Franz Hengsbach, ehem. Bischof und Kardinal von Essen: Des sexuellen Missbrauchs angeklagt, ein Freund des Opus Dei und ein Feind der Befreiungstheologie…

Ein Hinweis von Christian Modehn am 20.9.2023 …. zu bis bisher ungenannten Aspekten des so genannten „Oberhirten“. Zu den zahlreichen Beiträgen über den sexuellen Missbrauch durch Bischof Hengsbach:  LINK.

Immerhin: Die (äußerst kitschige) Statue an der Essener Münsterkirche, die Kardinal Hengsbach als Kleriker in voller Montur darstellt, soll nun (Stand 24.9.2023) entfernt werden, an der Stelle soll ein Gedenkort an die Opfer sexueller Gewalt entstehen.    LINK

Ist diese Aktion ein Vorbild für andere Kirchen  (etwa in Berlin), die sich etwa nach Kaiser Wilhelm nennen, einem ungleich noch häßlicheren Verächter der Menschlichkeit, um es milde auszudrücken…

Man darf gespannt sein, wie das “Opus Dei”, diese katholische Geheimorganisation, auf den “Fall Hengsbach” und dessen nun offizielle kirchenamtliche Degradierung reagiert, war Hengsbach doch spätestens seit Beginn der 1970 Jahre wenn nicht sogar Mitglied, so doch engstens verbunden mit diesem so genannten “Werk Gottes”. Und gestaltete in dessen Sinne auch “Adveniat”. (Siehe Fußnote 2).

1.
Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie ist immer Religionskritik und Kirchenkritik. Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie also im Sinne der Philosophie der Aufklärung kann in aller Freiheit, im Unterschied zu katholisch gebundenen, von Angst vor „oben“ bestimmten Medien, umfassendere Informationen bieten. (Einige biographische Hinweise zu Franz Hengsbach und seiner steilen Karriere im Klerus siehe Fußnote 1)

2.
Umfassender als bisher müssen jetzt Fakten zum „Fall Erzbischof und Kardinal Franz Hengsbach“ genannt werden.

3.
Leider ist der Eintrag zu Bischof Franz Hengsbach in wikipedia sehr oberflächlich, es wird dessen umfassende Tätigkeit für das katholische Hilfswerk ADVENIAT zugunsten Lateinamerikas und sein Kampf gegen die lateinamerikanische Befreiungstheologie sowie seine explizite Freundschaft mit der katholischen Geheimorganisation OPUS DEI völlig verschwiegen LINK , gelesen am 20.9.2023 um 13.40 Uhr).

3.
Der Chefredakteur des katholischen „Dom Radio“ (Köln) Ingo Brüggenjürgen behauptet in seinem Kommentar vom 19.9.2023: „Hengsbach habe in zahlreichen Ämtern segensreich gewirkt – das ist unbestritten“. Und in “Christ und Welt” (Beilage “Die Zeit”) wird am 21.9.2023 sogar vom Chefredakteur von “Christ und Welt” behauptet, Bischof Hengsbach sei “links gewesen”. Als Opus-Dei Freund/Mitglied und Feind der Befreiungstheologie war er faktisch alles andere als links …. so werden in angesehenen Medien Unwahrheiten verbreitet…Und diese Falschmeldung noch nicht einmal korrigiert…

4.
Die Wahrheit ist: Hengsbach hat überhaupt nicht immer „segensreich“ gewirkt. Nicht nur der jetzt langsam von der Kirchenführung eingestandene Missbrauch des Bischofs Hengsbach (1953 wurde er Weihbischof in Paderborn, 1958 dann Bischof des neugegründeten Bistums Essen) ist alles andere als „segensreich“.

5.
Man denke an die Protektion Hengsbach für Missbrauchstäter im eigenen Umfeld: Etwa für den Prälaten Emil Stehle, er war von 1977 – 1988 als Geschäftsführer von ADVENIAT in Essen, ein sehr enger Vertrauter von Bischof Hengsbach. Wikipedia schreibt über Emil Stehle: „Stehle habe in mehreren Fällen durch Namenscodierungen, Tarnadressen und Unterhaltshilfen dafür gesorgt, dass wegen Sexualdelikten in Deutschland angeklagte Priester verdeckt in Lateinamerika bleiben konnten. Zudem habe Stehle selbst häufig vor allem jüngere, zum Teil noch minderjährige Mitarbeiterinnen sexuell bedrängt, oft unter Zuhilfenahme von Alkohol und im Schutz der selbstverständlichen Annahme, dass sein priesterlicher Stand und seine Position ihn ungestraft handeln lassen würden“  LINK,  gelesen am 20.9.2023 um 13.55 Uhr).

6.
Auch der Priester Peter Hullermann, des sexuellen Missbrauchs überführt, arbeitete bis 1980 als Priester im Bistum Essen, bevor in das von Joseph Ratzinger geleitete Erzbistum München übersiedelte und dort weiter seinen „Neigungen“ nachgehen durfte. LINK

7.
Erzbischof und Kardinal Hengsbach: Ein verlogener Typ also, ein klerikaler Karrierist. Das ist sehr unangenehm für die Kirche, in der Hengsbach alle Stufen der Kleriker- Karriere erfolgreich bewältigte und der als ein Intimus von Papst Johannes Paul II. galt. Und dieser hatte bekanntlich viel Sympathie und Zuneigung für klerikale Missbrauchstäter, man denke an die Hochschätzung des Papstes für den Gründer des Ordens Legionäre Christi, Pater Marcial Maciel. Diesen Verbrecher nannte der Papst öffentlich einen „Freund und Vorbild der Jugend“…

8.
Katholische Medienleute sollten sich die Mühe machen, und einige Seiten der Studie „Glaubenswächter“ von Peter Hertel lesen, das wichtige Buch ist im katholischen Verlag ECHTER in Würzburg im Jahr 2000 erschienen. Antiquarisch kann diese unersetzliche Dokumentation immer noch erworben werden…
Im Hengsbach – Bistum Essen fand 1968 ein Katholikentag statt, bei dem sich eine katholische Opposition gegen die Enzyklika „Humane Vitae“ laut stark bemerkbar machte und die katholische Einheit mit der CDU gestört wurde. Seit dem Katholikentag 1968 und einer dort sichtbaren linken katholischen Präsenz ist Hengsbach auf die Seite der konservativen und reaktionären Bischöfe gegangen, ein Schritt, der ihm große Karriere einbrachte.

9.
Als Chef des katholischen Lateinamerika Hilfswerkes ADVENIAT„blies Hengsbach 1972 im römischen Zentrum der Opus-Dei-Priester zum Kampf gegen die lateinamerikanische Theologie der Befreiung“ (Peter Hertel, S. 36): „Der Oberhirte Hengsbach identifizierte Befreiung mit geistiger Emanzipation und attackierte dann beides. Diese Ideen seien gescheitert, da sie im Namen der Freiheit Böses taten… Marxistische und liberalistische Ideologen werden keine bessere Zukunft und keine wahre Befreiung des Menschen bringen“ (Peter Hertel S. 37). Diese Gleichsetzung von Marxismus und Liberalismus war eine zentrale politische Idee des polnischen Papstes, er verachtete beide, also auch die Demokratie…
Der Hengsbach Vortrag ist 1973, passend zur Opus – Dei – Connection, im Adamas Verlag des Opus Dei in Köln erschienen. Es waren die Jahre, in denen Hengsbach sehr eng mit dem Kölner Kardinal Joseph Höffner zusammenarbeitete (S. 38), auch hinsichtlich der Gründung der konservativen theologischen Fachzeitschrift COMMUNIO (später das Lieblingsblatt des Joseph Ratzinger. )

10.
Der Kampf gegen die Befreiungstheologie, angeführt durch Bischof Hengsbach, sammelte sich dann in dem von ihm mit begründeten internationalen, extrem konservativen Studienkreises „Kirche und Befreiung“ im Jahr 1974. Von Bischof Franz Hengsbach ist das skandalöse Wort überliefert: „Die sogenannte Theologie der Befreiung führt ins Nichts. In ihrer Konsequenz liegt der Kommunismus…“ (KNA, 13.5.1977). Papst Johannes Paul II. glaubte an diese Einschätzung! ( Zum “Studienkreis Kirche und Befreiung”  und der führenden Rolle Bischof Hengsbachs dabei, siehe den Beitrag des kath. Theologen Norbert Greinacher “Wie es zum Konflikt um die Theologie der Befreiung kam”, in: „Konflikt um die Theologie der Befreiung“, Benziger Verlag 1985, Seite 51 – 61).

11.
Von diesem Hengsbach – Verein aus ergaben sich enge Verbindungen für den Essener Bischof mit hohen, ultra-reaktionären lateinamerikanischen Klerikern, wie etwa Erzbischof Alfonso Lopez Trujillo oder Bischof Dario Castrillon Hoyos. Kardinal Lopez Trujillo war einer der heftigsten Feinde gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen, er selbst war aber ständiger „Kunde“ von Strichern in Medellin wie später dann in Rom, das hat der Soziologe Frédéric Martel in seiner Studie„Sodom“ dokumentiert. Link

12.
Über den unerfreulichen Einfluss Hengsbach auf progressive katholische Kreise schreibt der progressive brasilianische Kardinal Aloisio Lorscheider in seinem Buch: „Lasst euer Licht leuchten“, erschienen in der edition ITP-Kompass, Münster: „Wir wussten, dass von Deutschland aus, vor allem von ADVENIAT, Druck gegen die Befreiungstheologie aufgebaut wurde. Das ging sogar so weit, dass der Erzbischof und spätere Kardinal Hengsbach aus Essen, dem Sitz von Adveniat, eine ganze Studienreihe mit diversen Büchern und Publikationen gegen die Befreiungstheologie organisierte. Einige Bischöfe Lateinamerikas standen auf seiner Seite. Es gab dann in Deutschland eine REGELRECHTE VERSCHWÖRUNGSWELLE, ausgehend von der Gruppe um Hengsbach. Sie verfügten über viel Geld…“

13.
Bischof Hengsbach, Chef eines Hilfswerkes für die Armen in Lateinamerika, Adveniat genannt, empfing 1974 die Ehrendoktorwürde der Opus Dei-Universität von Pamplona, Spanien. UND: Vom Diktator Hugo Banzer in Bolivien (August 1971 – Juli 1978) erhielt Bischof Hengsbach im Mai 1977 in Bolivien eine sehr hohe staatliche Auszeichnung. Bekanntlich war der deutsche Naziverbrecher Klaus Barbie ein Mitarbeiter von Banzer in Bolivien. Wusste Bischof Hengsbach von diesen Verbindungen “Banzer und die Nazis”?

