Die „Trinität“ (Dreifaltigkeit Gottes) als Dogma abschaffen.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 26.6.2023

1.
Für die Frage nach Gott oder dem Göttlichen oder dem Ewigen oder dem „alles tragenden Lebenssinn“ interessieren sich noch viele Menschen.
Als zusätzliches Problem erscheint für die meisten die Frage nach der göttlichen Dreifaltigkeit, der Trinität. Dabei gilt dieses Dogma innerhalb der Kirchenleitungen als etwas „unterscheidend Christliches“, also in den herrschenden, sich „orthodox, rechtgläubig“ nennenden Kirchen, wie bei den Römischen Katholiken, den Orthodoxen, den Lutheranern, den Reformierten (Calvinisten etc.). Der folgende Beitrag zeigt, dass spirituelles Leben im Sinne Jesu von Nazareth selbstverständlich ohne das Trinitäts – Dogma sehr gut möglich ist.

2.
Der internationale geschätzte (Konzils-) Theologe Karl Rahner SJ schrieb 1973 in seinem Lexikonbeitrag „Trinitätstheologie (Herders Theologisches Taschenlexikon, Band 7, S. 353): „ Es muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Lehre von der Trinität im konkreten Leben der Christen und in der Predigt, wenn überhaupt, dann nur eine sehr bescheidene Rolle spielt“.
Einen Grund für diese diese treffend beschriebene Tatsache nennt Rahner leider nicht. Die Wahrheit ist: Die Trinitätslehre, das Dogma, ist so „äußerst hochkomplex“, so sehr und so heftig eingebunden in eine metaphysische Sprachwelt des 4. Jahrhunderts n.Chr., dass sie, von wenigen Spezialisten abgesehen, heute niemand mehr versteht. In dem genannten Taschenlexikon – für weite Kreise bestimmt – braucht Rahner immerhin 13 Seiten, um das schwierigste aller theologischen Themen zu erklären. Wer diesen Rahner – Text verstanden hat, also in heute nachvollziehbaren Worten wiedergeben kann, möge sich bei mir melden.

3.
Wie unter Theologen üblich, wird von Rahner nicht erwähnt, wie stark die imperiale kaiserliche Macht damals interessiert war, Jesus von Nazareth als göttlichen Pantokrator auszugeben, und zwar aus dem einfachen Grund: Die Kaiser wollten sich als Nachfolger dieses göttlichen Christus – Pantokrator absolut aufwerten. Solches Ausblenden politisch – ideologischer Zusammenhänge beim Entstehen von Dogmen ist typisch für eine breite Tradition katholischer Theologie in Europa. Deswegen ist sie auch so irrelevant.

4.
Rahner selbst gibt zu, dass die Trinität, so wörtlich, „ein absolutes Geheimnis“ ist, das auch „nach seiner Offenbarung nicht rational durchschaubar ist“ (ebd. S. 342). Die Trinität ist also nicht nur nicht rational durchschaubar, das wäre schon viel verlangt, sie ist als solche nicht einmal als Faktum rational erreichbar. Also ein „absolutes Geheimnis“.
Wer also dem Trinitätsdogma glaubend folgt, verzichtet bewusst auf jegliche Relevanz seines eigenen Geistes, seiner eigenen Vernunft. Diese Haltung, die zu dummem Schweigen führt, kann kein vernünftiger Mensch noch menschlich nennen. Menschen auf rational total bzw. absolut (!) Geheimnisvolles festzulegen, ist einzig Sache der so genannten Sekten, nicht aber der Menschen, die irgendwie den Lebensweg Jesu von Nazareth noch inspirierend finden und die Gottesfrage gerade mit ihrer Vernunft „klären“ wollen.

5.
Nur eine „Kostprobe“ zu trinitarischen Formeln, sehr dicht an dem offiziellen, bis heute in Messen etc. gesprochenen Glaubensbekenntnis:
Es handelt sich demnach bei der Trinität um eine transzendente, himmlische real existierende Idee: Es ist der eine Gott mit einem Wesen und drei Hypotasen („Personen“) im „Himmel“. Gott selbst ist als erste „Person“ der Vater; die zweite Hypotase („Person“) trägt den Namen Christus. Er wurde „vor aller Zeit gezeugt“ (ohne Anwesenheit von Frauen, dann aber irgendwie auch himmlisch „geboren“). Dieser Christus hat zwei Naturen, eine göttliche und eine menschliche. Aber immerhin ist diese Hypotase so wirkungsvoll, dass aus ihm wie auch aus dem Vater der heilige Geist „ausgeht“ (im Sinne eines „Hervorgangs“, sagt die offizielle Deutung, was immer das bedeuten mag, CM). Die orthodoxen Kirchen des Osten behaupten nun, dass der heilige Geist nur aus dem Vater ausgeht! Wegen dieser „verknallten Spekulation“ kam es letztlich auch zum Bruch zwischen West – Kirche und Ost – Kirche … bis heute. Dieser heilige Geist wird in der christlichen Ikonographie als Taube dargestellt, (nebenbei: ob als „Ringeltaube“ ist umstritten, hübsch wäre auch die „Rotschwanz-Fruchttaube“, CM). Wer noch eine Nuance Rahners mag, etwa zur Zahl „drei“ innerhalb der Trinität: „Vater, Sohn und Geist können in Gott `drei` gezählt werden, wobei man sich allerdings dessen bewusst sein muss, dass man das zusammenzählt, was als reiner Unterschied im numerischen Einen der Wesenheit nicht unter einen Begriff einer Menge von Gleichartigem gebracht werden kann und darf“ ( ebd. S 351).

6.
Nun hat die zweite Person der himmlischen Trinität, der Sohn bzw. der Logos, einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt die intern göttliche Welt verlassen und hat „Fleisch angenommen“, wie es offiziell heißt, in der Person Jesus von Nazareth, der von ca 1 nach unserer Zeitrechnung bis ca. 35 lebte. Zu dieser Zeit muss als in der himmlischen Trinität die zweite Person (der „Sohn“) gefehlt haben. Es gab also einmal – in diesem Denken – einmal einige nicht – trinitarische „Momente“ innerhalb der himmlischen Trinität: Dies nur als kleine Kostprobe zu den Fragen, die sich spekulativ ergeben… Und die ganze klassische Dreifaltigkeitstheologie fragwürdig erscheinen lassen.

7.
Die Trinitätslehre aus dem 4.Jh. (man hat darüber gerätselt und debattiert und publiziert mindestens bis zum Konzil von Florenz 1439) ist, vornehm ausgedrückt, heute eine überflüssige Alt-Last, weniger vornehm: ein störender Klumpen, ein Ballast, den es nun endlich beiseite zu legen gilt … als Akt der Befreiung.

8.
Die „Trinität“ ist für uns also nicht mehr als ein uraltes, jetzt nur noch für Historiker interessantes Bild, so, wie die religiöse Rede von Engeln im Christentum nichts als ein hübsches, aber letztlich überflüssiges Bild ist. Die außer – christliche Esoterik interessiert sich leidenschaftlich für die Engel, Pater Anselm Grün, der viel – schreibende Benediktiner, auch… Auch der Mythos von der Erbsünde ist nichts als ein Bild, aber kein Dogma mehr, sagen vernünftige Theologinnen heute. Dasselbe gilt für die Rede von der „unbefleckten Jungfrau Maria“.

9.
Dass damit ein Diskussionsfeld eröffnet wird, in dem die Konservativen, die Reaktionären und Traditionalisten alle ihre angeblich scharfen Argumente noch einmal gegen angeblich „böse Irrlehrer“ vorführen, ist klar. Die sich „rechtgläubig“ nennenden Kirchen (also römische Katholiken, Orthodoxe aller Couleur, Lutheraner, Calvinisten …) haben im Laufe ihrer Herrschaftsgeschichte bewiesen, wie sie mit dogmatischen Erneuern und Reformatoren gerade hinsichtlich der „Trinität“ umgehen: Der Theologe Michel Servet (bekannt und geschätzt durch sein Werk „De trinitatis erroribus“, 1531) wurde vom Reformator Calvin am 26. Oktober 1553 öffentlich in Genf (!) verbrannt. Die Theologen Sozzini (etwa Fausto Sozzini 1539-1604) als argumentierende und hoch gebildete Anti-Trinitarier und ihre kleine mutige Gemeinschaft der „Polnischen Brüder“ wurden verfolgt usw. An die Vorbehalte des großen Theologen Erasmus gegen die Trinitäts – Lehre müsste erinnert werden oder auch an die heute noch bestehende freisinnige christliche Kirche der Remonstranten. Ihr offenes Glaubensbekenntnis von 2006 versucht die göttliche Wirklichkeit jenseits trinitarischer Formeln auszusagen, ein einmaliger Vorgang in einer christlichen Kirche heute. LINK.

10.
Seit einigen Jahren haben sogar wenige katholische Theologen den Mut, ihre Zweifel an der offiziellen „Trinitätslehre“ öffentlich zu äußern. Ich denke da vor allem an Professor Edward Schillebeeckx, der lange Jahre als Theologe an der Universität Nijmegen lehrte. In dem Interview-Buch „Edward Schillebeeckx im Gespräch“ (Luzern 1994, Edition Exodus) sagt Schillebeeckx klar und deutlich: „Ich bin im Hinblick auf eine Trinitätstheologie fast ein Agnostiker“ (S. 107). Zuvor hat er in wenigen Sätzen erklärt, was ihn zu dieser Erkenntnis geführt hat: „Im Glaubensbekenntnis geht es nicht um die drei göttlichen Personen…Ich glaube an den heiligen Geist, der für mich allerdings ein großes Problem darstellt. In der Bibel ist der heilige Geist ein Geschenk, nicht eine dritte Person: Er ist die Seinsweise Gottes selbst, der sich den Menschen als Geschenk gibt“ (S. 106).

11.
Damit bietet Schlillebeeckx entscheidende Hinweise: Gott selbst ist, wenn man schon sprachlich sich auf ihn bezieht, nur als Geist denkbar, auch nicht als „Person“ im landläufigen Sinne, schon gar nicht als Materie, als Klotz, als Stein oder was… Sondern als ewiger Geist, und weil Geist, eben auch lebendig- tätig- schöpferisch. Auch Geist kann im populären Verständnis von „Geistern“ etc. falsche Assoziationen wecken… Auch „Geist“ als Beschreibung des Ewigen, Göttlichen, ist also sehr differenziert zu verstehen.

12.
Zunächst folgen wir der Spur, die zu einem neuem Verständnis des „heiligen Geistes“ führt, der nicht als göttliche „Person“ verstanden werden sollte.
Unser Ausgangspunkt ist die menschliche Selbsterfahrung des Geistes: Im menschlichen Geist als Vernunft, als Emotion, zusammengefasst als „Seele“, gestalten wir unser menschliches humanes Leben, mit allen seinen vielfältigen Produktionen des Geistes und der Vernunft, mit seinen ständigen Reflexionen und Entscheidungen, auch zwischen Böse und Gut, um es klassisch moral-philosophisch zu sagen.
Es unser Geist, der seine Lebendigkeit zeigt. Aber was soll dann noch ein heiliger Geist, offenbar ein zusätzlicher Geist in uns? Wann und wo und wie wirkt denn dieser zweite Geist in uns? Etwa nur, wenn es sich um explizit religiöse und spirituelle Fragen handelt?
Aber kann der allgemeine, der menschliche Geist nicht von sich aus auch in der Auseinandersetzung mit Lebensfragen, in der Begegnung mit Kunst usw. Spuren der Transzendenz und des Göttlichen entdecken? Lehrt nicht sogar die katholische Kirche im Ersten Vatikanischen Konzil schon, dass der „natürliche“, also der allgemeine menschliche Geist Gott erkennen kann? Wozu dann noch diese behauptete doppelte Geist – Struktur in der einen geistigen Selbsterfahrung des Menschen? Kann der menschliche Geist nicht von sich auch Erstaunliches, wunderbar Genanntes, erleben?

13.
Die Rede von einem zusätzlichen, zweiten Geist, einem heiligen Geist, im Menschen ist also überflüssig.
Aber was bedeutet dann die literarische Erzählung im Neuen Testament von der Begeisterung der ersten kleinen Gemeinde, die behauptet, zu „Pfingsten“ mit dem heiligen Geist beschenkt worden zu sein? Unsere Antwort: Diese ersten Christen fühlten sich durch ihren eigenen Geist ermutigt, als kleine Gemeinschaft weiter zu leben und ihren Glauben weiter zu gestalten: Diese allgemein menschliche Einsicht, Reflexion und Entscheidung, deuteten sie bei dem damals religiös-kulturell üblichen Enthusiasmus als besondere Gabe Gottes, als besonderen, gegenüber dem eigenen Geist noch zusätzlich gegeben göttlichen, heiligen Geist. Diese Deutung von „Pfingsten“ durch die ersten Christen ist also kulturell bedingte Deutung anzusehen.
Diese ersten Christen hatten wie alle anderen Menschen ihren Geist, ihre Vernunft, ihre Emotionen usw. Und dieser Geist der Menschen ist – theologisch gesehen – der Geist, den der unendliche „Schöpfer“ der Evolution der Welt und der Menschen den Menschen erschaffen hat. Es ist also der von Gott geschaffene Geist (Vernunft) im Menschen, der auch zu religiösen Erkenntnissen führt. Einen zweiten, im Menschen irgendwie und irgendwann wunderbar wirkenden zusätzlichen göttlichen Geist braucht die Menschheit nicht. Denn der menschliche Geist (Vernunft) als Gottes Schöpfung ist heilig.

14.
Mit dieser Skizze wird deutlich: Der so genannte heilige Geist ist eine vom Überschwang bestimmte Konstruktion. Der heilige Geist ist also keine Person einer göttlichen Trinität: Denn Gott selbst ist schöpferischer Geist, der seinen Geist der evolutiven Welt (und den Menschen) mit – teilt…Es gilt also „Gott als den Ewigen als absolute Einheit zu denken“ (vgl. Kurt Flasch, „Christentum und Aufklärung“, Frankfurt/Mn., 2020, S 354)

15.
Es bleibt die Frage, wie denn Jesus von Nazareth als Logos in die „Trinität“ als die „zweite Person“ hineingesetzt werden konnte. Dazu hat der katholische Theologe Prof. em. Hermann Häring (Tübingen) in PUBLIK-FORUM( Heft 10/2023, S. 36 f.) einige Hinweise gegeben unter dem Titel „Die kirchliche Trinitätslehre ist überholt“. Häring schreibt: „Jesus hat sich nie als Teil einer Trinität verstanden, der ihm zugeschriebene Titel Sohn Gottes ist meilenweit entfernt von der zweiten innergöttlichen Person… Unser Bruder Jesus ist zum Träger von Gott gegebener Weisheit geworden. Dazu braucht es keine Dreifaltigkeit“ (S. 36). Im leider ziemlich knappen Beitrag betont Häring treffend: „Man habe in der Kirche diesen Trinitätsglauben aus kindlichem Glaubensgehorsam bewahrt“ (S. 37). Und er schlägt wie auch der Autor dieses Hinweises „eine Generalrevision unserer Glaubenskonstrukte“ vor (ebd.)

16.
Man muss den genannten Spuren folgen und „Jesus von Nazareth“ endlich wieder als Menschen sehen, als „unseren Bruder“, bezeichnen und als solchen auch religiös respektieren. Jesus von Nazareth ist einer von uns Menschen. Er zeigt in seinem Leben, dass er wie die Menschen überhaupt mit kreativem menschlichen Geist, als der Gabe des schöpferischen Gottes, ausgestattet, „beschenkt“, ist. Mit anderen Worten: Jesus von Nazareth zeigt, dass alle Menschen als Geschöpfe Gottes gemeinsam gleichberechtigte Brüder und Schwestern sind, im Bild gesprochen des einen „schöpferischen Vaters“…Es ist also die eine geistvolle Menschheit gemeint, die sich auch in Kirchen sammeln kann, um diese Erinnerung an den einen „Vater“ aller aktuell, auch politisch, aber auch meditativ lebendig zu gestalten.

