Papst Franziskus als Mann mit festen Prinzipien!?

Der “prinzipielle” Hintergrund von Papst Franziskus bzw. Kardinal Bergoglio!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 5.2.2025.

Immer wieder wird die Frage gestellt: Was bleibt vom zweiofellos außergewöhnlichen Pontifikat des Papstes Franziskus. Ein weites Feld voller Widersprüche unterschiedlicher Beobachter wird damit eröffnet. Die “Stimmen der Zeit”, die deutsche Zeitschrift des Jesuitenordens, hat einen Vorschlag gemacht, das Wesentliche von Jorge Bergoglio/Papst Franziskus zu sehen. Wir haben andere Aspekte vorgestellt LINK.     Zur so genannten “Autobiografie” von Papst Franziskus, erschienen im Januar 2025 LINK

1.
Papst Franziskus orientiert sich in seinen Entscheidungen – wie auch schon in Argentinien als Oberer der Jesuiten und dann als Erzbischof von Buenos Aires – an einigen abstrakten Prinzipien, sie nennt der Jesuit und Theologieprofessor em. Michael Sievernich „Binome“.

Papst Franziskus hat also seine Prinzipien: Das mag für viele etwas Neues sein, glaubte man doch bisher, der Papst würde eher pastoralen „Launen“ folgen: In der Jesuitenzeitschrift „Stimmen der Zeit”, Ausgabe Februar 2025, will Pater Sievernich unter dem Titel „Die vier Prinzipien des Papst (sic) Franziskus“ zeigen, wie diese Prinzipien einen Zugang bieten zum Verständnis des Denkens und Handels des Papstes (bzw. einstigen Erzbischofs). Der Beitrag wurde anläßlich der Veröffentlichung der so genannten Autobiografie des Papstes mit dem Titel „Hoffe“ publiziert.

2.
Diese wahrscheinlich philosophisch zu nennenden Prinzipen sind für Papst Franziskus universell gültig, betont P. Sievernich. Er nennt einige Beispiele: Die Zeit sei für Bergoglio/Franziskus wichtiger als der Raum. Beim Begriff Zeit denkt Franziskus wohl besonders an die offene, zu gestaltende Zukunft. Raum hat für ihn, so darf man interpretieren, offenbar etwas Stagnierendes. Aber: Raum ist doch immer doch auch Lebensraum, die Welt, die Natur, Heimat, das Volk usw…

3.
Philosophisch problematisch ist eine weitere Bevorzugung des Papstes hinsichtlich der Binome, seiner Prinzipien: Er behauptet: „Die Realität ist mehr wert als die Idee.“ Klingt zunächst symathisch, ist aber näher betrachtet problematisch: Denn Realität als solche, sozusagen absolut objektiv, gibt es nicht, Realität gibt es nur als das sprachlich von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich Erkannte, und damit nähert sich eine solche Realität stark der vom Papst zurückgesetzten Idee an… Naheliegend muss man fragen: Wer könnte denn von sich behaupten, die Realität als solche objektiv zu kennen – die Antwort: doch wohl nur der Papst?

4.
Die Frage der höheren Erkenntnis durch die Kirchenführer und Päpste drängt auch sich auf, wenn man liest: „Die Einheit ist mehr wert (superior) als der Konflikt; das Ganze ist mehr wert als der Teil.“ Dieses Zitat von Jorge Bergoglio stammt aus seinem Buch „Meditationen für Ordensleute“, 1982 ein Argentinien (auf Spanisch) erschienen. Das ist wichtig: Die Ordensleute (und wohl alle Katholiken) sollen die Einheit (mit dem Oberen, dem Papst etc.) mehr schätzen als den Konflikt, also die Auseinandersetzung und das Beharren auf subjektiven eigenen Meinungen. Wer eine solche Einheit als höher geltend propagiert, will mit seiner Zurückstellung von Konflikten eben keine Debatten, keinen öffentlichen Streit. Es ist ja der Papst selbst, der für Einheit sorgt und dadurch Konflikte entschärft, übersieht, ignorierst, wie auch immer. Diese Interpretation der Vorliebe Bergoglios/Franziskus´) für die Einheit wird unterstützt durch seine Behauptung: „Das Ganze ist dem Teil übergeordnet“: Das heißt: Der einzelne (als ein Teil im Ganzen) möge sich bitte dem Ganzen fügen. Aber wer ist das Ganze, und wer bestimmt, was das Ganze will? Bei Hegel war es der Weltgeist. In der katholischen Kirche weiß es der unfehlbare Papst.

5.
Der Aufsatz von Prof. em. Michael Sievernich zeigt also einen nach Prinzipien denkenden und handelnden Papst. Aber konkrete Beispiele für die Anwendung dieser Prinzipien, werden nicht genannt. In welchem Licht erscheint dann etwa der Umgang Kardinal Bergoglio SJ mit den beiden rebellischen Jesuiten (Pater Franz Jalics und Pater Orlando Yorio) in der Zeit der Militärdiktatur Argentiniens: Sollten sie sich auch dem Ganzen fügen? Pater Franz Jalics (1927-2021) hat es ja später getan, so wurde im Vatikan behauptet. Überhaupt wundert sich der Leser sehr, dass die Zeit der argentinischen Militärdiktatur in dem Beitrag von Prof. em. Sievernich kaum erwähnt wird. Das wird eigentlich das dringende Thema der selbstverständlich kirchenunabhängigen historischen Bergoglio/Papst Franziskus – Forschung sein. Hoffentlich.

6.
Aber der Beitrag in „Stimmen der Zeit“ zeigt deutlich, aus welchen Quellen sich Bergoglio/Franziskus diese Prinzipien zusammenbaute: Etliche wichtige Namen von Theologen werden da genannt: Lucio Gera etwa, der argentinische Theologe, der die Volksreligion über alles schätzte, was bekanntlich Papst Franziskus als Liebhaber der ziemlich diffusen Volksreligiösität (Liebe zu Ablässen, Heiliges Jahr, Teufelsaustreibungen, Reliquien, Heiligenkulte – Pater Pios offener Sarg im Petersdom usw.) übernimmt. Inspirierend waren bzw. sind für Bergoglio/Franziskus Romano Guardini (1885-1968) und der Jesuit Erich Przywara (1889-1972) und Pater Henri de Lubac (1896-1991), auch der explizite Gegner der angeblich marxistischen Befreiungstheologie Gaston Fessard SJ (1897-1978) wird als „Lehrer“ Bergoglio erwähnt. Man kann nur staunen, dass als Lehrer oder wenigstens als „Inspiratoren“ von Bergoglio/Papst Franziskus nicht die Befreiungstheologen, der Peruaner Gustavo Gutierrez oder Brasilianer Leonardo Boff, erwähnt werden, eine Erwähnung von Hans Küng oder Karl Rahner SJ in der Liste der wichtigen Theologen Bergolios/Franziskus zu erwarten, wäre wohl zu anspruchsvoll. Im ganzen jedenfalls sind es nur Theologen aus der frühen Mitte des 20. Jahrhunderts, die für Bergoglio/Franziskus wichtig und prägend sind … im Blick auf sein Interesse an bestimmten Prinzipien.

7.
Interessanterweise weist Prof. Michael Sievernich, der ein guter Kenner der lateinamerikanischen Kirche und der dortigen Gesellschaft ist, darauf hin: „Das Binom von Wirklichkeit (realidad) und Idee dürfte übrigens für argentinische Ohren Reminiszenzen an den Peronismus auslösen.“ Und es ist sehr enttäuschend, dass Sievernich diese seine Erkenntnis überhaupt nicht weiter vertieft. Denn es ja allmählich bekannt, dass der junge Jorge Bergoglio mit der Jugendorganisation der Peronisten eng verbunden war.
Dies ist wichtig: der irische Journalist und Kulturwissenschaftler Colm Tóibín schreibt in der sehr empfehlenswerten großen Kultur – Zeitschrift „Lettre International“, Frühjahr 2021: „Bergoglio ist ein Peronist, und die Pointe des Peronismus ist es, dass er sich niemals definieren lässt. Die Montoneros, die in den siebziger Jahren Argentinien mit einer Terrorismuskampagne überzogen, waren Peronisten. Und die Eiserne Garde, die rechte Gruppe, mit der Bergoglio in Verbindung stand, bestand ebenfalls aus Peronisten. Präsident Carlos Menem war Peronist und die Präsidenten Kirchner waren es auch. Ein Peronist zu sein, heißt alles und nichts. Es heißt, dass man zeitweise mit genau den Dingen einverstanden sein kann, die man ansonsten ablehnt. Man kann sowohl Reformer sein wie gleichzeitig ein Konservativer“ (S. 74). …“Bergoglio konnte in einem Augenblick den Anarchisten spielen und im nächsten in seine autoritäre Rolle zurückfallen“ (S. 73).Wahrscheinlich sind dies die bisher eher übersehenen Einschätzungen, die zum Porträt Bergoglio/Papst Franziskus unbedingt dazugehören.  Ob der “Peronist” Bergoglio in diesem Sinne noch zum “Prinzipien-Papst Franziskus” passt, sei dahin gestellt. Siehe auch LINK.

8.
Diese historisch gut begründete Aussage Tóibins steht der These gegenüber, Bergoglio/Franziskus sei ein Mann der Prinzipien. So klar ist also diese Aussage von Prof. Sievernich dann doch nicht. Ist Franziskus dann doch der eher launische, irgendwie pastoral gesinnte Jesuit, der „allen alles werden“ will, aber de facto niemandem gerecht wird?

9.
Hier noch einmal die vier Prinzipien des Papstes Franziskus, wie sie Prof. Sievernich kommentiert:
Das erste Prinzip lautet: „Die Zeit ist mehr wert als der Raum.“
Das zweite Prinzip lautet: „Die Einheit wiegt mehr als der Konflikt.“
Das dritte Prinzip lautet: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“
Das vierte Prinzip lautet: „Das Ganze ist dem Teil übergeordnet“.

9.
Es müssen viele kritische Studien gesammelt werden, um die große – auch humane – Problematik dieser vier Herrschaftsprinzipien eines Papstes aufzuzeigen und Widerspruch zu leisten. Post mortem des Papstes wird diese eventuell marginal möglich sein, in kirchenunabhängigen Medien natürlich.
PS: Ich wundere mich nicht, dass ausgerechnet der sehr konservative italienische Politiker Rocco Buttiglione diese vier Prinzipien des Papstes lobt, so betont es jedenfalls Prof. em. Sievernich SJ. Er behauptet – sehr zu recht – dass dieser höchst umstrittene italienische Politiker „enge Verbindungen zum Vatikan hat“. Wikipedia jedenfalls schreibt u.a über Buttiglione: „2002 ermittelte die Staatsanwaltschaft von Monaco wegen des Verdachts der Geldwäsche zugunsten seiner Partei gegen Buttiglione. Es wurde jedoch kein Beweis dafür gefunden, dass er gegen monegassisches Recht verstoßen hat. Gianpiero Catone, ein leitender Mitarbeiter Buttigliones, wurde in Italien wegen betrügerischen Bankrotts angeklagt. Gegen diesen wird zudem wegen des Verschwindens mehrerer Millionen Euro aus italienischen und EU-Fonds ermittelt.“ (Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Rocco_Buttiglione, gelesen am 5.2.2025)

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Die Kirchen in Deutschland sind jetzt gegen die MERZ CDU/CSU!

Ein Hinweis zum historischen Bruch zwischen den Kirchen und den beiden sich christlich nennenden Parteien
Von Christian Modehn am 29.1.2024.

Ergänzung am 8.2.2025:

Der katholische Theologe Prof. Matthias Möhring-Hesse (Uni Tübingen) hat auf der website von kath.de  am 8.2.2025 einen Gastbeitrag verfasst, der sehr gut die Distanz eines katholischen Theologen  zur jetzigen CDU und zu den Taktiken des Herrn Merz darstellt. Wir hoffen sehr, dass viele noch CDU Wähler diesen Beitrag gründlich studieren und ihre Konsequenzen ziehen. Hier nur ein Auszug aus dem lesensweren Beitrag:

„In der vergangenen Woche brachte der SPD-Fraktionsvorsitzende, Rolf Mützenich, die Hölle ins Spiel...: In ihrem Bestreben, im Wahlkampf eine “Wende der Migrationspolitik” (Friedrich Merz) vorzuführen, haben die Unionsparteien – “sehenden Auges” (Angela Merkel) – eine parlamentarische Mehrheit mit der extrem-rechten AfD herbeigeführt und damit das “Tor zur Hölle” aufgestoßen. Ein gewaltiges Bild, zweifelsohne. Rhetorisch übertrieben, womöglich. In der Sache – zutreffend….Indem die Unionsparteien eine parlamentarische Mehrheit mit der extremen Rechte gebildet haben, haben sie – so Mützenich – das “Tor zur Hölle” geöffnet. Dieser Vertrauensbruch durch Merz ist von nachhaltiger Wirkung: Wenn die parlamentarische Mehrheit in der letzten Woche mit der extremen Rechten gesucht wurde, dann wird sie auch in näheren und weiteren Zukunft gesucht werden. Die erste Mehrheit mit der extremen Rechten hat etwas von der endgültigen Abwendung von der Demokratie – und genau dieses etwas kann mit der Metapher von der Hölle ins Bild gesetzt werden.

