Hegel genau, dass in den evangelischen Kirchen seiner Zeit viel geistige Beschränktheit besteht, Pietismus, Schwärmerei, dogmatische Fixierung. Aber diese Traditionen sind ein Abfall von dem eigentlich wahren protestantischen Prinzip der Innerlichkeit, also der Erkenntnis: Der Glaube lebt im Inneren des Geistes, er braucht keine das „Heil“ vermittelnden Priester, keine Ablässe, keinen Wunderglauben…
14.
Auch die zentrale katholische Lebensform der Orden wird von Hegel zurückgewiesen. Das Ordens-Gelübde des Gehorsams führt zu falscher Abhängigkeit von Vorgesetzten, das Gelübde der Armut dient nur als Vorwand bei wenig Arbeit sich von anderen beschenken zu lassen oder permanent zu betteln; das Gelübde der Keuschheit als Ehelosigkeit und Verzicht auf erotische, sexuelle Liebe führt zur Geringschätzung von Partnerschaft und Ehe.
15.
Entscheidend aber ist: Der protestantische Glaube erkennt prinzipiell: Die innere Freiheit, die der einzeln Glaubende Gott gegenüber erlebt, muss sich als Freiheit auch in die Gesetze des Staates hinein verwirklichen und den Staat bestimmen. Es muss also zu einer Harmonie von Freiheit kommen, von der inneren Freiheit des Geistes, auch im Glauben und der rechtlichen Freiheit im Rechtsstaat. Der Katholizismus mit seinen Prinzipen der Veräußerlichung des Glaubens fördert eine Mentalität, die die Gestaltung des Staates nach freiheitlichen Prinzipien immer wieder nur als Nebensache deutet. Die Kirche und ihre Traditionen sind wichtiger als das angeblich „schmutzige Geschäft“ des politischen vernünftigen Handelns
Man denke nur daran, dass in katholischen Staaten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Diktaturen auch faschistischer Art (Franco/Spanien, Mussolini/Italien, Portugal, Brasilien, Dominikanische Republik und viele andere Staaten in Lateinamerika usw.) von den Päpsten durch Konkordate anerkannt wurden.
Hegel meint also: Nur in der Sittlichkeit (als moralisches Bewusstsein der Weltgestaltung) des protestantischen Prinzips kann ein freier Rechtsstaat entstehen.
16.
Heute gibt es nur sehr wenige Politiker, die diesen protestantischen Prinzipen folgen. Den meisten, selbst wenn sie sich protestantisch nennen oder einer sich christlich nennenden Partei angehören, sind die vergöttlichen Prinzipen des Marktes und des Kapitalismus am wichtigsten, und der eigene Profit….
Es hat also eine Art „Austausch Gottes“ stattgefunden: Der biblische Gott wurde und wird ersetzt gegen einen Gott des Kapitals (Geld). Dies gilt ja bis in die Kirchen hinein, die insofern auch ihrem offiziell noch verkündeten Mono-Theismus irgendwie abgeschworen haben.
Dies ist freilich ein Thema, das Hegel so radikal noch nicht sehen konnte. Er sprach allerdings von der Zerstörung, die durch die Vorherrschaft des subjektiven, ganz auf das Ego fixierten Menschen eingeleitet wird! Dies ist eine Selbstzerstörung des Geistes…
17.
Ob viele Menschen sich auf einen vernünftigen Glauben, der im Sinne Hegels nur das Wesentliche glaubt, noch einmal einlassen können, ist fraglich. Heute gehören Magie und Aberglauben zu den Hauptinteressen auch der sich religiös nennender Menschen. Und selbst so genannte Atheisten, die nicht an die Nicht-Existenz des biblischen/kirchlichen Gottes glauben, schätzen dann doch oft Astrologie, esoterische Weisheiten… Haben also doch wieder ihre „Götter“?
18.
Aber prinzipiell gibt es für philosophierende Christen keinen Grund, auf einen Glauben zu verzichten, der – wie der Hegels – die Innerlichkeit und die Unmittelbarkeit eines jeden Menschen zu Gott im Denken pflegt. Dieser Glaube ist als Erkenntnis vernünftig und wahr. Und er wird tätig … im Sinne der Menschenrechte.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

„Das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes wird abgeschafft!“

Als sich die katholische Kirche dogmatisch von der Moderne verabschiedete: Dies geschah im Jahr 1870, am 18. Juli, durch die Entscheidung von Papst Pius IX.