Quellenangabe: Im Mai 1977 wurde Bischof Franz Hengsbach in Bolivien von Banzer, dem Diktator Boliviens, der höchste Verdienstorden “Condor der Anden” verliehen, berichtet der katholische Theooge Norbert Greinacher in seinem Buch “Die Kirche der Armen”, Piper Verlag 1980, S. 158f. Über die Verfolgung kritischer Christen unter der Diktatur Hugo Banzers in Bolivien hat Enrique Dussel in seiner Studie “Die Geschichte der Kirche in Lateinamerika” etliche Beispiele genannt  (Mainz 1989, S. 390). “Landarbeiter und und Kleinbauern werden im Tal von Cochabamba am 25. Januar 1973 niedergemetzelt”, erstes prominentes Opfer der Repression wurde Pater Mauricio Lefevre, Profesor der Nationaluniversität , er wurde am 23.Oktober 1971 ermordet. Der päpstliche Nuntius in Bolivien Giovanni Gravelli zur Zeit der Banzer – Diktatur betonte: “Die Beziehungen zwischen Kirche und Staat sind herzlich”…

Wann wird eine umfassende Studie von unabhängigen Historikern über “Bischof Hengsbach und ADVENIAT” erscheinen?

14.
Kardinal Hengsbach ist wohl der erste Kardinal, der als Missbrauchstäter gelten könnte, wie einige Medien sicher treffend schreiben.Aber das ist die Sensation: Ein Opus – Dei – Freund als Missbrauchstäter – wie wird das Opus Dei reagieren, die Lieblingsorganisation von Hengsbach?

15.
Franz Hengsbach, Bischof, Erzbischof, Kardinal, sehr einflussreicher Bischof in Deutschland und auch in Lateinamerika, ein Mann, der über viel Geld verfügte (im Rahmen des Hilfswerkes Adveniat), Freund der Päpste und Mitglied der katholischen Studentenverbindungen, Autor einer theologischen Dissertation mit dem Titel: „Das Wesen der Verkündigung – Eine homiletische Untersuchung auf paulinischer Grundlage“…
Dieser hohe Kleriker führte nun, nachgewiesen, ein Doppelleben. Wem war es bekannt? Wer hat ihn gedeckt und geschützt? Und warum wohl wurde er so protegiert in der konservativen katholischen Kirchenführung?

Fußnote 1:

Franz Hengsbach war von 1958 bis 1991 Bischof von Essen, zuvor war er seit 1953 Weihbischof in Paderborn. Er wurde 1910 geboren, gestorben ist er 1991.
In Essen wurde er in manchen frommen Kreisen fast wie ein Heiliger verehrt. Es gibt eine Statue von ihm am Essener Dom, Straßen und Plätze und kirchliche Zentren wurden nach ihm benannt.
„Ihr werdet meine Zeugen sein“, ist das Motto – ein Wort Jesu von Nazareth – aus neutestamentlichen Text „Apostelgeschichte”, das sich Hengsbach als sein Motto als Kardinal wählte. Jetzt treten endlich Zeugen öffentlich auf, die ihn anklagen. Jesus kommt später noch … (himmlisch?). Es gibt auch Zeugen für das alles andere als befreiende Engagement Hengsbachs für Lateinamerika — als Chef von Adveniat.

Fußnote 2:

In dem Buch “Kirche und Befreiung” (Pattloch Verlag, 1975), bemüht sich Bischof Hengsbach durch allerlei Zitate aus Konzilsdokumenten nachzuweisen: “Wer meint, im Namen Christi sich darauf beschränken zu können, die äußeren (gemeint sind die politisch-sozialen, CM) Verhältnisse zu ändern, tut sicherlich zu wenig, ja er tut etwas Falsches” (S. 26). Gemeint sind von Hengsbach die Befreiungstheologen in Lateinamerika, die sich angeblich vor allem um soziale und politische Veränderungen kümmern und angeblich nicht die “Innerlichkeit”, also die “innere Erlösung durch Christus” an erste Stelle setzen. Dass diese befreiungstheologischen Katholiken in Lateinamerika sich von rechtsextremen katholischen Militärs in Lateinamerika foltern und erschießen liessen, im Namen ihrer “Innerlichkeit”, ihres tiefen Glaubens, übersieht der reaktionäre Bischof Hengsbach natürlich…Dass es “Christenverfolgung in Lateinamerika” durch rechtsradikale katholische Militärs gab, war Bischof Hengbach als Chef des Lateinamerika – Hilfswerkes ADVENIAT offenbar unbekannt? … Vielleicht haben die dummen ideologischen Reflexionen Hengsbach zur Befreiungstheologie dann in Lateinamerika auch zu Verfolgung und den Mord an Befreiungschristen motiviert…

Dieser Text Hengsbach ist ein Stück üblicher, ideologischer und klassischer Innerlichkeitstheologie, der Text endet, wie sollte man sich wundern, mit einem lobenden Hinweis auf das Opus Dei und dessen Gründer, “Msgr Josémaria Escrivá ” (S. 28). Hengsbach meint, dieser Geheimclub leiste “einen Dienst an der Welt” (S. 28). Bloß welchen Dienst, für wen und in wessen Auftrag?

Wird Adveniat jemals die Kraft finden, von selbst, durch eine unabhängige Historiker – Kommission geleitet, die Verbindung Hengsbach – Opus – Dei und Kampf gegen die Befreiungstheologie bzw. die Basisgemeinden zu dokumentieren?

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

 

Die Welt-„Synode“ im Vatikan: Eine große Illusion… und Frustration!

Dieser Hinweis, verfasst von Christian Modehn, Berlin, Initiator des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin, wurde am 3. Oktober 2023 veröffentlicht.

Ein Hinweis von Christian Modehn vom 17.9.2023 zum gleichen Thema wird gekürzt unten zur Lektüre noch einmal angeboten.

Ein Foto der Klerus-Versammlung zur Eröffnung der “Synode”: LINK

Ein Motto von Thomas Piketty, Ökonom und Soziologe: “Jedes Regime neigt dazu, die Prinzipien, die ihm dienen, möglichst unreformierbar zu machen und jeden Versuch, sie in Frage zu stellen, als illegal zu brandmarken” (“Eine kurze Geschichte der Gleichheit”, München 2022, Seite 126).

1.
Über die „Katholische Weltsynode“ im Vatikan vom 4. bis 29. Oktober 2023 ist schon von kritischen Beobachtern alles gesagt: Die Synode gibt sich nur den Anschein einer demokratischen Veranstaltung, das meint doch der jetzt übliche Begriff von Synode. Presseleute und damit die Öffentlichkeit ist während der Debatten nicht zugelassen. Eine geheime Veranstaltung. Diese so genannte Synode ist ein Treffen des führenden Klerus aus aller Welt. Die Laien, zumal die Frauen, sind in der absoluten Minderheit. Vor allem: Die Beschlüsse der Synodalen sind nichts als Bittgesuche an den Papst. Er allein als Chef der absoluten Papst-Monarchie kann alle noch so guten Reformbeschlüsse verwerfen und ablehnen oder ad aeternum verschieben, so geschehen nach den richtigen Beschlüssen der so genannten „Amazonas-Synode“ 2019.

Zu den Debatten der Synode sind Journalisten ausgeschlossen,  die Mitglieder müssen sich zum Stillschweigen verpflichten? Diese Weltsynode im Oktober 2023 ist also eine Veranstaltung, die Angst vor der Öffentlichkeit hat, und das passt gut zu all den üblichen bekannten Verschleierungen und Vertuschungen des Klerus. LINK

Kann die katholische Kirche ernst genommen werden, wenn sie sich nun selbst etwas um demokratischen, synodalen Anschein bemüht und sowieso nach außen als Verteidigerin der Menschenrechte auftritt? LINK
2.
Das vom Klerus ständig wiederholte, aber vernünftig nicht nachvollziehbare Standardargument heißt: Man müsse bei allen Reform-Entscheidungen doch die ganze Weltkirche Kirche mit ihren 1,5 Milliarden Mitgliedern respektieren. So wird dieser Hinweis auf die  komplexe und multikulturelle Welt-Kirche zu einer Art Universalentschuldigung alle Reformbeschlüsse vom Tisch zu fegen.
3
Aber sind Katholiken in Sri Lanka oder Paraguay wirklich so empört, wenn Katholiken in Deutschland einen anderen Ausdruck des Glaubens leben wollen, … weil sie eben in Deutschland und nicht in Sri Lanka oder Paraguay leben und – ohne Wertung ! – einen anderen kulturellen Horizont hochschätzen auch in ihrem Glauben als Europäer des 21. Jahrhunderts? Warum muss der bekannte Hass auch der katholischen Bischöfe Ugandas auf Homosexuelle mehr Beachtung finden als der Wunsch europäischer Katholiken für Segnungen homosexueller Paare? Warum werden in Rom und von den Bischöfen reaktionäre Positionen immer höher bewertet und eifriger respektiert als progressive Vorschläge? Ein Jammer, über den weiter nachzudenken eigentlich verlorene Zeit ist. Aber Religionskritik der Vernunft am undemokratischen Katholizismus ist nun mal eine Art Sisyphusarbeit, der man sich aber bald entledigen sollte. Sollen die Kleriker doch machen was sie wollen… Der Philosoph Voltaire, alles andere als ein Atheist!, sagte bezogen auf das damalige Kirchensystem im 18. Jahrhundert vor der Revolution: „écrasez l infame“…Man vergesse nicht: Die Kirche ist nicht nur seit ca 15 Jahren durch die Freilegung sexuellen Missbrauchs durch Kleriker in einer tiefen Krise, sondern schon seit Jahrhunderten gibt es diesen sexuellen Missbrauch. LINK:
4.
Der Papst und die Seinen verwenden die Ideologie der “Einheit der Kirche“ nur, um alles beim alten zu lassen, also die Kleruskirche unverändert fortzusetzen inclusive der nicht mehr nachvollziehbaren, überhaupt nicht mehr glaub—würdigen Dogmen. Diese sind längst als politische bedingte Ideologien von einst enthüllt, wie das furchtbare Erbsündendogma, die absurde Trinitätsdogmatik, die Unfehlbarkeit des Papstes, die Unbefleckte Empfängnis, die Aufnahme Marias in den Himmel, die Lehre „außerhalb der römischen Kirche kein Heil usw. usw… Hinzukommt: Die nur noch floskelhafte, erstarrte und nicht mehr verständliche Sprache der Spätantike in den Messen bis heute… : „Der Herr sei mit euch“, „Himmel und Erde sind erfüllt von deiner Herrlichkeit“, Jesus wurde „gezeugt, nicht geschaffen“ so das Glaubensbekenntnis , oder: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt“ usw…)
5.
Dabei könnte der Papst aufgrund seiner als Dogma sogar formulierten Macht sofort, innerhalb weniger Minuten, das Zölibatsgesetz für die Priester aufheben, er könnte sofort die Segnung homosexueller Paare erlauben. (Nebenbei: Dabei wäre nur die Homo-Ehe und die Ehe-Zermonie in einer Kirche für homosexuelle Paare die eigentliche heute übliche Form. „Segnungen von Homo-Paaren“ steht auf einem Niveau wie die seit langem übliche Segnung von Tieren oder Autos oder Waffen…
6.
Weiter:
Der Papst könnte sofort das gemeinsame Abendmahl mit Protestanten gestatten.
Weiter: Der Papst könnte sofort Frauen wenigstens als Diakoninnen eine offizielle Funktion gestatten. Nichts spricht theologisch dagegen, dass Frauen auch römisch-katholische Priesterinnen werden können. Mit dem versteinerten und verkalkten Ausschluss von Frauen von allem „Heiligen“ in der Sicht der offiziellen Theologie werden Frauen tatsächlich zu Menschen zweiter Klasse, mit schlimmen Folgen: Man bedenke die Gewalt gegen Frauen in den katholischen Ländern Lateinamerikas, die Femizide auch in katholischen Ländern, die Maria als prächtige Himmelskönigin (Göttin?) hochpreisen, aber reale Frauen verachten und ihnen Funktionen des „Heiligen“ (Priesterinnen) verwehren. Diese Zusammenhänge sollte man endlich genauer untersuchen. Stichwort: Die Liebe zur imaginären Maria und der Hass auf Frauen in der Macho-Welt Lateinamerikas.
7.
Diese Themen sind im Vatikan tabu. Stattdessen wird viel Zeit und viele Energie und viel Geld (die Flugkosten ! bezahlen wahrscheinlich die spendefreudigen Laien) in endlose Debatten im Vatikan verschleudert, alles mit der hübschen, immer permanent beschwichtigend vorgetragenen Begründung: „Es ist doch wichtig, dass so viele Kleriker einander zuzuhören“, unverbindlich zuzuhören, natürlich. Als könnte man nicht einander auch unverbindlich zuhören über das Internet usw…
8.
Aber das Wichtigste ist: Diese groß aufgebauschte Synode (man freue sich schon auf die prächtigen Bilder all der prächtigen Herren Bischöfe und Kardinäle beim feierlichen Einzug in den Petersdom), diese Synode wird wohl vor allem von inner-katholischen theologischen Problemen sprechen.
9.
Nicht etwa wird über die wirklich absolut drängenden Fragen der Menschheit gesprochen: Etwa: Was können alle katholischen Bistümer und alle Ordenshäuser für die Abwendung der Klimakatastrophe sofort tun? Was tun sie für eine gerechtere Gesellschaft, für die Umverteilung des Reichtums und die mögliche Begrenzung des Eigentums der Milliardäre, was tun sie in ihrer gemeinsamen Kritik am westlichen Neoliberalismus und deren ökonomisch-politischen Herrscher? Was tun sie für die Ausbildung möglichst vieler Katholiken zu Aktivisten des Friedens weltweit. Es müßte also auch um eine globale kritische politische Analyse gehen. Und die Rolle der Kirche dabei: Die stinkend reichen katholischen Kirchen des Nordens und die armen Kirchen im Süden, sind diese Verhältnisse etwa vorbildlich?
10.
Aber nein: Die Herren Kleriker und der „Heilige Vater“ (was für ein Wort, „Einer ist heilig, nämlich Gott“, sagt kein Geringerer als Jesus) diese Herren der Kirche also debattieren mit einigen wenigen erwählten Laien über Kirchenreförmchen, die dann vom Papst sowieso nicht akzeptiert werden.
11.
Man sollte Psychologen fragen, warum es immer noch so viele Laien auch Deutschland gibt, die sich das alles antun, dieses Ja zur Unterlegenheit in einer Herrschaftskirche, in einer Kirche, die sich ja auf Jesus bezieht, obwohl der gar keine Kirche wollte und keine gründete. Aber dieser Jesus lehrte als Weisheitslehrer genau das Gegenteil von dem, was heute und seit 1.900 Jahren Praxis der römischen Kirche ist: Herrschaft, die sich jetzt etwas freundlich, ein ganz klein Bißchen liberal, etwas großzügig zeigt: Ist es nicht toll: 45 Laien als SynodenteilnehmerInnen bei ca. 320 Klerikern. Und auch diese 45 Laien mussten sicher geloben, nichts zu verraten, was die Herren in der so genannten Synode da so alles geheim beraten…
„Was für ein Zirkus“, schrieb mir gerade ein theologischer Freund aus Rom…