Es kommt darauf an, dass sich die Unionsparteien den Schaden, den sie verursacht haben, eingestehen und in das von Demokrat:innen bespielte Feld politischer Auseinandersetzungen zurückkehren. In beiden Hinsichten haben sich die Unionsparteien und allen voran ihr Kanzlerkandidat bislang verweigert – und haben stattdessen ihre eigene Abwendung umgedeutet und – schlimmer noch – auf ihre Kritiker:innen hin projiziert.“

Prof. Matthias Möhring – Hesse. Quelle: LINK

Ergänzung am 11.2.2025: Die CDU/CSU sollte von Christen nicht mehr gewählt werden. Das “C” dieser Parteien ist eine Lüge LINK:

1.

Die Kirchen und ihre verantwortlichen offiziellen LeiterInnen in Deutschland werden im Ton jetzt klarer und schärfer: In ökumenischer Eintracht weisen sie heute (29.1.2025) deutlich die Pläne der so genannten „christlichen“ Parteien und ihres Führers Merz zurück, die Asylgesetze nun radikal nach nationalistischem Gusto und gegen europäische Bestimmungen zu verändern. Diese Kritik der Kirchen ist ein Ereignis. Und es könnte heute der Tag sein, an dem die letzten Reste der Bindung von Christen, die sich nicht nur so nennen, an diese CDU/CSU aufgegeben werden. Es stehen vielleicht Namensänderungen dieser Parteien bevor? Das wäre wenigstens ehrlich. Siehe dazu auch den Kommentar von Pater Stefan Kiechle SJ, Redakteur der Monatszeitschrift „Stimmen der Zeit“.

2.

Zum ökumenischen Dokument der Kirchen: Verfasst von der Prälatin Anne Gidon als Bevollmächtige des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und Prälat Karl Jüsten für das Kommissariat der deutschen Bischöfe, es ist ein Brief an die Fraktionen des Bundestags.

Siehe den aktuellen Beitrag vom 30.1.2025, der auch deutlich macht, dass ein reaktionärer katholischer Bischof (Voderholzer, Regensburg) gegen dieses vernünftige Schreiben protestiert: : LINK:

Die ist der LINK  vom 29.1.2025: https://www.tagesspiegel.de/politik/befremden-uns-zutiefst-christliche-kirchen-geisseln-plane-von-cdu-und-csu-13105660.html

3.

Der Kommentar von Pater Stefan Kiechle SJ zu „Christen und CDU/CSU“:

https://www.katholisch.de/artikel/59155-fuer-christen-wird-es-immer-schwerer-die-cdu-von-merz-zu-waehlen

4.

Kanzler Scholz sagt am 29.1. 2025 zu CDU Friedrich Merz: “Die Kirchen haben vor Ihren Vorschlägen gewarnt”: LINK

5.

Bleibt nur unsere philosophisch begründete Hoffnung, dass dieser Brief der Kirchen weit verbreitet wird, dankend und denkend in den Gemeinden entgegengenommen wird…. und dass dieser Brief anstelle von Predigten am Sonntag (auch am 23.2.) verlesen wird ….

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon Berlin
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Das Trump – Regime kritisieren: Die großartige Bischöfin Mariann Edgar Budde.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 22.1.2025.

Ergänzung am 2.2.2025: Siehe auch den Hinweis zur Einschätzung von Trump durch die Theologin Hille Haker, USA.Hier Nr.9.

1.
Die Bischöfin hat Mut: Sie kritisiert beim traditionellen Gottesdienst einen Tag nach der Amtseinführung Präsident Trump und die Seinen und seine Clique. Und die sitzen in den Kirchenbänken, sie müssen zuhören, schließlich geben sie sich ja irgendwie als „Gott-gläubig“ aus, wie Trump oder als katholisch wie sein Vizepräsident Vance, sie können also die “National Cathedral” im Nordwesten von Washington D.C. nicht verlassen.

Diese Worte der Bischöfin Mariann Edgar Budde (65) von der Episcopal-Church werden – weltweit – im Gedächtnis bleiben, es sind mutige Worte, man könnte sagen von prophetisch – kritischem Geist bestimmt: So viel Mut hat nur eine Frau gegenüber dem selbsternannten All-Herrscher. Ein Auszug aus der Predigt der Bischöfin:

2.
„Lassen Sie mich eine letzte Bitte äußern. Millionen Menschen haben ihr Vertrauen in Sie gesetzt. Und wie Sie gestern der Nation erzählt haben, haben sie die schützende Hand eines liebenden Gottes gespürt. Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, Erbarmen mit den Menschen in unserem Land zu haben, die jetzt Angst haben.“ Und die Bischöfin erwähnt schwule, lesbische und transgender Familien, Trump hatte in seinem Wahn schon in seiner Antrittsrede erklärt, dass er per Dekret verfügt, dass es nur zwei Geschlechter gibt, Transgender Menschen haben keine Lebensrecht.
3.
Die Bischöfin denkt auch an die von Trump Wahn bedrohten Einwanderer, sie sagt: „Diese Menschen bestellen unsere Felder, sie reinigen unsere Bürogebäude, arbeiten in Geflügelfarmen und auf Schlachthöfen, waschen das Geschirr ab, nachdem wir in Restaurants gegessen haben, und diese Einwanderer übernehmen Nachtschichten in Krankenhäusern“. Sie seien vielleicht keine offiziellen Staatsbürger, „aber sie zahlen Steuern und sind gute Nachbarn“. Und sie seien gläubige Mitglieder „unserer Kirchen, Moscheen, Synagogen, Gurdwaras und Tempel.“

4.
Wie zu erwarten explodierte Trump nach dieser kritischen prophetischen Rede der Bischöfin: Er wetterte gegen die, wie er sagte, linksradikale Trump -Hasserin, nannte sie eine so genannte Bischöfin, der Gottesdienst sei insgesamt langweilig gewesen. Und natürlich auch dies: Trump fordert von der Bischöfin und der Kirche eine Entschuldigung. Republikaner – Politiker wollen die Bischöfin auf die „Abschiebeliste“ setzen…Interessant, dies nun noch mal offiziell zu hören: „Abschiebeliste“.

5.
Wie erbärmlich devot und ergeben dagegen war das Gebet, das der New Yorker Cardinal Timothy Dolan zur Amtseinführung sprach (Fußnote 1), wie albern auch die religiöse Show, an der sich auch ein Rabbiner und ein Evangelikaler mit frommen Worten beteiligten, Bilder der Trump Ergebenheit bestimmter Religionsführer, die Ergebenheit erinnert manche an die Verbundenheit der Russisch – Orthodoxen Kirche mit dem Diktator PUTIN.

6.
Es ist davon auszugehen, dass das Trump – Regime auch einen Kirchen – Kampf eröffnen könnte und dann genau unterscheidet: Zwischen Trump -gewogenen Frommen, vor allem den Evangelikalen, die werden gefördert. Und die anderen, die kritischen Theologen und Bischöfen aus den verbliebenen kritischen und weithin vernünftigen so genannten „Mainline – Churches“ (Episcopals, Presbyterians, einige Lutheraner und etliche Katholiken), sie werden wohl unter Trump ausgegrenzt und mundtot gemacht.

7.
Die Predigt von Bischöfin Mariann Edgar Budde ist nicht nur historisch, sie ist ein Hoffnungszeichen, dass sich Widerstand gegen Trump schon jetzt, sofort, äußert. Und auch dies: PolitikerInnen mit demokratischer Gesinnung in den wenigen verbliebenen demokratischen Staaten hätten wohl nie und nimmer den Mut, solche Worte an Mister Trump zu richten. Sie bleiben diplomatisch, wollen es sich nicht mit dem absoluten Machthaber verderben, sie haben Angst vor Trump. Er wird als absoluter Herrscher akzeptiert?

8.

Die in den USA lehrende deutsche Theologin Hille Haker sieht in der aktuellen Politik der Regierung von Donald Trump Parallelen zu den Anfängen der Nazi-Herrschaft im Deutschland der 1930er Jahre.

„Wir können uns plötzlich vorstellen, wie das nach dem Ermächtigungsgesetz 1933 gewesen ist”, sagte Haker am Wochenende dem Bayerischen Rundfunk. Die Demokratie werde auf dramatische Weise abgebaut.

Haker nannte ein Beispiel von ihrer Arbeitsstelle. Sie lehrt seit 2012 theologische Ethik an der Loyola University Chicago, einer Einrichtung des katholischen Jesuitenordens. Jüngst habe sie von der Uni eine Mail mit Verhaltenstipps für den Fall bekommen, dass Grenzpolizisten in die Vorlesungssäle kommen, um nach Menschen ohne Papieren zu suchen. Man solle sofort die an der Uni zentral zuständige Person kontaktieren, so Haker. Es gehe insbesondere um die Abschiebung von Menschen aus Lateinamerika, führte die Wissenschaftlerin aus. Ein Kollege mit kubanischen Wurzeln, aber US-Staatsbürgerschaft, trage aus Sorge vor Kontrollen nun ständig eine Kopie seines Passes im Portemonnaie. Es handle sich bei dem Mann immerhin um den US-Botschafter beim Vatikan unter Präsident Barack Obama. „Wenn selbst der Angst hat – und zwar nicht abstrakte Angst, sondern Angst, dass er aufgegriffen wird -, dann weiß man doch, was hier los ist”, sagte Haker. Ähnliches wie aktuell für Menschen mit lateinamerikanischem Hintergrund könne bald auch für religiöse Minderheiten wie Muslime gelten, ergänzte sie.

Die Theologin äußerte sich in diesem Zusammenhang pessimistisch in Sachen Rechtsschutz: „Die Hoffnung, dass die Gerichte da dazwischengrätschen, so wie das 2017, 2018, 2019 der Fall gewesen ist – das wird hier nicht mehr hinhauen, weil es dieser Administration eigentlich ziemlich wurscht ist, was die Gerichte sagen.”

Allerdings sei die Hälfte der US-Gesellschaft gegen den Präsidenten eingestellt, betonte Haker. Es gebe eine unglaubliche Willenskraft, sich Trumps Politik entgegenzustellen, und zahlreiche Hilfs- und Solidaritätsmaßnahmen etwa für Migranten.

https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2025-02/theologin-trump-politik-erinnert-an-ermachtigungsgesetz.html?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=NewsletterVN-DE

…………

Fußnote 1:
Aus dem Gebet von Cardinal Dolan für Trump am 20.1.2025::
„We, blessed citizens of this one nation under God, humbled by our claim that “In God We Trust,” gather indeed this Inauguration Day to pray: for our president Donald J. Trump, his family, his advisers, his Cabinet, his aspirations, his vice president; for the Lord’s blessings upon Joseph Biden, for our men and women in uniform, for each other, whose hopes are stoked this new year, this Inauguration Day, we cannot err in relying upon that prayer from the Bible, upon which our president will soon place his hand in oath, as we make our own the supplications of King Solomon for wisdom as he began his governance…“

……….

Zur Predigt von Bischöfin Mariann Edgar Budde etwa den Bericht in der Tageszeitung Standard, Wien: https://www.derstandard.at/story/3000000254028/die-pastorin-die-trump-nicht-zum-ersten-mal-die-leviten-gelesen-hat

Und auch ein Video: https://de.video.search.yahoo.com/yhs/search?fr=yhs-tro-freshy&ei=UTF-8&hsimp=yhs-freshy&hspart=tro&p=Mariann+Edgar+Budde&type=Y219_F163_204671_042423#id=0&vid=7648f2b81cb1279903393fe80cc53d6b&action=click

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Als Jesus zum Gott erklärt wurde: Das Bekenntnis des Konzils von Nizäa (325) überwinden

Ein Hinweis von Christian Modehn am 22.1.2025. Bearbeitet am 31.1.2025:

Das Vorwort:

Die Kirchen(führer) klammern sich auch heute sehr gern an Vergangenes, verteidigen alte, tote Dokumente, wiederholen sie, kauen sie durch, beten sie nach. Darum geht es in diesem Beitrag am Beispiel uralter Glaubensbekenntnisse, vor allem des Bekenntnisses von Nizäa (325).
Und wir schlagen theologisch und philosophisch gut begründet vor, diese beinahe neurotisch wirkenden Bindungen an nicht mehr nachvollziehbare Definitionen des Christlichen („Bekenntnisse“) aufzugeben. Damit der christliche Glaube als eine universell argumentierende Lehre von humaner Weisheit noch eine Chance des Respekts hat weltweit.

Das Konzil von Nizäa und die dann folgenden Konzilien in Konstantinopel haben die Idee der Hierarchie absolut in den Mittelpunkt gestellt, diese Hierarchie – Ideologie war herrschend wie ein Denk – Zwang und sicher das oberste aller Dogmen: An der obersten himmlischen Spitze ruht Gott, in der weltlichen Realität gibt es die Hierarchie innerhalb des Klerus und die Konkurrenz zwischen dem obersten Kleriker (Papst) und dem obersten weltlichen Herren (Kaiser etc.). Diese Idee, dass die Wirklichkeit hierarchisch “geordnet” ist, hat bis heute ihren Wahn durchsetzen können und damit die Kirchen außerhalb der demokratischen Welt und der Menschenrechte platziert. Über die Wirkung der Hierarchie – Ideologie etwa im orthodoxen Russland bis heute, siehe unten Fußnote 3.

Ergänzung am 16.2.2025: Erstaunlich ist, dass die offiziell – katholische Wochenzeitung des katholischen Herder – Verlages “Christ in der Gegenwart” Heft 6, 2025, Seite 3-4, einen kritischen Beitrag zum Konzil von Nizäa und dem dort formulierten Glaubensbekenntnis druckt. Den Beitrag verfasste der katholische Prof. emer. für Neues Testament (Graz) Peter Trummer. Einige seiner Erkenntnisse stimmen mit unserer weitreichenden Kritik an Nizäa und den folgenden überein. Leider wird bei Trummer nicht deutlich, wie denn nun von Jesus Christus zu sprechen ist, wenn Jesus endlich nicht mehr als Gott angesprochen und verehrt wird. Darauf eine positive Antwort zu geben, macht katholischen Theologen offenbar noch immer Angst. Auch zur Frage der Überwindung und Abschaffung von nicht mehr nachvollziehbaren Dogmen bietet dieser sonst lesenswerte Beitrag keine Antwort.   LINK

1.

Das ökumenische Konzil von Nizäa vor 1700 Jahren (325) elementar zu kennen und kritisch zu bewerten, ist also nicht bloß Sache von Fachtheologen und Fachphilosophen.
Denn mit dem metaphysisch abstrakten Glaubensbekenntnis des Konzils von Nizäa (der Text: Fußnote 1) wurde der christliche Glaube zu einer Art spätantiker Theorie bzw. Ideologie. In dem Glaubensbekenntnis (auch noch den folgenden, nach dem Konzil von Nizäa) wurde die Verbundenheit mit dem Juden Jesus von Nazareth weitgehend ausgelöscht. Der Grund: Weil die Kirche eine Religion für alle (also für die Heiden) sein wollte, glaubten die Kirchenführer, die Nähe des Christentums zum Juden Jesus von Nazareth (und damit zum Judentum insgesamt) stark reduzieren zu müssen. Gott wollten diese Theologen und ihre theologisch bestimmenden christlichen Kaiser mit ihren philosophischen Formeln „in den Griff bekommen“. Dadurch, so hofften diese Herren, sollte der christliche Glaube universell für alle gedanklich erreichbar sein, was vielleicht für einige gebildete Philosophen damals zutraf. Aber spätestens seit 1000 Jahren nicht mehr zutrifft angesichts der Internationalisierung der Kirchen in vielen Kulturen.

2.

Das ist entscheidend: Es wurde in Nizäa 325 und danach nicht der Versuch gemacht, die allgemeinen (also über das damalige Judentum Jesu hinausgehenden) humanen Weisheitslehren Jesu von Nazareth ins Glaubensbekenntnis aufzunehmen. Also den Menschen Jesus von Nazareth als Vorbild auch für die Heiden darzustellen. Stattdessen wird allen Menschen weltweit bis heute die Kenntnis der Begriffe spätantiker Philosophie und Metaphysik zugemutet, wenn sie ein Bekenntnis sprechen; spätantike Denkweisen und Formeln bestimmen die absolut seit Nizäa geltenden Glaubensbekenntnisse.

3.

Das Konzil von Nizäa und seine Botschaft ist also heute für fragende, nachdenkende Menschen nur ein riesiges philosophisches metaphysisches Problem, für eine persönliche Spiritualität nur eine Belastung. Lässt sich der Verzicht auf die sehr ungewöhnlichen „unorthodoxen“ Weisheitslehren Jesu von Nazareth im Bekenntnis des Konzils von Nizäa und danach noch korrigieren? Dies sollte eine der entscheidenden kritischen Fragen anläßlich des Nizäa – Jubiläums 2025 sein.

4.

Diese Nizäa – Konstantinopel- Bekenntnisse der Kirchen haben also heute nur noch historischen Wert! Sie sind keine Hilfe für ein humanes Leben im Sinne der Weisheitslehren des Jesus von Nazareth. Ob mit unserer Abwehr dieser Konzils – Bekenntnisse jetzt konstruktive weiterführende Debatten eröffnet werden, ist bei der Bindung der katholischen und orthodoxen und einiger lutherischer Theologen an die Kirchenführung zweifelhaft. Die greisen Führer der großen christlichen Kirchen (vor allem des Katholizismus und der Orthodoxie) freuen sich, alsbald (wohl am 19. Juni 2025) in Nizäa (heute Iznik, Türkei) all das vor 1.700 Jahren Gesagte zu feiern und zu bestätigen. Als hätten die Kirchen in dieser verrückt gewordenen, ins Antidemokratische abrutschenden Welt nichts Dringenderes zu tun…
Die Kirchenführer werden das Glaubens-Bekenntnis aus dem Jahr 325 also bestätigen und nachbeten (nur ein Beispiel für diese Haltung: Fußnote 2).

5.

Es setzte sich also also spätestens im 4. Jahrhundert eine Ideologie durch, die bis dahin vorhandene Pluralität der christlichen Glaubenshaltungen aufzugeben: Die Kirchenführer und ihre Theologen waren nur noch an einer abstrakten Gestalt eines universellen Christus interessiert, Christus sollte jene göttliche Heilsgestalt sein, dem sich alle Menschen weltweit als ihrem „Erlöser“ anschließen sollten. Die Kirchenführer glaubten dabei, völlig unbescheiden, mit Unterstützung der Kaiser, von Gott sehr Genaues im Detail zu wissen: Die Ferne der Menschen von Gott und der Menschen Sündhaftigkeit könne nur durch Gott persönlich geheilt werden. Darum muss in diesem Denken Gott selbst in die Welt kommen, und zwar in der Gestalt des Logos, des Sohnes bei Gott – Vater, er, der Logos, steigt aus dem Himmel auf die Erde herab. Und dieser Logos als „Sohn Gottes im Himmel“ soll nun der Christus auf Erden sein, er wird eins mit dem Menschen Jesus von Nazareth…Tatsächlich war also diese universelle Christusgestalt (der universelle Logos) immer noch etwas mit dem Menschen Jesus von Nazareth verbunden und deswegen sprach man und spricht heute noch von „Jesus Christus“. Es gibt dabei das typische undeutliche Schwanken zwischen Jesus und dann Jesus Christus oder schließlich nur noch „Christus“ – etwa als Pantokrator (Allherrscher) in den Basiliken des 5. Jahrhunderts. Dieses unentschiedene Schwanken ist bis heute vorherrschend, auch in üblichen Kirchen-Liedern zu beobachten, etwa in den populären Weihnachtsliedern, aber das ist ein anderes Thema.

6.

Einige zentrale Informationen zum Konzil von Nizäa (325):
Die Voraussetzung für dieses große ökumenische Bischofs – Treffen: Kaiser Konstantin hatte sich 312 dem Christentum zugewandt. Er war von der in seinen Augen wundertätigen Lehre der Christentums und seines Gottes so begeistert, dass er sich als Laie stolz wie ein Bischof gerierte und das Konzil einberief und inhaltlich bestimmte. Der Kaiser war leidenschaftlichst daran interessiert, die vielfältigen Kirchen, damals noch eine Minderheit von 10 Prozent der Bewohner des Reiches, einig und stark zu machen. Denn in der Sicht der Mehrheit hatten sich problematische theologische Lehren ausgebreitet, etwa die Lehre des Theologen Arius: Er behauptete: Jesus Christus sei nur ein Geschöpf Gottes, des ewigen „Gott – Vaters“. Aber Jesus Christus sei selbst nicht als Gott zu bezeichnen. Genau darüber berieten die ca. 300 Bischöfe in Nizäa, und sie kamen zu dem Schluß: Jesus Christus ist mit Gott, dem Vater, wesensgleich („homoousios“ heißt das viel zitierte griechische Wort) und wesenseins mit Gott- Vater. Und der wird als der Schöpfer der Welt gedacht. Wichtiger aber ist: Jesus Christus wurde als Gott bezeichnet und sollte als Gott verehrt werden. Es ist also der göttliche Logos, der Sohn von Gott – Vater, der in Jesus von Nazareth Mensch wird und einige Jahre auf dieser Erde, in Judäa – Israel, gelebt hat.

7.

Nebenbei etwas theologisch Absurdes:
Dieses Problem liegt nahe, wird aber kaum theologisch diskutiert: Wenn der göttliche Logos (der Sohn) also auf die Erde herabsteigt, wie es heißt, und sich mit Jesus von Nazareth vereint, dann ist doch der Platz des Sohnes neben Gott – Vater im Himmel für ein paar Jahre leer. Das heißt: Es gab also einmal eine „Logos – freie Zeit“ im Himmel: Wenn man das Problem auf die Trinität bezieht, muss man sagen: So etwa ab dem Jahr 2 bis ca. zum Jahr Jahr 35 (in diesen Jahren lebte Jesus) gab es nur eine unvollständige Trinität, nur Gott Vater und den heiligen Geist. Erst nach Jesu Auferstehung war der Logos wieder im Himmel…Man sieht an diesem Beispiel, zu welchen absurden Spekulationen man heute noch kommt, wenn man das Dogma bedenkt: Jesus ist Gott.

Das Konzil von Ephesus (431) lehrte dann weiterführend zu “Christus ist Gott-Mensch”: Maria, die Mutter Jesu von Nazareth, ist die Gottes-Mutter. Mit diesem Titel Gottes-Mutter wurde die weite und willkürliche Praxis der Marien-Verehrung, des Marien – Kultes definitiv eröffnet. Alle nur denkbaren Titel wurden dieser Gottesmutter (in der Kunst: Maria im Himmel, neben Gott selbst platziert) zugesprochen, die fromme volkstümliche Phantasie war und ist maßlos. Man denke an den Wunderglauben in Marien – Wallfahrtsorten Lourdes, Fatima, Medjugorje usw…Nur durfte nicht gesagt werden: Katholiken haben auch eine weibliche Gottheit (Maria), obwohl das sicher viele KatholikInnen subjektiv bis heute im Volksglauben meinen. Und viele, bis heute offizielle Marienlieder, haben auch den Inhalt: Maria ist die Retterin, die Gnadenvolle usw… nur die “Miterlöserin” darf sie nicht genannt werden, das wäre selbst dem Papst zu viel des Frommen. etc… LINK

8.