Ein Hinweis von Christian Modehn

Das Papsttum “zerbröselt” offensichtlich:
Am 14.7.2020 habe ich ein Vorwort zu dem Text unten geschrieben. Ich will auf die jüngste Publikation “The next Pope” des bekannten sehr konservativen US-amerikanischen Autors George Weigel hinweisen, der schon jetzt, obwohl Papst Franziskus ja wohl noch lebt, das Profl des künftigen Papstes beschreibt. Dieses Buch wurde von dem New Yorker Kardinal Timothy Nolan allen Kardinälen sozusagen zur Einstimmung geschickt. Das Buch ist zudem in einem Verlag erschienen, das dem Jesuitenorden nahesteht, der “Ignatius Press”.

Das Papsttum, das sollten alle an dem Thema noch Interessierten wahrnehmen, löst sich heute zwar noch nicht von selbst ganz auf, aber es zerbröselt so langsam und systematisch. Das wird vor allem sichtbar in den bekannten, öffentlich ausgetragenen Attacken gegen den regierenden Papst Franziskus. Diese vielen polemischen Stellungnahmen aus höchstem kardinalen Munde sind bekannt. Bezeichnend ist, dass Papst Franziskus, wann immer er kann, öffentlich darum bittet, für ihn zu beten. Das ist keine fromme Floskel, sondern Ausdruck der Angst vor den allmächtigen Kurien-Leuten und Kardinälen und reaktionären Theologen. Kaum einer von denen würde offen sagen: Ich bin gegen Papst Franziskus. Aber wer auch zwischen den Zeilen lesen kann, etwa in den Druckerzeugnissen von Kardinal Müller und Co., weiß Bescheid.
Um diesen Auflösungsprozess des Papsttums heute zu begreifen, muss man an die Tatsache erinnern, dass sich der einstige Papst Benedikt XVI. nach seiner selbst gewollten Emeritierung 2013 keineswegs als zurückgezogener, vielleicht Buße tuenden Emeritus verhält, sondern wie eine Art zweiter Papst! Er wird, und das erwartet er wohl, von „seinen Kreisen“, den konservativen Katholiken, verehrt, die er dann seinerseits mit seinen Schriften und Interviews bestens bedient. „Unser Papst ist Benedikt“, man lese die entsprechenden Jubel- Beiträge seiner Fans…
Man sollte also, wenn man den Mut der klaren Analyse hätte, wirklich von einem Gegenpapst Benedikt XVI. sprechen mit seiner starken militanten Lobby um ihn herum. Zwei Päpste also, das ist total gegen die klassische Lehre vom Papsttum.
Und dieses Papsttum zerbröselt, weil die Pluralität der theologischen Meinungen selbst unter den Kardinälen nicht mehr wie einst „unter einem Deckel“ gewaltsam unterdrückt werden kann: Einst, das heißt wohl bis zum polnischen Papst Johannes Paul II., war der Papst und das Amt des Papstes wie eine Art monolithisches Imperium noch zusammengehalten. Heute ist es so weit gekommen, dass der Kardinal von New York Timothy Dolan vor kurzem das Buch eines bekannten, sehr konservativen Autors, George Weigel, an alle Kardinäle schickte. Sozusagen zur Einstimmung für die nächste Konklave, fehlt bloß noch, dass man für ein alsbaldiges friedliches Ende von Papst Franziskus betet. Der Titel des Buches von Mr. Weigel ist „The Next Pope“. Damit wird unverschämterweise, möchte man sagen, gegen das ausdrückliche Verbot des regierenden Papstes Franziskus agiert, schon „ante mortem“ ein Profil des künftigen Papstes zu beschreiben.
Selbstverständlich, Weigel nennt dabei keinen Namen. Aber der Grundtenor ist klar: So, wie unter Papst Franziskus, darf es nicht weiter gehen. Es ist sozusagen eine besondere „Feinheit“, dass dieses Buch im Verlag „Ignatius Press“ erscheint, also in einem Verlag in San Francisco, der mit dem Jesuitenorden eng verbunden ist. Der Gründer des Verlages ist ein Jesuit. Dadurch wird deutlich, dass auch innerhalb des Jesuitenordens Abstand genommen wird von dem Jesuiten – Papst Franziskus.