Ich habe ihm geantwortet: “Es gibt auch eine einfache, eine vernünftige nicht klerikale Form eines christlichen Glaubens. Kant hat da seine Vorschläge, die nach wie vor aktuell und hilfreich sind.  LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin. www.religionsphilosophischer-salon.de

………………………..

Der gekürzte Hinweis von Christian Modehn zum gleichen Thema vom 17.9.2023:

Ca. 1,5 Milliarden Menschen nennen sich Mitglieder dieser Kirche, etwa 99 Prozent von ihnen sind Frauen und Männer, also so genannte Laien, in der Klerus-Sprache „das gläubige Volk“… Der Papst hat – welche Sensation ! – etwa 45 Laien als stimmberechtigte Mitglieder dieser Synode ausgewählt, alle anderen sind als Kleriker eng und gehorsam und als Kleriker meist ängstlich mit dem Papst verbunden: Es sind 275 Bischöfe und 50 weitere männliche Kleriker… Von einer repräsentativen Veranstaltung kann also keine Rede sein, einer Synode, die wirklich die Mitgliederverhältnisse der Organisation katholische Kirche spiegelt…
Die anwesenden theologischen Expertinnen und Experten dürfen nicht abstimmen.

Auf die Ergebnislosigkeit und deswegen auch Sinnlosigkeit dieser so genannten „Synode“ weisen kompetente Theologen und Kirchenhistoriker jetzt vermehrt hin. Etwa Prof.Hubert Wolf, Kirchenhistoriker an der Uni Münster. In einem Interview, im katholischen Dom Radio zu Köln am 16.9. 2023 publiziert, sagte Prof. Wolf u.a.: „Behauptet wird jetzt, dass Laien und sogar Frauen bei der Weltbischofssynode etwas entscheiden können. Das ist vollkommen falsch. Tatsächlich können sie den absolutistischen Herrscher nur demütig bitten, irgendetwas zu ändern. Es gibt noch nicht mal eine Tagesordnung…. Papst Franziskus kommt nicht aus einer europäischen, synodalen Tradition. Sein ganzer Regierungsstil zeigt: Er hält sich nicht an Regeln.Das zeigt etwa der Fall Woelki, wo der Papst laut Kirchenrecht innerhalb von drei Monaten über das Rücktrittsgesuch des Kölner Kardinals hätte entscheiden müssen.“
So sollte man mit guten Gründen denken, die Weltsynode hätte gar keinen Sinn. Aber vielleicht sorgt der heilige Pater Pio für ein Wunder oder vielleicht die heiligen Seherkinder von Fatima? Prof. Wolf meint richtig und theologisch ernüchtert: „Es braucht weder einen Synodalen Weg noch eine Weltbischofssynode. Das wird ein weiterer Debattierclub ohne rechtliche Vollmachten. Die großen Streitpunkte sind aus historischer Sicht längst geklärt… Es gibt in der Tradition verheiratete Priester – lasst uns sie also wieder zulassen. Es gibt in der Tradition Diakoninnen – lasst uns also wieder welche weihen. Es gibt in der Tradition alternative Leitungsmodelle für Gemeinde – lasst sie uns also praktizieren.
Meine Befürchtung ist: Nach der Weltbischofssynode wird es wieder viele Enttäuschungen geben.“
Quelle: https://www.domradio.de/artikel/historiker-nennt-synode-debattierclub-ohne-vollmachten.

Auch in „Christ und Welt,“, der Beilage von „Die Zeit“, am 14.9. 2023, Seite 4, befasst sich der Historiker, Prof. em. Volker Reinhardt, Fribourg (CH), mit dieser so genannten Weltsynode:
„Der Papst tut so, als gehe es in dem Gremium um Mitbestimmung. Dabei ist es eine pseudodemokratische Illusion“. Prof. Reinhardt dokumentiert genau die ablehende Haltung von Papst Franziskus gegenüber dieser „Synode“: Den „synodalen Weg“ in Deutschland etwa nannte er eine neue Art von Pelagianismus, also eine Ketzerei…
Demokratische Mitbestimmung wird absolut abgelehnt im Vatikan. „Denn sie verstößt gegen die himmlisch garantierte Grundordnung der Kirche….Vor allem: Inhaber unbeschränkter Gewalt geben diese nicht freiwillig ab“, so Prof. Reinhardt in dem genannten Beitrag.

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon.de

 

 

 

Viel zu viele Kirchengebäude in Frankreich

Nun sorgt sich der Staat um die Zukunft der Gotteshäuser
Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
Nicht nur in Deutschland, vor allem im Osten, in den „neuen Bundesländern“, gibt es viele hundert (Dorf)Kirchen entweder in einem desolaten architektonischen Zustand oder in trauriger, ungenutzter Leere. Die Kirchenmitglieder sind eine Minderheit.

2.
In Frankreich beginnt jetzt der Staat, sich um viele selten genutzte, oft verfallene Kirchengebäude zu kümmern. Sie kosten den Kommunen einfach zu viel Geld, wenn nicht neue Konzepte realisiert werden.

3.
Das Thema hat in Frankreich einen anderen Charakter als in Deutschland: Gemäß den Gesetzen der Trennung von Kirchen und Staat aus dem Jahr 1905 ist der Staat für den äußeren Erhalt der Kirchengebäude verantwortlich, aber nur für solche, die bis zum Jahr 1905 errichtet wurden. Um die später errichteten Kirchengebäude haben sich die Kirchen allein zu sorgen.
Aber es sind natürlich viele hundert Kirchen, die vor 1905 errichtet wurden, und die von den Kirchengemeinden genutzt wurden oder noch genutzt werden: Dabei sind die Bistümer für die Pflege und den Erhalt der „inneren Strukturen“ ihrer Kirchen (Mobiliar, Sauberkeit, Farbgebung der Wände etc.) verantwortlich. Und die Katholiken können dem Gesetz entsprechend „ihre Kirchen“ für ihre religiösen Veranstaltungen nutzen, wie sie es und wann sie es wollen. Darauf hat der Staat keinen Einfluss, er muss nur für den äußeren Erhalt der Kirchenmauern sorgen. Und das ist manchmal voller Probleme: Weil die Kommunen wenig Geld haben, machen selbst die noch genutzten Kirchen von außen (und manchmal leider auch von Innen) einen verwahrlosten Eindruck.

4.
Genaue Statistiken gibt es nicht, wie viele Kirchengebäude es denn in Frankreich heute noch gibt, zumal solche, die vor dem Jahr 1905 errichtet wurden. Lediglich die Vereinigung „Observatoire du patrimonie religieux“ verfügt über Schätzungen, danach gehörten etwa 40.000 Kirchengebäude den staatlichen Gemeinden, 500 sind bereits wegen Baufälligkeit total geschlossen, etwa 2.500 bis 5.000 befinden sich in einem bedenklichen architektonischen Zustand…Dazu liegt eine interessante Foto – Dokumentation vor. LINK.  Über umgewandelte Kirchengebäude in ITALIEN fand schon 2016 in Basel eine interessante Azsstellung statt: LINK.