Man hat in den Kirchen immer vermieden, wenn von der Menschwerdung des Logos die Rede war, zu sagen: „Der Logos wurde Jude.“ Gott wurde doch nicht im allgemeinen „irgendwie ein Mensch“. Richtig wäre doch:: „Gott wurde Jude, in Jesus von Nazareth.“ Dann hätte die Kirche sagen müssen, welche Aspekte des unorthodoxen Juden Jesus von Nazareth als Weisheitslehrer nach wie vor für alle Menschen relevant sind. Über die allgemein menschlichen, also nicht explizit jüdisch gefärbten Worte Jesu spricht der katholische Theologe und Dominikanermönch Richard Glöckner in seinem Buch (siehe Literaturangaben) auf S. 140 ff. „Den Kern und das Zentrum der Botschaft Jesu bilden seine Gleichnisse vom Reich Gottes“ (S. 142) „Jesus denkt und spricht in den Gleichnissen außerhalb der jüdisch-heilsgeschichtlichen Traditionen und Vorstellungen. Aber diese Ansätze sind von der frühen Kirche nicht aufgenommen und weiterentwickelt worden.“ (S. 144). Wohl wahr, weil die Kirchen und ihrer Theologen nicht in der Lage waren, seit Nizäa die universale Erlösergestalt Christus mit dem universalen Weisheitslehrer Jesus von Nazareth und seinen universalen (nicht mehr jüdischen, sondern allgemein-menschlichen) Lehren zu verbinden. Das Buch des katholischen Theologen Richard Glöckner hat – soweit ich sehe – leider keine Aufmerksamkeit unter Theologen gefunden. Dabei gäbe es dort vieles zu diskutieren…

9.

Die Gültigkeit der Konzilsbeschlüsse von Nizäa und den danach folgenden Konzilien mussten von den jeweiligen Kaisern (!!) bestätigt werden. Der Kampf um die geistliche, theologische Vormacht von Kaisern und Päpsten hatte begonnen.
Theologen und Bischöfe, die sich gegen die von der Mehrheit angenommenen Bekenntnisse wandten, wurden exkommuniziert, so etwa der in Alexandrien lehrende Theologe Arius. Gegen ihn wandte sich besonders der äußerst einflußreiche heftige Patriarch von Alexandria, Athanasius, mit aller Macht.
Aber mit Gewalt und Strafen lassen sich Ideen nicht töten: Auch Arius sammelte seine Anhänger… Die jeweiligen Feinde des Bekenntnisses wurden bis aufs Blut verfolgt, es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Ein abstraktes, philosophisch – metaphysisches Glaubensbekenntnis hat also heftiges Unheil bewirkt, Frieden jedenfalls nicht. Und die erwünschte theologische Einheit als Uniformität zur Sicherung der Innenpolitik im Reich brachte das Konzil auch nicht hervor. Die Kirchen blieben zerrissen und zerspalten, Pluralität setzte sich – Gott sei Dank – durch. Auch nach dem Konzils von Chalcedon (451) wurde die gegensätzliche, verfeindete und nicht mehr zu versöhnende Vielfalt der Kirchen mit ihren unterschiedlichen Glaubensbekenntnissen evident, etwa in den so genannten „alt-orientalischen Kirchen“, die (in Äthiopien, als Kopten in Ägypten usw..) bis heute glauben: Jesus Christus habe nur eine einzige, nämlich eine göttliche Natur gehabt (Monophysiten).

10.

Im Konzil von Konstantinopel (381) wurde auch die Göttlichkeit des heiligen Geistes als Dogma und Glaubensbekenntnis verkündet. Der heilige Geist wurde als dritte Person Teil der göttlichen Wirklichkeit. In der Trinitätslehre wurde das gedankliche Wagnis ausgesprochen: Drei Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, haben nicht nur das eine göttliche Wesen gemeinsam, sie sind auch zu dritt dieses eine göttliche Wesen. Der Theologe Hermann Baum nennt in seiner sehr empfehlenswerten Studie „Die Verfremdung Jesu“ (Düsseldorf 2006, S. 154) diese Trinitäts-Lehre zurecht ein „bloßes Gedankenkonstrukt“ (S. 154)… „Es entzieht sich jeder menschlichen Vorstellungskraft“ (S. 155). Und man kann mit Hermann Baum nur schmunzeln, wenn dieses gedankliche Ungetüm den Glaubenden bis heute als absolutes Geheimnis, als hinnehmbares und hinzunehmendes göttliches Mysterium empfohlen wird. Da ist der in den Niederlanden lehrende katholische Theologe Edward Schillebeeckx mutiger und vor allem ehrlicher, wenn er sagte: Auf diese Trinitätslehre sollte die Kirche heute verzichten (LINK ) Aber das macht sie nicht, sie mutet den Glaubenden Unsägliches, Mysterium genannt, Nicht-Nachvollziehbares, zu. Das heißt: Die Kirchen bieten bis heute den Glaubenden „Steine statt Brot.“ Die Frommen lieben aber vielleicht das Unverständliche, das Mysteriöse, das Spinöse, das sie auch zusätzlich und anderweitig in esoterischen Kulten finden und pflegen. Religion wird also von den Kirchen selbst ins Nebulöse gedrängt. Und der alles interpretierende Klerus kann seine phantasiereiche Macht zeigen…

11.

Wird nun aber Jesus Christus als Gott und zugleich auch als Mensch gedacht und verehrt, entsteht wie von selbst die Frage: Hat der in Palästina lebende Jesus (Christus) denn nun zwei Willen gehabt, einen göttlichen und einen menschlichen Willen? Wie passten diese beiden Willen in der einen Person Jesus Christus zusammen? Diese hochspekulativen Fragen will ich hier nicht weiter ausbreiten: Es sollte nur erinnert werden, mit welchem hochspekulativen Kram sich die Christen damals befassten, als sie sich eingelassen hatten in die Übernahme spätantiker Philosophie zur Formulierung des universellen christlichen Glaubens. Ein hübsches Detail zu den zwei Willen (göttlicher Wille und menschlicher Wille) in der einen Person Christi: „Als Papst Martin I. (649 – 653) sich zugunsten von zwei natürlichen Willen in Jesus Christus äußerte und ihn die Patriarchen von Konstantinopel und Alexandrien wegen ihrer Ansicht: „Jesus Christus hatte nur einen Willen“ mit dem Kirchenbann belegte, ließ ihn der Kaiser im Jahr 653 nach Konstantinopel verschleppen und als Hochverräter auf die Krim verbannen. Im Konzil von Konstantinopel 680 wurde dann aber doch gelehrt: Jesus Christus habe zwei Willen gehabt, „ungetrennt, unveränderlich, unteilbar und unvermischt in ihm“, wie es „weise“ und unverständlich heißt. (Siehe dazu das Buch des katholischen Theologen Hermann Baum, „Die Verfälschung Jesu“, S, 161.)

12.

In dem Nizäa – Bekenntnis ist, wie gesagt, von dem ungewöhnlichen unorthodoxen Juden Jesus von Nazareth nur sehr marginal die Rede. Kein Wort in einem offiziellen Glaubensbekenntnis von der Bergpredigt Jesu, von Jesu Gleichnissen, von seiner Verbundenheit mit den Menschen, den Frauen, den Leidenden usw. Es ist der Verlust des Erzählens, der diese Glaubensbekenntnisse so ins Abstrakte – Uninteressante – Nicht – Bewegende führt. Es wird keine Geschichte erzählt von diesem Jesus, den man nun ehren und verehren soll. Diese dann für gültig erklärten und ewig nachgeplapperten Bekenntnisse sind so entleiblicht und enthistorisiert, dass sie Assoziationen an den Charme von Parteiprogrammen wecken. Und, wie gesagt, es ist eine Schande, dass diese Ideologie bis heute fortgesetzt wird. „Erlösung erscheint hier isoliert vom aktuellen Leben, Erlösung wird bezugslos…Allein das historisch greifbare irdische Wirken Jesu von Nazareth vermag das zu erschließen, was christlich Erlösung bedeutet.“ (So der katholische Theologe Hans Kessler, S. 59 und 61). Und der katholische Professor für Altes Testament Fridolin Stier schreibt in seinen „Aufzeichnungen“ „Vielleicht ist irgendwo Tag“ ( Herder – Verlag 1993 S. 38): „Haben die christologischen Bekenntnissätze, die Dogmen, die sagen, definieren, bestimmen, was Jesus ist, als solche die Kraft, die Begegnung mit Jesus zu vermitteln? Oder ist es so, dass von der christologischen Ikone die Aktivität des lebendigen Jesus verdeckt wird?“ Noch deutlicher wird der Theologe und Historiker Maurice Sachot, der in seinem Buch den Religionshistoriker René Nouailhat (Strasbourg) zitiert: „Die christologischen Definitionen sind nicht mehr Ausdruck der Glaubensbekenntnisse von Personen oder von Gruppen. Die Definitionen drängen sich vielmehr auf wie institutionelle Kategorien, wie der Ausdruck eines neuen Machtdiskurses …“ (Seite 214).

13.

Der Vorschlag: 
Dies könnte das entscheidende Profil eines heutigen, vernünftigen christlichen Glaubensbekenntnisses sein: Es sollte regional – kulturell verschieden sein und Ausdruck des wirklichen Glauben der Menschen sein. Man könnte in die Richtung denken:
Christen verehren den Propheten Jesus von Nazareth, sie schätzen dessen Menschenfreundlichkeit und Liebe, seine Bereitschaft, für die Gerechtigkeit einzutreten und dafür -im Widerstand gegen diverse Obrigkeiten – zu sterben. Und sie sind überzeugt, dass ein solcher Mensch im Tod nicht ins Nichts versinkt. Und sie werden sagen: Dieser Mann Jesus von Nazareth lebte in enger liebevoller Verbundenheit mit einem absoluten Seinsgrund und Lebensgrund, den er als Symbol Gott nennen wollte. Und dieser Jesus fühlte sich geleitet von seiner menschlichen Vernunft, seinem Geist, der etwas Heiliges ist im Menschen ist und der selbstverständlich in allen Menschen lebt und wirkt und, wie beim Propheten Jesus von Nazareth, etwas Ewiges ist.
Für mich ist das Glaubensbekenntnis der niederländischen Remonstranten Kirche von 2006 ein Beispiel für ein heute mögliches Bekenntnis, das übrigens bei den Remonstranten nicht vorschrieben ist, sondern als Impuls und Orientierung verstand wird: LINK.

Siehe auch unseren Versuch ein philosophisch – christliches, aber einfaches Glaubensbekenntnis zu formulieren, im Anschluss an das Bekenntnis des Apostels Paulus auf dem Areopag in Athen: LINK.

Fußnote 1: Das Glaubensbekenntnis von Nikäa im Jahr 325
Ich glaube an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren.
Und an den einen Herrn Jesus Christus,
den Sohn Gottes,
der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, das heißt: aus dem Wesen des Vaters,
Gott aus Gott, Licht aus Licht,
wahrer Gott aus wahrem Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater (homoousion to patri);
durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf Erden ist;
der für uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen und Fleisch geworden ist,
Mensch geworden ist,
gelitten hat und am dritten Tage auferstanden ist,
aufgestiegen ist zum Himmel,
kommen wird um die Lebenden und die Toten zu richten;
Und an den Heiligen Geist.
Auf Griechisch:
Πιστεύομεν[1] εἰς ἕνα Θεόν Πατέρα παντοκράτορα, πάντων ὁρατῶν τε καὶ ἀοράτων ποιητήν.

Καὶ εἰς ἕνα κύριον Ἰησοῦν Χριστόν, 
τὸν υἱὸν τοῦ Θεοῦ, 
γεννηθέντα ἐκ τοῦ Πατρὸς μονογενῆ, 
τουτέστιν ἐκ τῆς οὐσίας τοῦ Πατρός, 
Θεὸν ἐκ Θεοῦ, φῶς ἐκ φωτός, Θεὸν ἀληθινὸν ἐκ Θεοῦ ἀληθινοῦ, 
γεννηθέντα, οὐ ποιηθέντα, ὁμοούσιον τῷ Πατρί,
δι’ οὗ τὰ πάντα ἐγένετο, τά τε ἐν τῷ οὐρανῷ καὶ τὰ ἐπὶ τῆς γῆς,
τὸν δι’ ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους 
καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα 
καὶ σαρκωθέντα καὶ ἐνανθρωπήσαντα,
παθόντα, καὶ ἀναστάντα τριτῇ ἡμέρᾳ, 
καὶ ἀνελθόντα εἰς τοὺς οὒρανούς,
καὶ ἐρχόμενον κρῖναι ζῶντας καὶ νεκρούς.

Καὶ εἰς τὸ Ἅγιον Πνεῦμα.)
…………

Der jüdische Theologe Pinchas Lapide kommentiert dieses und das folgende Glaubensbekenntnis: “Im Eiltempo des Credos von Geboren – gelitten – gestorben und begraben (kursiv von Lapide) wird all das gute und beispielhafte Tun und Lassen des Meisters aus Nazareth unter den Tepplich gekehrt”  (Pinchas Lapide, “Paulus zwischen Damaskus und Qumran” , Gütersloh 1993, S. 22).