Diese Details zeigen, dass das Papsttum als Imperium und als monolithischer Block heute de facto nicht mehr besteht und wohl nie mehr bestehen kann: Die theologische Pluralität und die kulturelle Differenz in einer Kirche mit 1,3 Milliarden Mitgliedern vernichtet alle Uniformität und Einheitlichkeit. Und schon allein diese Tatsache der 1,3 Milliarden Mitglieder lässt doch jeden nachdenklichen Menschen meinen: Wie kann ein einziger sehr alter Herr (Papst Franziskus ist jetzt 83 Jahre alt), eine Organisation mit 1,3 Milliarden Mitgliedern „leiten“. Auch ein jüngerer Papst kann dieser Aufgabe nicht gerecht werden. Darum: Nicht einen Papst, sondern mindestens fünf auf allen Kontinenten könnte diese Kirche gebrauchen. Aber könnten fünf Päpste auf verschiedenen Kontinenten (gemeinsam) “unfehlbar” sein? Wohl kaum.So könnte sich das „Unfehlbarkeitsdogma“ von 1870 von selbst erledigen…
(Siehe: https://www.ncronline.org/news/people/exclusive-dolan-sends-book-next-pope-cardinals-around-world)

Man vergesse auch nicht, dass bereits Kant in seinem Text von 1793 “Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis” eine Regierung als “despotisch” ablehnt, in der sich der Herrscher als ein Vater verhält, der(möglicherweise, je nach Laune) wohlwollend gegenüber seinen Bürgern ist. Diese Bürger aber werden als passive, duldsame Kinder gegenüber dem Vater verstanden. Kant sagt: “Dies ist der größte denkbare Despotismus”. Diese Äußerung Kants gilt es auf die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes zu beziehen. Papa heißt “Vater”. Die Gläubigen sind also seine “Kinder”…(Siehe: Kant, “Zum ewigen Frieden und andere Schriften”, Fischer Taschenbuch, 2008, Seite 99). Aber hätte Papst Pius IX. auf das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes verzichtet, wenn er Kant gelesen hätte? Eher nicht, er wie alle Päpste wollte ja die Gläubigen als gehorsame “Kinder”. Bis heute.

Und man vergesse auch nicht, dass schon 1819, also 50 Jahre vor der Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit, der reaktionäre Philosoph Joseph de Maistre in seinem Buch “du Pape” ausdrücklich die Unfehlbarkeit des Papstes forderte. Nur mit dieser Unfehbarkeit, meine er, könnte die alte in seinem Sinne richtige feudalistische Ordnung wieder hergestellt werden… Pius IX. hatte daran geglaubt, ein treuer Schüler de Maistres…

1.
Unter den vielen Dogmen der katholischen Kirche (Dogma bedeutet: „Was ein Katholik glauben muss“) ist die „definitive und unumstößliche Lehre“ der „Unfehlbarkeit des Papstes“ eines der besonders problematischen und abstoßenden Dogmen. Vor 150 Jahren, am 18. Juli 1870, hat Papst Pius IX. diese Verfügung durchgesetzt, bekanntermaßen gegen den Widerstand vieler Bischöfe während des Ersten Vatikanischen Konzils. Pius IX. ist – gerade in höherem Alter – als ein Reaktionär in jeder Hinsicht bekannt: Als ein Feind der Moderne, also der Demokratie, der Menschenrechte, ein Gegner der freien Meinungsäußerung usw. Das kann hier nur angedeutet werden, ist aber ein Hinweis auf den absolutistischen Geist dieses obersten „Brückenbauers“, denn das bedeutet die Selbstbezeichnung der Päpste „Pontifex maximus“. Pius IX. hat keine Brücken gebaut, sondern den Katholizismus auf Dauer von der Moderne und der Aufklärung abgekoppelt. Er ist also faktisch ein Widerspruch zu seinem Auftrag.
Genauso bezeichnend ist die Tatsache: Der ebenfalls theologisch extrem konservative polnische Papst Johannes Paul II. hat im Jahr 2000 Papst Pius IX. selig gesprochen: Er darf also, zumindest regional, verehrt und als Fürsprecher im Himmel angesprochen werden, so die offizielle Lehre zu „Seliggesprochenen“. „Seliger Papst Pius IX. hilf uns, die Demokrartie zu zerstören“, könnte eine fromme Bitte heißen, vielleicht ist dies ein Tipp für katholische Rechtsextreme?
2.
Mir geht es nur um die ganz einfache, aber von katholischen Theologen in dieser präzisen Form meines Wissens nie gestellten Frage: Warum kann die katholische Kirche dieses unerträgliche Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes nicht schlicht und einfach heute und zwar sofort abschaffen?