5.
Über die ungewisse Zukunft der vielen (ungenutzten) Kirchengebäude beraten nun französische Politiker: Sie wissen: Wenn sich nur noch 29 Prozent der Franzosen katholisch nennen und die Teilnahme an der Messe in vielen Regionen minimal ist, dann muss gefragt werden: Wie können diese Gebäude, wenn sie denn vor dem Verfall bewahrt werden sollen, zu einer neuen Verwendung kommen. Es geht also um die Zukunft des „patrimonie culturel“, des Kulturerbes, zum dem auch das „patrimonial cultuel“, das religiöse („kultische“) Erbe gehört.
Die Frage ist: Sollen diese Kirchengebäude also der bislang einzigartigen Verfügung der Bistümer und Pfarrgemeinden entnommen werden, „wo es doch eine quantitative Überdimensionierung“ der Kirchengebäude gibt, wie eine entsprechende Studie aus den Editions L Harmattan im Jahr 2006 schon feststellte?

6.
Es gibt auch in Frankreich schon die Praxis, Kirchen, wenn sie denn nicht gut erhalten sind, als Orte für Konzerte und andere Kulturveranstaltungen zu nutzen. Allerdings protestieren dagegen in letzter Zeit immer wieder extrem konservative Katholiken, sie stören diese Kulturveranstaltungen, etwa Orgelkonzerte, in Kirchen. Die politisch und theologisch rechtsextreme Bewegung CIVITAS hat sich entsprechend „betätigt“ und sogar den Abbruch eines Orgelkonzerts als Kulturveranstaltung durchgesetzt. Zur rechtsextremen katholischen Bewegung CIVITAS: LINK.

7.
Die Bischofskonferenz Frankreich will sich im September 2023 mit dem Thema befassen. Die entsprechenden offiziellen „Blockaden“ zu einer erweiterten Nutzung der Kirchengebäude waren noch 1990 üblich, aber sie sind nun wohl angesichts des Zustandes dieser Kirche insgesamt wohl verschwunden.

8.
Die (katholische) Kirchenleitung ist in Frankreich wie auch in Deutschland nicht imstande, neue Konzeptionen für eine dauerhafte lebendige Gestaltung der Kirchengebäude zu entwickeln und genehmigen: Warum können nicht Laien zu Verantwortlichen „ihrer“ Kirchen ernannt werden, zu Moderatoren, zu Inspiratoren, die dann auch in den ebenfalls oft leerstehenden „Pfarrhäusern“ mit ihren Familien oder Partnern wohnen: Das müssen ja nicht Theologen sein, auch Pädagogen, Schriftsteller auf der Suche nach einem „Zusatzjob“, pensionierte Lehrer usw… Sind solche Überlegungen immer nur von dem Argument „kein Geld vorhanden“ abhängig? Wo können und sollten die Kirchenbehörden sparen, um den Menschen in den Dörfern ein lebendiges kulturelles und religiöses Leben in ihren renovierten Kirchen zu ermöglichen? Und warum können diese Kirchengebäude nicht auch anderen Religionen übergeben werden, Protestanten, Juden, Buddhisten, islamischen Sufis oder auch säkularen Humanisten?

9.
Der Abriss alter (Dorf) Kirchen wird selbst von vielen säkularen Franzosen noch als Problem erlebt, weil dann in den (kleinen), entlegenen Dörfern sozusagen alles über das unmittelbare Wohnen Hinausweisende verschwindet: Schulen sind schon geschlossen, die Postämter auch, die Bäckerei auch, die Cafés ebenso. Die Bussverbindungen sind miserabel… Verschwinden nun auch noch die Kirchengebäude und vielleicht auch die Reste einer Kirchengemeinde(- gemeinschaft!), dann ist der esprit, die Aura, der Geist, der Dörfer gänzlich am Ende, sagen manche Dorfbewohner. Dann ist alles nur noch grauer, schwarzer Alltag.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Kardinal Gerhard Müller – ein reaktionärer Theologe.

Müller wurde von Papst Franziskus in die Synode, “Synodaler Prozess”, (Oktober 2023) berufen.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 12.7.2023.
1.
„Es ist eine Anmaßung, wenn europäische Staaten unter dem Druck der Gender-Ideologie oder der Homo-Lobbys anstelle der menschlichen Vernunft oder der göttlichen Offenbarung definieren wollen, was Ehe ist.“
Wer hat wohl diesen Satz geschrieben? Die polnischen Politiker der reaktionären PIS Partei? Oder der ungarische Präsident Orban? Oder gar Putin vereint mit seinem Patriarchen Kyrill von Moskau? Sie dürfen dreimal raten.
2.
Vielleicht fällt Ihnen die Entscheidung leichter, wenn Sie die anschließende Zeile aus demselben Buchbeitrag lesen: „Den unmündigen Kindern einzureden, sie könnten ihr Geschlecht wählen und damit könnte man Manipulationen an ihren inneren und äußeren Geschlechtsorganen legitimieren, ist ein verabscheuenswertes Verbrechen an ihrer Würde“.
Was vermuten Sie nun? Haben diesen Blödsinn Politiker der AFD geschrieben? Oder rechtsextreme Politiker und Scharfmacher in Frankreich, wie Monsieur Eric Zemmour und Co? Oder gar Herr Erdogan (Türkei) oder einer der führenden „Theologen“ der islamischen Welt etwa Irans? Eine nette internationale Gesellschaft von reaktionär – fundamentalistisch Gleichgesinnten.
3.
Also: Diese Worte, oben Zitate, hat einer der höchsten und wichtigsten katholischen Theologen und Lehrmeister geschrieben. Kardinal Gerhard Ludwig Müller veröffentlichte diese Polemik schon im Jahr 2017 (!), damals war er oberster Chef der katholischen Glaubenslehre in Rom: Sein Freund Joseph Ratzinger hatte Müller als Bischof von Regensburg im Jahr 2012 nach Rom geholt und ihn zum obersten Chef der wichtigen Glaubenskongregation ernannt. Zugleich war Müller (vormals auch Theologieprofessor für Dogmatik an der staatlichen Universität in München) in Rom dann führend in der päpstlichen Bibelkommission tätig und der Internationalen Theologenkommission. Ein in jeder Hinsicht also der strammen römischen Theologie folgender Funktionär. Und der zeigt sein reaktionär theologisch-ideologisches Profil auch manchmal eher versteckt in seinem umfangreichen Buch mit dem Titel „Der Papst“, erschienen im Herder Verlag, dort stehen die Zitate auf Seite 403.
4.
Es kommt noch schlimmer: Wie der polnische Papst Johannes Paul II. hat auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller (geb. 1947) sehr grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der westlichen pluralistischen Demokratie: „Eine pluralistische Gesellschaft ist ein Experiment und es bedarf noch des Erfahrungsbeweises, dass sie glücken kann“ (S. 403). Besser (erfolgreicher, für wen?) als ein weltanschaulicher und religiöser Pluralismus ist im Denken des führenden katholischen Theologen Müller offenbar eher die alte, mittelalterliche Staatsreligion, die bekanntlich nur unter Diktatoren, wie Franco in Spanien oder Trujillo in der Dominikanischen Republik herrschte, blutig herrschte, gegen allen Respekt für die Menschenrechte. Also, was sagt der oberste katholische Lehrer Müller: „Eine verordnete Weltanschauung als Klammer, etwa im Laizismus oder Staatsatheismus, die (als Klammer) nichts anderes ist die Aufhebung der Religionsfreiheit, birgt schlimmere Risiken in sich als eine von oben verordnete Staatsreligion“ (S. 404). Wir brauchen also in Europa anstelle des demokratischen Pluralismus wieder eine Staatsreligion!
Von Müllers Deutung des Laizismus, meint er die laicité à la francaise, das ist etwas anderes, die nun ausgerechnet die Religionsfreiheit aufheben soll, wollen wir schweigen. Laicité ermöglicht doch gerade die Vielfalt und Gleichberechtigung der verschiedenen Konfessionen in einem Land…. In arabischen, muslimischen Ländern, aber auch in so genannten orthodoxen Staaten wie Russland, Georgien, Serbien etc. besteht die Staatsreligion faktisch schon wieder. Man kann dort beobachten, wie da die Menschenrechte verachtet werden. Solchen Wahn also propagiert ungeniert und kaum wahrgenommen einer der höchsten Lehrer der katholischen Theologie, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Nicht nur seine Freundin, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis in Regensburg, auch das große reaktionäre katholische Umfeld (bis in die USA) weltweit werden applaudieren.
5.
Warum dieser Hinweis auf einen der maßgeblichen katholisch-reaktionären Theologen und Kardinal Müller, der (geboren am 31.12.1947) immerhin noch am nächsten Konklave teilnehmen wird? Er hat einen internationalen Kreis von Freunden und finanzstarken Unterstützern auf seiner Seite. Wer den Katholizismus heute verstehen will, muss die Macht der Reaktionären und Konservativen kennen.
6.
Papst Franziskus ist der öffentliche Gegner (Feind?) von Kardinal Müller. Die Arbeit von Papst Franziskus hat er aufs schärfste öffentlich kritisiert, während der Corona-Pandemie hat er Verschwörungstheorien verbreitet usw. Aber es ist schon komisch: Papst Franziskus hat diesen öffentlichen Papst-Kritiker zwar als Chef der Glaubensbehörde 2017 abgesetzt, ihn aber dann 2021 zum Mitglied des höchsten kirchlichen Gerichts (der „Apostolischen Signatur) ernannt.
7.
Und nun hat Papst Franziskus persönlich Kardinal Müller auch noch als Mitglied in die große römische Synode (vom 4. bis 29. Oktober 2023) berufen. Es wird das Geheimnis des hin und her jonglieren Papstes Franziskus bleiben, warum er ausgerechnet diesen theologisch sozusagen rechtsaußen angesiedelten Theologen Kardinal Müller in dieses wichtige Gremium berufen hat. Will der Papst demonstrieren, wie liberal und großzügig er ist, dass er selbst einen seiner ärgsten Feinde in eine Synode ruft? Hofft der Papst, dass Müller in der Synode so richtig aufläuft und seine umstrittenen Thesen zur Demokratie, zu Kirchenreform usw. vorträgt und möglicherweise vieles blockiert? Hat der Papst Angst vor den reaktionären Klerikern im Vatikan, die wie Müller gegen ihn agieren, will er sie auf diese Weise besänftigen? Alles das ist bis jetzt Spekulation.
8.
Warum befasst sich der Religionsphilosophische Salon Berlin mit diesem Thema, mit dieser merkwürdigen reaktionären Gestalt Müller? Weil solche Leute nun einmal die katholische Kirche geprägt haben als Chefs oberster päpstlicher Behörden und bis heute prägen mit ihrem großen reaktionären Netzwerk. Nur wenn es wirklich einige Leute gibt, die diesen Katholizismus von außen ohne Vorbehalte und dogmatische “Bremsen” studieren, wird das wahre Gesicht der Papstkirche deutlich.

Diese Kirche wird immer Papstkirche bleiben, weil alle Führer dieser Kirche – zumindest nach außen bekennen: Gott selbst, höchstpersönlich, hat diese römische Kirche, so wie ist, gegründet und gewollt, also als Kleruskirche mit einem allmächtigen, unfehlbaren Papst und Wahlmonarchen des „Heiligen Stuhls“ an der Spitze. Daran rüttelt niemand in der Hierarchie, auch keine Synode im Oktober 2023 kann das verändern. Darum ist dieser Aufwand interessant, aber im letzten kann er nur ergebnislos bleiben.