Das Nicäno-Konstantinopolitanum von 451 (auch Nicaeno-Konstantinopolitanum oder Nizäno-Konstantinopolitanum oder Großes Glaubensbekenntnis genannt) ist auch ein Glaubensbekenntnis, es wird als „Credo“ oft in den Messen und Gottesdiensten verwendet. Im Katholischen Gesangbuch Gottlob hat es die Nr. 586,2, im evangelischen Gesangbuch z. B. in Württemberg die Nr. 687.
Der deutsche Text der katholischen Kirche:
Wir glauben an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
der alles erschaffen hat, Himmel und Erde,
die sichtbare und die unsichtbareWelt.
Und den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott, Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen und zu unserem Heil
ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen
durch den Heiligen Geist von der Jungfrau
Maria
 und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius
 Pilatus,
hat gelitten und ist begraben worden,
ist am dritten Tage auferstanden nach der
Schrift
und aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten des Vaters
und wird wiederkommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.
Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn
angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten,
und die eine, heilige, katholische
und apostolische Kirche.
Wir bekennen die eine Taufe
zur Vergebung der Sünden.
Wir erwarten die Auferstehung der Toten
und das Leben der kommenden Welt.
Amen.

Fußnote 2:
Nur ein Beispiel für viele, wie heute in katholischen Medien von den Feierlichkeiten des Konzils von Nizäa gesprochen wird: Das eigentlich theologisch – progressive katholische „Haus am Dom“ in Frankfurt/M. kündigt sein Symposium zu Nizäa (6. – 8.3.) u.a. mit diesen Worten an: „Das Konzil von Nizäa zeigt mit seinen Beschlüssen das normative Idealbild einer einzigen, organisatorisch geeinten, in Lehre und Praxis einheitlichen und, in diesem Sinne, ökumenischen Gesamtkirche“. Diese Behauptungen werden verbreitet in dem Programm dieser Akademie zum Halbjahr 2025, S. 15.

Fußnote 3  am 4.2.2o25: Der bekannte russische Autor Vladimir Sorokin hat ein Buch mit dem Titel Die rote Pyramide” (Verlag Kiepenhauer und Witsch) publiziert. Für die Wiener Wochenzeitung “FALTER” (Literaturbeilage  2022, S. 20) hat er zum Thema ein Interview gegeben und damit auf Zusammenhänge aufmerksam gemacht zum bis heute bestehenden Bündnis von christlich – orthodoxer Hierarchie – Fixierung UND der dementsprechenden politischen Herrschaft.

Mit der “roten Pyramide” meint Sorokin die Pyramide der Macht, “die seit dem 16. Jahrhundert in Russland nicht mehr modernisiert wurde… An der Spitze der Pyramide steht eine Person, und von der hängt alles ab…  Über die Zaren, dann Stalin usw. bis zu Putin. Eine Person, die alle Rechte hat, entscheidet alles”, so im Interview mit der empfehlenswerten politischen Zeitschrift  FALTER.

Wenn es also jemals in Russland eine Demokartie geben sollte: Dann muss die totalitäre Ideologie der Pyramide verschwinden. Und damit auch die als Pyramide organisierte russisch -orthodoxe Kirche mit ihrem berüchtigten Kriegstreiber Patriarch Kyrill an der Spitze.

Diese tiefgreifendste Reformation der russischen wie der anderen orthodoxen Kirchen wird aber nicht passieren, weil die frommen Leute im Laufe der Jahrhunderte förmlich zutiefst eingelullt wurden von Weihraum, Ikonen, Singang und der absoluten Hochschätzung der Popen, der Patriarchen…Diese Leute sind hierarchie- gläubig….

Und dies ist ein Riesenproblem: Die ebenfalls pyramidal orientierten Päpste – auch Franziskus – haben kein dringenderes ökumenisches Anliegen, als eine Versöhnung, wenn nicht eine Verbindung mit diesen pyramidalen orthodoxen Kirchen anzustreben. Eine Potenzietrung der Pyramie also!

Bitte nicht diese Ökumene, kann man als kritischer Theologe nur sagen. Aber das sagt aber sonst keiner. Schon gar nicht in diesem “wunderbaren” Nizäa Gedenken von Papst und orthodoxen Patriarchen…Dort wird die Pyramide wieder heilig geprochen, als göttlich verehrt, denn Gott ist ganz oben… Dabei war der Weisheitslehrer Jesus von Nazareth “ganz unten” und er blieb ganz unten. Bei den Menschen, die alle gleichberechtigt sind…

Literaturempfehlungen:

Angesichts der immensen Fülle von Fachliteratur zum Thema empfehlen wir zum weiteren Studium vor allem das leider nur noch antiquarisch zu erwerbende Buch des katholischen Theologen und Philosophen:

Hermann Baum „Die Verfremdung Jesu“, Düsseldorf 2006. Dieses grundlegende, äußerst wichtige Buch sollte man sofort bestellen, solange dieses Buch überhaupt verfügbar ist.

Paul Veyne, „Als unsere Welt christlich wurde (312 -394).“ „Untertitel: Aufstieg einer Sekte zur Weltmacht. C.H.Beck Verlag, 2008. Sehr detaillierte Studien des international geschätzten Althistorikers.

Hans Kessler, „Erlösung als Befreiung“, Düsseldorf 1972.

Gottfried Bachl, „Der schwierige Jesus“, Innsbruck -Wien, 1996.

Maurice Sachot, „L invention du Christ. Genèse d une religion“, Paris 1998.

Richard Glöckner, „Quo Vadis? Das Christentum am Scheideweg zur Moderne“ , Lit Verlag Münster, 2023, 170 Seiten.

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon. de

Eine Geschichte zu Weihnachten: Maria verprügelt das Jesuskind.

Ein Hinweis auf ein Gemälde von Max Ernst
Von Christian Modehn am 10. Dezember 2024

1.
Es ist die Weihnachtsgeschichte, die hinausweist über den „Realismus“ des „alltäglichen“, des„normalen”, angeblich „gesunden“ Verstandes. Man denke an die Geburt des Gottessohnes Jesus, standesgemäß nicht in einem Palast, sondern in einem Stall geboren, dennoch umgeben von himmlischen Heerscharen und heiligen drei Königen. Und vor allem Maria, die Mutter des Gottessohnes, spielt dabei eine Rolle.

2.
Zu Weihnachten also sollte der Sinn fürs „Sur-Realistische“, „Über-Realistische“, wieder entdeckt und gepflegt werden! Diese Empfehlung gilt, nicht um etwa ins Schwärmen zu kommen, sondern um die Weihnachts-Mythen, gerade den Maria – Mythos, besser oder mindestens anders und neu zu verstehen.

3.
Sur-realistisch also ist die Erzählung von der Ankündigung der Geburt Jesu: Als das Mädchen Maria von einem Engel besucht wird, da wird ihr sozusagen von Gott selbst versprochen: Kein Geringerer als der Heilige Geist werde der Vater ihres Sohnes sein. Allem alltäglichen Realismus zuwider verheißt ihr dann der Engel: „Die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das (von dir) geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.“ So wird der Mythos im Lukas – Evangelium 1. Kap. Vers 35 erzählt.

4.
Maria wird also „Heiliges“ zur Welt bringen, Gottes Sohn soll ihr Kind sein, ein Kind zwar, das wie alle Menschen von einer Frau geboren wird. Angesichts dieser über-weltlich anmutenden Geschichte der Gottes – Geburt kann man  surrealistischen Inspirationen guten Gewissens und voller Neugier folgen: Bei solcher Ankündigung: „Heiliges wird von dir geboren“, kann doch Maria als frommes, sagen wir einfaches Mädchen nur denken: Dann muss dieses göttliche Kind auch im Laufe seiner Entwicklung immer göttlich sein, also total anders, von menschlichen Grenzen und Begierden befrei. Und ebenso von körperlichem Leiden und leiblichen, auch sexuellen Vorlieben nicht berührt. So viel Menschliches passe doch nicht zum „Heiligen“, passe nicht zu „Gottes Sohn“, gezeugt vom heiligen Geist. Da kann Maria doch nur gespannt und neugierig sein auf ihren ungewöhnlichen Sohn… (Erst nach der „Auferstehung“ Jesu von Nazareth legte die Kirche allen Wert darauf zu betonen: Trotz dieser außergewöhnlichen Auferstehung ist Jesus ganz Mensch gewesen. Über seine Leiblichkeit in jeder Hinsicht, auch seine Sexualität, äußerte sich die offizielle Kirche schon damals – angstvoll – nicht…)

5.
An dieser Stelle wird ein Gemälde von Max Ernst (1891-1976), dem Surrealisten, interessant und wichtig. Wir lesen sein außergewöhnliches Gemälde als Beitrag zum Weihnachtsmythos, gemäß der offenen Haltung der Surrealisten…Deren Philosophie (Surrealismus ist wohl mehr als eine Kunst -„Richtung“) ist also inspirierend und hilfreich fürs Verstehen der biblischen Mythen, auch der Weihnachtserzählungen. Aspekte der ohnehin nur surrealistisch zu nennenden Weihnachtsgeschichte werden durch die Phantasie dieses Künstlers explizit freigelegt und zur Auseinandersetzung angeboten. Denn der einfältige, phantasielose „Realismus“ hat fürs kritische Denken keine Chancen! Deswegen schafft Max Ernst im Jahr 1926 das berühmte, umstrittene Gemälde „Die heilige Jungfrau (Maria) züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen“. Zum Gemälde selbst: LINK:

6.
Wichtig ist im Bild selbst: Maria, mit einem Heiligenschein ausgestattet, wird als eine moderne Frau dargestellt, sie ist sehr ansehnlich und ziemlich beleibt. Und sie schlägt voller Wut ihr Kind Jesus, er ist kein Baby mehr, vielleicht 3-4 Jahre alt, heftig auf den Popo. Dabei fällt dem Jesuskind der Heiligenschein vom Kopf: Das Jesuskind, durch die Tracht Prügel vom Heiligenschein befreit, ist jetzt nur noch ein Mensch. Marias Heiligenschein hingegen bleibt, eine Ironie des Künstlers vielleicht, weil Maria als ordentliche Erzieherin auftreten sollte, die den uralten, heiligen Erziehung – Gesetzen der Herrschaft über das Kind entspricht. Maria ist in der Hinsicht von Max Ernst also gesetzestreu und hoch respektabel, deswegen ihr Heiligenschein. Auch das ist Surrealismus und seine tiefe Wahrheit: Drei Männer beobachten durch ein schmales Fenster das Geschehen, auch Max Ernst wird dabei von Kunsthistorikern erkannt.

7.
Entscheidend ist religionsphilosophisch die Frage: Warum schlägt Maria auf ihren Sohn Jesus ein? Wer dem Wink des Gemäldes folgt, entdeckt wahre Elemente im Weihnachtsmythos: Maria schlägt auf ihren Sohn Jesus ein, weil sie eigentlich und am liebsten auf Gott einschlagen würde. Aber der ist im Himmel, unerreichbar für die schlagende Hand. Ihre Wut leitet Maria also auf ihren Sohn um. Soll der doch ihre Wut spüren, ihre Wut über Gott.

8.
Maria fühlt sich zutiefst von Gott selbst getäuscht: Was hatte sein Engel ihr nicht alles versprochen? „Heiliges wird geboren“, „Gottes Sohn wird ihr eigener Sohn sein.“ Aber als dieser Sohn Gottes dann zur Welt kommt, da erlebt die junge Mutter und ihr Gatte Josef nichts Göttliches, Wunderbar -Hilfreiches: Von einem herrschaftlichen Haus für die Geburt Ihres Gottes-Sohnes wagen sie schon gar nicht zu träumen, selbst eine bescheidene Herberge finden sie nicht. So muss der Gottes-Sohn im Stall zur Welt kommen. Man kann sich denken, wie wütend Maria und ihr Gatte Josef ist, als sie nun den Gottessohn, frisch geboren, ins harte Stroh legen müssen, von blökenden Tieren und naiven Hirten umgeben.

9.
Die üblichen, aber theologisch so dummen und völlig ausgesungenen kitschigen Weihnachtslieder lassen dann singen: „Da liegt es das Kindlein in Heu und auf Stroh.“ Und dann der skandalöse Satz im Lied: “Maria und Josef betrachten es froh.“ Was für ein Sadismus: Die Eltern freuen sich, dass ihr Neugeborenes im Stroh liegt und dabei wohl doch gewisse Schmerzen empfindet und sicher ständig heult. So dumm können nur Weihnachtslieder sein (wie: „Ihr Kinderlein kommet“ usw.) Tatsache ist, dies zeigt uns der Surrealismus: Maria betrachtet das Gotteskind, „das von ihr geborene Heilige“, alles andere als „froh“: Sie ist wütend, vor allem auf Gott und seinen Engel. der ihr so viel Unglaubliches versprochen hat. Alles Unsinn, sagt sich Maria.

10.

Maria wird von der ut auf Goitt weiter bestimmt, so die surrealistische Interpretation, als die „heilige“ Familie längst in Nazareth eine Unterkunft hat: Denn ihr Gottessohn, ihr Heiliges, zeigt sich dort als so menschlich: Maria ist wütend und zornig, weil ihr verheißener „Gottes Sohn“ Jesus tatsächlich bloß ein übliches Menschenkind ist, mit all den genannten Eigenheiten menschlicher Bedürfnisse. Ein Gotteskind, das in die Windeln kackt, was das hat doch nichts mit Gottes Sohn zu tun?
Maria ist wütend, weil dieses Kind, größer werdend, gar nicht so abgehoben ist von allem Menschlichen, nicht total vergeistigt und vergöttlicht, nicht über allem Irdischen schwebend.
Maria muss erkennen: Welch ein Wahn war es doch von mir zu glauben, da würde mit Jesus ein Gott auf Erden wandeln, ein reiner Geist, ein reiner Leib.

11.
.Das Gemälde von Max Ernst zeigt: Die Wut Marias auf Gott wegen der irritierenden Behauptungen des Engels über das „göttliche Kind“ ist zugleich auch die Wut spiritueller (Christen-) Menschen auf einen Gott, der sich – im Mythos -zwar  ins weltliche Geschehen einmischt, in die Welt kommt, aber doch so ganz anders als Gott erscheint.

12.
Die meisten Christen wollen auch heute in Jesus ihren Gott sehen, als einen universalen Herrscher, als Himmels – König und Weltenrichter. Dabei ist Jesus  bloß ein Mensch, der sich im Laufe seines Lebens zum Weisheitslehrer entwickelte. Aber ein auf Erden wandelnder, makelloser, total vergeistigter Gott ist er eben nicht. Und diesen Gedanken fanden und finden die meisten Christen unerträglich. „Einen Weisheitslehrer wollen wir nicht. Wir wollen einen Gott auf Erden. Und wenn der nicht erscheint, dann wenden wir uns eben den “göttlich” auftretenden politischen Führern zu….“ Welch ein Wahn!

13.
Die meisten Christen und ihre Kirchenführer erfanden schon bald nach Jesu Tod aufgeschwollene spekulative Lehren und Dogmen, die behaupten: Dieser Jesus von Nazareth ist dann als Christus auch Gott, er gehört also zur göttlichen Trinität, er ist der (griechische) Logos, gezeugt von seinem Vater im Himmel usw. Und was machen diese geradezu Gott-besessenen Christen dann auch noch aus der armen und letztlich irgendwie irritierten Mutter Maria? Sie erklären diese Maria zur Gottes – Mutter und zur Himmelskönigin. Denn sie erlebt, so das aufgeblasene Dogma, unmittelbar nach ihrem Tod eine Aufnahme in den Himmel, “Wer das nicht glaubt, der sei aus der Kirche ausgeschlossen“, heißt es in der katholischen Dogmatik.

14.
Das Gemälde von Max Ernst ist eine heftige Provokation zur Weihnachtszeit: Jesus von Nazareth ist kein süßliches göttliches Kindelein. Jesus ist ein normaler Mensch, der auch unter der strenger Erziehung zu leiden hat. Er wird im Laufe seines Lebens zu einem Weisheitslehrer, der die Herrschenden provoziert und viel mehr zu sagen hat als der im Weihrauch und Alleluja förmlich erstickende Gott mit dem Namen Jesus Christus, und mit uralten Formeln und Floskeln hoch – gelobt, in den Himmel entrückt, aber nicht verstanden.

15.
Dies sei allen gesagt, die sich auf die offiziellen Feierlichkeiten zum 1.700 Jubiläum des Konzils von Nizäa im nächsten Jahr (2025) freuen: Da wird dieser arme und gekreuzigte Weisheitslehrer Jesus wieder erneut als ein Gott bestätigt und bejubelt, vom Papst, von den orthodoxen Patriarchen, den lutherischen Bischöfen, den so klugen Theologen … Sie bemächtigen sich erneut dieses armen Mannes und Weisheitslehrers Jesus und entrücken ihn in weite Ferne. So wird er belanglos und ungefährlich für alle, die Weisheitslehrer nicht respektieren wollen. Aber die Herren der Kirchen können sich auf der Seite dieses Gott – Menschen Jesus Christus wissen und stolz ihre Herrschaft durchsetzen…

16.
Das hat der Künstler Max Ernst begriffen: Maria ist die erste, die mit dem Menschen Jesus ihre sehr große Mühe hatte. Wo sie doch so gern einen jungen Gott in ihrer Wohnung gehabt hätte und nicht ein eigensinniges Kerlchen mit voll gekackten Windeln… Manchmal ist Maria deswegen vor Wut ausgerastet und hat diesen ihren Sohn Jesus geschlagen.
Diese Maria hat wohl auch eine Entwicklung durchgemacht, so der Mythos des Neuen Testaments. Sie stand unter dem Kreuz der Hinrichtung Jesu, und sie wusste: Ihr Sohn war ein großer Mensch, ein religiöser Reformator, ein Vorbild. Erst die herrschsüchtige Kirchenführung machte aus dieser lernbereiten Frau eine Himmelskönigin, so fern, so überirdisch, auch dies ein Wahn der Herrschenden.

17.
Marias lieber Gatte Josef – und de facto – also realistisch – natürlich der Vater Jesu – hatte sich vielleicht längst aus dem Staub gemacht, oder er kümmerte sich – angeblich als Tischler – auch um die Geschwister Jesu, die zu prügeln unkomplizierter war. Denn bei den Geschwistern Jesu wurde ja nichts Göttliches angekündigt. Ob er seinen Sohn Jesus, den Tischlerlehrling, geschlagen hat, interessiert die Surrealisten nicht. Auszuschließen ist das nicht, Mutter Maria hätte es wohl geduldet, wütend auf ihren Gott und seine seltsamen, so mißverständlichen Verheißungen…

18.

Siehe auch den weiterführenden Hinweis von Christian Modehn “Weihnachten und Philosophieren”: LINK.

19.

Unsere Deutung eines surrealistischen Gemäldes als eines inspirierenden Gemäldes zu Weihnachten, zum Verständnis der Jesus – Gestalt und der Maria hat nichts zu tun mit den völlig der eigenen Phantsasie hingegebenen Erzählungen der so genannten “apopkryphen Weihnachtsgeschichten”. Zu dem Thema siehe den Link zu einer Ra­dio­sen­dung von Christian Modehn LINK.

Copyright: Christian Modehn, Berlin, www.religionsphilosophischer-salon.de

 

„Notre Dame“, die Pariser Kathedrale, ist beliebt. Die Kirche nicht.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 29.11.2024.

Ein kulturhistorisches Monument wird am 7. und 8.12. 2024 wieder eröffnet. Und ausgerechnet Donald Trump wird am 7.12. dabeisein! Seine sehr vielen evangelikalen Fans  in den USA und anderswo werden sich über so viel katholische “Sympathien” von Mister Trump “freuen”…  LINK

Papst Franziskus meidet dieses zweitägige Spektakel …zu Ehren der “Notre Dame” und des Monsieur Macron…. Siehe Nr. 12 in diesem Hinweis.

Zum Zustand der katholischen Kirche in Frankreich heute außerhalb aller Jubelfeierlichkeiten: LINK.

Die kirchliche, die katholische Eröffnung mit der feierlichen Messe der Bischöfe fand am 8.12. statt. TeilnehmerInnen, in den Foto-Serien bestens dokumentiert, waren die übliche politische Prominenz, auch des Adels. LINK Das “fromme Volk” oder gar die religiösen Bettler (“Clochards”) wurden nicht als Teilnehmer bei diesem Ereignis der “göttlichen Dame”  gezeigt, waren sie anwesend oder waren nur die großen Spender für den Wiederaufbau willkommen? Wichtiger ist das “klerikale Spektakel” (man nennt es Liturgie) rund um den Altar mit vielleicht 70 Bischöfen und Priestern. Sie alle trugen identisch (!) gestaltete Messgewänder, alles vom Feinsten, entworfen und per Hand erarbeitet vom Team des bekannten Designers Jean-Charles de Castelbajac. LINK Er selbst habe für die Messgewänder “eineinhalb Jahre gearbeitet und beschäftige ein großes Team.” Der Reporterin des ZEIT Magazin vom 5.12. 2024 S. 32, gestand de Castelbajac auch: ein “angemessenes Honorar”  von der Kirche erhalten zu haben.

Nebenbei: Es verdient wohl eine weite theologische Aufmerksamkeit, dass alle Priester und Bischöfe bei diesem Spektakel, der Messe, wie üblich identisch klerikal gekleidet waren. Wie kann man das deuten? Bunte Vielfalt ist nicht willkommen? Wahrscheinlich ist das so. Die Kleriker gehören halt alle zur gleichen Klasse, sind hervorgehoben und anders als “das Volk”. Die protestantische französische Zeitschrift REFORME kritisierte zurecht: Dieses ganze Spektakel, also diese Liturgie am Altar von Notre Dame am 8.12., sei eine absolute Männer – Veranstaltung gewesen. Gut, dass sich Protestanten noch über den Ausschluß der Frauen vom Pastoren/Priesteramt in der katholischen Kirche wundern. Papst Franziskus gibt sich gern als heftigster Kritiker des Klerikalismus in der Kirche, aber er ist nicht bereit, und wohl nicht in der Lage, diesen absolut vorherrschenden Klerikalismus als relgiös, sakramentale Männerherrschaft zu beenden. Dass Frauen ausgeschlossen sind vom Priesteramt ist wohl der größte Skandal des Katholizismus im 21. Jahrhundert. LINK.

………………………….

1.
Am 7. und 8. Dezember 2024 finden die Feierlichkeiten der (Wieder) – Eröffnung der Kathedrale „Notre Dame“ in Paris statt. Vor 5 Jahren, im April 2019, vernichtete ein verheerendes Feuer umfangreiche Teile des mittelalterlichen Gebäudes.

2.
Über die nun fast abgeschlossene Neugestaltung der Pariser Kathedrale informieren aktuelle Berichte. Man beachte u.a.: Nicht mehr Bänke dienen als Sitzgelegenheit, sondern 1.500 bequeme Stühle…Alles andere als eine Kleinigkeit für katholische Verhältnisse.
Der religionsphilosophische Salon bietet angesichts der Wiedereröffnung – in gebotener Kürze – etwas Hintergrund zur aktuellen religiösen Situation in Frankreich sowie Hinweise auf Besonderheiten in der langen Geschichte von „Notre Dame“.

3.
„Die jetzt auferstandene „Notre Dame“ ist ein Werk des Präsidenten Emmanuel Macron“: Diesen durchaus auch zutreffenden Eindruck wollte der französische Präsident für die Geschichtsbücher hinterlassen, als er sich am 29. November 2024, noch vor der offiziellen Wieder – Eröffnung, in der Pariser Kathedrale im renovierten Gotteshaus präsentierte. LINK. Einige aktuelle Fotos: LINK Der Präsident einer in Deutschland laizistisch genannten Republik („République laique“ meint allerdings etwas andres als„laizistisch“) will zweifellos die Kathedrale als ein überkonfessionelles Monument der (erwünschten) nationalen Einheit propagieren, als ein herausragendes kulturelles, künstlerisches und ästhetisch erhabenes Erbe der „Grande Nation“. Und damit entspricht Macron durchaus einer weit verbreiteten Sehnsucht im gar nicht mehr katholisch geprägten Frankreich, nur 29 % der Franzosen nannten sich 2023 katholisch. LINK https://www.insee.fr/fr/statistiques/6793308?sommaire=6793391 . Sowie ein LINK zum Zustand des französischen Katholizismus.

4.
Aber auch die Mehrheit der Franzosen, also die Menschen die sich „sans religion“ nennen, konfessionsfrei sagen manche in Deutschland, schätzen die Kathedrale Notre Dame: Bei der Suche nach der „französischen Identität“ geht es auch ihnen um die Stärkung des jetzt wieder viel besprochenen „patrimoine“, des „Kulturerbes“. Für die „Fondation Notre Dame“ wurden zum Wiederaufbau 358 Millionen Euro – auch aus dem Ausland, auch von Atheisten, gespendet.