Als besonderes Geschenk für die Welt und die Katholiken an dem Gedenktag? Dazu wäre ja rechtlich gesehen ein Papst in der Lage. Die Abschaffung dieses Dogmas wäre dann die letzte Tat eines unfehlbar agierenden Papstes. Dann müsste der Papst erklären: „Entschuldigung, was dieser Pius IX. da mit aller Bravour und Einschüchterungen auch gegen die Bischöfe durchsetzte, ist falsch, in heutiger fortgeschrittener Theologie sowieso. Der Katholizismus ist inzwischen geistig doch etwas lebendiger geworden, so dass er sich von diesen überlebten Vorstellungen Pius IX. trennt“.
Der Papst wäre also ab sofort nicht mehr unfehlbar „in Fragen des Glaubens und der Sitten“, wie es einst hieß. Der Papst wäre dann ein Mitglied der Bischöfe unter anderen, er wäre zu einem Lernenden und Suchenden unter anderen geworden.
3.
Selbst wenn immer wieder von herrschenden klerikalen Kreisen gesagt wird: So oft haben die Päpste ja bisher gar nicht Gebrauch gemacht von dieser ihrer dogmatischen „Unfehlbarkeit in Glaubensfragen“. Dann muss man freilich nur an Tatsachen erinnern: Es gibt nämlich eine „schleichende Unfehlbarkeitstendenz in den Aussagen späterer Päpste“, vor allem bei Johannes Paul II. und seinem Chef-Theologen Kardinal Ratzinger. Der katholische Theologe Professor Norbert Scholl schreibt sehr treffend in den „Stimmen der Zeit“ 2018, wenn er sich auf die vielen anderen päpstlichen Verlautbarungen bezieht, die den Katholiken als offizielle Lehre irgendwie ständig aufgedrängt werden: „Ob Enzyklika, Motu proprio, Apostolisches Schreiben, vom Papst approbierte Erklärungen der Glaubenskongregation oder Katechismus der Katholischen Kirche: Immer wird die „willige Annahme der Lehren und Weisungen durch die Gläubigen, die ihnen ihre Hirten in verschiedenen Formen geben“, verlangt, also „religiöser Gehorsam“, „Folgsamkeit in Liebe“ oder „endgültiges Festhalten an diese Entscheidung“. Also genau die gleiche Haltung, die auch gegenüber einem Dogma gefordert wird.
4.
Die Tendenz des Papstes, diese versteckteren Formen der Unfehlbarkeit und damit der autoritäre Rechthaberei in Glaubens – und Moralfragen auszuüben, ist also auf vielfache Weise präsent und ungebrochen bis heute. Papst Franziskus hat dem heftigen Kritiker der Unfehlbarkeit, dem katholischen Theologen Hans Küng diesbezüglich auf einen Brief freundlich geantwortet, aber keine präzisen Aussagen zu einer „Abmilderung dieses Dogmas“ gemacht. Wie immer ist Papst Franziskus in einem freundlichen Ja und Nein befangen, wie es Franziskus als „Jongleur“ so liebt, weil er –diplomatisch gesehen wahrscheinlich klug – ums eigene Überleben im Vatikan besorgt ist und niemanden unter den Kardinälen dort sehr oft stark verärgern will. Das wäre vielleicht die Summe des Pontifikates von Papst Franziskus: „Weil er es allen recht machen wollte, hat er nichts so richtig recht gemacht“. Aber das ist ein anderes Thema…post mortem zu bearbeiten.
5.
Zurück zu unserer eigentlich ganz einfachen Frage: Wird dieser Papst oder einmal ein anderer Papst das Unfehlbarkeitsdogma abschaffen? Es erscheint wie ein hoher unüberwindlicher Berg, der allen Menschen die Sicht nimmt, wenn es um das Suchen nach einem vielleicht doch möglicherweise Vernunft-affinen Katholizismus geht. Aber die katholisch theologische Antwort muss LEIDER nein heißen. Es kann systembedingt keine Abschaffung eines Dogmas geben. Das System lässt dies nicht zu! Denn die katholische Theologie kann und will die über alle und alles herausragende und alles bestimmende Macht des Klerus, also auch des Papstes, nicht aufgeben. Und zu dieser Macht – Ideologie gehört auch die selbst geschaffene Überzeugung: Was wir Kleriker einmal als Dogma, als Wahrheit, definiert haben, gilt ewig. „Denn wir sind“, so behaupten sie, „die einzigen autoritativen Lehrmeister der Kirche“. Es gibt für diese sich so fühlenden Herren, was die Dogmen angeht, eine ewige Kontinuität der Lehre, keine Brüche und keine Abschiede. Diese gibt es nur sehr gelegentlich bei großen wissenschaftlichen Irrtümern, wie zum „Fall Galilei“, der Wissenschaftler wurde bekanntlich (erst) 1992 offiziell rehabilitiert. Der Trick dabei ist: Die Kleriker behaupten, über die Dogmen alles genau zu wissen: So behaupten sie: Es war ja Gott selbst, sein Geist, der – durch päpstlichen Mund – die Dogmen geschaffen hat. Und weil in diesem Denken Gott nur ewig und unveränderlich gedacht werden kann, können auch die von Gott selbst geschaffenen Dogmen nicht von Menschen abgeschafft werden. Sie können bestenfalls neu interpretiert, also in anderen Worten einen anderen Akzent setzen. Aber die einmal behauptete dogmatische Lehre muss erhalten bleiben.
