Patriarch Kyrill I. (Moskau) dreht durch: Jetzt ist Homosexualität Schuld an den „schweren Ereignissen“

Ein Hinweis von Christian Modehn am 7.3.2022

Der Chef der Russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I. von Moskau, hat erneut bewiesen, dass er den Krieg Putins gegen die Ukraine unterstützt, mit Argumenten, die nun ans Wahnhafte – Verkalkte grenzen.

Am Sonntag, dem 6. März 2022, hielt er wieder eine „Homelie“, eine Art Kurzpredigt, in der „Christus-Erlöser-Kathedrale“ von Moskau. Er bezog sich auf den „Bereich der internationalen Beziehungen“, das Wort Krieg vermeidet er als treuer Verehrer Putins und spricht nur von „schweren Ereignissen“, die leider die Region Donbass treffen. Nur auf diese Region bezieht er sich. Dort leben, so sagt der Patriarch, viele Russen. Und es würde dort seit 8 Jahren versucht, diese russische Kultur zu zerstören. Putin wird so abermals als Retter der Russen und der russischen Ideen auch im Donbass präsentiert. Wie gesagt, von Krieg spricht Kyrill I. nicht, hat er Angst, in ein Putinsches Straflager zu kommen, und dabei das nachzuerleben, was Stalin einst vielen Bischöfen in seinen Lagern antat? Seine Millionen Euro teure Armbanduhr müsste er dann freilich abgeben…

Der deutlichste Ausdruck für die verworrene Denkweise des Putin-Patriarchen ist sein Hinweis auf die Ursache der „Schwierigkeiten in den internationalen Beziehungen“, also im Klartext, des Krieges: Es sind nämlich, so wörtlich am 6.3.2022, metaphysische Ursachen, nicht politische, die da maßgeblich sind, nämlich die Ablehnung des Gesetzes Gottes und die Ablehnung der Sünde.

Es ist also, wie bei Kyrill I. üblich, einmal mehr der Verlust der alten Werte, der zu dieser „Krise“ geführt hat. Die moderne Gesellschaft sei von exzessivem Konsum und der irregeleiteten Freiheit geprägt. Dabei denkt der Patriarch nicht etwa an die Milliardäre und Millionäre aus dem Putin-Freundeskreis.

Nein, es sind ausgerechnet die Homosexuellen, die ihre Gesetze auch in Russland durchsetzen wollen. „Aber diese Leute sind Sünder, sie leben in der Sünde, die von Gottes Gesetz verurteilt wird. Die Homosexuellen wollen mit Gewalt den Russen die Leugnung Gottes und seiner Wahrheit aufzwingen“, so wörtlich der Patriarch. Die „Krise“ (also de facto der Vernichtungskrieg Putins gegen die Ukraine) habe diese metaphysischen – moralischen Ursachen. Bekanntlich hat Putin in bestem Einvernehmen mit Kyrill bei der Revision der Russischen Verfassung im Jahr 2021 die Ehe als ausschließliche Sache der Heterosexuellen definiert, die homosexuelle „Propaganda“ für eine „Ehe für alle“ wird auch von Putin verurteilt. Er tut so, als sei er ein guter orthodoxer Christ, schließlich wurde er schon als Kind in Leningrad heimlich getauft, behauptet er.

Nun also sind die Homosexuelle Schuld an der „Krise“.

Und der Beobachter fragt sich: Wie viel Schwachsinn darf eigentlich ein Patriarch öffentlich verbreiten? Dieser Herr wird ja in Russland noch ernst genommen, bei den vielen Frommen auf dem Lande etwa, die oft sogar noch stolz sind auf ihre religiöse und politische Anhänglichkeit an diese Kirche und ihre Führer Kyrill und Putin…

Und der Beobachter fragt sich weiter: Wann endlich kommt der „Weltrat der Kirchen“ in Genf zu der Entscheidung, diesen Patriarchen und seine Kirche aus der ökumenischen Gemeinschaft der Christen rauszuschmeißen. Es ist eine Schande, mit diesen Leuten ökumenische Gemeinschaft zu pflegen, man denke daran, im Sommer tagt der Weltrat der Kirchen in Karlsruhe: Wird da Kyrill I. seinen Schwachsinn verbreiten?

La Croix, die Tageszeitung aus Paris, schreibt: „Diese Position des Patriarchen hat nur sehr vereinzelt Kritik gefunden. Eine Gruppe von Priestern seiner Kirche hat eine Petition verfasst, in der sie eine sofortige Feuerpause fordert und die Repression gegen gewaltfreien Demonstranten kritisiert und den Frieden fordert“, so La Croix am 7.3.2022.

Quelle. La Croix.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Die Russisch-orthodoxe Kirche mit Patriarch Kyrill I. gehört nicht mehr zur Ökumene

Ein Hinweis von Christian Modehn am 2. März 2022.  Siehe auch den Hinweis vom 26.2.2022. Siehe auch “Homosexualität ist Schuld an der Krise” (Kyrill I.)

Notiert am 5.3.2022:

Entscheidend ist: Putin und der Patriarch Kyrill I. von Moskau (und mit ihm die meisten seiner Bischöfe) sind sich einig in der leidenschaftlichen Verurteilung der so genannten “westlichen Ideen”, also der Philosophie der Aufklärung, der Demokratie, der Menschenrechte. 

Entscheidend ist zweitens: Die Jahrzehnte andauernde Mitgliedschaft der Russisch-orthodoxen Kirche in verschiedenen ökumenischen, also westlichen, d.h. protestantischen und auch katholischen Gremien und Konferenzen (wie dem “Weltrat der Kirchen” in Genf) hat für die Russisch-orthodoxe Kirche keinerlei Erkenntnisgewinn gebracht. Diese Kirche war offenbar nur des schönen Scheins wegen in den ökumenischen Gremien, um international mit Pomp und Weihrauch zu glänzen. Und die westlichen Kirchen fragten nie: Wie haltet ihr Russisch-Orthodoxen es mit den Menschenrechten in eurem Land? Seid Ihr als Kirche bereit, bei eurer Macht, auch politische Opposition zu sein?

Mit anderen Worten: Nicht nur westliche Politiker waren naiv im Umgang mit Putin, westliche Kirchenführer waren (und sind ?) genauso naiv im Umgang mit Kyrill I. und Co.

Es klingt geradezu lächerlich, wenn katholische Theologen, selbst die Päpste der letzten Jahre, sagen: Wir brauchen die (russisch ?) Orthodoxen als “unsere zweite Lunge”, so Papst Johannes Paul II. und ähnlich auch Benedikt XVI.

…………………………..

1.
Die Russisch-orthodoxe Kirche mit ihrem Patriarchen Kyrill I. ist seit Jahrzehnten schon eine Art Putin-Kirche. Auch im Krieg Putins gegen die Ukraine hat die Russisch-orthodoxe Kirche als eine einflußreiche Organisation in Russland (ca. 60 % der Russen gelten als Mitglieder) bisher nur allgemeine Floskeln zum Frieden in der Ukraine geäußert. Einige Popen in Frankrerich denken wohl anders als der Patriarch und die Bischöfe, aber werden sie ernst genommen, werden sie ausgegrenzt und verfolgt? (Siehe unten Anmerkung 1, der Appell einiger russisch-orthodoxer Pfarrer in Frankreich). Am 3.3.2022 hat auch der Ökumenische Rat der Kirchen durch seinen Generalsekretär einen freundlich bittenden Brief an Patriach Kyrill geschickt.

2.
Die Forderung: Eine Kirche, die sich nur in Worten und feierlicher Liturgie auf das Evangelium Jesu Christi bezieht, aber de facto zur nationalistischen Putin-Kirche entartet ist, gehört nicht mehr in repräsentative christliche ökumenische Gremien (in Genf, auf Landesebene in Europa oder in Landeskirchen/Bistümern).

Diese Kirche kämpft – gut dokumentiert – gegen alle Freiheiten der Bürger, der Frauen, der sexuellen Vielfalt, der Künstler. Und sie will sogar „Väterchen“ Stalin in den Rang eines Heiligen erheben. Eine solche Organisation sollte von demokratischen und christlich gesinnten Kirchen nicht mehr zu einer christlichen Ökumene gehören, die noch dem Niveau des Evangeliums und der Menschenrechte verpflichtet sein will.

3.
Die Erkenntnis ist: Die Russisch-orthodoxe Kirche sollte – mindestens bis zu der von Russland ausgesprochenen FRIEDENS-Garantie eines unabhängigen Staates Ukraine durch Putin oder dessen alsbaldigem Nachfolger – aus allen ökumenischen, christlichen Gremien entfernt werden. Diese Strafe wird eine Wirkung haben in der russischen Öffentlichkeit. Und manche werden sich in Russland fragen: Warum ist diese mächtige Kirche eigentlich nicht zur einzig noch möglichen Opposition gegen das Putin Regime geworden?

4.
Ich weiß, Christen schätzen auch heute nicht den Bruch, die Trennung einer Kirche aus der Ökumene…

Aber im aktuellen Beispiel geht es um etwas Anderes, es geht um eine Kirche, die im 20. und 21. Jahrhundert etwas dazugelernt haben könnte und wissen könnte, dass die nationalistische Treue zu einem diktatorischen Regime, das Krieg führt, niemals ein Kennzeichen einer christlichen Kirche sein kann.

Was wäre denn sonst der Sinn der langjährigen Mitgliedschaften der Russisch-orthodoxen Kirche in so vielen prominenten theologischen Begegungen? Gewiss, in der Zeit der Sowjetunion waren die Delegierten, also die Erzbischöfe bzw. Metropoliten  der Russisch-orthodoxen Kirche, eindeutig Vertreter und Gesandte der herrschenden kommunistischen Partei der Sowjetunion, etwa im Genfer Weltrat der Kirchen. Aber nach 1990 hatte doch allem Anschein nach eine bessere Zeit beginnen können, was die theologische Forschung in Russland angeht.

Man fragt sich jetzt, im März 2022: Waren wirklich dieser ganze ökumenische Aufwand, diese ständigen ökumenischen Konsultationen, Konferenzen und so weiter sinnlos und vertane Zeit, was die Entwicklung des theologischen Niveaus der Russiosch-orthodoxen Kirche angeht? Ja, sie waren sinnlos, wenn man sich das Verhalten von Kyrill I. und Co. seit Beginn des 21. Jahrhunderts bis heute anschaut. So viel Wahrhaftoigkeit muss möglich sein.