Aber gerade die Überwindung der Papstkirche wäre heilsam und hilfreich – auch angesichts der „Austrittszahlen“ in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Hollands, Frankreichs, Spanien usw… Diese Katholiken verlassen doch wegen eines veralteten starren Glaubenssystem diese Kirche!
9.
Parallel zur Berufung des reaktionären Kardinals Müller wurde berichtet, dass der Papst auch einen italienischen Laien, einen „Linksextremen“ wie die katholische Presse schreibt, in die Synode berufen hat: Er ist ein Aktivist der Menschenrechte und „Seenotretter“: Der einst für die linksradikale Partei „Sinistra Italiana” kandidierte: Der 56jährige Luca Casarini (einst Hausbesetzer) gehört zur Gruppe der vom Papst bestimmten „Sonderdelegierten“ („delegati speciali“) an. Er hat das Recht auf der Synode zu sprechen. Abstimmen und mitentscheiden darf er nicht, das darf hingegen seine Eminenz Gerhard Kardinal Müller. Er ist ja Kleriker, sozusagen deswegen a priori ein wertvollerer Katholik….
10.
Über Kardinal Müller und seine Lobeshymne auf das Papsttum hat der Religionsphilosophische Salon schon einmal berichtet, auch über dessen „Freundschaft“ mit dem peruanischen Befreiungstheologen Gustavo Gutierrez: Und der musste sich vor der Allmacht des damaligen reaktionären Kardinals von Lima, Juan Luis Cipriani (nach eigener Aussage Mitglied des Opus Dei) in den Dominikanerorden retten…LINK

11.

Kardinal Müllers Position (zu Gender-ideologie, Homoehe etc.) wird selbstverständlich auch vom Nuntius des heiligen Stuhls in Deutschland, Erzbischof Nicola Etcovic, geteilt: In Aachen sagte der Nuntius  im Juni 2023: “Es gibt aber auch eine Ökologie des Menschen, wie Papst Franziskus im Anschluss an Papst Benedikt XVI. sagt, „denn auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. … Ebenso ist die Wertschätzung des eigenen Körpers in seiner Weiblichkeit oder Männlichkeit notwendig, um in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht sich selbst zu erkennen. Auf diese Weise ist es möglich, freudig die besondere Gabe des anderen oder der anderen als Werk Gottes des Schöpfers anzunehmen und sich gegenseitig zu bereichern. Eben deswegen ist die Einstellung dessen nicht gesund, der den Anspruch erhebt, den Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen, weil er sich nicht mehr damit auseinanderzusetzen versteht“ (LS 155).

Siehe auch:

Das katholische LSB+ Komitee kritisiert die Predigt des Kurienbischofs sowie Nuntius Nikola Etrovic bei der Heiligtumsfahrt in Aachen.  Juni 2023.

Autor: Luca Bruni

Das LSB+ Komitee ist ein christlich geprägtes Arbeitsbündnis, bestehend aus verschiedenen LSB+ Gruppen, welches sich geschlossen für die Gleichberechtigung sowie Gleichbehandlung von LSB+ Personen in der römisch-katholischen Kirche einsetzt. Es ist zusätzlich Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft katholischer Organisationen Deutschlands (AGKOD). Nun äußerte es scharfe Kritik an der Predigt des Nuntius und Kurienbischofs Nikola Etrovic auf der Aachener Heiligtumsfahrt. Etrovic reprudizierte homo- sowie transfeindliche lehramtliche Aussagen, beharrte auf Heteronormativität, diskreditierte geschlechtliche Vielfallt sowie mögliche Strukturreformen in der katholischen Kirche. Der Co-Sprecher des Komitees, Markus Gutfleisch äußerte diesbezüglich: „Die Predigt des Bischofs enthält für queere Menschen keine Worte des Glaubens, der Hoff­nung und der Liebe. Das Katholische LSBT+ Komitee ist entsetzt, dass die katholische Kirche er­neut in gefährliche Nähe zu rechtspopulistischen Kräften gerät, die geschlechtliche Vielfalt als An­griff auf die Familie konstruieren anstatt unterschiedliche Lebens- und Beziehungsformen an­zuerkennen. Lehre und Predigten der Kirche missachten trans*, inter* und nichtbinäre Menschen gewaltig.“. Auch Veronika Gräwe, ebenfalls Co-Sprecherin erklärt zudem: „Es ist nicht neu, dass Eterovic die im Synodalen Weg der katholischen Kirche Deutschlands be­schlossenen Reformen kritisiert. Wir hingegen ermutigen die deutschen Bischöfe und das Zentral­komitee der deutschen Katholiken, die Handlungstexte zu „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“ und zum „Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt“ zügig umzusetzen, damit die Kirche wenigstens ein bisschen Hoffnungsort für queere Menschen werden kann.“.

 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Kardinal Rainer Maria Woelki: Sein theologisches Profil.

“WIR sind Zeugen“: Das Motto von Kardinal Woelki!

Ein Hinweis von Christian Modehn, zuerst publiziert am 6.2.2021. Erneut am 29.6.2023.
Aus aktuellem Anlass, Ende Juni 2023.

Es ist jetzt wichtig, an das theologische Selbstverständnis des Priesters und Erz-Bischofs Kardinal Rainer Maria Woelki zu erinnern: Denn sein Agieren in der Verschleierung von sexuellem Missbrauch durch Priester im Erzbistum Köln hat viele tausend Kölner Katholiken zum Austritt aus der Kirche bewogen. Dass Bischöfe durch ihr Verhalten die Gläubigen aus der Kirche vertreiben, ist historisch vielfach belegt, etwa in Frankreich im 18.Jahrhundert, in den Jahrzehnten vor der Revolution.

Der “Fall Woelki” weist also über die aktuellen Debatten hinaus zu der Frage: Wie stark vertreibt die Macht des Klerus in der katholischen Kirche die Gläubigen?

In seiner Doktorarbeit „Die Pfarrei“ an der Santa Croce Universität des Opus Dei in Rom nennt Woelki ein entscheidendes Kapitel: “Das Amt als Repräsentation Christi” bzw. im Unterkapitel “Die sakramentale Vergegenwärtigung Christi durch den Kleriker”.
Woelki glaubt, und das ist auch offizielle Lehre: Im zölibatären Kleriker, auch in ihm, Herrn Woelki, ist Jesus Christus sakramental (zeichenhaft) gegenwärtig.
Welche Konsequenzen hat diese Theologie für den eigenen Lebensstil?

Ein möglicher Meineid passt jedenfalls nicht so gut zur „Sakramenten Vergegenwärtigung Christi durch den Kleriker“. Unter 3.2.3. schreibt Woelki in seiner Doktorarbeit an der Opus-Dei-Universität: „So repräsentiert der Bischof Christus in seiner und für seine Teilkirche“. Die theologische Frage ist: Wie stark leidet dieser Christus unter den gegenwärtigen „Kölner-Kardinals- Verhältnissen“? LINK

1.
Kardinal Rainer Maria Woelki hat sich, wie üblich bei Kardinälen und Bischöfen, den Wahlspruch gewählt: „Nos sumus testes – „Wir sind Zeugen“ (ein Zitat aus der „Apostelgeschichte“, 5. Kapitel, 32. Vers). Wobei das lateinische „nos“, also das Wir, eigentlich überflüssig ist bei dem „sumus“, das ja schon „wir sind“ aussagt. Das Wir, gemeint ist freilich das Ich, wird also noch einmal überbetont in dem Sinne: „Wir und nur wir, sind Zeugen (der Jesu Auferstehung). Ein egozentrischer Wahlspruch, könnte man meinen….
2.
Diesen Wahlspruch, so könnte man jetzt etwas ironisch meinen, hat sich Woelki sehr weise ausgesucht, offenbar voller Vor – Ahnungen für seine bevorstehenden juristischen Auseinandersetzungen. Da geht es bekanntlich darum, was denn Woelki als „Zeuge“ des sexuellen Missbrauchs seiner Priester so alles gesehen, erlebt, bzw. vertuscht hat.
3.
Übrigens wurde Woelki von Papst Benedikt XVI. ins Kardinalskollegium berufen. Dafür hat wohl Woelkis enger Freund Kardinal Meisner (Köln) bei seinem Freund Ratzinger sorgen können….
4.
Hinweis auf einige Publikationen von Christian Modehn:

Kurz nach der Ernennung Woelkis zum Erzbischof in Berlin:
„Mit Erzbischof Woelki ins Getto“ heißt der Beitrag vom 9. September 2011, LINK 
(Woelki war Erzbischof bzw. Kardinal in Berlin von September 2011 bis zum 7.9.2014. Danach in Köln als Nachfolger seines Gönners Kardinal Meisner.

Am 9.7.2012 veröffentlichte Christian Modehn einen ausführlicheren und besonders wichtigen Hinweis, der sich vor allem mit der theologischen Doktorarbeit Woelkis an der Opus-Dei-Universität Santa Croce in Rom befassen. LINK. Es ist interessant, dass die offizielle Pressemitteilung des Presseamtes des Erzbistum Berlin Woelkis Doktorarbeit an der Opus Die Universität in Rom nicht erwähnt. Diese Doktorarbeit war wohl schon peinlich geworden und wurde besser verschwiegen. LINK

Über „Woelki und das Ende der Ökumene“, LINK, vom 7.10.2017

„Wie reaktionär ist Woelkis Theologie?“ LINK, vom 16.9.2019

-Im „Fall“ des katholischen Theologen Prof. Ansgar Wucherpfennig SJ hatte sich Woelki eingeschaltet, dieser Eingriff zeigte, was der Kardinal unter freier theologischer Forschung versteht. LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Die „Trinität“ (Dreifaltigkeit Gottes) als Dogma abschaffen.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 26.6.2023

1.
Für die Frage nach Gott oder dem Göttlichen oder dem Ewigen oder dem „alles tragenden Lebenssinn“ interessieren sich noch viele Menschen.
Als zusätzliches Problem erscheint für die meisten die Frage nach der göttlichen Dreifaltigkeit, der Trinität. Dabei gilt dieses Dogma innerhalb der Kirchenleitungen als etwas „unterscheidend Christliches“, also in den herrschenden, sich „orthodox, rechtgläubig“ nennenden Kirchen, wie bei den Römischen Katholiken, den Orthodoxen, den Lutheranern, den Reformierten (Calvinisten etc.). Der folgende Beitrag zeigt, dass spirituelles Leben im Sinne Jesu von Nazareth selbstverständlich ohne das Trinitäts – Dogma sehr gut möglich ist.

2.
Der internationale geschätzte (Konzils-) Theologe Karl Rahner SJ schrieb 1973 in seinem Lexikonbeitrag „Trinitätstheologie (Herders Theologisches Taschenlexikon, Band 7, S. 353): „ Es muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Lehre von der Trinität im konkreten Leben der Christen und in der Predigt, wenn überhaupt, dann nur eine sehr bescheidene Rolle spielt“.
Einen Grund für diese diese treffend beschriebene Tatsache nennt Rahner leider nicht. Die Wahrheit ist: Die Trinitätslehre, das Dogma, ist so „äußerst hochkomplex“, so sehr und so heftig eingebunden in eine metaphysische Sprachwelt des 4. Jahrhunderts n.Chr., dass sie, von wenigen Spezialisten abgesehen, heute niemand mehr versteht. In dem genannten Taschenlexikon – für weite Kreise bestimmt – braucht Rahner immerhin 13 Seiten, um das schwierigste aller theologischen Themen zu erklären. Wer diesen Rahner – Text verstanden hat, also in heute nachvollziehbaren Worten wiedergeben kann, möge sich bei mir melden.

3.
Wie unter Theologen üblich, wird von Rahner nicht erwähnt, wie stark die imperiale kaiserliche Macht damals interessiert war, Jesus von Nazareth als göttlichen Pantokrator auszugeben, und zwar aus dem einfachen Grund: Die Kaiser wollten sich als Nachfolger dieses göttlichen Christus – Pantokrator absolut aufwerten. Solches Ausblenden politisch – ideologischer Zusammenhänge beim Entstehen von Dogmen ist typisch für eine breite Tradition katholischer Theologie in Europa. Deswegen ist sie auch so irrelevant.

4.
Rahner selbst gibt zu, dass die Trinität, so wörtlich, „ein absolutes Geheimnis“ ist, das auch „nach seiner Offenbarung nicht rational durchschaubar ist“ (ebd. S. 342). Die Trinität ist also nicht nur nicht rational durchschaubar, das wäre schon viel verlangt, sie ist als solche nicht einmal als Faktum rational erreichbar. Also ein „absolutes Geheimnis“.
Wer also dem Trinitätsdogma glaubend folgt, verzichtet bewusst auf jegliche Relevanz seines eigenen Geistes, seiner eigenen Vernunft. Diese Haltung, die zu dummem Schweigen führt, kann kein vernünftiger Mensch noch menschlich nennen. Menschen auf rational total bzw. absolut (!) Geheimnisvolles festzulegen, ist einzig Sache der so genannten Sekten, nicht aber der Menschen, die irgendwie den Lebensweg Jesu von Nazareth noch inspirierend finden und die Gottesfrage gerade mit ihrer Vernunft „klären“ wollen.

5.
Nur eine „Kostprobe“ zu trinitarischen Formeln, sehr dicht an dem offiziellen, bis heute in Messen etc. gesprochenen Glaubensbekenntnis:
Es handelt sich demnach bei der Trinität um eine transzendente, himmlische real existierende Idee: Es ist der eine Gott mit einem Wesen und drei Hypotasen („Personen“) im „Himmel“. Gott selbst ist als erste „Person“ der Vater; die zweite Hypotase („Person“) trägt den Namen Christus. Er wurde „vor aller Zeit gezeugt“ (ohne Anwesenheit von Frauen, dann aber irgendwie auch himmlisch „geboren“). Dieser Christus hat zwei Naturen, eine göttliche und eine menschliche. Aber immerhin ist diese Hypotase so wirkungsvoll, dass aus ihm wie auch aus dem Vater der heilige Geist „ausgeht“ (im Sinne eines „Hervorgangs“, sagt die offizielle Deutung, was immer das bedeuten mag, CM). Die orthodoxen Kirchen des Osten behaupten nun, dass der heilige Geist nur aus dem Vater ausgeht! Wegen dieser „verknallten Spekulation“ kam es letztlich auch zum Bruch zwischen West – Kirche und Ost – Kirche … bis heute. Dieser heilige Geist wird in der christlichen Ikonographie als Taube dargestellt, (nebenbei: ob als „Ringeltaube“ ist umstritten, hübsch wäre auch die „Rotschwanz-Fruchttaube“, CM). Wer noch eine Nuance Rahners mag, etwa zur Zahl „drei“ innerhalb der Trinität: „Vater, Sohn und Geist können in Gott `drei` gezählt werden, wobei man sich allerdings dessen bewusst sein muss, dass man das zusammenzählt, was als reiner Unterschied im numerischen Einen der Wesenheit nicht unter einen Begriff einer Menge von Gleichartigem gebracht werden kann und darf“ ( ebd. S 351).

6.
Nun hat die zweite Person der himmlischen Trinität, der Sohn bzw. der Logos, einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt die intern göttliche Welt verlassen und hat „Fleisch angenommen“, wie es offiziell heißt, in der Person Jesus von Nazareth, der von ca 1 nach unserer Zeitrechnung bis ca. 35 lebte. Zu dieser Zeit muss als in der himmlischen Trinität die zweite Person (der „Sohn“) gefehlt haben. Es gab also einmal – in diesem Denken – einmal einige nicht – trinitarische „Momente“ innerhalb der himmlischen Trinität: Dies nur als kleine Kostprobe zu den Fragen, die sich spekulativ ergeben… Und die ganze klassische Dreifaltigkeitstheologie fragwürdig erscheinen lassen.

7.
Die Trinitätslehre aus dem 4.Jh. (man hat darüber gerätselt und debattiert und publiziert mindestens bis zum Konzil von Florenz 1439) ist, vornehm ausgedrückt, heute eine überflüssige Alt-Last, weniger vornehm: ein störender Klumpen, ein Ballast, den es nun endlich beiseite zu legen gilt … als Akt der Befreiung.

8.
Die „Trinität“ ist für uns also nicht mehr als ein uraltes, jetzt nur noch für Historiker interessantes Bild, so, wie die religiöse Rede von Engeln im Christentum nichts als ein hübsches, aber letztlich überflüssiges Bild ist. Die außer – christliche Esoterik interessiert sich leidenschaftlich für die Engel, Pater Anselm Grün, der viel – schreibende Benediktiner, auch… Auch der Mythos von der Erbsünde ist nichts als ein Bild, aber kein Dogma mehr, sagen vernünftige Theologinnen heute. Dasselbe gilt für die Rede von der „unbefleckten Jungfrau Maria“.

9.
Dass damit ein Diskussionsfeld eröffnet wird, in dem die Konservativen, die Reaktionären und Traditionalisten alle ihre angeblich scharfen Argumente noch einmal gegen angeblich „böse Irrlehrer“ vorführen, ist klar. Die sich „rechtgläubig“ nennenden Kirchen (also römische Katholiken, Orthodoxe aller Couleur, Lutheraner, Calvinisten …) haben im Laufe ihrer Herrschaftsgeschichte bewiesen, wie sie mit dogmatischen Erneuern und Reformatoren gerade hinsichtlich der „Trinität“ umgehen: Der Theologe Michel Servet (bekannt und geschätzt durch sein Werk „De trinitatis erroribus“, 1531) wurde vom Reformator Calvin am 26. Oktober 1553 öffentlich in Genf (!) verbrannt. Die Theologen Sozzini (etwa Fausto Sozzini 1539-1604) als argumentierende und hoch gebildete Anti-Trinitarier und ihre kleine mutige Gemeinschaft der „Polnischen Brüder“ wurden verfolgt usw. An die Vorbehalte des großen Theologen Erasmus gegen die Trinitäts – Lehre müsste erinnert werden oder auch an die heute noch bestehende freisinnige christliche Kirche der Remonstranten. Ihr offenes Glaubensbekenntnis von 2006 versucht die göttliche Wirklichkeit jenseits trinitarischer Formeln auszusagen, ein einmaliger Vorgang in einer christlichen Kirche heute. LINK.

10.
Seit einigen Jahren haben sogar wenige katholische Theologen den Mut, ihre Zweifel an der offiziellen „Trinitätslehre“ öffentlich zu äußern. Ich denke da vor allem an Professor Edward Schillebeeckx, der lange Jahre als Theologe an der Universität Nijmegen lehrte. In dem Interview-Buch „Edward Schillebeeckx im Gespräch“ (Luzern 1994, Edition Exodus) sagt Schillebeeckx klar und deutlich: „Ich bin im Hinblick auf eine Trinitätstheologie fast ein Agnostiker“ (S. 107). Zuvor hat er in wenigen Sätzen erklärt, was ihn zu dieser Erkenntnis geführt hat: „Im Glaubensbekenntnis geht es nicht um die drei göttlichen Personen…Ich glaube an den heiligen Geist, der für mich allerdings ein großes Problem darstellt. In der Bibel ist der heilige Geist ein Geschenk, nicht eine dritte Person: Er ist die Seinsweise Gottes selbst, der sich den Menschen als Geschenk gibt“ (S. 106).

11.
Damit bietet Schlillebeeckx entscheidende Hinweise: Gott selbst ist, wenn man schon sprachlich sich auf ihn bezieht, nur als Geist denkbar, auch nicht als „Person“ im landläufigen Sinne, schon gar nicht als Materie, als Klotz, als Stein oder was… Sondern als ewiger Geist, und weil Geist, eben auch lebendig- tätig- schöpferisch. Auch Geist kann im populären Verständnis von „Geistern“ etc. falsche Assoziationen wecken… Auch „Geist“ als Beschreibung des Ewigen, Göttlichen, ist also sehr differenziert zu verstehen.

12.
Zunächst folgen wir der Spur, die zu einem neuem Verständnis des „heiligen Geistes“ führt, der nicht als göttliche „Person“ verstanden werden sollte.
Unser Ausgangspunkt ist die menschliche Selbsterfahrung des Geistes: Im menschlichen Geist als Vernunft, als Emotion, zusammengefasst als „Seele“, gestalten wir unser menschliches humanes Leben, mit allen seinen vielfältigen Produktionen des Geistes und der Vernunft, mit seinen ständigen Reflexionen und Entscheidungen, auch zwischen Böse und Gut, um es klassisch moral-philosophisch zu sagen.
Es unser Geist, der seine Lebendigkeit zeigt. Aber was soll dann noch ein heiliger Geist, offenbar ein zusätzlicher Geist in uns? Wann und wo und wie wirkt denn dieser zweite Geist in uns? Etwa nur, wenn es sich um explizit religiöse und spirituelle Fragen handelt?
Aber kann der allgemeine, der menschliche Geist nicht von sich aus auch in der Auseinandersetzung mit Lebensfragen, in der Begegnung mit Kunst usw. Spuren der Transzendenz und des Göttlichen entdecken? Lehrt nicht sogar die katholische Kirche im Ersten Vatikanischen Konzil schon, dass der „natürliche“, also der allgemeine menschliche Geist Gott erkennen kann? Wozu dann noch diese behauptete doppelte Geist – Struktur in der einen geistigen Selbsterfahrung des Menschen? Kann der menschliche Geist nicht von sich auch Erstaunliches, wunderbar Genanntes, erleben?

13.
Die Rede von einem zusätzlichen, zweiten Geist, einem heiligen Geist, im Menschen ist also überflüssig.
Aber was bedeutet dann die literarische Erzählung im Neuen Testament von der Begeisterung der ersten kleinen Gemeinde, die behauptet, zu „Pfingsten“ mit dem heiligen Geist beschenkt worden zu sein? Unsere Antwort: Diese ersten Christen fühlten sich durch ihren eigenen Geist ermutigt, als kleine Gemeinschaft weiter zu leben und ihren Glauben weiter zu gestalten: Diese allgemein menschliche Einsicht, Reflexion und Entscheidung, deuteten sie bei dem damals religiös-kulturell üblichen Enthusiasmus als besondere Gabe Gottes, als besonderen, gegenüber dem eigenen Geist noch zusätzlich gegeben göttlichen, heiligen Geist. Diese Deutung von „Pfingsten“ durch die ersten Christen ist also kulturell bedingte Deutung anzusehen.
Diese ersten Christen hatten wie alle anderen Menschen ihren Geist, ihre Vernunft, ihre Emotionen usw. Und dieser Geist der Menschen ist – theologisch gesehen – der Geist, den der unendliche „Schöpfer“ der Evolution der Welt und der Menschen den Menschen erschaffen hat. Es ist also der von Gott geschaffene Geist (Vernunft) im Menschen, der auch zu religiösen Erkenntnissen führt. Einen zweiten, im Menschen irgendwie und irgendwann wunderbar wirkenden zusätzlichen göttlichen Geist braucht die Menschheit nicht. Denn der menschliche Geist (Vernunft) als Gottes Schöpfung ist heilig.

14.
Mit dieser Skizze wird deutlich: Der so genannte heilige Geist ist eine vom Überschwang bestimmte Konstruktion. Der heilige Geist ist also keine Person einer göttlichen Trinität: Denn Gott selbst ist schöpferischer Geist, der seinen Geist der evolutiven Welt (und den Menschen) mit – teilt…Es gilt also „Gott als den Ewigen als absolute Einheit zu denken“ (vgl. Kurt Flasch, „Christentum und Aufklärung“, Frankfurt/Mn., 2020, S 354)

15.
Es bleibt die Frage, wie denn Jesus von Nazareth als Logos in die „Trinität“ als die „zweite Person“ hineingesetzt werden konnte. Dazu hat der katholische Theologe Prof. em. Hermann Häring (Tübingen) in PUBLIK-FORUM( Heft 10/2023, S. 36 f.) einige Hinweise gegeben unter dem Titel „Die kirchliche Trinitätslehre ist überholt“. Häring schreibt: „Jesus hat sich nie als Teil einer Trinität verstanden, der ihm zugeschriebene Titel Sohn Gottes ist meilenweit entfernt von der zweiten innergöttlichen Person… Unser Bruder Jesus ist zum Träger von Gott gegebener Weisheit geworden. Dazu braucht es keine Dreifaltigkeit“ (S. 36). Im leider ziemlich knappen Beitrag betont Häring treffend: „Man habe in der Kirche diesen Trinitätsglauben aus kindlichem Glaubensgehorsam bewahrt“ (S. 37). Und er schlägt wie auch der Autor dieses Hinweises „eine Generalrevision unserer Glaubenskonstrukte“ vor (ebd.)

16.
Man muss den genannten Spuren folgen und „Jesus von Nazareth“ endlich wieder als Menschen sehen, als „unseren Bruder“, bezeichnen und als solchen auch religiös respektieren. Jesus von Nazareth ist einer von uns Menschen. Er zeigt in seinem Leben, dass er wie die Menschen überhaupt mit kreativem menschlichen Geist, als der Gabe des schöpferischen Gottes, ausgestattet, „beschenkt“, ist. Mit anderen Worten: Jesus von Nazareth zeigt, dass alle Menschen als Geschöpfe Gottes gemeinsam gleichberechtigte Brüder und Schwestern sind, im Bild gesprochen des einen „schöpferischen Vaters“…Es ist also die eine geistvolle Menschheit gemeint, die sich auch in Kirchen sammeln kann, um diese Erinnerung an den einen „Vater“ aller aktuell, auch politisch, aber auch meditativ lebendig zu gestalten.

17.
Aus der „Trinität“ ist also nicht nur der „heilige Geist“ als Person bzw. als Taube befreit. Aus der Trinität ist auch Jesus von Nazareth befreit. Was bleibt? Der eine ewige Gott, den viele als den geistvollen Schöpfer der evolutiven Welt und der Menschen ansehen und verehren, mit religiösen Menschen anderer Religionen…

18.
Aber auch bei diesem Bild, das sinnvoller und geistvoller,„vernünftiger“ und biblischer ist als das Bild „Trinität“, bleiben Fragen: In der Mystik und bei wenigen zeitgenössischen Theologen wird das Bild Trinität oder das Bild des einen schöpferischen Gottes noch einmal weiterentwickelt bzw. überwunden. Denn das Bild des einen schöpferischen Gottes lässt viele Probleme offen: Der schöpferische Gott hat den Menschen als Freiheit geschaffen, aber: Diese von Gott geschaffene Freiheit kann der Mensch auch zum Bösen, Krieg etc. gestalten. Das heißt doch wohl: Dass damit auch Gott als der Schöpfer dieser menschlichen Freiheit ins Böse mit hineingezogen wird.

19.
Gibt es also noch einen größeren Gott als das Bild des schöpferischen Gottes (vielleicht auch klassisch noch als Trinität)?
Meister Eckart (1260-1328) dachte an die „Gottheit“, sozusagen an den „Gott über Gott“. In seiner „deutschen Predigt“ mit dem Titel „Selig die Armen“, bezogen auf Matthäus 5,3 heißt es: “Darum bitte ich Gott, dass er mich Gott-los (wörtlich Gottes quitt) mache. Denn mein wesentliches Sein ist oberhalb von `Gott`, sofern wir Gott als Ursprung der Welt fassen“(vgl. „Meister Eckart. Einheit mit Gott“, hg. von Dietmar Mieth, Düsseldorf 2002, S. 154). Es geht also bei diesem Gott über „Gott“ um eine Idee über allem Sein und über aller Unterschiedenheit…
Auch Paul Tillich dachte Gott jenseits eines Theismus, der sich auf drei göttliche Personen bezieht. Eine authentische religiöse Lebensform ist für Tillich „Der Mut zum Sein“, der seinen Halt findet in dem „Gott über Gott“ (GW XI. S. 138 f). Siehe auch: “Paul Tillich” von Werner Schüssler und Erdmann Sturm, Darmstadt, 2007, S. 163ff): “Die Idee von dem Gott über Gott, dem letzten Grund allen Seins,  der erschient, wenn der Gott , dem wir Namen geben, versunken ist – , mag mir in der unbewussten Erinnerung an Dionysios (Areeopagita) gekommen sein” (S. 166). “Gott über Gott” ist also ursprünglich ein neuplatonischer Gedanke….

20.
Was also ist erreicht in dem hier nur angedeuteten Versuch, das Dogma der Trinität beiseite zu legen und für eine „einfache“ Spiritualität zu plädieren?
Es wurde beispielhaft gezeigt, dass eine moderne Theologie und ihr folgend Kirchen, die den Begriff modern für angemessen und richtig finden, (denk-)möglich sind. Dieser Hinweis will von Begriffen und Lehren befreien, die nur noch wie altes, verstaubtes Mobiliar in den Kirchen herumstehen und nur Historiker noch interessieren dürfen.
Spirituelle Christen können sich also vom Ballast der Traditionen lossagen, befreien, wenn sie denn nicht von Angst vor dem Klerus bestimmt bleiben wollen.
Und wichtig ist, dass Theologie wieder sich eine sehr lebhafte, erneuerungsbereite kritische Forschung zeigt…

21.
Wie sich diese von der alten „Trinität“ befreite Theologie zu den vielfältigen Formen der Unitarier bzw. unitarischen Kirchen verhält, ist eine andere Frage. Sie kann hier nicht beantwortet werden, weil die unitarischen Glaubensformen selbst noch sehr bezogen sind auf die alte, „klassische“ Trinitätstheologie.
Unser Vorschlag geht ja dahin, den Gedanken Gott über „Gott“ im Sinne Meister Eckarts neu zu denken, von diesem „anderen“ Denken wären dann auch die unitarischen Glaubensformen betroffen.

22. Zusammenfassung:

Gott als der Ewige, der letzte Grund unseres Seins, ist Geist.

Jesus von Nazareth ist Vorbild und Inspiration für ein “menschliches Leben”, das diesen Namen verdient.

Der Geist ist heilig, weil er als Gottes Schöpfung im Menschen anwesend ist, als das Belebende, lebendig Machende.

Die Konsequenzen dieser Theologie sind deutlich:

Wir brauchen keine Ideologie der Erbsünde mehr, wir brauchen keine Klerus-Macht, sondern die Gemeinschaft der spirituell Suchenden, einander Ermunternden…

Selbstverständlich wird dann auch die so genannte Erlösungs-Lehre der Kirchen neu gesehen: Der “Logos”, der vom Himmel herabsteigt und “Fleisch annimmt”, (Weihnachten!!), wird durch das Bild ersetzt: Jesus von Nazareth ist ein Vorbild der Menschlichkeit. Ihm in seiner Menschenfreundlichkeit zu folgen, kann erlösend sein. Aber nicht die metaphysische Kraft eines vom Himmel herabgestiegenen Logos (also die 2. Person der Trinität).

Eine gewisse, ganz andere “Trinität”, also dann doch. Aber eine  nachvollziehbare, nicht als total “geheimnisvoll” behauptete…

Eine andere “Trinität”, die zu denken … und zu leben gibt – auch im Gespräch mit anderen Religionen und Konfessionen, mit den Kulturen und anderen “Darstellungen” des Geistes…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Wozu gibt es einen „Heiligen Geist“? Der Geist des Menschen ist heilig!

Über die “Entrümpelung“ eines theologischen Dogmas.
Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
Es findet jetzt – endlich – eine Art Entrümpelung dogmatischer kirchlicher Lehren im Katholizismus statt, und hoffentlich in allen Kirchen. Zum Beispiel: Das Dogma der Erbsünde in der klassischen Form (von Augustinus mit Gewalt durchgesetzt) ist zum Entstauben in einer Seitenkapelle abgestellt worden. Die Dogmen zur „Gottgewolltheit” der klerikalen Hierarchie glauben fast nur noch die in ihrem Klerus-Stand bevorzugten Priester. Hans Küng hat schon vor 50 Jahren am Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes heftig gekratzt. Und die lateinamerikanische Befreiungstheologie versteht Erlösung nicht (nur) als seelisches Geschehen, sondern auch als Erfahrung sozialer-politischer Gerechtigkeit für die Armen…

2.
Auch der Küng – Mitarbeiter, der kathoilische Theologe Prof. em. Hermann Häring (Tübingen), spricht Klartext: „Die kirchliche Trinitätslehre ist überholt“, so in PUBLIK-FORUM Nr. 10/2023, Seite 36 f. Häring schreibt in dem Beitrag sehr treffend: „Die Trinität ist ein Glaubenskonstrukt“… „Fürs Verständnis Jesu braucht es keine Dreifaltigkeit…“ „Die Trinitätslehre ist ein unerträgliches Element“, Häring tritt für „eine Generalrevision unserer Glaubenskonstrukte ein“.