6.
Es würde mich reizen, den Satz des katholischen Theologen Hans Küng zu variieren, der einmal sagte: „Die katholische Kirche hat immer mehr Parallelen zu Diktaturen. Der römischen Kurie sei es gelungen, die Bischöfe weltweit durch eine enge Beaufsichtigung und mit Hilfe von Denunzianten zu einem fügsamen Apparat zu formen, so der 84-jährige.Dieser Apparat erinnere „in seiner Machtstruktur an Leitungskader in totalitären und diktatorischen Systemen, wo auch niemand eine abweichende Meinung zu äußern wagt“. Das berichtet der ORF im Jahr 2012: (http://begegnungunddialog.blogspot.com/2012/05/kung-katholische-kirche-erinnert.html)
Man müsste dann Parallelen ziehen zu den Herrschaftsformen der Kommunistischen Parteien und ihrer Führer, die bekanntlich auch vom Glauben geleitet waren, die Wahrheit zu “haben” und diese anderen aufzudrängen. Wer nicht spurte, wurde verbannt und hingerichtet. Der Umgang mit Andersdenkenden ist ja auch unter Pius IX. sowie vorher und nachher in der römischen Kirche nicht sanft, human oder gar jesuanisch“ gewesen. Aber diesen Vergleich totalitärer Systeme, KP und Vatikan, will ich anderen überlassen. Hans Küng ist 2012 übrigens auch nicht ins Detail gegangen. Zu viel Ärger mit Rom wollte sich der mutige Unfehlbarkeitskritiker dann doch nicht antun. Zumal er als letztlich doch strammer Katholik eben doch wohl immer noch glaubt, dass diese römische Kirche „letztlich“ eine göttliche Stiftung ist. Also etwas „Heiliges“ ist.
7.
Erst wenn sich die Überzeugung durchsetzt: Auch die katholische Kirche, auch das Papsttum selbstverständlich, ist eine Stiftung religiöser Menschen, also nicht mit einem göttlichen Glanz eines göttlichen Stifters versehen, wird sich die Unfehlbarkeitsdebatte erübrigen. Dann werden auch Kleriker, selbst Päpste, wieder „nur“ Menschen sein, Suchende, Fragende, Fehlbare.
8.
Wie wäre es also mit dem (zeitlich gesehen) letzten Dogma der katholischen Kirche, dem Dogma von der Fehlbarkeit der Päpste in Glaubens- und Sittenfragen?
Nebenbei: In Sittenfragen waren sie ja, was ihre eigene Praxis angeht, immer sehr “fehlbar”.

9.
Manchmal werden einige wenige Katholiken von Träumen erfreut. Sie sehen einen vatikanischen Günter Schabowski vor sich, der auf die Frage „Wann wird das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes abgeschafft?“, ganz einfach sagt: „Ich glaube, nach meiner Kenntnis, ist das sofort, unverzüglich“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Der Gott der (meisten) Christen: Die Dreifaltigkeit, ein einziges „Wesen“ in drei „Personen“

Ein Hinweis zu einem spekulativen Thema
Von Christian Modehn (Siehe auch meinen Hinweis zum Thema, veröffentlicht am 3.6.2020)

1.
Dies ist eine zentrale Frage der Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie: Wer oder was ist der (offizielle, von der Kirchenhierarchie gelehrte) Gott der Christen? Da gibt es ja bekanntlich mit Juden und Muslims gewisse Auseinandersetzungen, auf die ich hier nicht eingehe.
Noch einmal einige Hinweise zum Verstehen der Dreifaltigkeit des einen Gottes der (meisten) Christen. Zumal im „Kirchenjahr“ alle Sonntage nach dem „Dreifaltigkeitssonntag“ (dies ist der Sonntag nach Pfingsten) als „Sonntage nach Trinitatis“ bezeichnet werden. In diesem Jahr 2020 heißen so 26 Sonntage bis zum „Ewigkeitssonntag“, dem 22. November. Wer will, hat also viele Wochen Zeit, sich mit der Trinität zu befassen…
2.