Auch die westlichen Kirchen waren naiv und blind, was den theologischen Zustand der Russisch-orthodoxen Kirche angeht.

5.
Es kann also nicht sein, dass die Ökumene der christlichen Kirchen eine kriegerisch – nationalistische orthodoxe Kirchenführung unbesehen als Teil der christlichen Welt gelten lässt.

6.
Die zentrale Erkenntnis ist: Es muss ein neues Denken beginnen, was Ökumene der vielen verschiedenen Kirchen eigentlich bedeutet, es muss genau gefragt werden, wer dazu gehört und wer eben nicht. Kriterium der Mitgliedschaft einer Kirche kann nicht einfach nur sein, dass diese sich christlich nennt; Kriterium muss sein, dass die Praxis dieser Kirche auch dem Geist und dem Buchstaben der Menschenrechte entsprechen. Nicht nur der Bezug auf das Neue Testament also ist entscheidend, sondern auch der praktische Respekt der universalen Menschenrechte.

7.
Der Hintergrund: Alle demokratischen Staaten und Gesellschaften bewerten heute den Krieg Putins gegen die Ukraine als eine „Zeitenwende“, als ein Bruch mit bisherigen Üblichkeiten, Mentalitäten und Denkzwängen in den Demokratien.
Eine gewisse Naivität im Umgang mit politischen Gegnern wird von den demokratischen Gesellschaften und Staaten überwunden. Sie wissen jetzt: Aus dem Gegner Putin von einst ist der Feind Putin geworden. Und dieser Feind darf keine Macht mehr behalten.

8.
Diese Erkenntnis bleibt aber genauso gültig: Immer mehr Waffen schaffen allein durch die Tatsache, dass es immer mehr Waffen in den Demokratien gibt, nicht den Frieden.

Es steht fest: Die Vernunft und der Dialog bleiben das allerbeste Mittel, um ein friedliches Zusammenleben in der pluralen Menschheit zu schaffen. Dazu gehört auch die Einschätzung, dass der andere, der Gegner, immer noch Mensch ist, und dazu gehört trotz Anwendung von Waffen die Überzeugung, dass auch der mörderische Feind immer noch hoffentlich etwas Menschliches bewahrt hat. Deswegen wird, nebenbei gesagt in einem Rechtsstaat selbst ein Massen-Mörder nicht hingerichtet, sondern ins Gefängnis gesperrt.

9.
Insofern bleibt auch die Hoffnung, dass die Russisch-orthodoxe Kirche durch den völligen Ausschluss aus allen internationalen und nationalen ökumenischen Gremien doch noch zur Vernunft kommt und zum Evangelium des Friedens zurückfindet. Sollte dies nachweislich in der Praxis der Fall sein, ist diese Kirche auch in ökumenischen Kreisen wieder willkommen.

10.
Sollten die Patriarchen und Bischöfe jetzt sagen: „Lieber orthodoxer Christ Putin, beenden Sie auch als guter Freund unseres Patriarchen Kyrill I. den Krieg gegen unser„Brudervolk“, die Ukrainer und ihres souveränen Staates“, dann würde der Ausschluss dieser Orthodoxen (orthodox heißt rechtgläubig, dieser Titel passt wahrlich nicht zur russischen Kirche) aus der Ökumene zunächst wohl überflüssig. Aber diesen Schritt kann nur eine Kirche wagen, die entschlossen ist, politische Opposition zu werden. Aber dazu fehlt der russischen Orthodoxie die Kraft, der Geist, der Mut. Die Bequemlichkeiten der Staatskirche – seit Bestehen dieser Kirche – sind für den überwiegenden Teil des Klerus – nicht nur in Russland – oberster Wert.

11.
Diese Hinweise und Vorschläge hier sind wahrscheinlich nur illusorisch. Denn die Christen und die Kirchenführer weltweit sind eingeschüchtert und irenisch, d.h. sie wollen den Streit und Trennung um jeden Preis vermeiden. Sie werden es doch ihren „Brüdern“ in der Ökumene nicht antun, auch einmal eine Strafe auszusprechen.

So werden wohl die westlichen Kirchen die einzige gesellschaftliche Gruppe sein und bleiben, die angesichts des Mordens durch Putin keine mutigen Konsequenzen ziehen, Konsequenzen, die wirklich den Titel „Zeitenwende“ verdienen. Von Zeitenwende, von einem Umschwung und Umbruch, reden alle Organisationen in den demokratischen Staaten. Nur die Kirchen verschlafen diese Zeitenwende. Sie sind ja, wie sie so gern sagen, mit der Ewigkeit verbunden. Was ist da schon die jetzige Zeit?

12.
Trotzdem führt der Krieg auch zu tiefen theologischen Entscheidungen: Es kann deutlich werden, welchen Sinn und auch welchen Unsinn die Bitt-Gebete und die Bitt-Gottesdienste um Frieden haben.

Verändert der liebe Gott im Himmel die Weltpolitik, je nachdem wie intensiv da Gebete wird? Was für eine blasphemische Vorstellung! Wem soll Gott denn folgen, etwa den für ihr Land betenden Russen oder den für ihr Land betenden Ukrainern? Hoffentlich entscheidet sich der liebe Gott für die betenden Ukrainer, möchte man als Religionskritiker sagen.

Spaß beiseite: Gebete um Friede können einzig und allein den einzelnen Menschen seelisch etwa stärken, ihn zu Meditation führen, zur Stille, zum Nachdenken, um ihn dann zur politischen Aktion zugunsten der Menschenrechte zu motivieren.

Aber daran zweifelt doch kein vernünftiger Christ: Bloße Gebete um Frieden werden niemals politischen Frieden bewirken. Friedensgottesdienste werden den lieben Gott im Himmel nicht bestimmen oder umstimmen. Friedensgottesdienste wecken die seelische Stärke und den kritischen politischen Geist, mehr nicht. Und sie sind schöne Erfahrungen von Gemeinschaft. Zu diesem kritischen Bewusstsein müssen die Kirchen endlich finden. Auch sie stehen jetzt, 2002, vor einer theologischen „Zeitenwende“.

Anmerkung 1: Der Appell einiger Pfarrer der russisch.orthodoxen Kirche zum Frieden:

APPEL DU CLERGÉ DE L’ÉGLISE ORTHODOXE RUSSE À LA RÉCONCILIATION ET À LA FIN DE LA GUERRE quelle: https://www.egliserusse.eu/blogdiscussion/APPEL-DU-CLERGE-DE-L-EGLISE-ORTHODOXE-RUSSE-A-LA-RECONCILIATION-ET-A-LA-FIN-DE-LA-GUERRE_a6461.html

Nous, prêtres et diacres de l’Église orthodoxe russe, chacun en son nom propre, lançons un appel à tous ceux dont dépend la fin de la guerre fratricide en Ukraine, avec un appel à la réconciliation et à un cessez-le-feu immédiat. Nous adressons ce message après le dimanche du Jugement dernier et dans l’anticipation du Dimanche du pardon.

Le Jugement Dernier attend chacun d’entre nous. Aucune autorité terrestre, aucun médecin, personne ne nous l’évitera. Soucieux du salut de tous ceux qui se considèrent comme un enfant de l’Église orthodoxe russe, nous ne voulons pas qu’il comparaisse à ce Jugement, portant le lourd fardeau des malédictions proférées par les mères ayant perdu leurs enfants.

Nous pleurons l’épreuve à laquelle nos frères et sœurs ont été injustement soumis en Ukraine.

Nous rappelons que la vie de chaque personne est un don inestimable et unique de Dieu, et c’est pourquoi nous souhaitons le retour de tous les soldats – russes et ukrainiens – chez eux et dans leurs familles, sains et saufs.

Nous pensons avec amertume à l’abîme que nos enfants et petits-enfants en Russie et en Ukraine devront surmonter pour recouvrer l’amitié des uns avec les autres, pour se respecter et s’aimer mutuellement.

Nous respectons la liberté de l’homme donnée par Dieu et croyons que le peuple ukrainien devrait faire son choix de manière indépendante et non sous la menace d’une arme, sans pressions de l’Occident ou de l’Orient.

Dans l’anticipation du Dimanche du pardon, nous rappelons que les portes du Paradis sont ouvertes à quiconque, même à une personne qui a péché lourdement, si elle demande pardon à ceux qu’elle a humiliés, insultés, méprisés, ou à ceux qui ont été tués par ses mains ou sur ses ordres. Il n’y a pas d’autre voie que le pardon et la réconciliation mutuelle.

« La voix du sang de ton frère me crie de la terre ; et maintenant sois maudit et chassé de la terre qui a ouvert la bouche pour recevoir de ta main le sang de ton frère», dit Dieu à Caïn, qui était jaloux de son jeune frère. Malheur à toute personne qui se rend compte que ces paroles lui sont adressées personnellement.
Aucun appel non violent à la paix et à la fin de la guerre ne devrait être réprimé de force et considéré comme une violation de la loi, car tel est le commandement divin : « Heureux les artisans de paix. »

Nous appelons toutes les parties en conflit au dialogue, car il n’y a pas d’autre alternative. Seule la capacité d’entendre l’autre peut offrir l’espoir d’une sortie de l’abîme dans lequel nos pays ont été jetés en quelques jours seulement.

Permettez-vous et permettez-nous à tous d’entrer dans le Carême dans un esprit de foi, d’espérance et d’amour.

Arrêtez la guerre!

Prêtre Alexy Antonovsky
Hegumen Nikodim (Balyasnikov)
Prêtre Hildo Bos
Prêtre Vasily Bush
Archiprêtre Stefan Vaneyan
Hiéromoine Jacob (Vorontsov)
Archiprêtre Yevgeny Goryachev (vétéran de la guerre afghane)
Hiéromoine John (Guaita)
Prêtre Alexy Dikarev
Prêtre Alexander Zanemonets
Archiprêtre Vladimir Zelinsky
Prêtre Georgy Ioffe
Archiprêtre Andrei Kordochkin
Prêtre Lazar Lenzi
Archiprêtre Andrei Lorgus
Hegumen Peter (Meshcherinov)
Prêtre Evgeny Moroz
Hiéromoine Dimitry (Pershin)
Prêtre Alexander Piskunov
Archiprêtre Stefan Platt
Archiprêtre Dionysius Pozdnyaev
Archiprêtre Georgy Roy
Hiéromoine Theodorit (Senchukov)
Archiprêtre Dimitri Sobolevsky
Archiprêtre Alexander Shabanov
-Diacre Valerian

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ОБРАЩЕНИЕ СВЯЩЕННОСЛУЖИТЕЛЕЙ РУССКОЙ ПРАВОСЛАВНОЙ ЦЕРКВИ С ПРИЗЫВОМ К ПРИМИРЕНИЮ И ПРЕКРАЩЕНИЮ ВОЙНЫ
Мы, священники и диаконы Русской Православной Церкви, каждый от своего имени, обращаемся ко всем, от кого зависит прекращение братоубийственной войны в Украине, с призывом к примирению и немедленному прекращению огня.
Мы направляем это обращение после воскресенья о Страшном Суде и в преддверии Прощеного воскресенья.
Страшный суд ожидает каждого человека. Никакая земная власть, никакие врачи, никакая охрана не обезопасит от этого суда. Заботясь о спасении каждого человека, считающего себя чадом Русской Православной Церкви, мы не желаем, чтобы он явился на этот суд, неся на себе тяжелый груз материнских проклятий. Мы напоминаем, что Кровь Христова, пролитая Спасителем за жизнь мира, будет принята в таинстве Причащения теми людьми, кто отдает убийственные приказы, не в жизнь, а в муку вечную.
Мы скорбим о том испытании, которому были незаслуженно подвергнуты наши братья и сестры в Украине.
Мы напоминаем о том, что жизнь каждого человека является бесценным и неповторимым даром Божьим, а потому желаем возвращения всех воинов – и российских, и украинских – в свои родные дома и семьи целыми и невредимыми.
Мы с горечью думаем о той пропасти, которую придется преодолевать нашим детям и внукам в России и в Украине, чтобы снова начать дружить друг с другом, уважать и любить друга друга.
Мы уважаем богоданную свободу человека, и считаем, что народ Украины должен делать свой выбор самостоятельно, не под прицелом автоматов, без давления с Запада или Востока.
В ожидании Прощеного воскресенья мы напоминаем о том, что врата райские отверзаются всякому, даже тяжело согрешившему человеку, если он попросит прощения у тех, кого он унизил, оскорбил, презрел, или же у тех, кто был убит его руками или по его приказу. Нет другого пути, кроме прощения и взаимного примирения.
“Голос крови брата твоего вопиет ко Мне от земли; и ныне проклят ты от земли, которая отверзла уста свои принять кровь брата твоего от руки твоей”, сказал Бог Каину, позавидовавшему своему младшему брату. Горе всякому человеку, сознающему, что эти слова обращены к нему лично.
Никакой ненасильственный призыв к миру и прекращению войны не должен насильственно пресекаться и рассматриваться как нарушение закона, ибо такова божественная заповедь: “Блаженны миротворцы”.
Мы призываем все противоборствующие стороны к диалогу, потому что никакой другой альтернативы насилию не существует. Лишь способность услышать другого может дать надежду на выход из бездны, в которую наши страны были брошены лишь за несколько дней.
Дайте себе и всем нам войти в Великий Пост в духе веры, надежды и любви.
Остановите войну.

иерей Алексий Антоновский
игумен Никодим (Балясников)
иерей Хилдо Бос
иерей Василий Буш
протоиерей Стефан Ванеян
иеромонах Иаков (Воронцов)
иерей Александр Востродымов.
священник Дионисий Габбасов
иерей Андрей Герман
протоиерей Евгений Горячев (ветеран Афганской войны)
иеромонах Иоанн (Гуайта)
иерей Алексий Дикарев
иерей Александр Занемонец
протоиерей Владимир Зелинский
протоиерей Петр Иванов
протоиерей Георгий Иоффе
диакон Илия Колин
протоиерей Андрей Кордочкин
иерей Лазарь Ленци
протоиерей Андрей Лоргус
игумен Петр (Мещеринов)
протоиерей Константин Момотов
иерей Евгений Мороз
иеромонах Димитрий (Першин)
иерей Александр Пискунов
протоиерей Стефан Платт
протоиерей Дионисий Поздняев
протоиерей Георгий Рой
священник Николай Савченко
иеромонах Феодорит (Сеньчуков)
протоиерей Иосиф Скиннер
протоиерей Димитрий Соболевский
диакон Пимен Трофимов
протоиерей Александр Шабанов
иеромонах Киприан (Земляков)
иерей Иоанн Леонтьев
протоиерей Виталий Шкарупин
протоиерей Сергий Дмитриев
протоиерей Владимир Королев
протоиерей Сергей Титков
диакон Валериан Дунин-Барковский

Священники и диаконы Русской Православной Церкви, желающие подписаться под письмом, могут написать на адрес russianpriestsforpeace@gmail.com

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Die Putin-Ideologie des Patriarchen Kyrill von Moskau zum Kriegsbeginn.

Wie das oberste “Oberhaupt” der russisch-orthodoxen Kirche den Krieg Putins gegen die Ukraine banalisiert.

Ein Hinweis von Christian Modehn.    Siehe auch “Homosexualität ist Schuld an der Krise” (Kyrill I.)

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Notiert am 5.3.2022:

Entscheidend ist: Putin und der Patriarch Kyrill I. von Moskau (und mit ihm die meisten seiner Bischöfe) sind sich einig in der leidenschaftlichen Verurteilung der so genannten “westlichen Ideen”, also der Philosophie der Aufklärung, der Demokratie, der Menschenrechte. 

Entscheidend ist zweitens: Die Jahrzehnte andauernde Mitgliedschaft der Russisch-orthodoxen Kirche in verschiedenen ökumenischen, also westlichen, d.h. protestantischen und auch katholischen Gremien und Konferenzen (wie dem “Weltrat der Kirchen” in Genf) hat für die Russisch-orthodoxe Kirche keinerlei Erkenntnisgewinn gebracht. Diese Kirche war offenbar nur des schönen Scheins wegen in den ökumenischen Gremien, um international mit Pomp und Weihrauch zu glänzen. Und die westlichen Kirchen fragten nie: Wie haltet ihr Russisch-Orthodoxen es mit den Menschenrechten in eurem Land? Seid Ihr als Kirche bereit, bei eurer Macht, auch politische Opposition zu sein?

Mit anderen Worten: Nicht nur westliche Politiker waren naiv im Umgang mit Putin, westliche Kirchenführer waren (und sind ?) genauso naiv im Umgang mit Kyrill I. und Co.

Es klingt geradezu lächerlich, wenn katholische Theologen, selbst die Päpste der letzten Jahre, sagen: Wir brauchen die (russisch ?) Orthodoxen als “unsere zweite Lunge”, so Papst Johannes Paul II. und ähnlich auch Benedikt XVI.

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Ein Hinweis  über die verheerende, d.h. Putin-stützende Bedeutung der (Führung der) Russisch-orthodoxen Kirche.

Dieser Patriarch Kyrill ist die beste ideologische Stütze Putins und durchaus ein Kriegstreiber: “Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, hat die Gegner der russischen Armee in der Ukraine als „Kräfte des Bösen“ bezeichnet. In seiner Sonntagspredigt warf der Patriarch den ukrainischen Soldaten vor, die historische Einheit zwischen den beiden Ländern brechen zu wollen. „Wir müssen alles tun, um den Frieden zwischen unseren Völkern zu bewahren und gleichzeitig unsere gemeinsame historische Heimat vor all den Aktionen von außen zu schützen, die diese Einheit zerstören können“, betonte Patriarch Kirill. (Quelle: Deutschlandfunk, 27.2.2022)

Dieser Hinweis umfasst vier Teile.
Erstens: Den Text, den Patriarch Kyrill am 24.2. 2022 zum Kriegsbeginn Russlands bzw. Putins gegen die Ukraine veröffentlichte.

Zweitens: Eine Interpretation dieses Textes.

Drittens: Eine christliche Kirche müsste eigentlich eine Opposition gegen das Regime sein…

Viertens: Nur ein Hinweis auf die praktischen Auswirkungen der ideologischen Macht der russisch-orthodoxen Kirche.

Erstens: 24 Februar 2022 – Aufruf von Patriarch Kirill an die Erzhirten, Hirten, den Klerus und das gläubige Volk der Russischen Orthodoxen Kirche:

Eure Seligkeit! Eure Eminenzen und Exzellenzen! Liebe Väter, Brüder und Schwestern!
Mit tiefem Herzenschmerz sehe ich das Leid der Menschen, das durch die derzeitigen Ereignisse verursacht wird.
Als Patriarch der ganzen Rus’ und Primas der Kirche, deren Herde sich in Russland, der Ukraine und anderen Ländern befindet, habe ich tiefes Mitgefühl mit all denen, die von dem Unglück getroffen sind.

Ich fordere alle Konfliktparteien auf, alles zu tun, um Opfer in der Zivilbevölkerung zu vermeiden.
Ich appelliere an die Erzhirten, Hirten, Mönche wie Nonnen und Laien, allen Leidenden, einschließlich der Flüchtlinge, der Menschen, die ohne Obdach und und ohne Lebensunterhalt geblieben sind, jede erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen.

Das russische und das ukrainische Volk haben eine gemeinsame jahrhundertealte Geschichte, die auf die Taufe der Rus’ durch den heiligen apostelgleichen Fürsten Vladimir zurückgeht. Ich glaube, dass diese von Gott geschenkte Gemeinschaft dabei helfen wird wird, die Spaltungen und Widersprüche zu überwinden, die zu dem gegenwärtigen Konflikt geführt haben.
Ich rufe die gesamte Fülle der Russischen Orthodoxen Kirche auf, inständig und inbrünstig für die baldige Wiederherstellung des Friedens zu beten.

Auf den Beistand unserer Allreinen Gebieterin, der Gottesgebärerin, und aller Heiligen möge der Allbarmherzige Herr das russische, das ukrainische und andere Völker, die unsere Kirche geistlich vereint, behüten!
KIRILL, PATRIARCH VON MOSKAU UND DER GANZEN RUS’
(Quelle: https://rokmp.de/de/aufruf-von-patriarch-kirill-von-moskau-und-der-ganzen-rus-an-die-erzhirten-hirten-den-klerus-und-das-glaubige-volk-der-russischen-orthodoxen-kirche/. Gelesen am 26.2.2022)

Zweitens: Hinweise zu einer Interpretation dieses Textes:

Der Patriarch spricht harmlos von „derzeitigen Ereignissen“, nicht vom Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Er sieht sich als orthodoxer Führer auch als religiöser Chef der Ukraine, so, wie Putin sich als Machthaber der Ukraine sieht. Bestes Einvernehmen mit dem Machthaber also.
Die „Ereignisse“ sind für Kyrill „Konflikte“ mit unterschiedlichen, gleichwertigen Konfliktparteien, so, als hätte die Ukraine nun Russland angegriffen.
Alle Leidenden sollen caritative Hilfe von der ohnehin Putin hörigen russischen Kirche erhalten. Die übliche Caritas, also als Einzelfallhilfe, nicht die öffentliche politische Kritik ist wichtig.

Der Patriarch erinnert an die uralte Geschichte der Gemeinschaft von Ukrainern und Russen. Er fragt natürlich nicht, warum denn diese Gemeinschaft nun von Putin und Co. zerstört wird. Brudervölker zerstören einander doch nicht, oder?

Kyrill I. tut so dumm, als seien es nur „Spannungen und Widersprüche“ gewesen, die zu dem „gegenwärtigen Konflikt“ geführt haben. Er nennt diese von Putin inszenierte nationalistisch-russische Vernichtung der Ukraine einen „gegenwärtigen Konflikt“.

Und dann folgt das übliche seit Jahrhunderten vertraute Bla Bla der so genanten Bittgebete: Dass doch die Gottesmutter und wer weiß sonst noch, also auch die Gottesgebärerin (!), alle Völker behüten möge.
Diese Floskeln und Formeln sind noch immer nicht so ausgeleiert, dass sie trotzdem noch in den meisten christlichen Kreisen verwendet werden. Der Patriarch und die Christen können also nur eine imaginäre „Gottesgebärerin“ bitten, sie möge doch vom Himmel oder von sonst wo aus für Frieden sorgen. Welch ein Wahn! Was für ein Opium, das da verbreitet wird.

Haben diese Patriarschen, diese Metropoliten und „eure Seligkeiten“ (siehe oben diesen verrückten Titel für einen orthodoxen Metropoliten) nichts anderes, nichts Vernünftiges, nichts Kritisches zu sagen? Ist dieser Kyrill I. (und mit ihm viele andere Bischöfe dieser Kirche) so abhängig von dem Führer Putin, dass er es sich erlaubt, im 21.Jahrhundert so viel theologischen Schwachsinn zu verbreiten?

Wie viel Geld erhält dieser Patriarch von Putin für diese nationalistischen Statements? Eine Frage, die auf die wir nie eine Antwort erhalten?

Und warum regt sich eigentlich kaum jemand auf über so viel offiziell verbreitetes Verständnis für Mord und Totschlag und Krieg aus einem so genannten christlichen, sogar orthodoxen Munde?
Warum wird nicht eine große Debatte in der weiten Christenheit geführt über den Unsinn dieser Bittgebete? Meine Antwort: Wenn man darüber kritisch nachdenken würde, dann müsste das traditionelle Gottesbild – endlich – aufgegeben werden. Aber dazu fehlt dem Patriarchen und dem Papst und den Landesbischöfen etc. der Mut. Dies wäre eine neue Reformation. Und die will „man“ nicht.

Drittens: Diese Staatskirche kann niemals Opposition gegen das Regime werden!

In dem autoritären Putin-Regime könnte die orthodoxe Kirche als die zahlenmäßig starke “Volkskirche” eine wichtige oppositionelle Kraft sein. Es gibt sonst offensichtlich keine starke Opposition in diesem kriegsbesessenen Regime Russlands (mehr).

Aber die russisch-orthodoxe Kirche und ihr Patriarch Kyrill sind nur eine ideologische – religiöse Bestätigung des Regimes. Das zeigt auch sein Text oben.Man möchte sagen: Insofern verrät diese Kirche die zentrale humane und Frieden stiftende Botschaft des Evangeliums. Aber diese Staatshörigkeit ist bekanntlich ein Merkmal orthodoxer Kirchen und ihrer Führer. Für die russisch-orthodoxe Kirche ist die eigene Nation und das Privilegiertwerden durch den Diktator  am wichtigsten. Diese Erkenntnis gibt zu denken, wenn man an die weltlweiten ökumenischen Kontakte (etwa in Genf) dieser Putin-Kirche denkt.

Es wird noch nicht einmal in Ansätzen darüber diskutiert, dass der “Ökumenische Weltrat der Kirchen” in Genf die Mitgliedschaft der Russisch-Orthodoxen Kirche, mit ihrem Chef, dem Patriarchen Kyrill, in diesem führenden ökumenischen Gremium sofort beendet. Es sei denn, diese Kirche gibt die ideologische Propaganda zugunsten des Kriegstreibers Putin sofort auf und wird wieder Kirche anstatt “Abteilung für Propaganda und Agitation” im Putin Regime zu bleiben.

Viertens: Einige “praktische Auswirkungen” der ideologischen Macht der Russisch-orthodoxen Kirche in Russland:

Die Autorin und Columnistin Liza Alexandrova-Zorina schreibt in einem längeren Beitrag für “Lettre International” (Winter 2019) S. 80ff., wie sich durch den Einfluss dieser Kirche die alten Familien-Traditionen nach dem Vorbild des 19. Jahrhunderts wieder durchsetzen. “Seit vielen Jahren versucht die Kirche, sittliche Grundlagen des Familienlebens, wie sie von einem Priester und einer Nonne in einem `Ratgeber` formuliert werden, als obligatorisches Schulfach durchzusetzen. Es versteht sich, dass gemäß dieses Buches die einzige Bestimmung der Frau darin besteht, so viele Kinder wie möglich zu gebären. Der Einfluss der Kirche ist immens…”(S. 80)…. “Kein Wunder, dass die Bewegung ME-TOO nur Ablehnung und Unverständnis hervorruft. Dass sexuelle Belästigung keine Norm ist, muss man bei uns den Frauen erklären…(S. 81) …” “Durch häusliche Gewalt kommen jährlich 14.000 Frauen in Russland ums Leben. Und eine Hoffnung auf Veränderung ist nicht in Sicht” (83).

Weitere Beispiele für die ideologische und politische Macht des Moskauer Patriarchats im Putin-Regime:

Die russisch-orthodoxe Kirche bekämpft mit allen Mitteln westliche, liberale, säkulare, menschrechtliche Ideen. Schon 2008 schrieb der russische Philosoph Michail Ryklin (er lebt in Berlin) in „Lettre international“, Frühjahr 2008, Seite 128: „Die Russisch-orthodoxe Kirche drängt den Staat auf einen gefährlichen Weg, indem sie ihm für all sein Tun automatisch Ablass erteilt und damit jegliche Reformen für unnötig erklärt“.

Michail Ryklin erinnerte schon in „Lettre Internationale“, Herbst 2005, S. 130, an die obskure „orthodoxe Hagiopolitik“, „bei der das Eingreifen von Heiligen und die Einwirkung geweihter Gegenstände anerkannt werden soll“, gegen die wissenschaftliche Annahme, dass der „Mensch den Geschichtsverlauf bestimmt“.

Bekannt sind die andauernden Eingriffe der Kirche in die Freiheit der Kunst: Dass Ausstellungen zur Gegenwartskunst als Irrwege des säkularen Bewusstseins durch die russisch-orthodoxe Kirche verboten wurden, ist ein Skandal: Wer das kritisiert, wird immer häufiger als Feind der Orthodoxie und gleichzeitig des russischen Volkes diffamiert“, so Ryklin ebd. Diese Repressionen seien um so interessanter, als „nur etwas vier Prozent der Bevölkerung regelmäßig ihre Kirche besucht“, so Ryklin, ebd.
In der Erinnerung ist die Zerstörung der Ausstellung „Achtung Religion“ im Sacharow-Zentrum von Moskau im Jahr 2003 besonders wichtig. Diese Ausstellung zeiget auch kritische Auseinandersetzung mit der Religion. Vier Tage nach Eröffnung der Ausstellung, Mitte Februar 20003, wird die Ausstellung z.T. zerstört und geschlossen, entgegen dem Wunsch der Künstler. Ich zitiere aus dem wikipedia Artikel: „Am 12. Februar 2003 forderte das russische Parlament (die Duma) die Generalstaatsanwaltschaft auf, gegen die Organisatoren der Ausstellung tätig zu werden.[2] Gegen die Duma-Resolution und die Anweisung des Strafverfahrens stimmten lediglich 2 der 267 anwesenden Abgeordneten. Einer von ihnen, Sergei Juschenkow, der am Rednerpult erklärt hatte, man erlebe soeben die Geburt des totalitären Staates unter der Führung der Orthodoxen Kirche, wurde einige Wochen später in Moskau ermordet.[3] Der Direktor des Sacharow-Zentrums und Hauptangeklagte, Juri Samodurow, sah davon ab, eine Zivilklage gegen die Eindringlinge wegen des Schadens anzustrengen, die dem Museum durch diese Tat entstanden war. Dies hatte zur Folge, dass die Anwälte des Museums den Gerichtssaal nicht betreten durften.[4] Die gesellschaftlichen Verteidiger der Angeklagten waren die bekannten Menschenrechtler Alexander Podrabinek, Lew Ponomarjow und Jewgeni Ichlow, ebenso Sergei Kowaljow.[5] Samodurow und die für Ausstellungen zuständige Mitarbeiterin des Sacharow-Zentrums, Ljudmila Wassilowskaja, wurden am 28. März 2005 zu einer Geldstrafe von je 100.000 Rubeln (ca. 2900 EUR) verurteilt.[6] (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Sacharow-Zentrum)

Ist Putin etwa ein frommer russisch – orthodoxer Christ? „Bei allem, was das Privatleben von Präsident Putin angeht, müssen wir mit Gerüchten vorlieb nehmen. Schenkt man Bischof Tichon Glauben, so ist er der Beichtvater des Präsidenten, also ein geistlicher, der dem Kreml besonders nahesteht“, so Ryklin in „Lettre International“, Frühjahr 2008, Seite 128, zu Tichon (geb.1958) siehe auch: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/putins-beichtvater-bischof-tichon-im-interview-15563372.html. Tichon ist ein Erzt-Reaktionärer Bischof.

Noch einmal: Die russisch-orthodoxe Kirche betrachtet nicht nur Russland, sondern auch Belarus und die Ukraine als „kanonisches russisch-orthodoxes Territorium“, „kanonisch“ meint: Im Sinne ihres Kirchen- und Staatsrechts. Sie folgt dabei dem Wahn Putins.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

Putins Aggression, seine wichtigste Stütze: Der Patriarch von Moskau und die Russisch-Orthodoxe Kirche.

Wie eine Kirche zu einer nationalistischen Ideologie entartet.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 23.2.2022

Dies ist ein Hinweis auf eine christliche Kirche, die russisch-orthodoxe Kirche und ihren Patriarchen von Moskau. Diese Kirche versteht Frieden und Humanität nur als Nutzen für die eigene russische Nation.  Kann eine solche Kirche noch Kirche sein und Mitglied im Ökumenischen Weltrat der Kirchen (Genf) bleiben? Warum wird über diese Straf”maßnahme” nicht diskutiert? Dass dies geboten ist, zeigt der folgende Beitrag von Christian Modehn.

Dieser Beitrag zeigt in aktuell gebotener Kürze:

1. In der westlichen, vor allem westeuropäischen Öffentlichkeit wurde und wird kaum wahrgenommen, welche ideologische Macht die Russisch-orthodoxe Kirche als Stütze Putins hatte und hat, auch im Blick auf Putins Aggressionen gegen die Ukraine und letztlich gegen Europa. Dieser Hinweis bietet einige wichtige Details, die vor allem auf kirchenunabhängigen Forschungen in Frankreich basieren. Die Quellenangaben befinden sich am Ende dieses Beitrags.

2. Die Russisch-orthodoxe Kirche mit dem mächtigen Patriarchen und Putin-Vertrauten Kyrill I. in Moskau ist eine typische orthodoxe „Nationalkirche“. Die Führungen dieser National – Kirchen stellen das Interesse ihrer Nation über die Weisungen des Evangeliums, so auch in der Russisch-orthodoxen Kirche.
In Deutschland und anderen Ländern ist das Phänomen der Nationalkirchen (also der von politischen Herrschern bestimmten Kirchen) nicht unbekannt, man denke an die evangelischen Landeskirchen in Deutschland, die den Kaiser als Kirchenchef hatten oder an die Staatskirche in Schweden oder an die spanische katholische Kirche zur Zeit des Franco-Regimes. Dass katholische Bischöfe in Frankreich und in Deutschland begeisterte Propagandisten zugunsten des 1. Weltkrieges waren, ist eine Tatsache.

Die Abhängigkeit der Kirchen von staatlichen Herrschern zieht sich wie ein schwarzer dreckiger Strom durch die ganze Geschichte, man denke an Frankreich im ancien régime, an die Zeiten des Kolonialismus, der Sklaven“haltung“ usw…Aber bei diesem Hinweis geht es aus aktuellem Anlass nur um Russland und die Ukraine.

3. Politologen, Soziologen, Journalisten usw. haben sich in den letzten Jahren sehr viel mit den Verirrungen und Abartigkeiten von Religionen befasst, dabei aber – zurecht – vor allem den Islamismus studiert. Es wird aber Zeit, sich mit dem düsteren theologischen wie politischen Kapitel der christlichen Orthodoxie zu befassen und dringend davor zu warnen, mit diesen Kirchen enge ökumenische Einheit aufzubauen, wie es die Päpste seit Johannes Paul II. betonen. In seinem antiprotesantischen Geist wagte es Papst Johannes Paul II. sogar zu sagen, die katholische Kirche brauche als ihre „zweite Lunge“ die Orthodoxie. Nein, diese braucht die römische Kirche NICHT, sie braucht die Vernunft und die Akzeptanz der Menschenrechte. Aber das ist ein anderes Thema…

Die Russisch – orthodoxe Kirche als Putin-Ideologie. Einige Details.

4. In seiner ausführlichen Fernsehansprache am 21.2.2022 hat Putin auch kirchliche, religiöse Motive genannt für die Anerkennung der „Republiken“ im Osten der Ukraine. Er wolle den dort lebenden russisch – orthodoxen Christen zu Hilfe kommen und sie schützen. Putin sagte: „Kiew fährt fort, eine Repression gegen die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats vorzubereiten“. (Mehr dazu Nr. 10 und 11). Dass Putin dabei die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats falsch einschätzte, wurde ein paar Tage später deutlich: Diese Kirche (bzw. die meisten Bischöfe) hat sich im Krieg Putins gegen die Ukraine auf die Seite der anderen Kirchen in der Ukraine gestellt. (La Croix, 25.2.2022, Interview mit Prof. Pavlo Smytsnyk, vom Ökumene-Institut von Lviv).

5. Putin zeigt sich bei hohen orthodoxen Feiertagen gern in Moskauer Kathedralen, immer zusammen mit seinem Freund Patriarch Kyrill I., Putin küßt gern dort öffentlich Ikonen, er will als frommer Orthodoxer gelten.

6. In einer Ansprache in der „Christus-Erlöser“ Kathedrale sagte Putin im Februar 2013: „Die russisch-orthodoxe Kirche war bei ihrem Volk in der langen Geschichte. Wir hoffen, diese positive und mehrfach wertvolle Partnerschaft mit der russisch – orthodoxen Kirche vorzusetzen. Wir müssen unsere Zusammenarbeit und unsere gemeinsame Arbeit fortführen, um die Harmonie in unserer Gesellschaft zu stärken, und zwar mit hohen moralischen Werten“ (Zitat bei Dolya).

Damit wiederholt Putin seine alten Thesen, die er etwa 2013 in Valdai formulierte: “Wir (Russen) haben dieselbe Tradition, die sekbe Mentalität, dieselbe Geschichte, die selbe Kultur wie die Ukrainer. Wir haben sehr nahe verwandte Spraxchen. In diesem Sinne , ich wünsche noch einmal zu wiederholen: Wir Russen und und die Ukrainer sind ein und dasselbe Volk” (zit. bei Kathy Rousselet, L église orthodoxe et la question des frontières, 2017)

7. Diese Zusammenarbeit Putins mit der Russisch-orthodoxen Kirche und dem Patriarchen Kyrill I. hat die Basis in der Ideologie des „Russkiy mir“, der „russischen Welt“: Diese Ideologie – 2007 von Putin als eine Art Stiftung institutionalisiert – sieht die russische Welt nicht nur in den Grenzen Russlands von heute repräsentiert. Auch Belarus sowie ausdrücklich die Ukraine gehören für Putin, schon seit vielen Jahren nachweislich, zur Vorstellung des großen, wahren Russlands! Aber diese russische Welt muss sich noch ausdehnen auf „Eurasien“ hin, also Richtung Ost-Europa vor allem. Das eurasische Projekt wird vor allem von dem Rechtsextremen Alexander Dugin vertreten, „Die Welt“ nannte ihn am 16.6.2014 einen „Einflüstere Putins“.
Die Pariser Historikerin und Politologin Anna Dolya schreibt: „Tatsächlich unterstützt der Kreml die Vorstellung einer nationalen russischen Idee auf dem Territorium der Ukraine, besonders auf der Krim und im Osten der Ukraine. Russland insistiert darauf, dass die Menschen dort zur „Russkiy mir“ gehören“. Das schrieb Anna Dolya schon im Jahr 2015! Warum würde das von Politikern nicht wahrgenommen?
Über Anna Dolya: „Ukrainienne, résidant en France. Titulaire d’une Licence en Lettres modernes et d’un Master en Affaires européennes de la Sorbonne. Chargée de mission pour différentes entreprises“.

8. Das ist heute ganz wichtig:
Im Jahr 1992 trennte sich ein Teil der in der Ukraine lebenden Orthodoxen von der bis zu diesem Zeitpunkt für sie allein zuständigen Kirche des Moskauer Patriarchats. Sie gründeten die „Ukrainisch – orthodoxe Kirche des Patriarchats von Kiew“. Da nicht alle orthodoxen Ukrainer sich dieser ihrer ukrainischen Kirche anschlossen, besteht der Einfluß des Moskauer Patriarchen in der Ukraine noch weiter!
Initiator der Ukrainisch Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats ist Metropolit Philaret, der in Zeiten der Sowjetunion eng mit pro-kommunistischen Friedenskreisen, wie der Christlichen Friedenskonferenz CFK, zusammenarbeitete. Theologisch ist er – wie Kyrill I. in Moskau konservativ bis reaktionär.
Philarets Nachfolger in Kiew ist der Metropolit Epiphanius, er ist jetzt das Oberhaupt der „Ukrainisch-orthodoxen Kirche“.  Er genießt in der Ukraine hohes Ansehen, zum Kriegsbeginn am 24.2. sagte er: “Wir glauben, dass die Gewalt und die Waffen, die heute rechtswidrig gegen uns gerichtet werden, sich in Gottes Zorn und Schwert gegen den Angreifer verwandeln werden”, so Epipanius. Man müsse den Feind abwehren und die Ukraine vor der Tyrannei schützen, die der Angreifer bringen wolle. (Quelle: Dom Radio, 24.2.2022). Auch Bischof Onufri, der Metropolit der mit Moskau verbundenen orthodoxen Kirche in der Ukraine sagte am 24.2. in Richtung Putin und Co.: “Stoppt den Bruderkrieg”.

9. Diese Ukrainisch-orthodoxe Kirche hat 2019 die höchste Aufwertung des Ehren-Primas der ganzen orthodoxen Welt, des Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus, erhalten. Er hatte diese Kirche als „vollständig orthodoxe und vollständig ukrainisch“ anerkannt, mit dem Titel eines Patriarchen von Kiew. Diese Entscheidung war für die russisch – orthodoxe Kirche ein extremer Schock und ein Machtverlust. Das Moskauer Patriarchat dachte sogar daran, die Gemeinschaft mit dem Ehren-Vorsitzenden, dem Patriarchen Bartholomäus in Konstantinopel, abzubrechen. Der für die Auslandsbeziehungen zuständige russische Bischof Hilarion (er hält sich oft bei Papst Franziskus auf) warnte schon damals: Die Schismatriker, also die Ukrainisch-Orthodoxen, könnten sich der hoch verehrten traditionellen heiligen Stätten in der Ukraine bemächtigen. „Die dem Moskauer Patriarchen treuen ukrainischen Orthodoxen würden diese heiligen Stätten verteidigen. „Also können wir ein Blutbad deswegen erwarten“. Auch die Kosaken-Truppen in Donbass erklärten sich bereit, die heiligen Stätten der Ukraine gegen die abtrünnigen Orthodoxen zu verteidigen, im Sinne Moskaus natürlich. (Siehe Denis Jacqmin)
Somit hat die russisch-orthodoxe Kirche mit dem Patriarchen von Moskau die Allmacht über die Ukraine verloren. 58 % der sich orthodox nennenden Ukrainer sind mit der neuen ukrainisch-orthodoxen Kirche verbunden (La Croix, 22.2.2022).

10. Wenn es jetzt zum Krieg in weiten Teilen der Ukraine durch die Aggressionen Putins kommen sollte, ist die orthodoxe Kirche der Ukraine, und damit das sich mehrheitlich orthodox fühlende Volk, gespalten. „Es kann sein, dass die Moskau-treuen orthodoxen Ukrainer sich patriotisch für Moskau zeigen“, sagte (bzw. drohte) der mit dem Moskauer Patriarchen verbundene Bischof Victor Kotsaba, er sagte weiter: „Unsere Kirche ist bereit im Falle eines totalen Krieges die Leute zu segnen für die Verteidigung ihres Vaterlandes. („La Croix, 22.2.2022)

11. Wenn es also zum Krieg in weiten Gebieten der Ukraine kommen sollte, wäre dies auch ein Krieg zwischen verfeindeten orthodoxen Christen der Ukraine, die einen pro Moskau, die anderen pro Kiew. Ein Religionskrieg unter Christen?
Daran denkt auch das Oberhaupt der selbständigen, also der nicht vom Moskauer Patriarchen abhängigen Ukrainisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Epiphanias: „Der Kreml weitet seine Aggression aus, indem er die Rhetorik der Verteidigung der Orthodoxie gebraucht. Ich wende mich an die orthodoxen Christen hier, die dem Moskauer Patriarchen unterstehen: Warten Sie nicht, bis ihre Führer (Bischöfe) es wagen ihr Schweigen zu brechen und endlich etwas sagen, um den Frieden zu verteidigen, um die Ukraine zu verteidigen. Beginnt damit persönlich! Der Aggressor muss sehen, dass ihr orthodoxen Christen des Moskauer Patriarchats kein Bedarf habt an seinen Truppen und seiner Macht. Das ist die Bürgerpflicht und die Pflicht des Christen“. Bisher hat Patriarch Kyrill I. von Moskau zu den neuesten “Aktionen” (.d.h. dem Krieg) Putins gegen die Ukraine geschwiegen. (Siehe dazu ein Zitat von Regina Elsner, Wiss. Mitarbeiuterin im Zentrum für Osteuropoa in Berlin, im DOM-Radio Köln gesendet am 23.2. 2022, siehe Fussnote 1)

12. Metropolit Epiphanias von der Ukrainisch-orthodoxen Kirche wandte sich dann an alle Ukrainer: Unsere Kirche appelliert daran, der Gewalt vorzubeugen, die sich gegen die Güter der Gemeinden des Moskauer Patriarchats richten. Der Feind sucht nur einen Grund, um im Falle von Gewalt seine eigene Aggression zu rechtfertigen. Unsere gemeinsame Aufgabe ist die es, die Pläne des Feindes zu zerstören“ (Zitate in: La Croix, Paris, 22.2.2022, Beitrag von Marguerite de Lasa).

13. Es ist wichtig zu wissen, dass der Moskauer Patriarch Kyrill I. offiziell Putin unterstützt hat bei der Annexion der Krim und der Gebiete im Osten der Ukraine. Diese Unterstützung Kyrills für Putin hat, so Anna Dolya, viele Orthodoxe mit Bindungen ans Moskauer Patriarchat dann doch zur Ukrainisch – orthodoxen Kirche geführt.

14. Die ukrainische – orthodoxe Kirche mit dem Patriarchat in Kiew hat während der Proteste auf dem Maidan Ende 2013 Partei zugunsten der Demonstranten ergriffen und z.B. das Kloster St. Michael als ein Krankenhaus für die Verletzten umgebaut. Die orthodoxen Christen, die sich als Ukrainer dem Moskauer Patriarchat verpflichtet fühlen, haben zum Teil heftig gegen die Maidan-Demonstranten agiert. Popen in der Ostukraine haben sich auch geweigert, gefallene ukrainische Soldaten zu bestatten, Bischöfe wie Thykon oder der Erzpriester Vsevolod Chaplin haben groß und breit die „zivilisatorische Mission der russischen Soldaten in der Ukraine” gelobt (so Denis Jacqmin).

15. Was ich schon in früheren Beiträgen auf der website des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin betont habe: Die orthodoxe Kirche in Russland kann unter den jetzigen Bedingungen kein Ort gesellschaftlicher Kritik am Staat sein. Sie ist viel zu eng mit dem Staat, mit Putin, verbunden, als dass sie als Opposition überhaupt in Frage käme.
Es wäre ja denkbar, dass angesichts der Unterdrückung jeglicher politischer Opposition die Kirche die Rolle der Opposition übernehmen könnte, wie etwa die Evangelische Kirche in der DDR vor der und während der „Wende“.
Aber damit ist nicht zu rechnen, zumal auch die finanzielle Bereicherung der orthodoxen Kirchenführer „vom System“ so groß ist, dass kein Weg dahin führen könnte, dass diese Organisation von prächtiger Liturgie in uralter Sprache jemals wieder authentische Kirchen werden, die den Namen christliche Gemeinschaft im Sinne Jesu von Nazareth verdienen. Man denke daran, dass der große Dichter Leo Tolstoi einer der heftigsten Kritiker dieser Staats-Kirche damals schon war! Er wurde – natürlich wie üblich im Umgang mit Andersdenkenden – exkommuniziert.

Siehe auch die früheren Hinweise zur Russisch-orthodoxen Kirche auf dieser website des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin, LINK: https://religionsphilosophischer-salon.de/14346_eine-putin-kirche-zur-russisch-orthodoxen-kirche-30-jahre-nach-dem-ende-der-sowjetunion_aktuelle-buchhinweise

Fussnote 1:

Zum Schweigen des Moskauer Patriarchen Kyrill I. zu Putins Kriegserkläerung vom 21.2.2022 sagt die Osteuropa-Expertin Regina Elsner am 23.2.2022: “Bis jetzt schweigt der Patriarch tatsächlich komplett zu dieser ganzen Situation. Es gibt keine einzige Äußerung von ihm. Und das liegt vermutlich genau an diesen Faktoren. Zum einen ist er in die Enge getrieben, einfach auch durch seine jahrelange Unterstützung der russischen Politik. Wenn Putin kirchliche Argumente nutzt, dann ist es für ihn natürlich unmöglich, hier zu widersprechen. Nachdem man seit Jahren genau diese Erzählung mit gefördert hat. Und zum anderen hat er natürlich die große Gefahr vor Augen, dass er die Gläubigen in der Ukraine endgültig verliert, sobald er sich auf die Seite der russischen Argumentation stellt. Das ist die gleiche Situation, wie mit der Annexion der Krim. Auch in diesem Fall gibt es, glaube ich, bis heute keine offizielle Äußerung der “Russischen Orthodoxen Kirche”. Das erklärt sein Schweigen bis jetzt. Und ich bin gespannt, oder ich erwarte ehrlich gesagt nicht, dass es da irgendeine kritische oder in irgendeiner Hinsicht distanzierte Äußerung vom Patriarchen geben wird.

(Das Interview für DOM Radio Köln führte Renardo Schlegelmilch.

Quellen:
Dolya: Anna Doly, L Eglise orthodoxe russe au Service du Kremlin. Dans: Revue Défense Nationale, Paris, 2015/5, pages 74-78.

Denis Jacqmin, Tremblement de terre dans l église orthodoxe, Forschungszentrum GRIP, Bruxelles, 14. Dez. 2018, (https://grip.org/wp-content/uploads/2018/12/EC_2018-12-14_FR_D-JACQMIN.pdf)

La Croix, Comment Poutine instrumentalise la rivalité entre les église orthodoxes en Ukraine, von Marguerite de Lasa, La Croix, Paris, 22.2.2022

Putin kaputt? Von Mischa Gabowitsch, Edition Suhrkamp, 2013, zur orthodoxen Kirche S. 205 – 223.

Kathy Rousselet, “l Eglise orthodoxe russe et le territorie canonique”, in: “Les Etudes du CERI”, Nr. 228-229, Fevrier 2017.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die Russisch-orthodoxe Putin-Kirche: 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion dem Herrscher ergeben.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 19.12.2021

1. Vor 30 Jahren, am 26. Dezember 1991, wurde offiziell die Sowjetunion beendet, die Rote Fahne wurde durch die Russische Flagge ersetzt. Verschwunden ist der Ungeist der Sowjetzeit bis heute nicht. Wie sollte auch Menschen so schnell Demokraten werden können, Menschen, die von der kommunistischen und stalinistischen Diktatur drangsaliert wurden und zuvor Jahrhunderte unter der Zarenherrschaft, als „Leibeigene“, galten. Die europäische Aufklärung hatte bekanntlich nur eine Minderheit der Russen geprägt. Selbst Dostojewski war im Alter ein Verteidiger der „russischen Idee“ zur Rettung Europas.

2. Über das offizielle Ende der UDSSR vor 30 Jahren wird viel veröffentlicht. Ein wichtiger, in Deutschland leider eher als marginal betrachteter Aspekt, ist die „Russisch-Orthodoxe Kirche“ mit dem Patriarchen von Moskau. Diese sich stolz „rechtgläubig“ nennende kirchliche Organisation hat seit 1992 eine rasante Entwicklung gestalten können: 30.000 Kirchen wurden im ganzen Land eröffnet, es gibt mehr als 50 theologische Seminare zur Ausbildung der Popen, sehr viele Russen nennen sich „russisch-orthodox“. Der Wunderglaube ist weit verbreitet. Die Reliquien des heiligen Nikolaus, als Leihgaben nach Moskau gebracht, wollten unbedingt zweieinhalb Millionen Menschen sehen. Allerdings ist der Anteil der regelmäßigen Teilnehmer an den Sonntags-Liturgien eher sehr gering (Fußnote 1, siehe unten). Kein Wunder, die weihrauch- geschwängerten Gesänge und Gebete werden in der heute kaum verständlichen  “Kirchenslawischen Sprache” vorgetragen, kaum jemand unter denGläubigen versteht das, so bleibt nur das permanente Rufen „Herr erbarme dich“ und das ständige demütige Sich-Bekreuzigen. Das Bekenntnis zur Kirche ist einerseits Folklore. Andererseits lässt sich die Russisch-orthodoxe Kirche sehr gern als ideologische- nationalistische Stütze von Putin und dem Putin-Regime gebrauchen. Zumindest die oberen Bischöfe und der Patriarch vor allem haben davon enorme finanzielle Vorteile, der Patriarch selbst gilt als Multi-Millionär (zu den Auseinandersetzungen darüber: https://g2w.eu/news/697-russland-russische-orthodoxe-kirche-weist-behauptungen-ueber-reichtum-von-patriarch-kirill-zurueck). Über die wirtschaftlichen “Akivitäten” der Russisch-Orthodoxen Kirchenführer berichtete schon im Frühjahr 2004 Aleksandr Soldatov in Lettre International, S. 78f. Von merkwürdigen kirchlichen Wirtschaftsunternehmen ist in dem wissenschaftlichen Beitrag die Rede, etwa vom kirchlchen Trinkwasser “Heiliger Quell”, es wedn Unmengen von sogen. Messwein produziert, auch habe sich ein weites Netz von “Milchkiosken”  und “orthodoxen Apotheken” in Moskau gebildet…

3. Die Russisch-Orthodoxe Kirche soll sozusagen die traditionellen Werte Russlands vertreten und verteidigen, das religiöse Opium liefern, von dem dann das Putin Regime sehr gern Gebrauch macht zur Festigung des eigenen Systems. Putin will in seiner zur Schau gestellten Nähe zur Kirche als Mann des russischen Volkes erscheinen. Darum nimmt er immer wieder an den Liturgien teil, etwa zu Ostern in “Christus Erlöser Kathedrale”. Die Freundschaft zwischen Patriarchen und Herrscher lohnen sich für die Kirche: Priester geben nun Kurse zur „Orthodoxen Kultur”  in den Schulen. Ganz sanfte Distanz deutet sich an, wenn nun der Patriarch doch davon absehen will, in Zukunft auch die Massenvernichtungswaffen Russlands zu segnen. Hingegen  sollen die Soldaten und ihre Herren Generäle den kirchlichen Segen nach wie vor erhalten.

Der Historiker Heinrich August Winkler betont den geschichtlichen Hintergrund für dieses “Kirche-Staat-Verhältnis”: “Anders als im europäischen Okzident des Mittealteres hatte es in Russland keine Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt gegeben. Vielmehr blieb die geistliche Gewalt der weltlichen stets untergeordnet, weshalb die orthodoxe Kirche nie zu einem Korrektiv der jeweiligen Staatsmacht wurde.” (“Werte und Mächte, C.H. Beck Verlag München 2019, S. 638).

Nebenbei: In Paris wurde 2016 die neue russische Kathedrale Sainte Trinité eröffnet, eine imposante Architektur mitten in Paris.

4. Leider ist die Kenntnis der aktuellen religiösen Zustände, also das Leben der Russisch-orthodoxen Kirche, in West-Europa, auch in Deutschland, sehr unterentwickelt. Diese Kirche ist Staatskirche, bzw. präziser, eine Art Putin-Kirche, ihm, dem Herrscher, fast völlig ergeben. Kürzlich wurde in Moskau eine monumentale neue Kathedrale für die Russische Armee eingeweiht. Ein riesiges Mosaik als Wandschmuck zeigt den Diktator Stalin, anlässlich der Militärparade zum Sieg der Armee über Nazi-Deutschland. Eigentlich hätte nach kirchlicher Vorstellung auch Putin auf diesem Gemälde „verewigt“ werden sollen, aber der fand dann doch diesen Ruhm im Augenblick für etwas übertrieben.(So im Artikel des Russland Spezialisten Emmanuel Grynszpan am 4. Mai 2020 für die Genfer Tageszeitung Le Temps: https://www.letemps.ch/monde/staline-va-orner-murs-dune-cathedrale-orthodoxe-moscou).

5. In jedem Fall zeigte das Moskauer Patriarchat durch die Komposition des Mosaiks eine gewisse Nähe ausgerechnet noch zum Stalinismus, was erstaunlich ist, wurden doch viele tauend Priester und Gläubige unter Stalin, dem ehemaligen Priester-Kandidaten aus Georgien, aufs übelste verfolgt und gequält und umgebracht. Aber Stalin ist bei der akuellen Verehrung seiner Person wieder „am Kommen“.

Und nebenbei: Einigen russisch-orthodoxen Kirchenführern (wie die Patriarchen Pimen I. oder Alexius II.) wurde nach 1989 mit guten Belegen eine Mitarbeit für den KGB-Agenten nachvollziehbar vorgeworfen. Die Sehnsucht der römisch-katholischen Kirche nach einer freundschaftlichen Ökumene mit “den” Orthodoxen, auch mit dem Moskauer Patriarchat, müsste hier ausfühlicher kritisch dargestellt werden. Die Führer der meisten orthodoxen Kirchen sind theologisch extrem konservativ, in der Sexual – Ethik schlicht und einfach verkalkt, sagen Beobachter. Mit diesen Herren eine tiefe, freundschaftliche und lernbereite Ökumene zu pflegen, führte die römisch-katholische Kirche noch weiter in konservative Positionen jenseits heutiger Lebenserfahrungen und Lebensdeutungen. Selbst Papst Franziskus sucht immer wieder die Nähe zum Moskauer Patriarchen. Franziskus trifft sich oft mit dem führenden Mitarbeiter des Patriarchen, mit Erzbischof Hilarion.

6. Aber “die Zeiten ändern sich”…Der Parteiführer der immer noch bedeutenden “Kommunistischen Partei Russlands”, Guennadi Ziouganov, nennt sich jetzt „gläubiger orthodoxer Christ“ und … treu ergebener Putin Oppositioneller. (Quelle: Emmanuel Grynszpan, 2020.)

7. Von Kritikern an diesem System einer regimefreundlichen orthodoxen Kirche wäre ausführlich zu berichten. Etwa von dem Diakon Andrei Kouraiev:“ Für den Patriarchen Kyrill zählt einzig sein Ansehen bei den Führern der Macht, der Sicherheit und den Ideologen des Patriotismus”. An den ermordeten oppositionellen Priester Alexander Men erinnern noch einige Oppositionelle…

8. HINWEISE AUF FRÜHERE, NACH WIE VOR RELEVANTE TEXTE des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin zum Thema “Russische Orthodoxie”:

Der Moskauer Patriarch glaubt an Putin: Veröffentlicht 2012. Siehe: LINK

Wer sind die Gotteslästerer?, Veröffentlicht 2013: LINK

Fußnote 1: In der Zeitschrift “Archives de Sciences sociales des Religions” (juillet-septembre 2021) berichtet Kristina Kovalskaya zu der Frage: Wie genau ist die Russisch-orthodoxe Kirche Russlands heute statistisch erfasst?  Bis jetzt werden von der Kirchenleitung selbst nur die Anzahl der Priester, die Anzahl der Gemeinden und die Zahl der Riten bzw. Liturgien genannt. Die Politiker der Regierung sagen einfach nur wie üblich: “Die Orthodoxie ist die Religion der Mehrheit in Russland”. Die wirkliche „innere“ Verbundenheit dieser Mehrheit mit der Kirche wird dabei nicht erfasst. Fest steht wohl: Zwischen 63 und 69 Prozent der Bevölkerung bezeichnen sich als „russisch – orthodox“, dabei sind unter diesen Leuten auch Nicht-Getaufte oder Menschen, die sich als Ungläubige verstehen. Man spricht unter Religionssoziologen dabei von „kulturellen Orthodoxen“. Wirklich verbunden mit dem kirchlichen Leben (d.h. wenigstens einmal pro Monat (!) Teilnahme an der Liturgie in der Kirche) sind hingegen nur 13 Prozent der Russisch-Orthodoxen. Quelle. Religioscope, 6 décembre 2021!

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Der Moskauer Patriarch Kyrill, Profil eines Putin-Theologen

Der Moskauer Patriarch Kyrill, Profil eines Putin-Theologen

Ein Hinweis von Christian Modehn

Am 12. Februar 2016 treffen sich Papst Franziskus und das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill, in Havanna. Der Papst macht eine Zwischenlandung auf dem Weg nach Mexiko, der Patriarch hält sich zu  einer Art Freundschaftsbesuch bei den Brüdern Castro auf. Für Rom ist seit Jahren das sehr dringende Verlangen bekannt, Weiterlesen ⇘

“Der Moskauer Patriarch glaubt an Putin”: Religionskritische Hinweise zum Moskauer Schauprozeß im August 2012

„Der Patriarch glaubt an Putin“

Religionskritische Hinweise zum Moskauer Schauprozess im August 2012

Von Christian Modehn.

Dieser Beitrag hat seit seiner Veröffentlichung im August 2012 sehr viel Interesse gefunden, vielleicht stellen sich die LeserInne Fragen, angesichts des orthodoxen Weihnachtsfestes, was sich denn hinter den weihrauchgeschwängerten Zeremonien mit ihrem Chefliturgen Patriarch Kyrill, an materiell – politischen Interessen verbirgt. Vielleicht warten sie auch gespannt auf die Konversion Gérard Dépardieus zur russisch – orthodoxen Kirche. Es wird die Meinung geäußert, dass sich Dépardieu durchaus gut mit Patriarch Kyrill verstehen könnte…

Aktuell ergänzen wir am 11. 5. 2014 diesen Beitrag mit einem Hinweis auf das sehr empfehlenswerte Buch von Mischa Gabowitsch “Putin kaputt!? Russlands neue Protestkultur” (Suhrkamp, 2013). Diese ausgezeichnete Studie verdient viel Aufmerksamkeit. Sie enthält auch ein Kapitel “Strukturwandel der Kirche” (der Russisch-orthodoxen Kirche). Die Ausführungen dort (auf den Seiten 205 ff.) unterstreichen die hier seit 2012 notierten Hinweise zur engen ideologischen Verbindung des Moskauer allmächtigen Patriarchen Kirill mit Putin. Mischa Gabowitsch zeigt, dass die kirchliche Gier nach Macht und Einfluß im Putin Regime auch Ausdruck der tatsächlichen Schwäche der Kirche ist. Denn es ist ja keinesweges so, wie manchmal behauptet wird, als sei die Russisch-orthodoxe Kirche bei den Menschen tief verwurzelt und geradezu massenhaft anerkannt. Gabowitsch zitiert den Religionssoziologen Nikolay Mitrokhin:“Die russisch-orthodoxe Kirche lässt sich als konsequent antiliberal, antiwestlich, ethnischen Minderheiten gegenüber xenophob, mit einer monarchistischen (oder zumindest autoritären) Staatsform sympathisierend, etatistisch und marktfeindlich beschreiben”(S. 208). Interessant ist der Hinweis von Gabowitsch, dass liberale Priester wie Gleb Jakunin und Jakow Krotow (in den neunziger Jahren) aus der Kirche gedrängt wurden und “alternative orthodoxe Kirchen gründeten” (S. 208), dieses Thema sollte weiter bearbeitet werden…  Aber noch ein erhellendes Zitat des Religionssoziologen Nojkolay Mitrokhin: “In wenigen Monaten haben Kirill und seine Helfer vollbracht, wofür ihre Vorgänger im zaristischen Russland Jahrzehnte brauchten:die Kirche gleichzeitig mit Diktatur, stumpfsinniger Grausamkeit und Korruption in enge Verbindung zu bringen” (S. 209).

Hier unsere nach wie interessanten Hinweise aus dem Jahr 2012:

Drei Künstlerinnen, Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch, werden drastisch wie in einem politisch gesteuerten Schauprozess bestraft: Die Musikerinnen der Gruppe „Pussy Riot“ werden wegen „Rowdytum aus religiösem Hass“ für 2 Jahre ins Straflager geschickt. Sie hatten am 22. Februar 2012 in der Moskauer Erlöser – Kathedrale, dem “prunkvoll – kitschigen Symbol des wiederauferstandenen orthodoxen Rußland”, vor der Ikonenwand ein gleichermaßen religionskritisches wie regimekritisches Lied angestimmt: Es beginnt wie ein klassisches Bittgebet: „Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin! Vertreibe Putin! Vertreibe Putin“.  Darin kommt auch der Vers vor: “Der Patriarch glaubt an Putin, besser sollte er, der Hund, an Gott glauben“. Gemeint ist der enge Verbündete Putins, Patriarch Kyrill, ein Mönch, seit 2009 im höchsten kirchlichen Amt in Moskau.

Das Urteil kam nur durch die übliche und seit Jahren selbstverständliche enge Übereinstimmung von russisch –orthodoxer Kirchenführung und dem Putin – Regime zustande.

Unser Salon ist der Religionskritik verpflichtet, sie ist wesentlicher Aspekt eines freiheitlichen und aufgeklärten Bewusstseins. Und damit für die Demokratie. Deswegen bieten wir als Hintergrundinformation zu dem Urteil einige Zitate des russischen Philosophen Michail Ryklin, der in Berlin an der Humboldt – Universität lehrt und in der sehr empfehlenswerten Zeitschrift Lettre (Berlin) regelmäßig seine „Korrespondenz aus Moskau“ veröffentlicht. Es wird schon in diesen wenigen Zitaten aus Lettre deutlich, wie eng sich die russisch – orthodoxe Kirchenführung an die Machthaber gebunden hat.

In Heft III/2005 berichtet Michaeil Ryklin von einer Bewegung, die eine „orthodoxe Hagiopolitik“ etablieren will (vertreten durch Gleb Pawlowski). Kern dieser theologischen Lehre, sie fordert ausdrücklich das Neu – Mittelalter !, ist „das Eingreifen von Heiligen und die Einwirkung geweihter Gegenstände in den Gang der Geschichte; dem Anthropozentrismus wird ein Primat des Wunders gegenübergestellt“ (S 130).  Ryklin berichtet weiter, dass Fundamentalisten aus der Russisch – Orthodoxen Kirche wesentliche Teile der säkularen Kultur verfolgen; diskriminiert werden von den Kirchenfürsten Opernaufführungen, Kunstausstellungen usw. „Die Russisch –Orthodoxe Kirche reklamiert für sich den Status einer staatsbildenden Religion“  (ebd.) Interessant schon 2005 die Bemerkung Ryklins: “Menschenrechtsaktivisten werden immer häufiger als Feinde der Orthodoxie und des russischen Volkes diffamiert“. (ebd).

Im Herbst 2007 schrieb Michail Ryklin unter dem Titel „Der heilige Bolschewik“: Die Russen kehrten in eine Kirche zurück, die sich von Stalin und ihrer Unterstützung eines atheistischen Regimes nicht nur nicht distanziert! Sondern die Stalin zu einem konsequenten Freund und Förderer des Glaubens erklärt“. (s. 128). Der christliche Glaube, den diese Orthodoxie vertritt, sei nur ein Ritual, der Glaube als ein seelischer Zustand (Liebe, Toleranz, Gnade) werde negiert.

In der Ausgabe I/2008 berichtet Prof. Ryklin in Lettre (S. 128) von einem TV Film, der in Russland sehr viel Aufmerksamkeit findet: „Der Untergang des Imperiums“ von Abt Tichon Schewkunow. Dieser Abt soll der Beichtvater des Präsidenten Putin sein. (ebd). In der Interpretation dieses vielfach gesendeten TV Films schreibt Prof. Ryklin „ Die Russisch – Orthodoxe Kirche, die kein Charisma besitzt und den weltlichen Machthabern keine Unannehmlichkeiten zu bereiten scheint, drängt den Staat auf einen gefährlichen Weg: Indem sie dem Staat für all sein Tun automatisch Ablass erteilt und damit jegliche Reformen für unnötig erklärt“. Abt Tichon spräche im Blick auf Europa von „den Barbaren in Brüssel“… Die Verquickung der russischen Kirche mit dem Staat nennt Prof. Ryklin eine „Verstaatlichung des Glaubens“. Er erwähnt weiter die Prozesse gegen den Galeristen der Tretjakow Galerie und gegen die Mitarbeiter des Sacharow- Zentrums. „Die Kirche redet dem Staat zumunde und verdammt die weltliche Kultur“, so das Faszit dieses Beitrags in Lettre I/2008.

In Heft IV/2008 von Lettre schreibt Michail Ryklin:“ Das Gefährliche am jetzigen Regime ist, dass es die Demokratie diskreditiert und dem Einfluß religiös- nationalistischer Gruppen Vorschub leistet, insgesamt habe – so 2008, heute ist das wohl anders – eine Entpolitisierung der Gesellschaft stattgefunden.

Insgesamt lassen die Beiträge Michail Ryklins keinen Zweifel daran, dass diese Haltung der russischen Kirche gerade bei jungen und kritischen Menschen nur auf zunehmende Abwehr und Distanz stößt. Diese absolute Regimeverbundenheit der Kirchenführer und weiter Kreise des Klerus ist die beste Form, intelligente und freie Menschen aus der Kirche definitiv zu vertreiben…

In Heft 97 von Lettre (Sommer 2012, Seite 134) widmet sich Prof. Ryklin erneut der Gestalt dieses machtgierigen Patriarchen. Durch Kyrill “ist die (russisch – orthodoxe) Kirche zu einem integralen Teil der =Machtvertikale= geworden. Hatte die atheistische Sowjetmacht die Kirche versklavt, ihren Zielen unterworfen, so verschmilzt nun die operative Macht Putins mit der Kirche”.  Seine Studien über das Umfeld der Moskauer Kirche mit ihrem Patriarchen Kyrill fasst Prof. Ryklin zusammen: ” In der Kirche wird Askese gepredigt und Luxus gefördert, Demut gepredigt und Intoleranz praktiziert, manch einer lobt den Herrn und benimmt sich gottloser als einst Atheisten”. Selbst der Sprecher von Patriarch Kyrill muss zugeben, so Ryklin, dass der Mönch Kyrill (eigentlich der Armut verpflichtet) einen Wagenpark (Cadillac Escalade, Mercedes der S-Klasse, Toyota Land Criser) und Residenzen (u.a. Villa in der Schweiz, Privatflugzeug usw.)  zu seiner Verfügung hat. “Doch es seien alles Geschenke….”(so in Lettre, 97, Seite 134, 3. Spalte). Ryklin weist auf eine Studie von Alexander Soldatow vom 15. 2. 2012 hin, nach der Patriarach Kyrill ein persönliches Vermögen von ca. 4 Milliarden Dollar hat (ebd, Spalte a).

Vielleicht werden angesichts dieser Informationen die Umstände dieses Prozesses deutlicher, in einem angeblich frommen und christlichen Land, das jeglichen Sinn für Kritik und freie Meinungsäußerung verloren hat.

Wir fragen, welchen Sinn es hat, wenn der Vatikan heute kein dringenderes Verlangen in der ökumenischen Bewegung hat, als sich ausgerechnet mit den „theologisch so nahe stehenden orthodoxen Kirchen“ (so ist immer wieder von höchsten Kreisen der römischen Kurie und des Papstes zu hören) möglichst bald zu versöhnen und zu einer Kirche zu vereinen? Was wäre der spirituelle, was der politische Gewinn, wenn Leute wie Patriarch Kyrill, Moskau,  auch noch ein Wort in Rom zu sagen hätte? Wir fragen weiter, welchen kritischen Beitrag eigentlich die sogen. “Ostkirchen – Kunde” an den deutschen Universitäten leistet. Studiert sie nur die Werke Didymus des Blinden, fragt ein Leser unserer Website.

Abgesehen von den zahlreichen Studien von Prof. Ryklin weisen wir, eher zufällig gefunden, auf einen Beitrag der Wochenzeitung DIE ZEIT hin. Diana Laart berichtet aus Moskau in der Ausgabe vom 16. August 2012, Seite 9 unter dem Titel “Gefährliche Freunde”, gemeint sind Putin und das Oberhaupt der Russisch – Orthodoxen Kriche Kyrill I.

Wir zitieren nur einige Sätze aus dem gut dokumentierten Beitrag: “Auch der Patriarch besitzt nicht nur einen Maybach, sondern für einen Mönch (das ist der geistliche Stand des Patriarchen, CM)) recht viele Residenzen. Vor allem nennt er eine luxuriöse Penthouse – Wohnung gegenüber dem Kreml sein Eigen. Sein Vermögen soll sich auf 4 Milliarden Dollar belaufen. Das Geld verdiente er in den neunziger Jahren, als er im Namen der orthodoxen Kirche mit Zigaretten und Öl handelte…..” Interessant ist, dass Diana Laarz unsere Einschätzung bestätigt: Der Patriarch sei die beste Voraussetzung, dass die Russen scharenweise die Kirche verlassen…Es ist wieder einmal der klassisch zu nennende klerikal bedingte Atheismus, der aufgrund bestimmter Kirchenführer entsteht. Diana Laarz schreibt:”Staatliche russische Meinungsforschungsinstitute schätzen, dass nur noch 10 Prozent der Kirchenmitglieder in die Kirche gehen”.

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