17.
Aus der „Trinität“ ist also nicht nur der „heilige Geist“ als Person bzw. als Taube befreit. Aus der Trinität ist auch Jesus von Nazareth befreit. Was bleibt? Der eine ewige Gott, den viele als den geistvollen Schöpfer der evolutiven Welt und der Menschen ansehen und verehren, mit religiösen Menschen anderer Religionen…

18.
Aber auch bei diesem Bild, das sinnvoller und geistvoller,„vernünftiger“ und biblischer ist als das Bild „Trinität“, bleiben Fragen: In der Mystik und bei wenigen zeitgenössischen Theologen wird das Bild Trinität oder das Bild des einen schöpferischen Gottes noch einmal weiterentwickelt bzw. überwunden. Denn das Bild des einen schöpferischen Gottes lässt viele Probleme offen: Der schöpferische Gott hat den Menschen als Freiheit geschaffen, aber: Diese von Gott geschaffene Freiheit kann der Mensch auch zum Bösen, Krieg etc. gestalten. Das heißt doch wohl: Dass damit auch Gott als der Schöpfer dieser menschlichen Freiheit ins Böse mit hineingezogen wird.

19.
Gibt es also noch einen größeren Gott als das Bild des schöpferischen Gottes (vielleicht auch klassisch noch als Trinität)?
Meister Eckart (1260-1328) dachte an die „Gottheit“, sozusagen an den „Gott über Gott“. In seiner „deutschen Predigt“ mit dem Titel „Selig die Armen“, bezogen auf Matthäus 5,3 heißt es: “Darum bitte ich Gott, dass er mich Gott-los (wörtlich Gottes quitt) mache. Denn mein wesentliches Sein ist oberhalb von `Gott`, sofern wir Gott als Ursprung der Welt fassen“(vgl. „Meister Eckart. Einheit mit Gott“, hg. von Dietmar Mieth, Düsseldorf 2002, S. 154). Es geht also bei diesem Gott über „Gott“ um eine Idee über allem Sein und über aller Unterschiedenheit…
Auch Paul Tillich dachte Gott jenseits eines Theismus, der sich auf drei göttliche Personen bezieht. Eine authentische religiöse Lebensform ist für Tillich „Der Mut zum Sein“, der seinen Halt findet in dem „Gott über Gott“ (GW XI. S. 138 f). Siehe auch: “Paul Tillich” von Werner Schüssler und Erdmann Sturm, Darmstadt, 2007, S. 163ff): “Die Idee von dem Gott über Gott, dem letzten Grund allen Seins,  der erschient, wenn der Gott , dem wir Namen geben, versunken ist – , mag mir in der unbewussten Erinnerung an Dionysios (Areeopagita) gekommen sein” (S. 166). “Gott über Gott” ist also ursprünglich ein neuplatonischer Gedanke….

20.
Was also ist erreicht in dem hier nur angedeuteten Versuch, das Dogma der Trinität beiseite zu legen und für eine „einfache“ Spiritualität zu plädieren?
Es wurde beispielhaft gezeigt, dass eine moderne Theologie und ihr folgend Kirchen, die den Begriff modern für angemessen und richtig finden, (denk-)möglich sind. Dieser Hinweis will von Begriffen und Lehren befreien, die nur noch wie altes, verstaubtes Mobiliar in den Kirchen herumstehen und nur Historiker noch interessieren dürfen.
Spirituelle Christen können sich also vom Ballast der Traditionen lossagen, befreien, wenn sie denn nicht von Angst vor dem Klerus bestimmt bleiben wollen.
Und wichtig ist, dass Theologie wieder sich eine sehr lebhafte, erneuerungsbereite kritische Forschung zeigt…

21.
Wie sich diese von der alten „Trinität“ befreite Theologie zu den vielfältigen Formen der Unitarier bzw. unitarischen Kirchen verhält, ist eine andere Frage. Sie kann hier nicht beantwortet werden, weil die unitarischen Glaubensformen selbst noch sehr bezogen sind auf die alte, „klassische“ Trinitätstheologie.
Unser Vorschlag geht ja dahin, den Gedanken Gott über „Gott“ im Sinne Meister Eckarts neu zu denken, von diesem „anderen“ Denken wären dann auch die unitarischen Glaubensformen betroffen.

22. Zusammenfassung:

Gott als der Ewige, der letzte Grund unseres Seins, ist Geist.

Jesus von Nazareth ist Vorbild und Inspiration für ein “menschliches Leben”, das diesen Namen verdient.

Der Geist ist heilig, weil er als Gottes Schöpfung im Menschen anwesend ist, als das Belebende, lebendig Machende.

Die Konsequenzen dieser Theologie sind deutlich:

Wir brauchen keine Ideologie der Erbsünde mehr, wir brauchen keine Klerus-Macht, sondern die Gemeinschaft der spirituell Suchenden, einander Ermunternden…

Selbstverständlich wird dann auch die so genannte Erlösungs-Lehre der Kirchen neu gesehen: Der “Logos”, der vom Himmel herabsteigt und “Fleisch annimmt”, (Weihnachten!!), wird durch das Bild ersetzt: Jesus von Nazareth ist ein Vorbild der Menschlichkeit. Ihm in seiner Menschenfreundlichkeit zu folgen, kann erlösend sein. Aber nicht die metaphysische Kraft eines vom Himmel herabgestiegenen Logos (also die 2. Person der Trinität).

Eine gewisse, ganz andere “Trinität”, also dann doch. Aber eine  nachvollziehbare, nicht als total “geheimnisvoll” behauptete…

Eine andere “Trinität”, die zu denken … und zu leben gibt – auch im Gespräch mit anderen Religionen und Konfessionen, mit den Kulturen und anderen “Darstellungen” des Geistes…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Diktaturen – sozialistisch/kommunistisch und katholisch/vatikanisch: Hinweis auf einen Systemvergleich.

Von Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Dies könnte der Beginn eines Forschungs-Projektes, Juni 2023, sein. Damit ist gesagt: Es bedarf einer gewissen kritischen Begeisterung zu fragen, zu forschen, um den hier vorgestellten Systemvergleich mitzuvollziehen und weiter zu gestalten.

Mit diesem Systemvergleich steht der “Religionsphilosophische Salon Berlin” natürlich nicht allein da. Im DRITTEN KAPITEL (Nr. 19) wird gezeigt, dass Philosophen mit katholischem und/oder auch mit marxistisch-kommunistischem Hintergrund diesen Systemvergleich ebenfalls darstellen…Also: Leszek Kolakowski (Polen/England), Reymond Geuss (USA/England)….

ERSTES KAPITEL: Die sanften Modernisierungen und scheinbaren Demokratisierungen in beiden Systemen.

1.
Der System-Vergleich real-sozialistischer (kommunistischer) Herrschaftsformen, d.h. Diktaturen, mit der uneingeschränkten Klerusherrschaft in der Theokratie Vatikan, mit einem unfehlbaren Papst an der Spitze, war etliche Jahre üblich, und dieser Systemvergleich ist als Analyse immer noch treffend: Daran wird im folgenden noch einmal – weiter unten – erinnert.

Beide Herrschaftssysteme stehen einem Struktur – Vergleich zur Verfügung, weil beide aufgrund ihrer Ideologie überzeugt sind, “die”  Wahrheit für die ganze Menschheit zu besitzen. Und weil beide Herrschaftsysteme immer von Führern geleitet werden, die nicht aus demokratischen Wahlen der betroffenen Bevölkerung oder der Masse der Glaubenden zur Herrschaft gelangt sind. Sondern aus Kreisen gewählt wurden und werden, die diese Herrscher selbst im eigenen Interesse berufen haben (Zentralkomitee der Partei bzw. Kardinalskollegium, berufen durch den Papst). Mit diesem Vergleich der Strukturen wird nicht eine Vergleichbarkeit oder gar seelische “Identität” der realen Personen (Parteichef oder Papst etc.) unterstellt. Es geht um Strukturen, nicht um das je verschiedene persönliche Profil der Herrscher.

Dieser Vergleich der Strukturen hat einen aktuellen Bezug: Er kann etwa die Möglichkeiten und Grenzen von Reformen in beiden Systemen aufzeigen und Hoffnungen auf “Demokratiesierung” beider Systeme in den sehr begrenzten Rahmen setzen. Für manche LeserInnen aus katholischen Kreisen kann also dieser Beitrag hier zur Ernüchterung führen und die Frage drängend machen: Wie setze ich meine Lebenszeit am besten ein für das Überleben der Menschheit, für die Abwehr der weiteren Klimakatastrophen, für die Überwindung der Ungerechtigkeit der Reichen gegenüber den meisten Menschen im “globalen Süden” und so weiter. Wahrscheinlich entdeckt “man” dann im Engagement mit anderen seine eigene Spiritualität oder sucht sich in aller Freiheit seine eigene, seine “einfache”, jesuanische, in jedem Fall nicht-hierarchische  Spiritualität. Also außerhalb des römischen Systems.

2.
Aber schon an dieser Stelle wird auf eine weitere Aktualität des Thema hingewiesen: Denn dieser Systemvergleich (Kommunismus – katholische Kirche) hat seit etlichen Jahren eine neue Dimension erreicht: Bekanntlich gibt es kein kommunistisches Sowjet-Imperium mehr, das üblicherweise mit der vatikanischen Theokratie verglichen werden könnte.

3.
Sondern jetzt steht das Kommunistische China – Imperium mit seiner kapitalistischen (modernen) Ökonomie als Beispiel des Systemvergleichs im Mittelpunkt. Auch wenn der chinesische kommunistische Alleinherrscher Xi immer wieder betont: „Unsere Modernisierung bedeutet nicht Verwestlichung“, so gibt sich China im ganzen de facto (nur) nach außen hin (!) sehr westlich, denn es kann gar nicht auf die technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften der europäischen-amerikanischen Moderne verzichten. Die Spionage Chinas u.a. in der Forschung des Westens ist bekannt…

4.
Und auch der Vatikan als Theokratie gibt sich unter Papst Franziskus nach außen hin seit einigen Jahren etwas moderner, d.h. demokratischer, man möchte sagen etwas sympathischer, dem Anschein nach: Denn nun heißt das vatikanische Leitwort „Synode”, also gemeinsames Beraten von Klerikern aber auch mit einigen vom Klerus ausgewählten Laien und Nonnen. Die Verlogenheit im Umgang mit dem „Synoden“ Begriff wird schnell deutlich: Diese Synodalen können zwar Mehrheits – Beschlüsse fassen, aber diese haben keine bedeutende Wirkung: Denn allein der Papst entscheidet, ob diese Beschlüsse auch „realisiert“ werden. Wer es noch nicht weißt: Auch Papst Franziskus ist der absolute Herrscher über die Kirche. (Siehe das “Kanonische Rexcht” von 1984, Kanon 331.

Die Allmacht des Papstes im Umgang mit Synoden: Ein Beispiel: Die „Amazonas-Synode“ (2019) von Bischöfen und wenigen Laien in Rom forderte die Aufhebung des Zölibatsgesetzes für die dortigen Priester: Aber der Papst realisierte danach nicht diesen Mehrheitsbeschluss. Dazu hat der Bischof em. vom Amazonas, Erwin Kräutler, seine treffende Meinung im Juni 2023 veröffentlicht. LINK.

Zur Weltsynode in Rom (Oktober 2023) hat Papst Franziskus nun wie üblich eigenmächig bestimmte Kleriker als Mitglieder berufen,, etwa Kardinal Gerhard Ludwig Müller, einen der reaktionärsten Kirchen-Fürsten heute. Er ist in dieser Synode als Kleriker selbstverständlich stimmberechtigt… Er kann also reaktionäre Positionen unterstützen und mit seinen Freunden durchsetzen…

Auch in Deutschland hgab es eine gewisse Synoden-Begeisterung unter Katholiken: Aber die Engagierten wissen – oft uneingestanden – genau: Alle ihre demokratischen Mehrheits-Entscheidungen müssen vom Papst abgesegnet werden. Globale Reformen, wie in Deutschland gewünscht („Priestertum der Frauen“), sind nur eine Utopie, über die man Jahrzehnte lang reden kann. Offiziell heißt es vom „Synodalen Prozess“ in Deutschland im Jahr 2022: „Über die Umsetzung von Beschlüssen, die eine weltkirchliche Relevanz entfalten, entscheidet der Apostolische Stuhl, also der Papst…Entsprechende Beschlüsse der Synodalversammlung müssen als Votum der Kirche in Deutschland an Rom gerichtet werden.“

5.
Mit anderen Worten: Es gibt eine überraschende begrenzte Parallele zu Xi und seinem Modernisierungsprogramm: Nur nach außen hin gibt man sich in Peking westlich. So, wie die Theokratie Vatikan etwas moderner, etwas demokratisch nach außen hin tut. „Synode hurra“ möchte man sagen, ohne dass nun die Prinzipien der Moderne und der Demokratie von der Theokratie Vatikan respektiert werden. Ein frommer Schein wird von den Theokraten geweckt … und den Engagierten ihre Lebens-Zeit gestohlen…Wie sinnlos und ergebnislos war damals letztendlich die Würzburger Synode (1971-1975)? Wie sinnlos und frustrierend das „Niederländische Pastoralkonzil“ (1966-1970): Alle richtigen Reformvorschläge der Mehrheit dort wurden von den Herren der Theokratie im Vatikan zurückgewiesen… Und die katholische Kirche der Niederlande in den Niedergang geführt.

6.
Es könnte manche fromme Seele erstaunt sein, wenn der Vatikan hier eine Theokratie genannt wird: Aber diese Bezeichnung ist unter Politologen üblich, denn der Vatikan als Herrschaftsform ist allein religiös legitimiert, und zwar durch den einen Satz im Neuen Testament, in dem Jesus von Nazareth dem Fischer Petrus eine Sonderrolle als „Chef“ seiner imaginierten Kirche zuweist (siehe Matthäus-Evangelium 16,18). Unter Historikern und kritischen Bibelwissenschaftlern ist heute eindeutige Überzeugung: Jesus von Nazareth dachte nicht im entferntesten daran, eine Kirche zu gründen, dazu war seine Erwartung eines baldigen Endes des Welt viel zu dominant. Und einen Fischer Petrus (übrigens verheiratet! und sicher Analphabet) als Papst konnte sich der Wanderprediger Jesus nun auch nicht vorstellen.
Aber die Kleriker im Vatikan haben zur Rechtfertigung ihrer Macht die Interpretation dieser Bibelstelle absolut „gepachtet“. Sie sind die einzig gültigen Interpreten.
„Theokratie“ bezogen auf den Vatikan heißt ja nicht, dass Gott selbst unmittelbar vom Himmel aus rein regiert in die Welt. Theokratie bedeutet, dass es eine Gruppe von Klerikern gibt, die den heiligen Text der Bibel so deutet, dass nur sie die einzig gültigen Interpreten ist. Diese Herren Kleriker (es sind immer Männer) stehen also gleichsam auf Gottes Seite und sind, wie der Papst in entscheidenden Glaubens – und Moralfragen sogar unfehlbar. Das heißt nichts anderes: In ihnen und durch sie spricht dann Gott selbst… behaupten diese Leute, die noch von Laien und einfachen Pfarren und Ordensleuten als „Hochwürden“ oder „Heiliger Vater“ verehrt werden…

7.
Aber das vatikanische Imperium als Theokratie wird dann auch im weltweit verbreiteten „Katechismus der katholischen Kirche“ (1993) urbi et orbi gelehrt: „Christus selbst ist der Urheber des Amtes (also des Papst-Amtes) in der Kirche. Christus hat es eingesetzt, ihm Vollmacht und Sendung, Ausrichtung und Zielsetzung gegeben“ (§ 874 im „Katechismus der katholischen Kirche“, S. 259). Es wäre also eine Gotteslästerung, wenn der Papst dieser „Einsetzung des Amtes“ durch Christus persönlich widersprechen würde oder wenn er das Amt in der bestehenden Form grundlegend reformieren oder gar aufgeben würde. Die klerikale Theokratie ist also wie Gott selbst „ewig“, soll man denken.