Dabei nenne ich hier nur einige weitere Erkenntnisse, die das kleine, aber sehr anregende und empfehlendwerte Buch des bekannten Mittelalter-Historikers Jacques Le Goff bietet: “Der Gott des Mittelalters“ (Herder, 2003, antiquarisch noch zu haben). Die Seitenzahlen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf dieses Buch
3.
Dies ist für Le Goff der Ausgangspunkt:
Der offiziell verkündete Gott der (meisten) Christen ist „einer“ in drei verschiedenen Personen: Gott „besteht“ aus drei Personen, „hat“ aber nur ein Wesen, sagt auch Le Goff (43), bei gleichzeitiger Betonung des christlichen Monotheismus (28, auch 31, 43). (Dabei wäre über den Begriff „Person“ in der Trinität noch eigens zu sprechen: Gemeint ist nicht der Begriff der Person, der auf die menschlichen begrenzten Wesen zutrifft. Menschen haben jeweils ein einmaliges, eigenes „Wesen“. Bei Gott Vater, Jesus Christus (dem „Logos“) und dem Heiligen Geist, also den „Dreien“, handelt es sich jedoch um ein einziges Wesen. Trotz dieser begrifflichen Verschiebung und Undeutlichkeit halten die Kirchen an den drei göttlichen Personen fest. Dies führt zu blühender Phantasie, darauf weise ich später hin.
4. Die „Personen“ im einzelnen:
Der Gott – Vater wird als der thronende, sitzende, richtende Gott gedacht (10, 32). Wie schon die ersten christlichen Könige und Kaiser thront auch der höchste Herrscher, dies ist Gott-Vater. „Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Teil der Eigenschaften des Gottes der Christen vom Römischen Reich geprägt wurde“ (63). Gott Vater sitzt auf einem Gnadenstuhl (46) Damit deutet Le Goff die ideologische Abhängigkeit des religiösen, christlichen Gottesbildes von den politischen-ökonomischen Bedingungen an.
Dieser thronende, herrschende Gott (mit Bart, manchmal) bestimmt als Bild bis heute das Denken und Vorstellen sehr vieler Menschen. Mit anderen Worten: Das christliche Gottesbild ist weithin mittelalterlich bestimmt.
5.
Das Bild von Christus als der 2. Person in der Trinität ist im Mittelalter vom leidenden Christus bestimmt.
ABER es gibt auch eine unausgeglichene Ambivalenz, eine „Konkurrenz“ zu Gott-Vater, wenn Christus als „thronender Gott des Jüngsten Gerichts“ (66) dargestellt wird.
6.
Über den Heiligen Geist: Dieser eine Gott delegiert „seine Macht in gewisser Weise an eine der drei Personen“ (43). Das heißt: Le Goff nennt den Heiligen Geist eine Art „deus ex machina“, der je nach Bedarf als Gott eingesetzt wird (36), etwa als Gott, der in den Spitälern verehrt wurde.
Es ist ein Vogel, die Taube, die als Symbol für den gar nicht darstellbaren Heiligen Geist verwendet wird. Die Wahl der Taube als Symbol des heiligen Geistes ist den meisten heute wohl fremd und befremdlich und dieses Symbol bedarf eigener Erklärungen, die leider Le Goff in dem Buch nicht bietet! Schon in den alten Kulturen galten Tauben als Götterboten; sie waren Symbole der Sanftmut, aber auch der Einfalt. Noah bediente sich der Tauben in seiner Arche. Und vor allem: Bei seiner Taufe durch Johannes sah Jesus den „Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen“ (so Markus Evangelium, 1, 10), Man denke auch daran, dass die Taube (oft mit Olivenzweig im Schnabel) als Symbol der Friedensbewegung gilt: Pablo Picasso hat sie entworfen für den Pariser Weltfriedenskongress 1949…
Es gab dann theologische Debatten, in welcher Beziehung der im Christen anwesende Heilige Geist zu dem allgemein menschlichen Geist hat. Gerade in der praktischen Ethik, der Tugendlehre, ist diese Frage wichtig. Thomas von Aquin fand in dem Zusammenhang den Heiligen Geist entscheidend (42) gegenüber dem bloß menschlichen Geist. Eine unbefriedigende Antwort. Denn wer sich auf diese Vorstellung einlässt, muss sich fragen: Ist das, was ich tue, denke, plane nun „mein“ Geist oder, sozusagen in Doppelung, Verstärkung, der Heilige Geist. Diese Frage berührt das große Thema der Gnadenlehre und der Erlösungslehre der dogmatischen Kirchen, die ja immer von einer begrenzten, sündigen „Natur“ des Menschen ausgeht und der Gnade, dem Heiligen Geist. Das ist ein kirchliches Konstrukt, um die Notwendigkeit der Taufe und damit die Notwendigkeit der Kirche zu begründen… Aber diese Perspektiven zeichnet Le Goff nicht in diesem Buch!