5.
Mit „Notre Dame“ fühlen sich sehr viele Menschen vor allem emotional verbunden, Franzosen zumal. Es gibt zahlreiche Berichte, wie die Besucher ( 13 bis 20 Millionen sollen es vor dem Brand gewesen sein, also mindestens 30.000 pro Tag) die Dunkelheit im Innenraum schätzen, das Licht, die Fenster, die Skulpturen. Als Sigmund Freud 1885 diese Kathedrale besuchte, lobte er ausdrücklich „den Ernst und die Strenge des Gebäudes“… Er konnte wohl noch in einer gewissen Beschaulichkeit die Kathedrale besuchen, heute verweilen dort die meisten Touristen (um Fotos zu schießen) im Gedränge nicht länger als 5 Minuten, sie können diesen „obligatorischen Programmpunkt“ dann „abhaken“ und weiter durch Paris eilen…Es ist schon bezeichnend, dass auch in spanischen Kathedralen inzwischen eigens kleine (sic!) Kapellen mit eigenem Eingang geschaffen wurden, für Menschen, die wirklich in einem Gotteshaus auch mal ihre persönliche spirituelle Poesie, Gebete genannt, pflegen wollen.

6.
„Notre Dame“ gilt als Nationalsymbol. Der weibliche Titel einer katholischen Kathedrale spielt sicher hinsichtlich der Beliebtheit eine Rolle: Die Pariser Kathedrale gilt vielleicht auch -undogmatisch betrachtet – als das Haus einer „Gott – Mutter“, einer „Dame“, mindestens aber der „Gottes – Mutter“ Maria, die als die einflußreiche Himmelskönigin an Gottes Thron steht, so die offiziellen Dogmen…

7.
Das „National-Symbol“ Notre Dame hat eine sehr wechselhafte Geschichte. Vor allem an die alles entscheidende und bis heute prägende Zeit der Französischen Revolution (1789…) soll hier kurz erinnert werden.
Die Revolution identifizierte zurecht den Katholizismus mit dem absolut herrschenden „Ancien Régime“ des Königshauses, und die Revolutionäre, so unterschiedlich sie auch dachten, wollten eine katholische Kirche gründen, die die Ideale der Revolution und der Republik achtete und unterstützte, als eine demokratische Kirche. Der Papst tobte deswegen … bis 1950 wurde von führenden Katholiken die Französische Revolution zum Übel aller Übel erklärt… Philosophisch hoch gebildete Revolutionäre wie Robespierre setzten alles daran, auch Teile des höheren Klerus für die Revolution zu gewinnen, das gelang zum Teil, man denke an die herausragende Person des „Abbé Grégoire. 1791 wurde der damalige Weihbischof Jean – Baptiste Gobel zum „konstitutionellen“ (also revolutionsfreundlichen) Erzbischof von Paris gewählt. Im Rahmen der Radikalisierung atheistischer Revolutionäre (Anacharsis Cloots u.a.) wurden Gobel als Atheist bezeichnet und zum Rücktritt als Erzbischof aufgefordert und schließlich dann von Robespierre als angeblicher, verdächtigter Atheist am 13.4.1794 hingerichtet.

8.
Die Revolutionäre waren über die Kirchenführer als privilegierte Stütze des ancien régime empört, sie wollten in ihrer maßlosen Wut Frankreich „entchristlichen“ (décristianiser), d.h. auch aus der auch ideologischen Herrschaft der Kirche gewaltsam lösen. Als Ersatz zur Messe und den Sakramenten inszenierten einige Revolutionäre zunächst den „Kult der Vernunft“, der als eine Art Theaterspektakel auch in der Kathedrale Notre Dame aufgeführt wurde. Eine zentrale Rolle spielte dabei eine Frau als Repräsentantin der Sieger über den religiösen Fanatismus. „Das Fest der Vernunft hatte eine zutiefst theatralischen Charakter (caractère théatral“), schreibt die Historikerin Mona Ozouf, auf S. 607 in ihrem Beitrag „Religion revolutionaire“ in: „Dictionnaire critique de la Révolution Francaise“, Paris 1988.

9.
Dieser als Theater inszenierte „Kult der Vernunft“ wurde von Robespierre als atheistisch abgelehnt. Dieser Theater – Kult hatte auch nicht die Kraft, die verbliebenen religiösen Bedürfnisse des Volkes zu befriedigen, vor allem konnte er nicht eine religiös fundierte Einheit des ideologisch zerrissenen französischen Volkes herstellen. So setzte der deistisch geprägte Robespierre alles auf den „Kult des höchsten Wesens“, einer Art deistischen Konfession: Der Schöpfergott im Himmel verlangt von den Bürgern als religiöse Übung ein ethisch korrektes Leben im Geist der Gesetze der neu geschaffenen Republik.

10.
Ende des 18. Jahrhundert wurde dann eine ethische- deistische Kirche als „Theophilanthropie“ (d.h. Menschlichkeit mit Liebe zu Gott) im ganzen Land praktiziert, LINK.
Diese Kirche, ein Produkt der Revolution, wurde nach ca. 10 jährigem Bestehen von Napoléon verboten: Er duldete als Herrscher nicht den religiösen Pluralismus, ihm war das Konkordat mit dem Papst aus politischen Gründen wichtiger… 1804 krönte sich Napoléon in Notre Dame selbst zum Kaiser, Papst Pius VII. war bei dieser pompösen Inszenierung anwesend.

11.
Religionssoziologisch betrachtet ist heute wichtig: Die Katholische Kirche verliert in Frankreich – wie in den meisten europäischen Ländern – immer mehr an Mitgliedern, sie wird zur Minderheit. Aber die Kirchenführer lieben in dieser Situation des Niedergangs nicht ohne Stolz die Pflege großer repräsentativer Gebäude. Sicher,Notre Dame wurde von vielen auch nicht – katholischen Spendern wieder aufgebaut: Aber die Kirche ist durchaus heilfroh, in Paris wie in vielen anderen Städten so prächtige Kathedralen und Klöster zu haben. Dass diese Gotteshäuser von vielen Menschen eher als prachtvolle Museen angesehen und bewertet werden, stört dabei nicht. Das bedeutet aber: Eine explizit kirchliche Wirkung geht von diesen Kathedralen eher selten aus. Tatsache ist: Es entwickelt sich in Frankreich wie in ganz Europa so etwas wie eine kulturelle Interessiertheit für alte religiöse Gebäude. Eine Art ästhetisch – kulturelle -säkulare Spiritualität. Darüber arbeiten Religionssoziologen wie Jean – Louis Schlegel und Danièle Hervieu -Léger.

12.
Die Pflege alter herausragender Kathedralen durch die Kirchenführer steht im Widerspruch zu den vielen auf dem Land, in den Dörfern, verfallenden Kirchen und den aufgegebenen Klöstern. LINK Viele hundert Dorfkirchen in Frankreich verfallen auch deswegen, weil es keine Priester mehr gibt: Nur weil Rom eine Gemeindeleitung ans Priesteramt bindet, verschwindet sozusagen das kirchliche und damit soziale Leben auf den Dörfern. Dabei könnten Laien die Messen in den kleinen Dorfgemeinden leiten, aber die haben die Bischöfe nicht ausbilden wollen, so daß jetzt auch „aktive, kompetente Laien“ fehlen.

12.
Es ist nicht ohne Bedeutung, manche sagen ein Witz, dass am 15. Dezember, also genau eine Woche nach der weltweit beachteten Eröffnung von Notre Dame de Paris, Papst Franziskus ausgerechnet Frankreich besucht: Aber nicht etwa Paris, sondern Ajaccio auf Korsika, dort findet ein Kongress statt über die „Frömmigkeit des Volkes und der einfachen Leute in der Mittelmeer – Region“, es geht also um Heiligenverehrung, Wallfahrten, Wetterprozessionen, Segnungen der Äcker usw… Veranstalter ist der sehr konservative Kardinal Bustillo von Ajaccio. Manche Beobachter in Paris deuten diesen Papst – Besuch eines nicht weltbewegenden Kongresses auf Korsika als bewussten Affront gegen den ganzen Kultur- Trubel um dieses monumentale Gebäude in Paris…Papst Franziskus bevorzugt eben bekanntlich das Abseitige, Unbedeutend – Wirkende, das Kleine und Volkstümliche. Aber Präsident Macron will den Papst auf Korsika dann treffen, vielleicht erzählt er ihm, wie schön die Kathedrale Notre Dame nach der Brand – Katastrophe geworden ist.

Copyright: Christian Modehn, religionsphilsophischer-salon.de

Ablassjahr – Jubeljahr – Sündenjahr 2025!

Am 24.Dezember 2024 beginnt das „Heilige Jahr 2025“ in der katholischen Kirche.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 25.11.2024

Vorwort: Der katholischen Kirche, d.h. dem Papst und dem Klerus, verbleibt nach allen Niederlagen in der Auseinandersetzung mit der Neuzeit nur noch eine einzige universelle Macht: Die Herrschaft über die Sakramente, also über alles, was mit Gott und Erlösung und “Jenseits” zu tun hat. Zum Beispiel die Macht über das Bußsakrament bzw. die Vergebung der Sünden. Und diese Herrschaft wird jetzt erneut universell für alle Katholiken ausgeübt: Mit der päpstlichen Verfügung, 2025 zum Jahr des Ablasses, also des Nachlasses von allen zeitlichen Sündenstrafen zu machen. Das Ganze wird “Heiliges Jahr” genannt.

Aber das Thema Ablass spielt bis jetzt (26.12.2024) in den Reden des Papstes keine große Rolle: Es gehört zum halbherzigen Reformprogramm des Papstes Franziskus: Alte Traditionen pflegen und aufwärmen und einige wenige moderne Elemente dann einbauen: So auch jetzt: Das “heilige Jahr” sollte alle Menschen, wirklich alle, zu Jesus führen, “Jesus ist die Pforte des Friedens.” Das sagte der Papst in seiner Weihnachtsansprache Urbi et orbi 2024. Also nicht die universellen Menschenrechte führen für den Papst zum Frieden, sondern es ist Jesus. Aber was da genau? Etwa die Bergpredigt? Das wird nicht gesagt. Würden hingegen die universellen Menschenrechte auch in der katholischen Kirche vom Papst an erster Stelle für alle (!) empfohlen und würden sie auch in der Kirche selbst gelten, dann müsste der Papst Frauen zum Priesteramt/Pastorenamt/Diakoninnenamt zulassen. Macht er aber nicht: Angeblich wollte dies Jesus Christus nicht. Welch eine autoritäte Erstarrung! Eigentlich ein hoffnungsloser Fall…

1.
Seit dem Jahr 1300 gestaltet die katholische Kirche „heilige Jahre“, sie werden seit einigen Jahrhunderten alle 25 Jahre gefeiert: Diese katholisch – spirituellen Höhepunkte sollen den Glauben fördern, vor allem aber die Frommen von eher noch harmlosen, also nicht „ewigen“ Sündenstrafen befreien. Ursprünglich wurden die heiligen Jahre als religiöse Jubeljahre der Versöhnung mit Gott propagiert: Dann wurden sie wegen des Ansturms der frommen Sünder, also der religiösen Touristen nach Rom, eher Trubel – Jahre: 2025 werden mindestens 32 Millionen Pilger – Touristen in Rom erwartet, LINK.

Diese frommen Massen erzeugen eine verrückte (auch ökologisch verrückte) Herausforderung für die Bewohner der Stadt Rom. Aber der Euro wird dann rollen, mindestens für etliche gut vernetzte auch kirchliche Unternehmen…
Aber nach außen hin dreht sich alles – in der offiziellen Propaganda – um die Gewinnung des Ablasses. Und dafür verantwortlich ist das Büro der „Apostolischen Pöniteniarie“ in Rom, übersetzt die Behörde des „Apostolische Bußgerichtshof“. Falls Sie dort mal vorsprechen wollen in diesem sündhaft prächtigen alten Palazzo: Hier die Adresse: Penitenzieria Apostolica, Piazza della Cancelleria 1, 00186 – ROMA (ITALIA).  Fotos: LINK

2.
Lassen wir es einmal dahin gestellt, ob Katholiken heute sich als Sünder im päpstlichen Sinne verstehen. Die Teilnahme an der Beichte im „Beichtstuhl“ ist bekanntlich in Europa absolut minimal. Offensichtlich wird vom Papst gutgläubig (naiv?) unterstellt: Katholiken drängeln sich geradezu darum, durch den Ablass von ihren „zeitlichen Sündenstrafen“ befreit zu werden. Das muss erklärt werden: Die zeitlichen Sündenstrafen beziehen sich auf die „Zeit“ im Fegefeuer, die der Sünder dort absitzt; der Ablass erlässt also diesen Aufenthalt im Fegefeuer- wo auch immer er sich befinden mag. Von sehr schweren Sünden (Mord, und den sieben Todsünden, darunter Geiz, Zorn usw.) allerdings kann nur die persönliche Beichte befreien, sonst landet der Sünder ad aeternum in der Hölle. (Siehe dazu die ausführlichen Darstellungen im offiziellen „Katechismus der katholischen Kirche“ (1993) § 1471 ff. zur Beruhigung: Leichte, lässliche Sünden sind heimliche Naschereien, unkeusche Gedanken, Onanie usw…

3.
Auch viele Katholiken fühlen sich heute nicht als Sünder, sondern eher als Menschen, die – ziemlich hilflos – in verbrecherische, friedlos und ungerechte Strukturen der kapitalistischen Welt eingebunden sind. Sie müssen als „einfache Menschen“ ihre Energie nur darauf verwenden, irgendwie zu überleben und sich irgendwie „recht und schlecht“ „durchzuwurschteln“ … mit kleineren Vergehen, eben leichten, „lässlichen“ Unkorrektheiten, einst Sünden genannt. Diese „mühsame Last im Leben“ wäre doch ein relevantes kirchliches Thema, das in vielen tausend Therapie – Sitzungen in Kirchen und Gemeindehäusern besprochen werden könnte. Aber auf diese Idee kommt man im Vatikan nicht, schließlich sind die so genannten Seelsorger, also die Priester, meist gar keine Kenner der Seele und deren Abgründe. Sie nennen sich Seelsorger, sind es aber nicht… Sie sind meist eben nur gut bezahlte zölibatäre kirchliche Manager. Da ist es einfacher und völlig anspruchsloser, immer wieder den umstrittenen Ablass zu propagieren, und auf Geld- Spenden zu insistieren, die mir dem Ablass verbunden sind anläßlich der Wallfahrten nach Rom und zu anderen „Heiligtümern“…

Der Vatikan braucht förmlich diese Pilgerströme, der Vatikan ist jetzt in großen Geldnöten, das bekennt Papst Franziskus. „Laut Medienberichten soll der Zwergstaat Vatikan in Haushaltsdefizit von mehr als 80 Millionen Euro angehäuft haben.“ LINK.    Siehe auch einen weiteren LINK.

4.
Der ausführliche aktuelle Text des „Apostolischen Bußgerichtshofes“ ist sicher eine gewisse Zumutung der Lektüre, trotzdem einige wichtige Hinweise: Am 13. Mai 2024 wurde dieses umfangreiche, päpstlich genehmigte Dokument, eine im Vatikan genannte „Bulle“, zum Ablass im Heiligen Jahr 2025 veröffentlicht. LINK
Die alte katholische Lehre wird wiederholt und um einiges Unwesentliche „modernisiert”. Man sollte aber in dem Zusammenhang alle angeblichen ökumenischen Ambitionen des Papstes vergessen. Papst Franziskus wiederholt nämlich, unbeirrt von allen theologischen und ökumenischen Debatten und Erkenntnissen, den alten katholischen konfessionellen Geist: Der Ablass habe wie seit alten, vor – modernen Zeiten als „Erlass und Vergebung der Sünden und Vergebung von allen Folgen der Sünde“ zu gelten.
Der Ablass wird als ein Ausdruck der Barmherzigkeit Gottes dargestellt: Die Kirchenführung weiß also, wie die Barmherzigkeit Gottes konkret aussieht. Entscheidend ist: Die Kirche (d.h. nur der Klerus, der Papst usw.) vermittelt zwischen Gott und dem Sünder. Dieser Ablass wird durch die Kirche, die „Braut Christi“, dem Sünder geschenkt. Sünder sollen also dankbar der Kirche (dem Papst usw.) sein, dass sie das Heil der Rettung vor dem Fegefeuer vermittelt. Spenden sind deshalb jederzeit willkommen. Der Dominikanerpater Tetzel forderte von den Sündern zu Luthers Zeiten bestimmte fixierte Geldsummen zur Erlangung des Ablasses. Inzwischen ist die Kirche da etwas großzügiger geworden.

Auffällig ist allerdings, soweit ich sehe, dass vom Fegefeuer als dem Ort der Abbüßung zeitlicher Sündenstrafen, im Dokument keine Rede ist. Aber man schließe daraus nicht, dass es in der katholischen Lehre kein Fegefeuer mehr gibt. Lediglich den Limbus, also das spezielle etwas milder gedachte Fegefeuer für ungetaufte kleine Kinder, “gibt” es nicht mehr, d.h. an den Limbus zu glauben ist jetzt keine Pflicht mehr. LINK.

5.
Die Führung der römischen Kirche Kirche spricht sich selbst also das Recht zu, von Gott persönlich die Vollmacht erhalten zu haben, den Sünder von allen Folgen der Sünde zu befreien.

6.
Die „Bulle“, das offizielle Ablass- Dokument, nennt dann viele Details, wo und wie die Sünder diesen Ablass 2025 gewinnen können, vorzugsweise in Rom, aber auch an anderen Orten europaweit. Es werden auch Möglichkeiten genannt, den Ablass außerhalb der Kirchenmauern zu erlangen, etwa, so wörtlich, durch „Teilnahme an Gesprächen über den offiziellen römischen Katechismus“ und zwar selbstverständlich „an geeigneten Orten“… Der Ablass kann zudem auch erlangt werden, wörtlich „durch eine anteilige Geldspende an die Armen durch die Unterstützung von Werken religiösen oder sozialen Charakters, insbesondere zugunsten der Verteidigung und des Schutzes des Lebens in jeder Phase des Lebens selbst“. Also: Durch Geld – Spenden für „Pro Life Aktivisten“ kann man auch den Ablass erlangen. Die evangelikalen Pro-Life – Aktivisten etwa Donald Trumps werden sich – endlich mal ökumenisch – mit dem Papst auf einer gemeinsamen Linie – befinden. Ebenso kann der Ablass erlangt werden durch Unterstützung „der verlassenen Kinder, der Jugendlichen in Schwierigkeiten, der alten Menschen in Not, der Migranten aus verschiedenen Ländern…“. Caritative Taten also, die aber an dem miserablen strukturellen Zustand der genannten Gruppen nicht so viel verbessern. Gesellschaftskritik wird nicht als Möglichkeit genannt, den Ablass zu gewinnen, Kirchenkritik schon gar nicht. Es wird also die übliche Spenden – Spiritualität propagiert: Spende etwas, „tu Gutes“, aber verändere bloß nicht die ungerechten Strukturen…

7.
Soweit kurz zum offiziellen Text, der an dieser Stelle das menschliche Tun als Weg zur Erlangung der Gnade der Sündenvergebung anpreist. Lutheraner werden diese Sätze vielleicht aufmerksam lesen, aber selbstverständlich kein kritisches Wort zu dieser angestaubten päpstlichen Bulle sagen. Die wenigen vernünftigen, also die nicht – evangelikalen Protestanten heute sind zum Widerspruch gegen Rom heute zu vornehm und zu schüchtern oder vielleicht auch zu verwirrt nach all den vielen tausend Papierflut ähnlichen Ökumene – Papieren, sie werden es still hinnehmen, dass dieser römisch – katholische Ablasswahn im 21. Jahrhundert immer noch hoch offiziell propagiert wird und lebt. Leider!

8.
Wenn katholische SünderInnen und Sünder den Ablass nach vatikanischem Beschluss jetzt auch außerhalb Roms erlangen können, fragt man sich, ob dann noch die Pilgerfahrt der geschätzten 32 Millionen nach Rom im Jahr 2025 so sinnvoll und ..auch ökologisch überhaupt noch vertretbar ist. „Bleibt also zu Hause, ihr findet dort euren Ablass, zum Beispiel darum Spenden für „Pro-Life – Aktivistinnen“, könnte man doch als Devise ausgeben. So deutlich werden die Pönitentiarier in Rom nicht…
Und : Wie die Sünder im Klerus nach den vielen tausend sexuellen Missbrauchstaten im Heiligen Jahr „behandelt“ werden, wird überhaupt nicht erwähnt. Zweifellos sind diese Sünden so gravierend, dass sie nicht mit dem Besuch einer Kirche in Rom automatisch erlassen werden.

9.
Es gibt in der langen Liste der bisherigen „Heiligen Jahre“ einige herausragende Ereignisse, die nur kurz erwähnt werden sollen:
Fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Vernichtung des europäischen Judentums vor allem durch Nazi – Deutschland und Faschisten in Europa, verkündete Papst Pius XII. im Heiligen Jahr 1950 das Dogma der „leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel“. Das war ja wohl etwas ganz „Dringendes“ damals, unmittelbar nach den genannten Katastrophen. Besser wäre es gewesen, Pius XII. hätte sich für sein eigenes Schweigen zum Morden durch die Nazis und die Faschisten öffentlich entschuldigt. Aber eine Dogma – Erklärung zu veröffentlichen ist halt einfacher, selbst wenn sie theologisch Unsinn ist.
Und Papst Johannes Paul II. ließ im Jahr 2000 die Geburt Jesu von Nazareth vor 2000 Jahren als Heiliges Jahr feiern. Er setzte ganz den Akzent auf das offizielle Eingeständnis: „Nur die Söhne und Töchter der Kirche“ haben im Laufe der Kirchengeschichte viele Verbrechen begangen und die Kirche dadurch geschädigt. Es waren also nur einzelne „Söhne und Töchter der Kirche“, die als Kriegsherren, Ketzerverfolger, Kolonialherren, unwürdige Päpste usw. sündigten. ABER: Es war nicht die Kirche als Institution!! Diese hat gar nicht gesündigt, sondern sie ist und bleibt als gottgewollte Institution „die reine und heilige Braut Christi“.

10.
Diese Aufspaltung von sündigen Kirchenmitgliedern und der NICHT- sündigen Kirchen – Institution hat damals, im Jahr 2000, zu dem treffenden Vergleich geführt: Auch die Kommunisten, Stalinisten, sagten: Falsch gehandelt haben immer nur einzelne kommunistische Funktionäre. Die Partei (verstanden als Parteiführung, etwa Stalin) ist fehlerfrei…: “Die Partei, die Partei hat immer recht“…

11.
Im Jahr 1500 kamen 200.000 Gläubige nach Rom, um im Heiligen
Jahr den Ablass zu erlangen, auch dies war eine große Herausforderung für die Bürger dort, Rom zählte damals 50.000 Einwohner. Aber der veranstaltende Papst Alexander VI. verdiente dabei doch viel Geld, so dass sein Sohn, Cesare Borgia, genug Mittel hatte, um seinen zweiten Romana – Feldzug zu starten. Nebenbei: Papst Alexander VI. ist eine der absolut übelsten und widerwärtigsten Gestalten unter den so genannten Nachfolgern des heiligen Petrus und den so genannten Stellvertretern Christi auf Erden. Man lese die Studie des Historikers Prof. Volker Reinhardt, „Der unheimliche Papst. Alexander VI. Borgia“,Beck Verlag, München, 2007, Seite 192).

12.

Es werden vielleicht Debatten stattfinden, ob ein Heiliges Jahr, also ein Jahr des Ablasses, die dringende christliche Antwort ist auf die tieferen Erschütterungen und Verunsicherungen und Ängste der Menschen heute… angesichts der ökologischen Katastrophen, der völlig ungerechten Verteilung des Eigentums, des Hungers von Millionen Elenden, der Kriege, des unerträglichen religiösen Fundamentalismus in Islam, Judentum, Christentum, Hinduismus usw…

Und auch diese Frage ist offen: Kann die seelische Belastung und seelische Verirrung katholischer Menschen (auch des Klerus) durch den Ablass, man möchte sagen, einfach durch eine Pilgerfahrt, einige Gebete, einige caritative Gesten, geheilt werden? Gehen die Katholiken nach gewonnenem Ablass dann als seelisch geheilte Menschen des Friedens, der Gerechtigkeit, der Menschlichkeit hervor? Diese Frage stellen sich die Verantwortlichen, die Propagandisten des Ablasses und des Heiligen Jahres offenbar nicht. Sie wollen erneut die geistliche Macht der Kirche glanzvoll, voller Erbarmen für die armen Sünder, in den Mittelpunkt stellen.  Und sicher auch Geld einspielen durch die “Pilgerströme”, etwa nach Rom und in den Vatikan.

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de