3.
Hier wird ein weiterer Beitrag zur dogmatischen Entrümpelung in gebotener Kürze publiziert: Meine Frage: Was passiert denn eigentlich mit dem „Heiligen Geist“, der so genannten dritten göttlichen „Person“ in der Dreifaltigkeit (Trinität), wenn nun das göttliche Mysterium auch ohne Dreifaltigkeit erlebt, verstanden, gedacht wird?“
Meine begründete These: Der Geist des Menschen – und das ist seine Freiheit und deswegen auch seine Vernunft und seine Sprache, klassisch auch seine „Seele“ – ist heilig. Eine eigenständige , imaginäre „Person“ Heiligen Geist (meist als Taube dargestellt) braucht man dann wirklich nicht zu glauben.

4. Soll es denn zwei Geister in einem Menschen geben?
Das muss gerade für theologische „Laien“ etwas entfaltet werden:
Der menschliche Geist als menschlicher (!) Geist ist heilig, weil er von Gott geschaffen ist. Und Gott, das Göttliche, der Ewige… ist im Menschen durch den von Gott geschaffenen endlichen, menschlichen Geist sozusagen als der Schöpfer von allem – indirekt – anwesend. Der Mensch hat also – schon aufgrund eigener Selbsterfahrung – einen einzigen Geist, und nicht etwa einen menschlichen und daneben oder darüber noch einen gelegentlich, bei besonderen Anlässen, wirkenden zweiten Geist, den göttlichen.
Zwei Geister in einem Menschen? Das ist Unsinn, stiftet Verwirrung, gibt Raum für Phantasie und wunderbare Gottes-Geistes-Verzückungen. Handelt ein Mensch wahrhaftig, gut, ethisch wertvoll, versucht er das göttliche Geheimnis zu erfahren und zu bedenken, dann ist es also immer der eine menschliche Geist, der von Gott dem Schöpfer gegeben, in dieser Fähigkeit lebt.

5. Biblische Erzählung: ein bilderreicher Mythos.
Warum aber wurde dann in der frühen Kirche (in der Apostelgeschichte nachzulesen) die Idee formuliert, es gebe einen eigenständigen heiligen Geist neben dem menschlichen Geist? Diese Frage berührt die exegetische und kirchenhistorische Forschung. Meine kurz gefasste Antwort: Die Gemeinde der Freunde des gekreuzigten Jesus von Nazareth kam gemeinsam zu der überraschenden Einsicht: Unser Freund Jesus von Nazareth lebt irgendwie „wunderbar“ in anderer Gestalt „weiter“: Und sie waren von dieser ihrer Einsicht so begeistert, dass sie meinten, nicht ihr eigener Geist in seiner schöpferischen Freiheit habe ihnen diese Einsicht geschenkt, sondern es sei ein zusätzliches wunderbares Eingreifen Gottes gewesen. Als wäre wegen dieser Einsicht vom „auferstandenen Jesus“ ein extra-heiliger Geist wirksam gewesen. Die Gemeinde misstraute also der schöpferischen Kraft ihres eigenen menschlichen, aber von Gott gegebenen menschlichen Geistes, also der Vernunft, der kreativen Freiheit des Denkens und Fühlens.

6.
Aber die Kirchen haben die schöpferische Kraft des Göttlichen IM menschlichen Geist immer übersehen und unterschätzt: Der Grund: Sie haben die Mythen der Schöpfungsgeschichte im Buch Genesis falsch verstanden und gemeint, der Mensch schlechthin und immer sei durch die Erbsünde verdorben, der Geist des Menschen sei durch die Erbsünde zerrüttet: Das bedeutet. Dann kann nur Gott immer wieder neu eingreifen mit seinem immer wieder willkürlich agierenden zusätzlichen göttlichen wunderbaren Geist. Weil diese Ideologie der Erbsünde nun aber endlich obsolet ist, im Rahmen der oben genannten Entrümpelungen, entfällt auch die Idee eines zweiten göttlichen Geistes, neben dem menschlichen Geist. Ohne Erbsünde kann es einen kreativen, auch guten menschlichen Geist geben und eine gute menschliche Vernunft, die nach dem Göttlichen fragt…

7. Wenn Charismatiker und Pfingstler “ausflippen”
Aber viele sich sehr fromm fühlende, „auserwählte“ Leute klammern sich noch immer an den zweiten Geist in sich selbst, sie verehren ihn als den separaten heiligen Geist. Es sind die so genannten Charismatiker und Pfingstler, die vom heiligen Geist öffentlich gern in „Zungen reden“, wie sie sagen, also in einer angeblich verzückten wunderbaren göttlichen Sprache des Blalaba und Trallatulla und so weiter. Und das Skandalöse ist, das die anderen Geist-Besessenen dann sagen: Auch wir verstehen das geistvolle Blalaba usw.
Ich habe diese Verzückungen erlebt in einer charismatischen Gebetsnacht der äußerst einflußreichen charismatischen Gemeinschaft Emmanuel in der Kirche „Trinité“ in Paris (9.Arrondissement). Dort hatte sich der charismatisch bekehrte, ziemlich bekannte Schauspieler Michel Lonsdale diesem Blalaba usw. sehr hingegeben, ich habe diese Szenen für meinen Film „Unter dem Himmel von Paris“ fürs ERSTE gedreht…

8.
Die Mehrheit der Christen wird sich wohl nun um ihren einen Geist, der als Geist und Freiheit heilig ist, kümmern. Das heißt: Der menschliche Geist und die Vernunft sind als das Auszeichnende aller Menschen absolut zu schützen und unbedingt als Gestaltungsprinzip des Lebens und der Politik durchzusetzen. In den Menschenrechten findet dieser Geist seinen lebendigen, leider eher selten respektierten Ausdruck. Aber das spricht gegen den Geist, sondern die Faulheit und den Egoismus vieler Menschen, den sie mit ihrem eigenen Geist auch überwinden können, wenn sie denn wollen.

9. Die uralten Pfingstlieder – eine unerträglich ferne Welt.
Bei dem immer noch klassisch, d.h. trinitarisch gefeierten Pfingstfest ist wenig bis gar nichts von dieser nachvollziehbaren, vernünftigen Deutung des menschlichen Geistes, des heiligen, zu spüren.
Man denke etwa an die Pfingstlieder im „Evangelischen Gesangbuch“: Darin sind von Nr. 124 bis Nr. 137, also 14 Pfingstlieder, versammelt. Die Texte haben Autoren verfasst, die zwischen 1524 und 1833 lebten, die jüngsten Pfingstlieder, es sind zwei, stammen aus dem 19.Jahrhundert! Alle anderen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Kein einziges Pfingstlied stammt aus dem 20. Jahrhundert. Wie schwer sich die „klassische“ dogmatische Kirche mit dem Dreifaltigkeitsfest (Trinitatis) tut, wird deutlich: Das Evangelische Gesangbuch von 1993 enthält zwei Trinitatislieder aus dem 16. und 18. Jahrhundert.
Das Katholische Gesangbuch „Gotteslob“ enthält 15 Pfingstlieder, sie stammen schon aus dem 10.Jahrhundert, aber auch aus dem Jahr 1941, getextet von Maria Luise Thurmeier. Sie verfasste den Text für das Lied Nr. 249 „Der Geist des Herrn erfüllt das All – mit Sturm und Feuersgluten“. Wie weltfremd und a-politisch (?) diese dichtende Dame war, ist deutlich: Sie schrieb ihr Gedicht im Jahr 1941, also schon mitten im 2. Weltkrieg… In der 4. Strophe heißt es: „Der Geist des Herrn durchweht die Welt, gewaltig und unbändig, wohin sein Feueratem fällt, wird Gottes reich lebendig“. Es geht also um Feuersgluten, um Sturm, und ein „gewaltiges und unbändiges Geschehen“… Die Kriegspropaganda der Nazis zeigt da ihre Wirkungen bis ins Gebet hinein. Was haben solche Poetinnen wie Frau Thurmeier in einem Gesangbuch zu suchen? Auf die gräßlichen Marienlieder von Frau Thurmeier habe ich schon früher hingewiesen. LINK.

10.
Zusammenfassung:
Es gibt also nur einen Geist im Menschen, er gehört zur Schöpfung des Menschen durch Gott/das Göttliche… Immer ist es der eine menschliche Geist des Menschen, der Leben gestaltet, Frieden schafft, Gerechtigkeit erkämpft. Wer auf Gottes direkten Eingreifen politisch hofft, will selbst tatenlos bleiben.
In der Praxis wird die unendliche Kreativität gespürt, die den menschlichen Geist auszeichnet, und es entsteht eine Dankbarkeit im Menschen, dass er in seiner Freiheit das Gute tun kann. In dieser Dankbarkeit kann sich der Mensch seinem Schöpfer, dem Göttlichen, zuwenden. Mit einem außergewöhnlichen und wunderbaren Eingreifen eines Heiligen Geistes rechnet dann kein spiritueller Mensch mehr: Gott ist ja immer schon „da“, in der Realität des Geistes, des menschlichen und seiner Freiheit.

11.
Die klassische Trinitätslehre ist also auch dadurch „überholt“, wie Hermann Häring sagt, weil es keine dritte Person in der Dreifaltigkeit – sehr anschaulich etwa in Gestalt einer Taube – geben kann.

12. Was wird aus “Gott Vater” mit dem Bart? Der Bart ist nun definitiv ab.
Aber was wird dann aus dem Bild, der Metapher, „Gott-Vater“, der ersten Person dieser drei Personen? Der mit dem Bart, sagen manche. Nun ist der Bart ab: Das Göttliche, Gott, der Ewige, die Göttin, Gott Vater , Gott – Mutter … wie auch immer: Diese Ideen sind nichts anders als Geist zu nennen, sie sind ja keine Materie, kein zu umgreifendes Etwas. Gott als Gott ist Geist. Mehr kann nicht gesagt werden. Aber der Bart des uralten Gottes ist ab. Endlich, ad aeternum hoffentlich. Kunsthistoriker werden dies bei ihren Barock-Studien berücksichtigen. Dieser Gott – Vater – Bart – Glaube ist jetzt vorbei.

13. Warum diese Reflexionen?

Einige LeserInnen fragen: Gibt es nichts Dringenderes? Natürlich, unmittelbar politisch, ökologisch, sozial…. gibt es sehr viele dringendere Themen. Aber der hier vorgeschlagene Verzicht auf einen religiös unkontrollierten Pfingst-Heilig Geist-Enthusiasmus, auf einen kindlichen Wunderglauben, der Verzicht auf ein schwärmerisches Ahnen  “Der heilige Geist wirkt ganz besonders (nur) in mir”: Dies kann zur Befreiung führen, im Sinne von Freimachen des eigenen Denkens für die genannten wirklich dringenden Aufgaben.

14.

Pfingsten und den Geist feiert man dann angemessen nicht mehr durch das Singen alter unverständlicher Pfingstlieder. Sondern in Gesprächen und Verabredungen, wie wir gemeinsam dem verheerenden Treiben, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, “Klerikalismus” in allen Religionen, Rechtsextremismus, Herrenmenschentum im Umgang mit den Arm-Gemachten in der “Dritten Welt” usw.  noch Einhalt gebieten können. Der wahre “Gottesdienst” (am Sonntag) wird dann zum Menschendienst.

 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.