Hingegen: Beim Heiligen Geist spricht etwa der (häretische) mittelalterliche Mönch Joachim von Fiore von dem „göttlichen Beweggrund der Geschichte“, eine Idee, die bei Hegel wiederkehrt.
7.
Das ist wichtig für Le Goff:
Das Gottesbild hängt immer von den Positionen derer ab, die sich von Gott ein Bild machen (9), also gibt es einen Gott der Armen und der Reichen, der Kleriker und der Laien usw. (9). Dieses Thema wird leider nur angedeutet, es ist so aktuell wie im Mittelalter.
8.
Mit der Trinität als Vorstellung von dem einen Gott hatten die Menschen, allen voran die Theologen, die Künstler, die Literaten ihre große Mühe. Es kam und kommt zu absonderlichen Vorstellungen, Ideen, Bildern:
9.
Le Goff spricht davon, dass es eine „Einführung einer weiblichen Person in und neben der Trinität gab, dies ist die Jungfrau Maria“(10).
Ein bislang eher verdrängter Hinweis: „Maria – die vierte Person der Trinität“, den übrigens auch der Theologe Josef Imbach bestätigt, in seinem Buch „Marienverehrung zwischen Glaube und Aberglaube“(2008, Patmos Verlag.). Imbach nennt etwa den Glauben katholischer Bruderschaften im 17.Jahrhundert: „Man verlieh der Mutter Jesu den Ehrentitel einer Göttin und betrachtete sie – innerhalb dieses Denkschemas durchaus folgerichtig, aber arithmetisch absolut unlogisch – als vierte Person der Dreifaltigkeit“ (67).
Ein Beispiel für viele: Das Erzbistum München –Freising bietet auf seiner Website ein Beispiel; Ein Gemälde, das Maria als Königin inmitten und als Teilnehmerin der Trinität zeigt: Und zwar ein Gemälde aus der Kirche in Gelbersdorf. (https://www.erzbistum-muenchen.de/spiritualitaet/cont/83681)
10.
Aber selbst wenn die Trinitäts-Vorstellungen sich oft auf die drei göttlichen, davon zwei männlich gedachten (!) Personen beschränkten: Da kam es im Laufe der Zeit zu allerhand Absonderlichkeiten:
Es gab Vorstellungen, Bilder, eher eine „Binität“ als eine „Trinität“ darstellten: Etwa: Gott Vater hält Jesus auf seinem Schoß. Ohne heiligen Geist.
Es gab Bilder der trikephalen, also der dreiköpfigen Trinität: Das heißt: Ein Körper mit drei Köpfen.
Es gab Bilder der dreigesichtigen Trinität: Ein Kopf, mit vier Augen, drei Nasen, drei Münder. Also drei verschiedene, aber identische Gesichter. Le Goff schreibt: „Dies sind Bilder eines monströsen Gottes, die heftigen Protest hervorriefen, beispielsweise beim heiligen Antoninus (1389-1459), dem Erzbischof von Florenz und Protektor Fra Angelicos. (48).
Eine Studie von Leopold Kretzenbacher (Graz) beschreibt diese hoch merkwürdige „Dreigesichter – Trinität“ ausführlich auch mit vielen anschaulichen Beispielen: (https://www.historischerverein-stmk.at/wp-content/uploads/Z_Jg83_Leopold-KRETZENBACHER-Steirische-Dreifaltigkeitsbilder-als-%E2%80%9EDreigesicht%E2%80%9C-und-ihre-Verwandten.pdf)
11.
Diese Bilder sind Ausdruck einer großen Verlegenheit: Christen wissen selbst nicht so richtig, wie sie mit dem Begriff des einen Gottes als Trinität umgehen sollen. Durch diese offizielle Vorstellung der Dreifaltigkeit ist der Phantasie Tür und Tor geöffnet. Das ist ja nicht schlecht. Aber der Kirchenführung entgleitet dabei die Hoheit der Definition, was zu glauben ist. Sie schafft also selbst ein Stück Freiheit und fördert förmlich mit ihrem mysteriösen Dogma Andersdenkende, die sie dann Häretiker nennt und . mindestens – ins Abseits stellt. Und von daher kann man verstehen, wenn der große katholische Theologe Edward Schillebeeckx, Nijmegen, gestehen muss: Der Trinität sehr skeptisch gegenüberzustehen.