8.
Um noch einen Moment beim Vergleich China von Xi und dem nun etwas demokratisch erscheinenden Vatikan zu bleiben:
Xi will eine weltpolitische Rolle spielen, als Vermittler auftreten, als Friedensstifter im Krieg Russlands gegen die Ukraine

Der Papst will auch weltpolitisch eine große Rolle spielen, deswegen die diplomatischen Bemühungen von Papst Franziskus etwa um Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Deswegen das starke Drängen des Papstes seit Monaten, mit Patriarch Kyrill von Moskau in gutem Einvernehmen zu sein.

Dabei spielt der Papst seine übliche Doppel-Rolle aus: Einerseits ist er Staatschef des Staates Vatikan-Stadt, andererseits auch spiritueller Führer der katholischen Kirche und ihrer Gläubigen. Der Papst ist spirituell der Inhaber des “Heiligen Stuhls”, ein Titel, bezogen auf einen imaginären Stuhl des heiligen Petrus, den angeblich Jesus von nazareth zum ersten Papst auserwählt hat… und diese Rolle als Inhaber des “Heiligen Stuhls” ist am wichtigsten. In der Herrschaft über den “Heiligen Stuhl” bündeln sich die Leitungsaufgaben der katholischen Kirche UND des Staates Vatikanstadt”, wie der italienische Kassationsgerichtshof 1979 die Sachlage klärte.(Siehe dazu: Corrado Augias, “Die Geheimnisses des Vatikan”, München 2011, S. 439). Die Botschafter des Papstes (Nuntien) in fast allen Ländern repräsentieren also den “Heiligen Stuhl”, also die umfassende religiöse wie politische Macht des Papstes….  so wie auch die ausländischen Botschafter  beim “Heiligen Stuhl” in Rom akkrediert sind … und nicht beim Staat Vatikanstadt. Noch einmal: Der “Heilige Stuhl” ist Völkerrechtssubjekt! Ein Völkerrechtssubjekt, das eine Theokratie oder anders gesagt eine Wahl-Monarchie ist, diese päpstliche Herrschaftsform kennt keine übliche Gewaltenteilung, keine durch eine Verfassung begrenzte Macht des Monarchen (des Papstes).

Welch ein intellektueller Tiefpunkt, welche Ideologie, wenn ein Theologieprofessor und Kardinal, Gerhard Ludwig Müller, lange Jahre Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan,  in seinem Buch “Der Papst” (Herder Verlag, 2017)  514 lapidar behauptet:” Der päpstliche Primat hat grundsätzloich nichts mit einer monarchischen und sonstigen Form von Machtausübung zu tun”.

Der Papst ist also absoluter geistlicher Führer für 1,3 Milliarden KatholiKinnen und  Staatschef des Minimal Staates Vatikanstadt (Größe 0,44 Quadratkilometer, 618 Staatsbürger).

ZWEITES Kapitel: Ein Systemvergleich: Real-Sozialistische /Kommunistische Diktaturen und die päpstliche Theokratie.

9. Zur Vertiefung:
Auf die Notwendigkeit einer Untersuchung einer Strukturanalogie von Religion (in unserem Fall Katholizismus) und sozialistischer Diktatur wird man immer wieder von verschiedener Seite aufmerksam gemacht. „Es gibt eine Strukturanalogie zwischen Religion und einer sozialistischen Diktatur… Wie der Papst beanspruchten auch die sozialistischen Parteiführer eine Generalkompetenz über alle Werte-Entscheidungen“, schreibt der Philosoph Harry Lehmann (Berlin) in der Kultur-Zeitschrift „Lettre International“, Winter 2021, Seite 26.
Auf eine „Strukturanalogie“ von Katholizismus und sozialistischen bzw. kommunistischen Diktaturen wurde schon mehrfach auch von großen katholischen Theologen hingewiesen, wie etwa von Hans Küng: „Die Kirche ist von einer Gemeinschaft der Gläubigen zu einer geistlichen Diktatur geworden“, schrieb Küng 2011 in seinem Buch „Ist die Kirche noch zu retten?“. Und: „Der biblische Jesus Christus hat die Päpste beim Ausbau ihrer Macht gestört und er ist durch ein selbstfabriziertes Kirchenrecht verdrängt worden“. Unter vielen Quellenverweisen nur diese: LINK  . Und noch einmal Küng: „Ohne ein Ende des römischen Hofstaats wird auch einem neuen Papst kein Durchbruch und Aufbruch gelingen“, sagte Küng. Quelle:LINK
Man erinnere sich auch an die heftige Kritik an der Bürokratie im „vatikanischen Hofstaat“ durch den international hoch geschätzten katholischen Theologen Karl Rahner SJ: Es gibt viele Stellungnahmen, Interviews, Zeitungsbeiträge Rahners, die seine Ablehnung des römischen Herrschaftssystems belegen: So nannte er vatikanische Theologen tatsächlich „Bonzen“, im Sinne von ideologisch verblendeten Partei-Bonzen oder Partei-Genossen in sozialistischen Diktaturen. (Quelle: Herbert Vorgrimler, „Karl Rahner verstehen“, Topos Taschenbücher 2002, S. 117.)

10.
Eine kurze Darstellung der Analogie der beiden Systeme:

Die sozialistischen (kommunistischen) Diktaturen (in Zukunft SD abgekürzt) beziehen sich auf eine Gründergestalt (bzw. mit Friedrich Engels auf eine zweite): Karl Marx. Beide dachten nicht im entferntesten an den Stalinismus.
Die katholische Theokratie (KT abgekürzt) bezieht sich auf die Gründergestalt Jesus von Nazareth bzw. „Jesus Christus“ oder nur „Christus“. Aber von der Bibelwissenschaft her ist eindeutig: Jesu hat gar kein Kirche begründen wollen und können…

Das grundlegende Buch in den SD ist „Das Kapital“.
Das grundlegende Buch in der KT ist die Bibel bzw. vor allem das „Neue Testament“. Das „Kapital“ ist keine Anleitung für den Stalinismus, das „Neue Testament ist keine Anleitung für die Hexenverfolgungen oder die Verbrennung von angeblichen Irrlehrern.

Die einzig zugelassene Interpretation des Gründungsbuches beansprucht die KP-Parteiführung bzw. die Führung der Sozialistischen Partei (etwa SED). Ihr Selbstverständnis drückt sich etwa in dem bekannten Kampf-Lied aus „Die Partei, die Partei, die hat immer recht…“ (Es ist raffinierterweise die anonyme „Partei“, nicht ein konkreter Parteiführer, der recht hat…

Die einzig zugelassene Interpretation des Gründungsbuches „Neues Testament“ beansprucht in der KT der Papst bzw. die von ihm eingesetzten Bischöfe und dann in der Hierarchie die von Bischöfen geweihten Kleriker. Ihr Selbstverständnis drückt sich in dem Lied „Fest soll mein Taufbund immer stehen“ aus, besonders in dem Vers „Ich will die Kirche hören, sie soll mich allzeit folgsam sehen und gehorsam ihren Lehren“… „Die Kirche“ hören, nicht einen konkreten Bischof…

Die Partei (d.i. das Zentralkomitee, ZK) beansprucht, „die” Wahrheit, die einzige wahre Wahrheit , zu „haben“, für alle Bereiche des Lebens. Sie will diese Wahrheit international ausbreiten (Beispiel: im Ostblock durch die KPDSU etc.).

Die Entwicklung des Ideologie in der UdSSR stagnierte: “Alle sowjetischen Führer bis 1984 haben von Ideen gelebt, die aus den 1920er- bis 1950er Jahren stammten. Als wäre die Welt aus Beton” (so der belarussische Schriftsteller und Oppositionelle Viktor Martinowitschin “Die Zeit”, 29.Juni 2023, S. 43).

Die katholische Kirche lebte seit dem Trienter Konzil im 16. Jahrhundert bis zum 2. Vatikanischen Konzil 1962 ebenfalls in einer erstarrten Ideologie (Theologie) ohne jeglichen Wandel wie in einer Welt aus Beton…

Die Kirche (d.i. der Papst und die von ihm ernannten Bischöfe) beansprucht „die” Wahrheit, die einzige, für alle Bereiche des Lebens, auch der Politik und der Sexualität, zu „haben“ und allen Menschen mitzuteilen (darum weltweite Mission). Man denke an das Reinreden der Kirchenführer in die Sexualmoral der Katholiken…

Wer „die“ Wahrheit nicht annimmt und nach außen bekennt, möglichst wortwörtlich, wird vom ZK wie auch von der Glaubensbehörde (Heiliges Offizium) kritisiert, ausgegrenzt, verfolgt, vernichtet. Die Ketzerverfolgung in der katholischen Kirche hat natürlich eine viel umfassendere längere Tradition aufgrund des längeren Bestandes dieser Institution Kirche…

„Die Lehre“ wird vom ZK der SD bestimmt und bei Parteitagen manchmal geändert. Die kommunistischen Basis-Dogmen bleiben aber unberührt, etwa die führende Rolle der KP oder SED usw. Damit schützt sich die Parteiführung, wohlwissend, dass ihr totalitärer Anspruch der absoluten Führung von Marx gar nicht gefordert wird.

Die Kirchen-Lehre wird vom Papst und seinen Gremien, auch vom Konzil, das dem Papst untersteht, gelegentlich moderat verändert, etwa: „Landessprache in der Messe“ seit 1965, „Religionsfreiheit ist kein Verbrechen“ oder Möglichkeit der Feuerbestattung für Katholiken.
Die Basis-Dogmen hingegen bleiben aber unberührt, damit sichert sich der Klerus seine alleinige Interpretationsgewalt. Es gilt die totale – auch sprachlich fixierte – Unwandelbarkeit der vielen seit dem 3. Jahrhundert einmal formulierten Dogmen. Das in den katholischen Messen heute immer noch gesprochene „nizänokonstinopolitischen Glaubensbekenntnisse“ ist für heutige Menschen unverständliches Blabla. Wer versteht schon, dass „der Heilige Gest vom Vater ausgeht“…Wenn interessiert, das „der Logos gezeugt, aber nicht geschaffen ist“…Philosophen vielleicht.

Geschlossenheit und Einheitlichkeit wird von der Führung für die Funktionäre vorgeschrieben: Man denke an die Sitzordnung bei den Parteitagen. Parallel dazu: die absolut gleich gestalteten Gewänder und Mitren bei den Bischöfen bei größeren Zusammenkünften auch in Rom. Die Individuen „Bischöfe“ verschwinden unter der totalen Identität der Kostümierung. Das ist wohl so gewollt. Einstimmigkeit ist die Mitte der Diktaturen, Vielfalt die Mitte der Demokratien.

Die Zensur verbotener Bücher: Zensur im Verlagswesen in der SD, der Index verbotener Bücher im Katholizismus. Das „Imprimatur“ wird heute noch gewünscht.

Die Sonderstellung hoher und höchster Funktionäre in der SD, sie wohnen in separaten Siedlungen, haben Zugang zu westlichen (kapitalistischen) Konsumgütern, Leben im Luxus.
Und in der katholischen Kirche: Hohe Gehälter für Bischöfe, etwa in Deutschland, Luxuswohnungen für Kardinäle im Vatikan, Dienstautos usw.

Akzeptanz privater „Seitensprünge“ hoher Funktionäre (nur einzelne Funktionäre werden als Symbole des Kampfes gegen Korruption in Chinas KP verfolgt),
Akzeptanz der privat gehaltenen, verschwiegenen „Seitensprünge“ des Klerus (Heteros im Klerus haben ihre Freundinnen, Homos im Klerus ihre Liebhaber) , aber alles bitte nicht öffentlich machen. Man lese die instruktive Studie „Sodom“ von Frédéric Martel.

Zusammenfassung:

Die Entwicklung der Ideologie in der UdSSR stagnierte: “Alle sowjetischen Führer bis 1984 haben von Ideen gelebt, die aus den 1920er- bis 1950er Jahren stammten. Als wäre die Welt aus Beton” (so der belarussische Schriftsteller und Oppositionelle Viktor Martinowitsch in “Die Zeit”, 29. Juni 2023, S. 43).

Die katholische Kirche lebte seit dem Trienter Konzil im 16. Jahrhundert bis zum 2. Vatikanischen Konzil 1962 ebenfalls in einer erstarrten Ideologie (Theologie) ohne jeglichen Wandel “wie in einer Welt aus Beton”…

11.
Die Brutalität der Verfolgung von Abweichlern findet in den sozialistischen/kommunistischen Diktaturen (China, Vietnam, Kuba, Nord-Korea) bis heute statt.
Die Brutalität der Verfolgung von Ketzern und Abweichlern im Katholizismus findet jetzt keinen unmittelbaren materiellen, leibhaftigen Ausdruck mehr, diese Brutalität war aber bis ins 19. Jahrhundert üblich. Wie viele Tausend Ketzer wurden verbrannt, wie viele Tausend Irrlehrer verfolgt, wie viel Tausend Hexen verbrannt uns so weiter…
Aber die psychische Brutalität im Umgang mit Abweichlern und „Unbequemen“ im Katholizismus verursacht auch heute seelisches Leiden, Ausgrenzung, privates finanzielles Desaster usw.

12.
Viele sozialistische Regime im Osten Europas sind seit 1989 weithin überwunden worden. Der Zusammenbruch der Sowjetunion war sicher auch ökonomisch bedingt, Stichwort „Hochrüstung“. Aber der Zusammenbruch des Sowjetimperiums war dann doch möglich, weil es eine kleine Gruppe von Abweichlern innerhalb der KPDSU gab, vor alem einen Michael Gorbatschow. Einen solchen Zusammenbruch des Imperiums Papstkirche/Katholizismus ist trotz aller Reformgrüppchen und aller so genannter Synodaler Wege nicht möglich…Solange eben der Papst die Allmacht des Papsttums (Heiliger Stuhl, Unfehlbarkeit, Monarchie etc.) behält und beansprucht. Ein Machtverzicht des Papstes ist nicht in Sicht, trotz allen Schwadronierens von Synodalen Wegen und Synoden. Erst wenn ein Papst gewählt wird, der das papsttum beendet, ist eine Ende dieser Klerus – Diktatur in Sicht.

13.
Warum ist die Theokratische Diktatur des Vatikans, also die klerikale Führung der Katholischen Kirche, nicht zusammengebrochen? Weil so viele religiöse Menschen wider alle Vernunft auch heute noch an Wunder und Wunderbares glauben, weil sie meinen, Gott höchst persönlich will diese Katholische Kirche, inclusive Papsttum, so wie sie ist.

Solange es also ein “göttliches Erschauern und Bewundern der “Hochwürden und Eminenzen und Heiligen Väter gibt, wird sich im Katholizismus nichts grundlegendes, also Vernünftiges, Humanes, ändern. Erst wenn viele Millionen Menschen erkennen: Jede Kirche ist Menschenwerk und damit reformierbar, und die Bibel ist nur ein geistiges, poetisches Produkt frommer Menschen und nicht unmittelbar “Gottes Wort”, wird sich etwas grundlegend zum Guten, Humane, verändern.

In Westeuropa ist der Abschied, der Austritt aus der katholischen Kirche, zahlenmäßig faktisch erwiesen, jetzt immens. In Afrika und manchen Gegenden Asiens sind viele Millionen Menschen (noch) katholisch, bevor sie wahrscheinlich wie in Lateinamerika zu den Evangelikalen und Pfingstgemeinden „konvertieren“…
Vielleicht hängen sie noch am Katholizismus, weil der Vatikan für sie weit weg ist? Und ihre Gemeinden dort oft der einzige soziale und caritative (!) Zusammenhalt sind? Und junge Männer in Indien und auf den Philippinen machen als Kleriker eine schöne und sichere Karriere… Vielleicht später mit einer „Mission“ im reichen Europa? Um die Lücken in den europäischen priesterlosen Gemeinden zu stopfen?

14.
Warum hat der Katholizismus sein „1989“ bisher nicht erlebt? Dies liegt sicher auch an der Lehre, der Spiritualität, den Gottesdiensten, den Wallfahrten usw., so dass viele Katholiken eben trotz und gegen den Vatikan katholisch bleiben, um der Wunder (Lourdes, Fatima!) und der Mystik willen, was auch immer man unter Mystik versteht.
Katholische Religion ist eben immer auch Opium und Folklore (Spanien, Semana Santa) … Außerdem sind gotische Kathedralen schön anzusehen oder barocke Kirchengebäude auch. Es ist sozusagen diese wundervolle, ästhetisch als erhebend erlebte Welt der uralten Frömmigkeit, die letztlich dafür sorgt, dass diese theokratische Diktatur bis heute noch fortbesteht. Natürlich weiß niemand, wie die Taube neben dem Gott Vater mit Bart ins barocke Bild kommt,…“Aber warum soll die Tierwelt, etwa die Taube, nicht auch im Himmel eine Rolle spielen, sagte mir ein junger Mann einmal in einer bayerischen Barockkirche… Vom Symbol der Taube als Heiliger Geist hatte er wie die meisten Besucher dieser kirchlichen Museen genannt Barockkirchen keine Ahnung…

Die Kommunisten hatten ihre Kulte kurzfristig erfunden, wie die Feiern zum 1.Mai, aber sie haben keine innere Resonanz bei den Menschen gefunden. Der russische Historiker Michail Ryklin hat in seinem wertvollen Buch „Kommunismus als Religion“, Frankfurt am Main 2008, darauf sehr anschaulich hingewiesen.

15.
Papst Franziskus denkt gar nicht daran, eine explizit synodale, und das meint immer (!) eine demokratische Kirche zu gestalten. Er verändert mit vielen Worten sozusagen etwas die Farbtöne in der katholischen Bilderwelt, aber ein neues modernes Bild will er nicht entwerfen oder gestatten. Denn dann gäbe es bei einer solchen Reformation, die mehr ist als eine Reform, auch keinen Papst und kein Papsttum mehr. Dann gäbe es aber die Gemeinschaften der gleichberechtigt Glaubenden, dann gäbe es auch keine „Laien“ und auch „Kleriker“ mehr, sondern nur noch spirituell suchende „Brüder und Schwestern“.

16.
Aber diese neue Kirche ist genauso eine ferne, sicher nie erlebbare Utopie wie die klassenlose Gesellschaft im Kommunismus.

17.
Warum also dieser Systemvergleich von zwei Diktaturen?
Weil die eine, die real-sozialistische und kommunistische Diktatur, keine innere, seelische Verheißung bieten konnte, keine transzendierende Illusion. Sie musste ohne Gott auskommen, und das war ein Teil ihrer Katastrophe.
Die katholische Diktatur wurde und wird, wie erwähnt, für viele erträglich durch die von den Dogmen gelieferte Verzauberung der Welt und der Existenz. Aber diese Verzauberung hat auch vielerorts keine Macht mehr, und so ist die Frage offen: Was kommt nach dem Ende auch dieser katholischen antidemokratischen Welt (also der Theokratie)? Wird es eine humane, eine vernünftige, eine elementare christliche Religion der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit geben? Oder wird der Konsumismus und der Neoliberalismus den endgültigen Sieg haben, falls denn die Welt nach all den Öko – und Umweltkatastrophen, den sinnlosen Kriegen und dem Gemetzel mit dem lukrativen Waffenexport etc. noch existiert.

18.
Mit einem Bedauern endet der Blick zurück, mit einem Bedauern darüber, dass sich so viele Menschen gern in der – dialektisch gesehen – behütend-zerstörerischen Macht von Diktaturen irgendwie dann doch einrichteten und gar wohlfühlten und immer noch wohlfühlen. Es ist die unreflektierte Bindung an angeblich allmächtige Autoritäten und der innere Zwang, gehorsam und angepasst zu leben, der diese Diktaturen und die Theokratie am Leben erhält und – wie im Falle des Vatikans – immer wieder mit Geld versorgt, obwohl diese Theokratie allein durch ihren Immobilienbesitz in Rom ein Milliardenvermögen hat. Aber die aufgeklärte, gebildete Jugend Westeuropas denkt anders. Welchem Gott wird sie folgen?

DRITTES KAPITEL als Ergänzung: I.: Der Beitrag des polnischen Philosophen Leszek Kolakowski.

Der polnische Philosoph Leszek Kolakowski hat 1977 einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel „Marxistische Wurzeln des Stalinismus“, dieser Text wurde in dem Buch „Leben trotz Geschichte“ (hg. Leonhard Reinisch), München 1977, S. 257-281, publiziert.

19.

Kolakowski, einer der bedeutenden europäischen Philosophen, war zunächst in Polen Marxist und Kommunist. Als Dissident wurde er 1966 aus der Partei ausgeschlossen und dann lehrte er seit 1969 als Philosoph an verschiedenen Universitäten in Kanada, den USA und vor allem in Oxford. Dort ist er (1927 im polnischen Radom geboren) im Jahr 2009 gestorben. …

Zu unserem Thema sind diese Hinweise Kolakowskis von Bedeutung: Die Bindung der Gläubigen an die katholische Kirchenführung, den Klerus, den Papst usw., ist in Westeuropa und Amerika mindestens bis 1968, strukturell verwandt mit der Bindung der Menschen an das totalitäre System des Kommunismus in Osteuropa bzw. der damaligen Sowjetunion.

20.

Kolakowski nennt ein politisches System totalitär, in dem „alle Gruppen und Individuen nur für Ziele handeln, die zugleich Ziele des Staates sind und als solche vom Staat festgelegt werden“ (S. 260).
Übertragen auf die Bindung der „engagierten Katholiken“ an die Kirchenführung heißt das: Auch diese Katholiken haben nur „für Ziele gehandelt, die zugleich Ziele der Kirchenführung sind und als solche von der Kirchenführung festgelegt werden“.
Also konkret gesagt: Die Kirchenführung bestimmt das Familienleben, die Gestaltung der Sexualität, sie schreibt vor, welche Bücher der Katholik ohne Strafe lesen darf, welche Partei er wählen darf, wie der Katholik mit Andersdenkenden umgeht usw..

21.

Weiter führt Leszek Kolakowski zum kommunistischen Totalitarismus aus: „Der Staat und seine organisatorischen Instrumente bilden die einzigen Formen des sozialen Lebens. Jede Art menschlicher Tätigkeit ist erlaubt, nur sofern sie im Dienst der staatlichen Ziele steht.“
Auf die Bindung der katholischen Gläubigen an die Kirchenführung bezogen heißt dies: Die einzige wertvolle und Gott – bzw. der Kirchenführung wohlgefällige Form des Lebens spielt sich für einen Katholiken nur in der Kirche ab, in der Pfarrgemeinde, in den Gemeindegruppen, den katholischen Verein und katholischen Schulen bis hin zu katholischen Friedhöfen… LINK.

22.

Leszek Kolakowski nennt weitere Elemente totaler Herrschaft in der Sowjetunion und in kommunistisch gelenkten Staaten:
Formen der repräsentativen Demokratie gibt es nicht….
Auf die katholische Kirche bezogen: Sie ist stolz darauf, nicht-demokratisch zu sein. Der Vatikan bzw. der “Heilige Stuhl” ist eine absolute “Wahl-Monarchie”.

Es gibt im Kommunismus keine wirklichen Wahlen. Es gibt keine freie Presse… und die gab es als katholische Kirchenpresse bis vor 20 Jahren gar nicht. Dann gab es Wahlen für den Pfarrgemeinderat, der nur beratende Funktion hat, die letzte Entscheidung trifft der Priester.
Ähnliches gilt für Synoden und synodale Prozesse… Alle Druckwerke hatten ein amtliches „Imprimatur“ …und in den katholischen Presserzeugnissen wachten strenge Priester über die Orthodoxie der Texte und der Autoren. Texte theologischer Dissidenten wurden nicht gedruckt. Man denke an das bischöflich verordnete Ende der kritischen katholischen Wochenzeitung PUBLIK.
Es gab keine Pluralität mit tatsächlicher Vielfalt. Alle Gruppen, ob kommunistisch oder katholisch, wurden von der Führung kontrolliert und in ihrer Entfaltung bestimmt.

23.

Kolakowski weist darauf hin, dass fast niemand die offizielle kommunistische Staatsideologie wirklich aus Überzeugung glaubte. Aber die kommunistische Staatsideologie musste nach außen aufrechterhalten bleiben, damit das ganze System des Staates nicht zusammenbricht. Dissidenten wurden bestraft.

Auf die katholische Kirche übertragen: Nur wenige glaubten das ganze fdogmatische System, das sich in dickleibigen Katechismen darstellte. Nur wenige glaubten etwa, dass sich Jesus von Nazareth den armen Fischer Petrus tatsächlich als den ersten Papst wünschte. Wobei doch fast jeder schon wusste, dass Jesus von Nazareth überhaupt nicht an eine Kirchengründung dachte, war er doch vom nahen Ende dieser Welt überzeugt. Aber bis heute glauben die klerikalen Beamten im Vatikan, dass die Form ihres Papsttums genau dem Willen Gottes und den Weisungen Jesu von Nazareth entspricht. Und sie hämmern diese Ideologie ihrer eigenen Herrschaft den Glaubenden ein. Vergeblich, auf lange Sicht…

24.

Im Katholizismus, seit etwa 1968, konnten sich die Gläubigen in nicht-kirchliche Organisationen flüchten, in feministische Gruppen, in Parteien, die nicht das „C“ als Aushängeschild hatten, in NGOs usw. Dieses Verbundensein mit säkularen Gruppen und Lebensformen schwächte entschieden die totalitäre Herrschaft der Kirchenführung. Bis heute versucht sie, ihre Allmacht zu festigen, im Bereich der Sexualmoral, der Abweisung der Gleichberechtigung von Frauen in den kirchlichen, priesterlichen Ämtern, die Abweisung der Homoehe usw.
Mit anderen Worten:
Die Katholiken konnten ihre menschliche Existenz auf eigene Art ohne kirchliche Vorschriften leben, weil sie sich in der freien, säkularen Gesellschaft entwickeln konnten. Die säkulare Welt, die Aufklärung, die Menschenrechte, haben die Gläubigen in ihrem Menschsein gerettet.

II: Die Hinweise des us-amerikanischen Philosophen Reymond Geuss. Er war Schüler eines katholischen Internats in den USA.

25.

Das neueste Buch von Reymond Geuss “Nicht wie ein Liberaler denken” (Suhrkamp 2023) ist auch eine Art philosophische Autiobiographie. Auf Seite 16 schreibt Geuss: “Lenin und Lukács haben beide von der Notwendigkeit einer Ideologie für das Proletariat gesprochen. Es war keine ausreichende Voraussetzung, unterdrückt zu sein oder gar zu wissen, dass man unterdrückt war; man musste auch Möglichkeiten haben, das empfundene Elend zu artikulieren, theoretisch zu verarbeiten…Man brauchte so etwas, wie das, was der Katholizismus zur Verfügung stellte”. Entscheidend die Erkenntnis: “Die Schwierigkeit ist natürlich, dass wir gegenüber allen totalisierenden ideologischen Konstruktionen wie dem Kommunismus und dem Katholizismus zu Recht misstrauisch geworden sind” (S. 17).

 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Siehe auch die Ra­dio­sen­dung von Christian Modehn, WDR, „Die Pyramide des lieben Gottes. Über die Macht und das System in der römischen Kirche“ (Erstsendung am 1.11.2009)   U.a mit O Tönen von Otto-Hermann Pesch, Josef Imbach, Hermann Häring, Friedrich Wilhelm Graf, aber auch Kardinal Joachim Meisner und Kardinal Joseph Ratzinger: Vor allem dessen Empfehlung beachten, dass Theologiestudenten bitte wie Spitzel ihre Professoren beobachten sollten, vgl. O TON 16.     LINK

 

 

 

Wozu gibt es einen „Heiligen Geist“? Der Geist des Menschen ist heilig!

Über die “Entrümpelung“ eines theologischen Dogmas.
Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
Es findet jetzt – endlich – eine Art Entrümpelung dogmatischer kirchlicher Lehren im Katholizismus statt, und hoffentlich in allen Kirchen. Zum Beispiel: Das Dogma der Erbsünde in der klassischen Form (von Augustinus mit Gewalt durchgesetzt) ist zum Entstauben in einer Seitenkapelle abgestellt worden. Die Dogmen zur „Gottgewolltheit” der klerikalen Hierarchie glauben fast nur noch die in ihrem Klerus-Stand bevorzugten Priester. Hans Küng hat schon vor 50 Jahren am Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes heftig gekratzt. Und die lateinamerikanische Befreiungstheologie versteht Erlösung nicht (nur) als seelisches Geschehen, sondern auch als Erfahrung sozialer-politischer Gerechtigkeit für die Armen…

2.
Auch der Küng – Mitarbeiter, der kathoilische Theologe Prof. em. Hermann Häring (Tübingen), spricht Klartext: „Die kirchliche Trinitätslehre ist überholt“, so in PUBLIK-FORUM Nr. 10/2023, Seite 36 f. Häring schreibt in dem Beitrag sehr treffend: „Die Trinität ist ein Glaubenskonstrukt“… „Fürs Verständnis Jesu braucht es keine Dreifaltigkeit…“ „Die Trinitätslehre ist ein unerträgliches Element“, Häring tritt für „eine Generalrevision unserer Glaubenskonstrukte ein“.

3.
Hier wird ein weiterer Beitrag zur dogmatischen Entrümpelung in gebotener Kürze publiziert: Meine Frage: Was passiert denn eigentlich mit dem „Heiligen Geist“, der so genannten dritten göttlichen „Person“ in der Dreifaltigkeit (Trinität), wenn nun das göttliche Mysterium auch ohne Dreifaltigkeit erlebt, verstanden, gedacht wird?“
Meine begründete These: Der Geist des Menschen – und das ist seine Freiheit und deswegen auch seine Vernunft und seine Sprache, klassisch auch seine „Seele“ – ist heilig. Eine eigenständige , imaginäre „Person“ Heiligen Geist (meist als Taube dargestellt) braucht man dann wirklich nicht zu glauben.

4. Soll es denn zwei Geister in einem Menschen geben?
Das muss gerade für theologische „Laien“ etwas entfaltet werden:
Der menschliche Geist als menschlicher (!) Geist ist heilig, weil er von Gott geschaffen ist. Und Gott, das Göttliche, der Ewige… ist im Menschen durch den von Gott geschaffenen endlichen, menschlichen Geist sozusagen als der Schöpfer von allem – indirekt – anwesend. Der Mensch hat also – schon aufgrund eigener Selbsterfahrung – einen einzigen Geist, und nicht etwa einen menschlichen und daneben oder darüber noch einen gelegentlich, bei besonderen Anlässen, wirkenden zweiten Geist, den göttlichen.
Zwei Geister in einem Menschen? Das ist Unsinn, stiftet Verwirrung, gibt Raum für Phantasie und wunderbare Gottes-Geistes-Verzückungen. Handelt ein Mensch wahrhaftig, gut, ethisch wertvoll, versucht er das göttliche Geheimnis zu erfahren und zu bedenken, dann ist es also immer der eine menschliche Geist, der von Gott dem Schöpfer gegeben, in dieser Fähigkeit lebt.

5. Biblische Erzählung: ein bilderreicher Mythos.
Warum aber wurde dann in der frühen Kirche (in der Apostelgeschichte nachzulesen) die Idee formuliert, es gebe einen eigenständigen heiligen Geist neben dem menschlichen Geist? Diese Frage berührt die exegetische und kirchenhistorische Forschung. Meine kurz gefasste Antwort: Die Gemeinde der Freunde des gekreuzigten Jesus von Nazareth kam gemeinsam zu der überraschenden Einsicht: Unser Freund Jesus von Nazareth lebt irgendwie „wunderbar“ in anderer Gestalt „weiter“: Und sie waren von dieser ihrer Einsicht so begeistert, dass sie meinten, nicht ihr eigener Geist in seiner schöpferischen Freiheit habe ihnen diese Einsicht geschenkt, sondern es sei ein zusätzliches wunderbares Eingreifen Gottes gewesen. Als wäre wegen dieser Einsicht vom „auferstandenen Jesus“ ein extra-heiliger Geist wirksam gewesen. Die Gemeinde misstraute also der schöpferischen Kraft ihres eigenen menschlichen, aber von Gott gegebenen menschlichen Geistes, also der Vernunft, der kreativen Freiheit des Denkens und Fühlens.

6.
Aber die Kirchen haben die schöpferische Kraft des Göttlichen IM menschlichen Geist immer übersehen und unterschätzt: Der Grund: Sie haben die Mythen der Schöpfungsgeschichte im Buch Genesis falsch verstanden und gemeint, der Mensch schlechthin und immer sei durch die Erbsünde verdorben, der Geist des Menschen sei durch die Erbsünde zerrüttet: Das bedeutet. Dann kann nur Gott immer wieder neu eingreifen mit seinem immer wieder willkürlich agierenden zusätzlichen göttlichen wunderbaren Geist. Weil diese Ideologie der Erbsünde nun aber endlich obsolet ist, im Rahmen der oben genannten Entrümpelungen, entfällt auch die Idee eines zweiten göttlichen Geistes, neben dem menschlichen Geist. Ohne Erbsünde kann es einen kreativen, auch guten menschlichen Geist geben und eine gute menschliche Vernunft, die nach dem Göttlichen fragt…

7. Wenn Charismatiker und Pfingstler “ausflippen”
Aber viele sich sehr fromm fühlende, „auserwählte“ Leute klammern sich noch immer an den zweiten Geist in sich selbst, sie verehren ihn als den separaten heiligen Geist. Es sind die so genannten Charismatiker und Pfingstler, die vom heiligen Geist öffentlich gern in „Zungen reden“, wie sie sagen, also in einer angeblich verzückten wunderbaren göttlichen Sprache des Blalaba und Trallatulla und so weiter. Und das Skandalöse ist, das die anderen Geist-Besessenen dann sagen: Auch wir verstehen das geistvolle Blalaba usw.
Ich habe diese Verzückungen erlebt in einer charismatischen Gebetsnacht der äußerst einflußreichen charismatischen Gemeinschaft Emmanuel in der Kirche „Trinité“ in Paris (9.Arrondissement). Dort hatte sich der charismatisch bekehrte, ziemlich bekannte Schauspieler Michel Lonsdale diesem Blalaba usw. sehr hingegeben, ich habe diese Szenen für meinen Film „Unter dem Himmel von Paris“ fürs ERSTE gedreht…

8.
Die Mehrheit der Christen wird sich wohl nun um ihren einen Geist, der als Geist und Freiheit heilig ist, kümmern. Das heißt: Der menschliche Geist und die Vernunft sind als das Auszeichnende aller Menschen absolut zu schützen und unbedingt als Gestaltungsprinzip des Lebens und der Politik durchzusetzen. In den Menschenrechten findet dieser Geist seinen lebendigen, leider eher selten respektierten Ausdruck. Aber das spricht gegen den Geist, sondern die Faulheit und den Egoismus vieler Menschen, den sie mit ihrem eigenen Geist auch überwinden können, wenn sie denn wollen.

9. Die uralten Pfingstlieder – eine unerträglich ferne Welt.
Bei dem immer noch klassisch, d.h. trinitarisch gefeierten Pfingstfest ist wenig bis gar nichts von dieser nachvollziehbaren, vernünftigen Deutung des menschlichen Geistes, des heiligen, zu spüren.
Man denke etwa an die Pfingstlieder im „Evangelischen Gesangbuch“: Darin sind von Nr. 124 bis Nr. 137, also 14 Pfingstlieder, versammelt. Die Texte haben Autoren verfasst, die zwischen 1524 und 1833 lebten, die jüngsten Pfingstlieder, es sind zwei, stammen aus dem 19.Jahrhundert! Alle anderen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Kein einziges Pfingstlied stammt aus dem 20. Jahrhundert. Wie schwer sich die „klassische“ dogmatische Kirche mit dem Dreifaltigkeitsfest (Trinitatis) tut, wird deutlich: Das Evangelische Gesangbuch von 1993 enthält zwei Trinitatislieder aus dem 16. und 18. Jahrhundert.
Das Katholische Gesangbuch „Gotteslob“ enthält 15 Pfingstlieder, sie stammen schon aus dem 10.Jahrhundert, aber auch aus dem Jahr 1941, getextet von Maria Luise Thurmeier. Sie verfasste den Text für das Lied Nr. 249 „Der Geist des Herrn erfüllt das All – mit Sturm und Feuersgluten“. Wie weltfremd und a-politisch (?) diese dichtende Dame war, ist deutlich: Sie schrieb ihr Gedicht im Jahr 1941, also schon mitten im 2. Weltkrieg… In der 4. Strophe heißt es: „Der Geist des Herrn durchweht die Welt, gewaltig und unbändig, wohin sein Feueratem fällt, wird Gottes reich lebendig“. Es geht also um Feuersgluten, um Sturm, und ein „gewaltiges und unbändiges Geschehen“… Die Kriegspropaganda der Nazis zeigt da ihre Wirkungen bis ins Gebet hinein. Was haben solche Poetinnen wie Frau Thurmeier in einem Gesangbuch zu suchen? Auf die gräßlichen Marienlieder von Frau Thurmeier habe ich schon früher hingewiesen. LINK.

10.
Zusammenfassung:
Es gibt also nur einen Geist im Menschen, er gehört zur Schöpfung des Menschen durch Gott/das Göttliche… Immer ist es der eine menschliche Geist des Menschen, der Leben gestaltet, Frieden schafft, Gerechtigkeit erkämpft. Wer auf Gottes direkten Eingreifen politisch hofft, will selbst tatenlos bleiben.
In der Praxis wird die unendliche Kreativität gespürt, die den menschlichen Geist auszeichnet, und es entsteht eine Dankbarkeit im Menschen, dass er in seiner Freiheit das Gute tun kann. In dieser Dankbarkeit kann sich der Mensch seinem Schöpfer, dem Göttlichen, zuwenden. Mit einem außergewöhnlichen und wunderbaren Eingreifen eines Heiligen Geistes rechnet dann kein spiritueller Mensch mehr: Gott ist ja immer schon „da“, in der Realität des Geistes, des menschlichen und seiner Freiheit.

11.
Die klassische Trinitätslehre ist also auch dadurch „überholt“, wie Hermann Häring sagt, weil es keine dritte Person in der Dreifaltigkeit – sehr anschaulich etwa in Gestalt einer Taube – geben kann.

12. Was wird aus “Gott Vater” mit dem Bart? Der Bart ist nun definitiv ab.
Aber was wird dann aus dem Bild, der Metapher, „Gott-Vater“, der ersten Person dieser drei Personen? Der mit dem Bart, sagen manche. Nun ist der Bart ab: Das Göttliche, Gott, der Ewige, die Göttin, Gott Vater , Gott – Mutter … wie auch immer: Diese Ideen sind nichts anders als Geist zu nennen, sie sind ja keine Materie, kein zu umgreifendes Etwas. Gott als Gott ist Geist. Mehr kann nicht gesagt werden. Aber der Bart des uralten Gottes ist ab. Endlich, ad aeternum hoffentlich. Kunsthistoriker werden dies bei ihren Barock-Studien berücksichtigen. Dieser Gott – Vater – Bart – Glaube ist jetzt vorbei.

13. Warum diese Reflexionen?

Einige LeserInnen fragen: Gibt es nichts Dringenderes? Natürlich, unmittelbar politisch, ökologisch, sozial…. gibt es sehr viele dringendere Themen. Aber der hier vorgeschlagene Verzicht auf einen religiös unkontrollierten Pfingst-Heilig Geist-Enthusiasmus, auf einen kindlichen Wunderglauben, der Verzicht auf ein schwärmerisches Ahnen  “Der heilige Geist wirkt ganz besonders (nur) in mir”: Dies kann zur Befreiung führen, im Sinne von Freimachen des eigenen Denkens für die genannten wirklich dringenden Aufgaben.

14.

Pfingsten und den Geist feiert man dann angemessen nicht mehr durch das Singen alter unverständlicher Pfingstlieder. Sondern in Gesprächen und Verabredungen, wie wir gemeinsam dem verheerenden Treiben, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, “Klerikalismus” in allen Religionen, Rechtsextremismus, Herrenmenschentum im Umgang mit den Arm-Gemachten in der “Dritten Welt” usw.  noch Einhalt gebieten können. Der wahre “Gottesdienst” (am Sonntag) wird dann zum Menschendienst.

 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Austritte aus der Katholischen Pfarrei St. Matthias in Berlin – Schöneberg: Ein Beispiel für religiösen Wandel in Deutschland.

Diese begrenzte, kleine Detailstudie ist wichtig zum Thema:
„Das – zahlenmäßige – Verschwinden der katholischen Kirche in Berlin”

Ein Hinweis von Christian Modehn.

Siehe auch den aktuellen Beitrag zum Thema, publiziert am 15.4.2024 LINK.

1. Das Gemeindeblatt dieser Pfarrei St. Matthias hat manchmal Statistiken veröffentlicht, auch zur Zahl der „Austritte“, wie es in den Heften im Amtsdeutsch heißt. „Austritte“ ist ein Begriff, der für Sachen gilt. Es wurden nicht Menschen befragt, warum sie denn austreten. Es wurde nicht mitgeteilt, wie es mit Altersstruktur der „Austritte“ bestellt ist.

2.  Ich wohne (mit meinem Freund und Partner) als Laien-Theologe der katholischen Theologie und theologisch – philosophischer Journalist seit 1989 im „Pfarrbezirk“. Im Jahr 2010 bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten und Mitglied einer protestantischen Kirche der Niederlande geworden.

3. In dieser seit langer Zeit von sehr konservativen Priestern geprägten Gemeinde sind seit vielen Jahren auch jüngere Priester des Neokatechumenats (aus Polen, Lateinametrika, Italien aber auch aus Deutschland) tätig. Sie haben in der Abgeschiedenheit des eigenen Priesterseminars „Redemptoris Mater“ in Berlin-Biesdorf studiert…Diese Neokatechumenalen gelten im theologischen Verständnis als Sondergruppe, manche sagen als machtvolle Sekte in der katholischen Kirche. Ohne neokatechumenale Priester gäbe es wohl kaum noch jüngere Priester im Erzbistum Berlin…LINK.

4. Ich vermute, dass viele Katholiken aus dieser Gemeinde ausgetreten sind, die der schwulen und lesbischen Community angehören. Sie haben in dem Kiez von Berlin-Schöneberg ihre Treffpunkte und wohnen auch oft in dieser Gegend. Eine besondere „pastorale Offenheit“ für Gays habe ich in der Pfarrei St. Matthias überhaupt niemals gesehen. “Sie lebt förmlich auf dem Mond”, sagte mir ein lateinamerikanischer Theologe einmal, was die völlig ignorierte „Inkulturation“ angeht. „Messe lesen“ ist die Hauptsache der drei jetzt verbliebenen Priester, sie müssen vier Schöneberger katholische Kirchen (einst „Pfarreien) mit ihren Messen versorgen. Im Eucharistiefeiern, im Messelesen, wertet sich der Klerus absolut auf … wird unersetzlich, weil ja die Messe als „das Höchste“ im Katholizismus von den Priestern propagiert wird.

5.
Die Statistik:
Die erste Statistik wurde im Gemeindeblatt im März 2013 veröffentlicht, auf S. 24:
Im Jahr 2009: 178 Austritte (bei 10.477 Gemeindemitgliedern)
Im Jahr 2010: 201 Austritte
Im Jahr 2011: 187 Austritte
Im Jahr 2012: 193 Austritte bei 9.704 Gemeindemitgliedern.
In dieser Zeit wurden insgesamt 26 „Wiederaufnahmen“ (einst „Ausgetretener“, die diese Wiederaufnahme oft aus beruflichen Gründen tun) registriert und 10 Konversionen zum Katholizismus.

Die zweite Statistik, mit einer gewissen zeitlichen Lücke, betrifft die Jahre 2017 bis 2022, veröffentlicht im Gemeindeblatt im Frühjahr 2023, S. 43.
Im Jahr 2017: 150 Austritte
Im Jahr 2018: 207 Austritte
Im Jahr 2019: 312 Austritte
Im Jahr 2020: 297 Austritte
Im Jahr 2021: 475 Austritte
Im Jahr 2022: 411 Austritte.
Das sind, von 2017 bis 2022 zusammen: 1.852 Austritte aus der Pfarrgemeinde St. Matthias, Berlin-Schöneberg.
Die Anzahl der „Wiederaufnahmen“ in diesen Jahren: 28.
Die Anzahl der Konversionen: 17 in diesen Jahren.
Die vier Schöneberger Kirchen sind nun zu einer Gemeinde zusammengefügt worden, und diese hat 16.079 Mitglieder im Jahr 2022.
Von den Gemeindemitgliedern sind 2.090 über 70 Jahre alt.

6.
Es wäre eine wichtige Aufgabe für Religionssoziologen und Mathematiker zu berechnen, wie viele Mitglieder diese Gemeinde in 20 Jahren noch zählt, berücksichtigt man einen Mittelwert der „Austritte“ und die Altersstruktur. Dann käme man – sozusagen von einem Nicht- Mathematiker hochgerechnet – auf eine Zahl der Gemeindemitglieder von ca. 7.000 Gemeindemitgliedern im Jahr 2043. Für diese geringe Anzahl – immer noch (???) mit vier Kirchengebäuden etc. (St. Matthias, St. Konrad, St. Dominikus, St. Elisabeth) – könnte dann gut ein einziger neokatechumenaler Priester – aus Polen, Italien oder Mexiko – die Messen lesen. Das könnte bei guter Gesundheit des Priesters klappen…

7.
Aber: Diese präzisen Hochrechnungen macht niemand, jedenfalls werden sie nicht publiziert. Genauso wenig wie die Anzahl der Priester in 20 Jahren, die immer noch und wohl ad aeternum alles beherrschen als unersetzliche Messeleser, ermittelt wird.
Auch das Durchschnittsalter der jetzt noch tätigen Priester wird nicht bekannt gegeben.
Es ist die Angst vor der Wahrheit, die sich da ausdrückt. Diese Wahrheit könnten die Religionssoziologie und die Mathematik, also Wissenschaften, mitteilen. Das will die Hierarchie aber nicht wissen…. So lebt der Katholizismus weiter im Nebel, aber „selbstverständlich“ in „guter Hoffnung“, hießt es.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

„Himmelfahrt“ und Pfingsten vernünftig verstehen!

Christliche Feste vernünftig erklären. Für uns heißt das: „Undogmatisch“, also freisinnig verstehen.
Ein Hinweis von Christian Modehn

……. Wer sich sogleich für unsere Interpretation zu „Pfingsten“ interessiert: Siehe Nr. 8 f., besonders Nr. 17 und 18.

1.
Schwer tun sich die meisten – verständlicherweise – mit den Titeln (und der Bedeutung) christlicher und speziell katholischer Festtage: Von „Fronleichnam“ soll aber jetzt keine Rede sein. Auch nicht von „Allerheiligen“ oder „Allerseelen“. Von einer „Himmelfahrt“ soll gesprochen werden, aber nicht der Marias, der Mutter Jesu von Nazareth. Sie erlebte gemäß der Mythen und des Dogmas nicht eine „Himmel-Fahrt“, sondern eine „Aufnahme in den Himmel“ (Festtag 15.8.) Dabei sei Gott selbst tätig gewesen, sagte Papst Pius XII. Im Jahr 1950. Gott „nahm“ Maria in den Himmel auf… Jesus aber „stieg“/„fuhr“ – im uralten Bild – selbst in den Himmel.

2.
Hier geht es also um „Christi Himmelfahrt“. Ein religiöser Denk-Feier-Tag, der mangels tieferen Verständnisses säkular „Vatertag“ genannt wird. Populäre Ideen der Blumenhändler und Kneipiers: Die Mütter haben ihren Blumen-Feiertag, und die Väter bzw. Männer sollen doch bitte auch „endlich mal“ (?) ihren Feiertag haben. Jesus hat ja bekanntlich auch gern Wein getrunken, darin sehen „die“ Männer nun die Berechtigung, gerade an diesem berühmten Donnerstag, immer 10 Tage vor Pfingsten, einmal (un)ordentlich zu trinken. Für viele bleibt dies (leider) die einzige Verbindung zum Denken an die „Himmelfahrt Jesu Christi“.

3.
Der „Himmelfahrtstag“ meint also immer „Christi Himmelfahrt“, oder noch genauer: Die „Himmelfahrt“ Jesu von Nazareth, der von Christen als „der“ Christus, d.h. der Erlöser, verehrt wird.

4.
In den Himmel ist also Jesus „gefahren“: Was für ein merkwürdiges, ungeschicktes Bild, an dem die Kirchen dummerweise bis heute festhalten. Was ist damit in einer vernünftigen Theologie gemeint? Und nur um eine vernünftige Theologie kann es heute nur noch gehen, sie ist klar erklärend, Mysteriöses abweisend, Verstehen weckend. Und kann aber bei religiösen Themen, modern interpretiert, auch nicht auf neue Bilder, Symbole, Metaphern verzichten. Anders geht es nicht: Man hat philosophisch und theologisch nur die Wahl zwischen heute etwas verständlichen und heute sehr unverständlichen alten Bildern, Symbolen, Metaphern.

5.
Jesus von Nazareth ist, nach seinem Tod am Kreuz, als „Auferstandener“ nicht mehr sichtbar unter seinen Freunden gewesen, auch wenn die Evangelisten davon in Bildern, Mythen, voller Schwärmerei und maßlosen Übertreibungen sprechen und schreiben. Sie konnten 60 bis 80 Jahre nach Christi Geburt einfach nicht anders. „Weltbild gebunden“, sagen Theologen.

6.
Die Auferstehung Jesu bedeutet: Der Gekreuzigte liegt wie alle anderen Menschen als toter Körper im Grab. Aber eine Einsicht kommt seinen Freunden: Jesu Seele hat den Tod überlebt, den Tod überwunden: Man kann etwa sagen: Jesus lebt in der niemals zu zerstörenden Präsenz des Ewigen, dies ist eine transzendente Wirklichkeit. Das meint das uralte naive Bild: Jesus ist in den Himmel „gefahren“.
„Jesus ist nicht mehr hier“, sagt der Engel den Frauen am Grab Jesu (Markus, 16,6), d.h.: Er ist auf der Erde, irdisch, nicht mehr greifbar.
Der Glaube an eine geistige Nähe lieber Verstorbener ist ja eine weit verbreite Überzeugung, der sich niemand schämen muss.

7.
Wer also von der „Himmelfahrt Jesu von Nazareth“ spricht, muss zugleich von der Auferstehung Jesu von Nazareth reden. Und stellt dann fest: Beide Begriffe beschreiben die gleiche Erfahrung der Hinterbliebenen, also der Jesus-Freunde, der Gemeinde, die sich nach Jesu Tod versammelte. Beide Feste meinen das gleiche: Die Auferstehung Jesu IST seine „Himmelfahrt“. Nur diie bekannte Freude der Christen am Feiern erklärt die Verdoppelung des einen Gedenkens, des einen Feiertages. Und natürlich: das eigene „Kirchenjahr“ (es beginnt am 1. Adventssonntag) braucht auch verschiedene „Ereignisse“ und Feste…

8.
Und Pfingsten? Der tote Jesus ruht zwar im Grab, aber er ist als geistige, d.h. nicht zu greifende „Wirklichkeit“ mit der Gemeinde verbunden, im Geist, in der Erinnerung lebendig als der nun „Ewige“.
Diese Einsicht erlebt die Gemeinde als unverhoffte Erkenntnis, als außergewöhnliches Geschenk ihrer allen Menschen zugänglichen Vernunft. Die Freunde Jesu werden später diese besondere Einsicht ihrer Vernunft eine Gnade nennen.
Tatsächlich es ist ihr menschlicher Geist, der Jesus als auf andere Art als „lebendig“ erkennt, als Teil des Ewigen.

9.

Dieses „Ereignis“ der tieferen Einsicht meint „Pfingsten“: Jesus wird von der Gemeinde als „geistig lebendig“ erkannt und gefeiert. Diese Erkenntnis wertet die Gemeinde als überraschendes Geschenk, und: als Chance einer neuen, alle nationalen Identitäten sprengenden Gemeinschaft.

10.
Ostern – Jesu Himmelfahrt – Pfingsten, das ist die Folge der Feste im Kirchenjahr. Aber Pfingsten ist als das zeitlich letzte der drei Feste nun – logisch gesehen – das erste, d.h. das alles gründende „Ereignis“: Weil die Gemeinde der Freunde Jesu überhaupt um die Bedeutung Jesu von Nazareth ringt, kommt sie zur Einsicht: Jesus ist zwar körperlich tot – aber seine Seele, sein Geist, lebt. Und im Geist sind Gemeinde und Jesus also verbunden, diese Verbindung ist so außergewöhnlich, dass sie dann heiliger Geist genannt wird.

11.
Aber es bleibt ein Problem:
Wenn ich mit meinem menschlichen Geist, mit der Vernunft, über den „heiligen Geist“ nachdenke, ist es dann mein menschlicher Geist, der den heiligen Geist verstehen kann? Oder wirkt dann in mir, der Bibel und den offiziellen Dogmen folgend, irgendwie der besondere, der heilige Geist? Führt also nur der heilige Geist in die Höhen der Gotteserfahrung?
Noch einmal anders gefragt: Wenn ich mich mit religiösen Themen beschäftige, wirkt dann der „heilige Geist“ in mir? Aber wenn ich mich mit „weltlichen“ Problemen befasse, etwa mit der Gestaltung der Demokratie, der Solidarität oder meiner Gesundheit… , ist dann „nur“ mein menschlicher Geist tätig? Soll es also gleichsam zwei „Geister“ im Menschen geben, den üblichen menschlichen Geist, und parallel dazu, den gelegentlich wirkenden heiligen Geist?
Erlebe ich wirklich zwei Geister in mir? Der eine soll menschlich sein, der andere göttlich, heilig? Bedeutet dieser doppelte Geist nicht eine gewisse Form von Verwirrung, vielleicht von Spaltung, von Schizophrenie?

12.
Ich bin überzeugt, dass die Christen wie überhaupt alle Menschen nur einen einzigen Geist haben. Und dieser eine Geist, das Auszeichnende des Menschen, wird gelegentlich auch heilig genannt, erhaben, grundsätzlich unangreifbar. Dies ist die Leistung der Freunde Jesu, der ersten Gemeinde, in ihrer „Pfingsterfahrung“.

13.
Für die alltägliche Lebenspraxis bedeutet das: Etwas abstrakt formuliert: In der Kraft unseres Geistes, also auch der Vernunft und der Urteilskraft, können wir uns entscheiden für Gutes oder Böses in unserem Leben. Entscheiden wir uns für Gutes, etwa für den Respekt, das Mitgefühl, für die Förderung von Kunst und Literatur, für die Suche nach dem Göttlichen, dann erkennen wir: Der Geist kann in dieser speziellen Aktivität tatsächlich „heilig“, erhaben, ewig genannt werden, weil er hilft, den alltäglichen Egoismus und die Verkapselung ins Weltliche zu überwinden.
Das Böse als Tat ist genauso Ausdruck freier Entscheidungen, Ausdruck des Geistes, des Denkens. Haben wir uns für Böses entschieden, haben wir uns mit unserem Geist freiwillig (oder im psychischen Krankheitsfalle wie betäubt) gegen unser Gewissen entschieden. Aber immer ist es der eine Geist, der Geist der Freiheit, der uns zur freien Entscheidung führt.

14.
Eine weitere philosophische Überlegung:
Wenn man die menschliche Wirklichkeit mit dem Göttlichen in Verbindung bringen will, dann nur über die Erkenntnis: Das Göttliche hat die Evolution der Welt „geschaffen,“ darin entwickelt sich der Mensch als Geist und das heißt als Freiheit. Hätte der Mensch die Freiheit (die auch Freiheit zum Bösen ist) nicht, dann wäre er kein Mensch mehr, sondern ein Tier, das seinen Trieben folgt. Aber das Göttliche als „Schöpfer“ der Welt und des Menschen, hat mit seinem Geist das Geschaffene, den Menschen zumal, ausgestattet. Sonst wären die Welt und der Mensch außerhalb des Göttlichen, Gott hätte als Gott also eine Konkurrenz, er wäre nicht mehr Gott.
Der eine Geist, die eine Vernunft des Menschen ist wegen der engen Verbundenheit („Schöpfung“) mit dem Ewigen, dem Göttlichen also heilig!

15.
Durch diese Erkenntnis werden bestimmte uralte, aber immer umstrittene Dogmen in Frage gestellt. Darum ist diese hier skizzierte freisinnige theologische Erkenntnis für die dogmatisch verfassten Kirchensysteme erschütternd. Das Dogma der Erbsünde, das der Kirche von Augustinus (gestorben 430) gegen vernünftigen theologischen Widerstand aufgezwungen wurde, kann endlich beiseite gelegt werden. Fällt aber das Dogma der Erbsünde, fällt auch eine bestimmte kirchlich-dogmatische Vorstellung von „Erlösung“. Unvorstellbar wird dann das mittelalterliche Dogma, dass Jesu von Gott als dem Vater in den Tod geschickt, hingeschlachtet wird, um die Erbsünde bei den Menschen auszulöschen. Und das soll „Erlösung“ sein, diese Idee lebt leider bis heute in vielen kirchlichen Weihnachtsliedern oder Karfreitagsliedern weiter, gesungen von Leuten, die oft gar nicht verstehen, was sie da alles so singen…

16.
Jesus von Nazareth wird im neuen vernünftigen Denken zu einer Orientierung, zu einem Offenbarer, seine zentrale Lehre: Alle Menschen sind „Gottes Kinder“ – haben also den einen Geist in sich, er ist vom Ursprung her der heilige, göttliche und ewige Geist. Und die Menschen brauchen deswegen den Tod als das definitive Ende nicht zu fürchten.

17.
Und vor allem: Wenn alle Menschen „Gottes Kinder“ sind, wie das Bild richtig ausdrückt, dann ist jeder Mensch von absolutem Wert, dann sind alle Menschen untereinander Bruder und Schwestern. Daraus ergeben sich weitreichende politische Konsequenzen: Nämlich die Gültigkeit der Menschenrechte für alle, auch für die vom Kapitalismus arm Gemachten, die Hungernden, die Gefolterten, die Leute in den Lagern der Diktaturen usw.

18.
Pfingsten ist also auch ein politisches Fest, das Fest der absoluten Gleichberechtigung aller Menschen. Ein Fest mit einer Forderung also, ein Fest der Menschenrechte. Pfingsten hat also wenig zu tun mit dem Trallala des Alleluja – Enthusiasten, die sich “Charismatiker” nennen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Gott im Ukraine-Krieg. “Wenn es Gott gäbe, hätte er die Tragödie, die die Ukrainer erleben, nicht zugelassen“.

Religionsphilosophische Überlegungen zu einer Aussage von Oksana Ivanets, Oberstleutnant der Ukrainischen Armee. Publiziert im „Tagesspiegel“ am 8. Mai 2023, S. 10.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 9. Mai 2023. Die 13. der “unerhörten Fragen”.

1.
Jede und jeder kann seinen Glauben frei aussagen. Das ist selbstverständlich. Aber jedes individuelle Glaubensbekenntnis, bezogen auf eine göttliche Wirklichkeit, auf Gott, kann und sollte philosophisch befragt werden. Gedankliche Klarheit kann das Leben nicht nur erleichtern, sondern helfen, es neu und besser zu gestalten.

2.
Die totale Verzweiflung Okasana Ivanets ist verständlich: Die Region um die bedeutende ukrainische Stadt Charkiw wurde von den russischen Truppen aufs übelste fast völlig zerstört, selbst Krankenhäuser mit ihren PatienTinnen wurden vernichtet. Menschliches Leben ist in den Ruinen nicht möglich. Die Felder sind von russischen Minen übersät, die Aufräumarbeiten werden viele Jahre dauern. Es ist schwer für die Menschen (nicht nur dort), überhaupt noch Hoffnung zu bewahren. Und dann wird von den oft noch frommen UkrainerInnen die Frage gestellt: Warum hat Gott dieses Grauen, dieses sinnlose Töten der russischen Mörder, nicht verhindert? Oksana Ivanets hat offenbar den Glauben an einen allmächtigen, treu sorgenden Gott verloren.

3.
Wer Gott als einen allmächtigen, immer wieder aktuell Wunder wirkenden und ins Weltgeschehen eingreifenden Gott versteht, wie offenbar Oksana Ivanets, kann an diesem Gott verzweifeln. Und wird damit neue Antworten suchen zu der nicht abzuweisenden Frage: Was ist der Sinn dieses Grauens, dieses Mordens, dieses Krieges. Eindeutige, sozusagen mathematisch unbedingt beweisbare Antworten kann es zu diesem philosophischen Thema nicht geben.

4.
Es kann aber gefragt werden: Wie sinnvoll ist es, eine göttliche Wirklichkeit, einen Gott, für das Kriegsgeschehen verantwortlich zu machen. Die grundlegende ERKENNTNIS ist: Ein solches Denken lenkt ab von der Verantwortlichkeit der Menschen, der Politiker vor allem, für diesen Krieg … wie für alle Kriege, die jemals von verblendeten Menschen in ideologischem Wahn geführt wurden. Und genauso wichtig: Wer Gott als Täter – parteiisch – im Krieg will, folgt einem, mit Verlaub gesagt, naiven Gottesbild. Es wurde von den Kirchen und ihren alten Dogmen zwar mit dem Inhalt vermittelt: „Gott handelt”. Aber es wurde nicht gesagt: Gott handelt nur durch die freie Entscheidung der eigentlich vernünftigen Menschen,

5.
Lassen wir also Gott in dieser konkreten politischen Frage beiseite. Fragen wir nach den Menschen, vor allem den Politikern, den Machthabern, in diesem brutalen Geschehen. Denn sie sind, die Kriege planen, Kriege ausführen, Männer als Soldaten, als Kanonenfutter, in die Schlacht schicken, sie sind es, die vom Schreibtisch aus mit Bomben humanes Lebens auslöschen.
Es sind also konkrete Menschen mit konkreten Namen, so genannte Politiker, die dieses Grauen ausrichten. Die politischen Täter (Verbrecher) wurden aber zugelassen in ihrem Tun von Politikern der benachbarten oder ferneren Staaten. Diese haben aus Mangel an kritischer Kraft, aus Bequemlichkeit, aus ökonomischen Interessen die sich aufbauenden Mörder-Politiker (etwa in Russland) zugelassen.

6.
Es ist also menschliche Dummheit, politische Nachlässigkeit, ökonomische Gier, die auch unter demokratischen Politikern den langsamen Aufbau politischer Gewalttäter wie in Russland zugelassen haben.

7.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, gegen die Freiheit, gegen die Demokratien und Menschenrechte ist also eindeutig Schuld der Menschen. Und Schuld der Politiker, die von diesen Menschen, selbst oft unkritisch, gedankenlos, egoistisch, nationalistisch, gewählt wurden. Diese Leute und die von ihnen gewählten Politiker sind nicht der besseren Einsicht gefolgt, haben im Falle Putins nicht rechtzeitig STOP gesagt und gewaltfreie Aktionen und Sanktionen gegen ihn eingeleitet. Dass eine Gestalt wie Putin und sein System so übermächtig gewaltsam werden konnten, verweist auch auf das völlig unterentwickelte demokratische Bewusstsein in Russland. Die orthodoxe Kirche wurde seit 1990 nie eine Kraft, die die Verteidigung der Menschenrechte genau wichtig fand ihre Weihrauch umwölkten stundenlangen Liturgien in altrussischer Sprache. Dieser Kirche war und ist Dogmatismus und Nationalismus wichtiger als die Ausbildung des Volkes in den Menschenrechten. Und diese russisch-orthodoxe Kirche ist seit 1961 Mitglied im „Ökumenischen Weltrat der Kirchen“ in Genf: Aber diese Theologen aus aller Welt dort ist es offenbar nicht gelungen, diesen russischen Patriarchen und Popen die Verteidigung der Demokratie und der Menschenrechte als obersten Auftrag einer jeden sich christlich nennenden Kirche einzuschärfen. Stattdessen hat man sich in Genf theologisch hübsch ausgetauscht, und statt auch von Russland bzw. damals der Sowjetunion kritisch zu sprechen, hat man im Ökumenischen Weltkirchenrat eher von Südafrika geredet, was ja richtig war, aber eben einseitig. Die Nachlässigkeit im Umgang mit den russischen Patriarchen sieht man jetzt. Und Papst Franziskus sieht sich so stark, dass er unbedingt Patriarch Kyrill I. In Moskau treffen und „bekehren“ will. Eine Aktion, leider verspätet. Zu vieles wird versäumt…

8.
Damit sollte klar sein: Gott ist nicht schuldig am Morden und Grauen im Krieg Russlands gegen die Ukraine und die Demokratien. Was hätte Gott denn vom Himmel aus Tun sollen? Mit einem göttlichen Blitz etwas den Kreml auslöschen oder den Patriarchen zum Christentum führen sollen oder was? Wenn man schon von Gott redet, sollte man wissen: Das Göttliche hat als Schöpfer der Welt (als einem evolutiven Geschehen !) den Menschen Geist und Verstand gegeben, also die einzigartige Möglichkeit, in reflektierter Freiheit das Leben, auch die Politik, zu gestalten. Diese Freiheit vollzieht sich immer in einer inneren, geistigen Reflexion, die man klassisch Gewissen nennt. Kriege sind Ausdruck dafür, dass Menschen, dass Politiker, nicht auf ihr Gewissen achten, also nicht auf die Stimme der allen Menschen gemeinsamen humanen Vernunft hören.
Nebenbei: Was wäre wenn die aktuellen Gebetswünsche der Russen „Gott hilf, dass wir die Ukraine auslöschen“, von Gott erfüllt würden? Wie parteilich darf Gott eigentlich sein, in diesem naiven Gottesbild?

9.
Kriege sind also Menschensache, und damit eigentlich zu verhindern, wenn denn Menschen auf ihre Vernunft achten, auf Ihr Gewissen, und achtsam reagieren, wenn sich in dieser Welt Gewaltherrscher etablieren. Aber viele Menschen in den Demokratien sind ja froh über diese Fehlentwicklungen, dann können sie den Gewaltherrschern und ihren Regimen Waffen verkaufen… Und Politiker können ihre nationalistischen Ambitionen ausleben. Alles das ist unvernünftiges, inhumanes Tun. Es hat aber mit Gott nichts zu tun. Es sei denn, man klagt ihn als „Schöpfer“ dieser Welt an, den Menschen überhaupt die Freiheit gegeben zu haben. Hätte der Mensch aber keine Freiheit, wäre er kein Mensch, sondern ein den eigenen Trieben folgendes Tier. Aber diese Tiere – ohne Freiheit – gehen ja mit anderen Tieren auch nicht immer freundlich um. Fressen und Gefressenwerden ist das Motto. Die Menschen aber sind eigentlich zu anderem fähig. Aufgrund ihrer Vernunft, ihres Gewissens. Aber beides „lieben“ die Menschen immer besonders, wenn Vernunft und Gewissen schlafen, stillgestellt sind…Und der Egoismus sich durchsetzen kann…

10.
Solange Friedenserziehung für Kinder und für Erwachsene in allen Ländern nicht Pflichtfach über mehrere Jahre ist, wird es immer wieder Kriege geben. Dies ist eine optimistische, vielleicht auch utopische Erkenntnis. Aber sie ist viel mehr wert als einen Gott fürs Kriegsgeschehen verantwortlich zu machen.

11.
Ist aber der Krieg einmal Realität, wie jetzt in der Ukraine, kann das stille und schreiende Gebet des leidenden einzelnen eine Hinwendung zu einer göttlichen Wirklichkeit sein, als Suche nach einem letzten spirituellen Halt, einem letzten Sinn „trotz allem“. Gebet ist also als eine poetische Form der seelischen Beruhigung und damit der reflektierten Akzeptanz des Geheimnisses menschlicher Freiheit. Was bleibt, wenn wir die Idee einer vernünftigen humane Weltordnung aus Resignation aufgeben?

12.
Befreien wir uns also davon, Kriegsgeschehen und Gott in Verbindung zu bringen. Aber die Frommen und die Weniger Frommen neigen immer wieder dazu. Jetzt wird etwa Gott in die furchtbare Trockenheit in Italien, Spanien, Frankreich einbezogen. Er, Gott als Wettergott ???, soll Regen schicken. Ein naiver Wunsch: Und ein Wahn. Es ist doch der fehlende Respekt der Menschen vor der Natur und vor allem vor dem Klima, der zu dieser gefährlichen Trockenheit führt. Anstelle von Regen-Bitt-Prozessionen sollte politische und ökologische Aufklärung in den Kirchen geschehen: Wie viel Wasser wird seit Jahren – durch schlechte Leitungen – vergeudet in den Obst-Plantagen im Süden Spaniens usw… Dies ist ein anderes, aber ähnliches Thema, das, nebenbei gesagt, zeigt, wie dringend kritische religionsphilosophische Überlegungen bleiben. Aber die Predigten der Pfarrer preisen nach wie vor einen Kriegsgott oder einen Wetter-Regen-Gott. Manchmal ist es zum Verzweigfeln mit der Unwissenheit und Dummheit des Klerus…

13.

Hat dann Gott/das Göttliche nichts mehr mit der Welt und den Menschen, den Ereignissen in der Welt etc.zu tun? In einer kritischen Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie ist die Antwort klar: Gott/das Göttliche wirkt als solcher/solches nicht unmittelbar als solcher. Da Gott/das Göttliche aber als “Schöpfer” der Evolution und des Menschen (und des menschlichen Geistes) gedacht werden kann, wirkt Gott/das Göttliche durch den von ihm geschaffenen GEIST, der Vernunft, der Empathie IM Menschen auch in der Welt etc.

 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Bischof Jacques Gaillot: Abschied und Trauer

Gedenken auf der Place de la Bastille, in der Kirche St. Médard … und eine Bestattung auf dem Pariser Armenfriedhof!

Von Christian Modehn

Der Abschied von Jacques Gaillot, der von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1995 als Bischof von Evreux abgesetzt und „in die Wüste“ geschickt wurde, war für viele Menschen, seine FreundInnen, sehr bewegend. Nie zuvor hatten so ungewöhnlich unterschiedliche Menschen von einem Bischof Abschied genommen.
Am Mittwoch, dem 12. April 2023, ist Jacques Gaillot in einer Pariser Klinik gestorben. Weitere Informationen zu Jacques Gaillot LINK

Bischof Jacques Gaillot lebte viele Jahre bis zu seinem Tod im Haus der Ordensgemeinschaft der “Spiritaner” (“Väter vom heiligen Geist”) in der Rue Lhomond in Paris 5. Arr. Die dortigen Priester haben einen bewegenden Nachruf auf ihren Mitbewohner Gaillot verfasst, siehe  unten.

1. Jacques Gaillot – ein außergewöhnlicher Bischof der Moderne.

Bischof Jacques Gaillot, 2007, © René Peetermans, Wikipedia,
Bischof Jacques Gaillot, 2007, © René Peetermans, Wikipedia,

Die französische Presse hat an die Persönlichkeit dieses einmaligen katholischen Bischofs erinnert. Seine Qualitäten als Reformer der katholischen Kirche wurden dabei erwähnt. In der deutschen offiziellen Kirchen-Presse wurde er vor allem als „Helfer der Ausgeschlossenen“ gewürdigt, das war er sicher auch. Aber er war als Theologe ein mutiger Reformer der Kirche, er praktizierte die von ihm vorgeschlagenen Reformen selbst, wie schon 1988 die Segnung homosexueller Paare oder die Segnung wiederverheiratet Geschiedener oder die gelegentliche Abendmahls-Gemeinschaft mit Lutheranern, sehr früh schon forderte er als Bischof, Frauen zu PriesterInnen zu weihen. Als kein katholischer Bischof mehr mit dem ausgegrenzten Theologen und Psychotherapeuten Eugen Drewermann sprechen wollte, stellte sich Bischof gern dem Dialog mit ihm. Dass Gaillot ein ungewöhnliches Charisma hatte, auch der Präsenz im Fernsehen, ist wohl bekannt. Auf dieser website (LINK) wurde immer wieder auf die theologischen Reformen Gaillots hingewiesen. Über sein Engagement informiert bis heute die website www.partenia.org, LINK , die von Katharina Haller inspiriert und gestaltet wurde.

2.  Gedenken an der Place de la Bastille!

Gedenkfaier für Bischof Jacques Gaillot am 15. April 2023, Place de la Bastille, © Fred Accrorsi
Gedenkfeier für Bischof Jacques Gaillot am 15. April 2023, Place de la Bastille, Paris. © Fred Accrorsi

Die erste öffentliche Trauerfeier fand in Paris statt. Am Samstagnachmittag, dem 15. April 2023, fand eine Gedenkfeier und „Demonstration“ statt, sehr bewusst auf der Place de la Bastille, jenem berühmten Ort, an dem die Französische Revolution ihren „offiziellen Anfang“ nahm. Es sind also die Armen und Ausgeschlossenen, die Obdachlosen und Flüchtlinge, die als erste ein öffentliches Gedenken an Jacques Gaillot feiern!
Die Initiative zum „Gaillot-Gedenken“ ging von der französischen sozialen Bewegung „Droits devant“ aus. In ihrer Einladung zur Teilnahme am 15.4.2023 heißt es: „Jacques war für uns seit 30 Jahren die unerschütterliche, zuverlässige Unterstützung im Kampf der Menschen ohne Ausweise (ohne Papiere), der Flüchtlinge, der Wohnungslosen, er war auch der ständige Unterstützer des palästinensischen Volkes, auch unseres Kameraden Georges Ibrahim Abdallah…Ohne Fehl war auch sein Einsatz für die Geltung der Menschenrechte für alle und sein Einsatz gegen Formen des Ausschlusses aus der Gesellschaft…Die Erinnerung an Jacques, an seinen Humanismus, seine Brüderlichkeit, bleibt für immer fest verankert in unseren Herzen“.
Die Bewegung „Droits devant“ wurde von Bischof Gaillot zusammen mit Prof. Albert Jacquard und Prof. Leon Schwartzenberg und dem Autor Jacques Higelin begründet und inspiriert. Sie waren keine Katholiken, eher Skeptiker und Atheisten, aber unter ihnen fühlte sich Bischof Gaillot wohl.

Gedenkfaier für Bischof Jacques Gaillot am 15. April 2023, Place de la Bastille, © Fred Accrorsi
Gedenkfeier für Bischof Jacques Gaillot am 15. April 2023, Place de la Bastille, Paris. © Fred Accrorsi

Die Einladung zur Gedenkfeier an Jacques Gaillot auf der Place de la Bastille endet mit den Worten Senecas: `Leben bedeutet nicht: Warten, dass der Sturm vorüber geht; leben bedeutet vielmehr lernen, im Regen zu tanzen`. So war Jacques und so wird er für uns bleiben.“

2. Der Pariser Erzbischof zelebriert eine Messe
Die offizielle katholische Kirche (also die Bischöfe) hat sich von ihrem eigentlich ungeliebten Bischof Gaillot zunächst mit einer Messe in der Pariser Kirche St. Médard am 19.4. um 14.30 Uhr verabschiedet, der Gottesdienst wurde vom Pariser Erzbischof Laurent Ulrich geleitet. Ein Requiem wurde auch in Gaillots einstiger Kathedrale in Evreux (Normandie) gefeiert, am 21. April, unter Leitung des dortigen Bischofs Christian Nourrichard.

Man beachte: Ein winziger Wandel des Respekts für Bischof Gaillot zeigt sich also in der Teilnahme “offizieller” Bischöfe im Totengedenken. Als Jacques Gaillot von 1995 an in Paris lebte, suchte der arrogante, sehr konservative, sich allmächtig fühlende Kardinal Jean-Marie Lustiger von Paris (Intimus von Papst Johannes Paul II.) keinen Kontakt mit dem Bischof von Partenia, Jacques Gaillot. Sie wohnten nur wenige Straßen entfernt. Bischof Gaillot wurde zudem von der Bischofskonferenz ignoriert, er war ein Ausgeschlossener…Der Prozess der Absetzung als Bischof von Evreux 1995 im Vatikan war schon nach vatikanischen “Rechtsvorstellungen” ein Skandal.

Eine offizielle Rehabilitierung Bischof Gaillots durch den Vatikan, den Papst, die Bischöfe, fand NICHT statt, selbst wenn das manche JournalistInnen immer noch aus Unkenntnis behaupten. Es gab mit Papst Franziskus im Vatikan nur einen freundlichen Austausch mit Bischof Gaillot, mehr nicht!    Aber Jacques Gaillot blieb trotzdem mit der römischen Kirche im allgemeinen verbunden…(Siehe Fußnote 1 unten)

In Paris, St. Médard,  hielt die Predigt nicht der Erzbischof, sondern ein Pater des Klosters, in dem Jacques Gaillot viele Jahre in einem Zimmer lebte, es war Pater Franz Lichté aus dem Orden der „Väter vom heiligen Geist“ („Spiritaner“). Sein Thema war die biblische Erzählung vom „barmherzigen Samariter“. Die katholische Wochenzeitung in Paris „La Vie“ beschreibt die Messe dort als schlichte, einfache, ergreifende, aber durchaus „familiäre“ Feier. Leider war es für die Pariser schwierig, überhaupt von diesem „offiziellen katholischen Abschied“ zu erfahren. LINK.

Am 19. 4. wurde auch in Gaillots Heimatstadt St.Dizier (bei Langres) eine Gedenkmesse gefeiert.

3. Eine letzte Tat der Freiheit: Die anonyme Bestattung Bischof Gaillots
Die Bestattung ist ungewöhnlich und sicher bisher einmalig für einen katholischen Bischof, aber durchaus typisch für die Spiritualität von Jacques Gaillot: Er will auch als Verstorbener frei bleiben, ungewöhnliche, aber eigene Entscheidungen treffen und über seinen toten Körper noch frei verfügen.

Bischof Jacques Gaillot hat verfügt, dass sein toter Körper dem „Institut der Anatomie“ in Paris zur Forschung übergeben werden soll. Das hatte Bischof Gaillot schon in einem Fernsehinterview angekündigt. Die Reste seines Körpers sollen, in Asche verwandelt, anonym auf dem “Friedhof der Armen” in Paris verstreut werden.

4. Hommage à Jacques Gaillot am 4.Juni 2023

Am Sonntag, dem 4. Juni 2023 um 15 Uhr findet auf dem Platz Saint Germain des Prés in Paris (6. Arr.) eine öffentliche Ehrung Jacques Gailotts statt.  Der Titel der Veranstaltung “Eveque militant, Eveque des `Sans`” (Ein militanter Bischof, ein Bischof der Menschen OHNE…Wohnung, Passport, Rechte usw.) Eingeladen dazu haben viele Organisationen, wie die linke katholische Wochenzeitung aus der Résistance “Témoignage Chrétien”, Droits devant, Droit au logement und so weiter…Nach seiner Absetzung als Bischof von Evreux nannte sich Jacques Gaillot sehr treffend “ein Bischof ohne festen Wohnsitz”, sans domicile fixe, “SDF” war und ist die übliche Abkürzung für Obdachlose. Bischof Gaillot fand zunächst Unterkunft in einem besetzten Haus in der Rue du Dragon, ganz in der Nähe von St. Germain des Prés…

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon Berlin.

FUSSNOTE 1 zur Frage der offiziellen Rehabilitierung Bischof Gaillots durch den Vatikan, den Papst.

L’évêque contestataire d’Evreux reçu par le pape François 2015.
QUELLRE:
Ouest-France Modifié le 01/09/2015 à 19h48 Publié le 01/09/2015 à 00h00

Zeitung Ouest-France
Jacques Gaillot a été reçu mardi pendant trois quarts d’heure dans une atmosphère détendue par le pape François.

Mgr Gaillot a ainsi pu défendre la cause des divorcés, des homosexuels, mais aussi des immigrés.

L’évêque sanctionné en 1995 par Jean Paul II en raison de ses positions non orthodoxes, a raconté cet entretien, le premier qu’il a eu avec un pape depuis 1995 :

« Ce peuple attend beaucoup de vous »
!!!!!!« Je ne viens rien vous demander, ai-je dit au pape, mais tout un peuple de pauvres est content que vous me receviez, et se sent ainsi reconnu. Je lui ai parlé (…) de malades, des divorcés, des homosexuels. Ce peuple attend beaucoup de vous ».

Mgr Gaillot, 79 ans, en costume noir mais sans croix, a dit avoir été « déstabilisé » par l’accueil informel de François au Vatican : « J’étais dans un parloir de la Maison Sainte-Marthe (où réside le pape) et une porte s’ouvre : c’est le pape qui rentre, simplement. La réunion s’est passée de manière familiale, sans protocole. C’est vraiment un homme libre. À un moment il s’est levé et a dit : vous avez un photographe ? Comme il n’y en avait pas, nous avons pris (une photo) avec un (téléphone) portable ».

Relatant l’humour « sous-jacent » de François, Mgr Gaillot a raconté : « le pape m’a dit avec un sourire : je m’adresse à l’évêque de Partenia ».

« Continuez, ce que vous faites est bien »
En effet, le prélat français avait été relevé de ses fonctions à Evreux (centre de la France) et nommé évêque « in partibus » de Partenia en Afrique du Nord, un évêché n’existant plus, une manière de le sanctionner.

Dans le cours de la conversation, Mgr Gaillot lui a raconté comment il avait béni récemment « un couple de divorcés » et comment il lui arrivait « aussi de bénir un couple d’homosexuels ».

« Je suis en civil et je bénis. Ce n’est pas un mariage, c’est une bénédiction. On a le droit de donner la bénédiction de Dieu, on bénit bien des maisons ! Le pape a écouté, il est ouvert à tout cela. À ce moment il a rappelé que bénir, c’est dire du bien de Dieu à des gens », a précisé le prélat français.
Mgr Gaillot a rappelé qu’il était « exclu depuis vingt ans » et lui a fait valoir « que c’est un bon passeport que l’Église m’a donné. Il a ri ».
Alors que l’évêque expliquait qu’il « n’était plus invité par la conférence épiscopale », le pape n’a pas fait de commentaire. Il a simplement dit : « continuez, ce que vous faites (pour les exclus) est bien ».

« Je veux privilégier les petits pays en difficulté »
Cet entretien a eu lieu à la demande du pape François qui avait laissé pendant l’été deux messages sur le répondeur de l’évêque avant de lui écrire pour l’inviter au Vatican.
Mgr Gaillot s’était attiré il y a vingt ans les foudres du Vatican et de l’épiscopat français pour ses prises de position très médiatiques en faveur notamment des homosexuels et de l’ordination d’hommes mariés.
Pour l’entretien Mgr Gaillot était accompagné du curé de la paroisse Saint-Merri dans le quartier du Marais à Paris, Daniel Duigou.
Et le pape s’est félicité que le cardinal-archevêque de Paris, Mgr André Vingt-Trois, ait demandé à cette paroisse de se consacrer aux migrants, qui sont, a-t-il dit, « la chair de l’Église ».
« Quand nous lui avons demandé s’il viendrait en France, il a dit : vous savez, je veux privilégier les petits pays en difficulté, par exemple le Kosovo… », a encore raconté Mgr. Gaillot.
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Tageszeitung Le Monde:
 Le pape François reçoit en « frère » Mgr Gaillot
L’évêque français Jacques Gaillot, déchargé de ses fonctions en 1995 en raison de ses positions peu orthodoxes, a été reçu en privé au Vatican.

Par Cécile Chambraud
Publié le 02 septembre 2015 à 18h48, modifié le 02 septembre 2015 à 17h21
Le pape les a rejoints avec vingt-cinq minutes d’avance sur l’horaire prévu. C’est dans la Maison Sainte-Marthe, au Vatican, que François a reçu en privé, mardi 1er septembre, l’évêque français Jacques Gaillot, déchargé en 1995 de ses fonctions dans le diocèse d’Evreux (Eure) en raison de ses positions peu orthodoxes en faveur de l’ordination des hommes mariés, de la reconnaissance des homosexuels et du droit au blasphème, mais aussi contre les essais nucléaires.

L’entretien a eu lieu en français. « Nous sommes frères », a lancé Jorge Mario Bergoglio à l’évêque, qui était accompagné de Daniel Duigou, le curé de l’église Saint-Merry, à Paris. Le pontife argentin a fait mine d’être surpris d’apprendre que cela faisait vingt ans déjà que son interlocuteur épiscopal était officiellement évêque in partibus de Partenia, un diocèse d’Afrique du nord qui depuis des siècles n’a d’existence que de nom. « Cela fait vingt ans que je suis exclu », lui a répondu celui-ci. Peu après avoir été relevé de ses fonctions, en 1995, Mgr Gaillot avait été reçu par Jean Paul II. Dans un communiqué, le pape polonais avait rappelé « fraternellement à Mgr Gaillot qu’un évêque doit être un témoin fidèle de l’Eglise (…) et des orientations pastorales qu’elle donne ». « C’est la première fois que je rencontre un pape plus jeune que moi », a observé drôlement l’évêque de Partenia, âgé de 79 ans.

« On bénit bien des maisons, pourquoi pas des personnes ? »
« Je reste sous le charme de cette rencontre. Il nous a parlé familièrement. Il était à l’écoute. C’est un homme qui ne juge pas, qui n’essaie pas de recadrer », témoigne encore Mgr Gaillot, qui a dit à François qu’il était « un cadeau de Dieu pour le monde ». Il a été beaucoup question du prochain synode des évêques qui, en octobre, à Rome, débattra de sujets concernant la famille.
A Daniel Duigou, le pape a demandé ce qu’il répondait aux divorcés remariés qui souhaitent que l’Eglise trouve une manière de prendre en compte leur nouvelle union. « On les bénit, on les écoute », a répondu le curé parisien. Mgr Gaillot a ajouté qu’il lui arrivait de bénir des couples de même sexe : « On bénit bien des maisons, pourquoi pas des personnes ? ». Le prélat français a insisté sur les attentes de nombreux hommes et de femmes avant ce synode.
Il a aussi été question des migrants, que la paroisse Saint-Merry du père Duigou s’efforce d’accueillir. « Le pape nous a dit : les migrants sont la chair de l’Eglise », rapporte Daniel Duigou. « Il a dit : “Le Christ frappe à la porte de l’Eglise, non pas parce qu’il voudrait y rentrer, mais pour en sortir vers le monde. Il ne faut pas enfermer celui qui nous a libérés », ajoute Mgr Gaillot.
Cécile Chambraud

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Das Kloster der “Spiritaner”, der “Väter vom heiligen Geist”, einer kath. Ordensgemeinschaft, erinnert sich an Jacques Gaiilot:

A l’annonce de sa mort, l’émotion est grande chez les spiritains. Ses 24 années vécues en communauté à la maison-mère à Paris ont marqué les esprits et les coeurs. Plusieurs ont tenu à lui adresser un hommage fraternel.
“C’était un homme d’une densité incroyable. Ce qui retenait l’attention, immédiatement, c’était ce regard clair et transperçant, qui rejoignait la vérité de l’interlocuteur. Je me souviens surtout de cette retraite lors de la première année de responsable à Clamart, qu’il avait accepté de prêcher “exceptionnellement” disait-il… Une retraite ” Peuplée ” de toutes les rencontres et de toutes les expériences de vie qu’il résumait en un trait cinglant et dense. Tout comme ses courtes et richissimes homélies lors des messes du matin à la Maison Mère. Bon voyage Jacques !” Marc
“Que de beaux messages que je découvre avec cette nouvelle de l’entrée  de notre Grand Jacques dans la Vie en plénitude. Unanimité de nos mercis pour les fruits abondants que l’Esprit a fait jaillir en la vie de Jacques. Frère et confrère, grand priant relié inlassablement à la Source de vie pour devenir lui-même oreille attentive et cœur plein de tendresse. Frère vivant parmi nous “l’union pratique”, dans la proximité et une belle humilité. Un peu avant Laudato Si, pour Jacques, tout est lié et doit donc être relié, respecté et aimé. Quel long combat pour la justice et la paix en sillonnant le monde, en suscitant des liens et des amitiés profondes. Combat contre tout ce qui avilit l’humain et tout ce qui detruit la création.  Merci à tous nos frères qui ont pu être auprès de Jacques ces derniers jours et l’ont accompagné vers la Lumière, vers notre Grand Frère ressuscité, vers notre Père… Dans la tempête, Maître et Seigneur… vers d’autres rives tu nous conduis (et conduis Jacques) au souffle de l’Esprit.” Vincent

“À Dieu, Jacques, ce matin, j’apprenais que tu avais été hospitalisé pour un cancer et cet après-midi que tu es parti pour la maison du Père… Merci pour ta discrète présence toujours amicale et joyeuse lors de mes passages rue Lhomond, merci pour ta vie donnée et ton cœur simple et généreux et ton ministère de la solidarité envers les délaissés !” Jean Michel 
“Très cher Jacques, Tu a intitulé ton livre des entretiens avec Jean-Claude Raspiengeas “Je prends la liberté…” L’on voit bien que ce mot te tenait à coeur, j’allais dire faisait vibrer ton coeur. Liberté que tu désirais profondément non pas seulement pour toi-même, mais aussi et surtout pour tout être humain sur qui ton regard se posait. Tu étais du côté de l’homme, luttant avec lui de toutes tes forces pour la vie et donc la liberté. Vie et liberté étant pour toi une seule et même chose. En prenant la liberté (la vie) tu voulais la donner à toutes les personnes que tu rencontrais dans la rue (les migrants), dans les hôpitaux (les malades), dans les prisons (les prisonniers), qui manquaient dans une certaine mesure de liberté. Aujourd’hui, en la résurrection du Christ, Dieu t’offre en plénitude la liberté (la vie), non sans arracher de notre affection ton visage radieux que nous ne pourrons plus revoir, la douceur chaleureuse de ton âme que nous ne pourrons plus étreindre. “Ah ! Si Dieu était Dieu, bon et puissant, nous obligerait-il à cette peine des adieux ?” À Lui la Résurrection et la Vie : librement il s’est rendu solidaires de tous les enfers de nos vies. Qu’il t’en arrache aujourd’hui pour toujours. Avec toute mon affection et ma prière,” Jean Baptiste 
“Simple, humble, prêt à écouter, disponible.  Tu aimais que nous t’appelions Jacques au lieu de Monseigneur car tu voulais vivre et encourager les valeurs que tu portais. Que le Seigneur t’accueille dans sa demeure à la place qu’il a prévu pour toi.” Habib
“On n’a pas de mots assez denses pour parler de lui ! Il disait ce qu’il vivait et vivait ce qu’il disait ! C’était un frère dans tous les sens du terme…”Evarist
  • Jacques GAILLOT naît le 11 septembre 1935 à Saint-Dizier (Haute-Marne – 52), fils de négociants en vins, licencié en théologie et diplômé de l’institut de liturgie, est ordonné prêtre en mars 1961, après avoir été mobilisé 28 mois en Algérie.
  • De 1965 à 1972, il enseigne au grand séminaire régional de Reims.
  • Puis, de 1973 à 1977, il dirige l’IFEC (Institut de Formation des Éducateurs du Clergé, sous la responsabilité des évêques de France), tout en assurant un service pastoral à la paroisse Saint-Dizier de Langres. Il devient ensuite vicaire général, puis administrateur, du diocèse de Langres (52).
  • En 1982, il est nommé évêque d’Évreux, responsabilité qu’il va assurer jusqu’en 1995. Ses prises de position progressistes vont lui valoir une image d’évêque marginal, en conflit de plus en plus ouvert avec les positions morales de l’Église. Il est révoqué de sa charge à Evreux et nommé évêque de Partenia, évêché sans fidèles.
  • C’est dans notre communauté de la maison mère rue Lhomond, à Paris, que Jacques GAILLOT vient résider à partir de 1998. Il y demeurera jusqu’à l’été 2022 : le 6 juillet, il se retire à la Maison Marie-Thérèse (Paris 14 e ) qui accueille des prêtres âgés de la région parisienne.

Durant les vingt-quatre années de son séjour parmi nous, Jacques GAILLOT a gardé ses engagements propres, par exemple ses activités dans le cadre de l’association Droits Devant (en faveur des personnes sans papiers) et ses visites de détenus. Il a aussi participé fidèlement et très simplement à la vie et aux divers services de la communauté : repas, prière, service de la table, permanence à la porterie, visite des confrères hospitalisés, présidence de célébrations… À de nombreuses reprises, il a accepté d’animer récollections et retraites dans les communautés de la Province, d’intervenir lors de diverses rencontres. Grâce à ses relations multiples, il a contribué à mettre notre communauté de la Maison Mère en lien avec des personnes en difficulté ; si bien qu’à travers lui certaines de ces personnes ont pu être accueillies pour quelque temps dans notre maison. Sa présence parmi nous, à la fois fraternelle et stimulante, était unanimement appréciée.

La célébration de ses obsèques aura lieu le mercredi 19 avril à à 14h30 à Saint Médard, Paris 5e