12.
Der eine und dreifaltige Gott der Christen wurde politisch massiv und heftig durchgesetzt: Um den Glauben der poly – theistischen Heiden zu beseitigen, wurden heidnische Tempel zerstört, Bücher heidnischer Philosophen verbrannt, Bäume gefällt und Quellen zerstört, weil die Bischöfe meinten, darin seien heidnische Götter tätig. Christentum und Naturzerstörung hat darin einen Aspekt!
All das wiederholte sich etwa in Südamerika seit dem16. Jahrhundert, die Tempel der Maya, Azteken usw. wurden zerstört und auf deren Boden barocke Kirchen mit dem trinitarischen Gott den „Indianern“ präsentiert……Es fand also als Missionsstrategie eine Art Entzauberung statt, die dann wieder neuen Schwung bekam durch eine neue, dann christliche und kirchlich gesteuerte Verzauberung: Denn was anderes ist denn der Marien-Kult, der Reliquienkult, die Messe mit der „Wandlung“ etc…, ist die Idee einer Trinität für den einen Gott nicht auch eine Form von Verzauberung, eine uneingestandene Verneigung vor dem Polytheismus?
13.
Der Kampf um die Durchsetzung der Trinität, die den Kaisern/Königen wie den Päpsten gleichermaßen gefiel, war heftig: Es gab die Verteufelung und Verfolgung der Christen, die dem Glauben an den einen Gott in drei Personen nicht folgten, wie etwa Arius oder Nestorius oder Pelagius… (29 f bei Le Goff nur angedeutet).
14.
Die Kirche wollte nicht nur ihre äußere Macht stärken, und stärker als die weltliche Macht der Könige erscheinen. Sie wollte auch in ihrer inneren Gestalt, der Lehre, nur eine Einheitsmeinung zulassen, was ihr natürlich nicht gelang. Deswegen die ständigen Ketzerprozesse in der ganzen Kirchengeschichte. Die Bischöfe und Päpste, die sich die absolute Hoheit in der Deutung der Bibel selber zugesprochen hatten, duldeten keine Abweichler. Und durch ihre Sakramente, wie die Taufe, machte sich der die Taufe spendende Klerus absolut unersetzlich für das ewige Heil der Menschen. Diese engste Verbindung von Klerus und Sakramentenspendung (Taufe, Firmung, Feier der Messe durch Priester allein, usw..) hat bis heute die Allmacht des Klerus gestärkt.
15.
Die große Frage der kritischen Theologen ist heute: Ist ein christlicher Glaube denkbar und lehrbar, der auf die klassische Beschreibung der Trinität verzichtet? Und der einfach nur nachvollziehbar sagt: Gott, das Göttliche, das bzw. der Ewige sind ein bleibendes Geheimnis, das der Menschen in seinen Emotionen und im Denken berührt, berühren kann. Aber niemals umgreifend definieren kann, wie es die klassische Trinitäts – Lehre betont. Zudem ist ihre Bindung an politische Umstände so groß, dass man wohl eher von einer klassischen Trinitäts-Ideologie sprechen sollte.
16.
Aber zu diesem Akt einer theologisch-ideologischen Befreiung sind die großen, herrschenden Kirchen(führer) wohl nicht in der Lage. Sie können und wollen nicht eingestehen: Was einmal einst vor Jahrhunderten von Christen gelehrt wurde, ist historisch zwar interessant, aber heute von keiner spirituellen und theologischen Gültigkeit mehr. Denn der christliche Glaube ist keine museale Veranstaltung, keine Repetition uralter metaphysischer Thesen, sondern ein lebendiges, ein offenes, eine kritisches Geschehen.
17.
Meine These, mein Vorschlag: Ein vernünftiger christlicher Glaube (kann er denn anders als vernünftig sein bei denkenden Menschen, die sich der „Gottes-Gabe“ Vernunft erfreuen) kommt selbstverständlich ohne die klassischen Formeln des trinitarischen Dogmas aus. Darin folge ich der Trinitäts – Skepsis des katholischen Theologen Edward Schillebeeckx. Das Motto also ist: Christen sollten sich hüten, von Gott zu viel wissen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon