Die Theologie Augustins überwinden.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 10.6.2025 und am 4.8.2025 wegen der ständigen “Augustinus-Zitierei” durch Papst Leo XIV.

Ergänzung am 4.8.2025: Während der katholischen Weltjugendtage in Rom Anfang August 2025 zitierte Papst Leo XIV. ständig nette Sprüche und irgendwelche Weisheiten seines viel geliebten Meisters Augustinus aus dem 4.und 5. Jahtrhundert. Dieser Augustin sollte angesichts seiner verheerenden Lehren etwa zur Erbsünde  endlich beiseite gelassen und überwunden werden. Aber nein, den ahnungslosenen und enthusiastischen  Jugendlichen aus aller Welt wird ein “weiser” und angeblich aktueller Augustinus mit einigen hübschen Zitaten als Vorbild empfohlen. Wir halten das für einen Irreweg. Kann ein Papst nicht eher die Mitarbeit an demokratischen NGOs empfehlen als fromme und allgemeine, letztlich belanglose Ermahnungen von sich zu geben? Und es wird hoffentlich die Zeit kommen, in der sich kritische und kirchenunabhängige Historiker und Religionswissenschaftler die Mühe machen, diese Augustinus – Zitierei von Papst Leo XIV. zu dokumentieren und krtitisch zu bewerten.

Diese Reden des Papstes Leo XIV. von der “Einheit der Kirche” sind, nebenbei, eine Illusion: Die Katholische Kirche ist weltweit de facto und unumkehrbar schon jetzt  so stark auseinandergebrochen in ihrer Vielfalt, dass eine uniforme, päpstlich-fixierte Einheit nichts als ein Traum ist. Und dieser Traum, man möchte sagen diese klerikale Ideologie, sollte beendet werden zugunsten einer explizit gewollten Pluralität IM Katholizismus…Aber auch dies zusagen ist nur ein Traum angesichts der nach wie vor absoluten klerikalen Macht.

Im Juni 2025  notiert: Wir haben mit der Wahl eines Augustiners (“Sohn des heiligen Augustinus”, Selbstbezeichnung Leo XIV.) zum Papst eher Schlimmes befürchtet: Dies ist die ständige Bezugnahme auf den heiligen Augustinus, er lebte im 4. und 5. Jahrhundert. Ein moderner Heiliger? Garantiert nicht. Lassen wir ihn ruhen.  Aber leider bestätigt sich diese unsere Prognose der Augustinus Zitiererei durch den Papst  fast ständig: Den Kandidaten für Priesteramt (“Seminaristen”) empfahl Leo XIV., sich an Sprüche Augustins  zu halten und vor allem den Zölibat hochzuschätzen. Mit etwas Anstrengung sei der Zölibat doch zu leben, sagte er den 20 -25 Jahre jungen Männern, darf man das theologisch und psychologisch naiv nennen? Natürlich. LINK:

Und auch die am 25. 6. versammelten Bischöfen ermahnte er, “Vorbild” zu sein. LINK

Immer wieder wird Augustin zitiert von Papst Leo XIV.: Der Journalist und Vatikan – Spezialist der angesehenen katholischen Tageszeitung LA CROIX (Paris), Mikael Corre,  schreibt am 14.6.2025 zusammenfassend über die Form der Argumente von Papst Leo XIV.: Er hielt einen Vortrag für Priester, Mikale Corre berichtet.: Leo XIV. beendet sein Statement für die Priester, indem er den heiligen Augustinus zitiert, wie er es in fast allen seinen Ansprachen tut: Papst Leo zitierte also Augustin: “Liebt diese Kirche, bleibt in dieser Kirche, seid diese Kirche. Liebt den Guten Hirten, den sehr schönen Gatten (sic), der keine Person täuscht und nur will, dass keine Person untergeht…” (Le 12 juin, Léon XIV terminait son adresse aux prêtres en citant saint Augustin (Sermons 138, 10), comme il le fait dans presque tous ses discours. « Aimez cette Église, restez dans cette Église, soyez cette Église. Aimez le bon Pasteur, l’Époux très beau, qui ne trompe personne et ne veut que personne ne périsse…”). LINK

Wie soll theologisch diese offenbar vom Papst geteilte Priesterspiritualität aus dem 4. Jahrhundert bewertet werden? In jedem Fall ist sie nicht auf der Höhe der Theologie von heute… Nach einer Abschaffung des sinnlosen Zölibatsgesetzes klingen seine Worte jedenfalls  nicht…Wir haben unsere Meinung schon früher mitgeteilt: Zu den “Progressivsten” zählen die dem Denken des heiligen Augustin verpflichteten Theologen, also auch die Augustiner, bekanntermaßen nicht. Wegweisende moderne Theologen gehören eher anderen Orden an. Ob auch der Augustiner Papst Leo XIV. zu den eher behutsamen, durchaus das übliche Katholische unbedingt bewahrenden, auf Ausgleich und “Einheit” bedachten Augustinern gehört, ist wahrscheinlich…

Nebenbei: Kann ein Papst dieser Kirche überhaupt progressiv sein? Erst dann, wenn er selbst das Papsttum abschafft. Das könnte zumal ein Papst, dessen Mitbruder im Augustinerorden Martin Luther ist! Aber von Martin Luther hat Leo XIV. bisher nicht einmal gesprochen…

Ein Vorwort zu unserem Hinweis, einer “Provokation”: 
Heute sollten sich Christen und TheologInnen mit der Theologie des Augustinus befassen, um die Grenzen und Begrenztheiten des Theologen Augustin zu erkennen und sich auch von den Verirrungen seiner Theologie zu befreien. Augustinus mag ja einige allgemeine humane Weisheiten etwa in seinen „Confessiones“ geschrieben und etwa über die Zeit treffend philosophiert haben: Aber einzelne populäre Weisheiten wie: „Unruhig ist unser Herz, bis ruht in dir o Gott“ (das heißt: „Ruhe gibt es auf Erden nicht, auch nicht durch die Philosophie, auch nicht durch den Glauben“) bestimmen nicht das Gesamtwerk.
Dabei sind wir uns der Allmacht der Theologie Augustins bis heute bewusst, etwa auch im offiziellen „Katechismus der Katholischen Kirche“ (Vatikanstadt 1993): Dort wird Augustinus in 88 Paragraphen zitiert, häufiger als Thomas von Aquin… Nebenbei: Aus dem 20.Jahrhundert wird niemand zitiert, aus dem 19. Jahrhundert nur der Pfarrer von Ars, der zwar heiliggesprochen wurde, aber theologisch völlig ungebildet war, betonen Historiker. Der Pfarrer von Ars, Johannes Vianney, wird im Katechismus zitiert: „Der Priester setzt auf Erden das Erlösungswerk fort“…, § 1589.

Zu Augustins Aussagen über “die Frauen” siehe FUßNOTE 2.

 

Unsere Thesen:

1.
Augustinus und seine Theologie wird zweifellos im Mittelpunkt der theologischen Debatten und spirituellen Interessen der nächsten Monate und Jahre stehen: Auch eine „augustinische Bücherflut“ ist wahrscheinlich… Papst Leo XIV. ist Mitglied des Augustinerordens (OSA), er hat von Anfang an als Papst betont „Ich bin ein Sohn des heiligen Augustinus“, er spricht immer wieder in seinen Ansprachen von einigen allgemeinen Aspekten der Theologie Augustins. Und der Papst setzt sich sogar gelegentlich, im allgemeinen verbleibend, von ungewöhnlichen theologischen Aussagen Augustins ab (Fußnote 1).

2.
Es ist also Zeit, etwas näher das theologische Profil von Augustinus außerhalb von wohlwollenden Zitaten kritisch zu betrachten. Angesichts des nur riesig zu nennenden Umfangs der Schriften des Augustinus können hier selbstverständlich nur einige „Grundlinien“ seines Werkes kritisch erwähnt werden, eines Denkens, das durchaus Entwicklungen vorweist, und diese Entwicklung führt weg von großer Offenheit in jungen Jahren hin zur Strenge und Militanz im Alter als Bischof.

3.
Kurt Flasch, Philosophiehistoriker und Philosoph, Spezialist für mittelalterliches Denken, ist ein international geschätzter Kenner der Werke des Augustinus. Kurt Flaschs Studien sind deswegen wichtig, weil sie nicht kirchengebunden sind, die bekanntlich oft der „enormen Größe und Bedeutung des heiligen Augustinus“ erliegen und nur nebenbei die Grenzen seines Denkens freilegen.

4.
Kurt Flasch bietet in einigen Kapiteln seines Buch „Warum ich kein Christ bin“ aus dem Jahr 2013 ( C.H.Beck Verlag) zentrale Erkenntnisse zu wichtigen theologischen Aussagen Augustins: Die Seitenzahlen in den Zitaten hier beziehen sich auf dieses Buch. Auf die große Augustinus – Studie Kurt Flaschs „Augustin. Einführung in sein Denken“, 487 Seiten (Reclam Verlag, 1980) kommen wir später zurück, um die eher knappen Ausführungen Flaschs von 2013 zu bestätigen.

5. Zum Umgang mit der Bibel:
Augustin will in seinem Buch „De consensu evangelistorum“ („Über den Konsens der Evangelisten“) eine Harmonie der Aussagen der vier Evangelisten herausstellen. „Augustin sah die Autorität der Glaubenszeugen bedroht, wenn sie nicht mit EINER Zunge sprachen. Seine Argumentation illustriert als ihr Gegenteil die historisch – kritische Methode der Bibelauslegung.“ (S. 53). „An einer kulturell – historischen Einordnung des Bibeltextes hatte er kein Interesse.“ (Ebd.). „Augustinus konnte kein Hebräisch und kaum Griechisch verstehen“ (ebd.), er glaubte mit den Übersetzungen der Bibel ins Lateinische die Bibel kompetent auslegen zu können…

6.
Augustin war als neu-platonischer Philosoph an rationalen Begründungen des Glaubens interessiert. Aber als Begründungen, sich auf den Glauben einzulassen, waren ihm dann doch äußerliche Fakten wichtig: Etwa: Die Missionserfolge der Kirche wurden gerühmt, auch die Wunder Jesu seien ein Grund zu glauben; und die regelmäßige Abfolge der Bischöfe seit Petrus sei hoch zu respektieren. Und vor allem: „Allein seine, Augustins Kirche sei die katholische, denn selbst Häretiker nennen sie so“ (S. 64).

7.
Platon spielte in der geistigen Entwicklung Augustins eine entscheidende Rolle. Augustin lehrte: „Der Glaube an die zeitliche Offenbarung (in Jesus) ermögliche die rein geistige Einsicht. Diese bestehe in der platonisierenden Erkenntnis Gottes als dem einzig beständigen Glück der Seele“ (S. 92f.)
Wesentliches der Philosophie Platons stimme mit dem christlichen Glauben überein, meinte Augustin. Das können Christen aber erst erkennen, wenn sie von der Gnade Gottes angeleitet werden.
„Wenn die großen griechischen Philosophen noch lebten, würden sie Christen sein. Sie bräuchten an ihren Lehren nur wenige Worte zu ändern“, so fasst Kurt Flasch Augustins Überzeugung zusammen (S. 93).
Augustin übernahm also den „platonisch-universalen Theismus“ (S. 93). Platons Begriff von Gott als dem „höchsten Gut“ setzte sich dann in der Kirche durch, ebenso die platonische Überzeugung, „sinnliches Vergnügen sei der Bestimmung der Seele fürs Jenseits unterzuordnen. (S. 94). „Augustins Neu – Platonismus konzentrierte sich darauf, die Seele durch asketisches Leben zum jenseitigen Dauerglück beim rein geistigen Gott zu führen.“ (S. 94).

8.
Die radikale Lehre von der Gnade, die Gott gewährt, ist seit 396/397 für Augustin entscheidend: „Für ihn endeten nicht mehr nur alle Ungetauften im ewigen Höllenfeuer, sondern auch die Mehrheit der Christen“ (S. 87).

9.
Auf die verheerende Erbsündenlehre Augustins, haben wir schon oft hingewiesen. LINK. Mit seiner Erbsündenlehre hat Augustin das christliche Denken vergiftet und Sexualität letztlich als „Übertragungsweg“ der Erbsünde deklariert.
Kurt Flasch schreibt: „Augustinus machte aus dem Apfelbiss, den der Jesus der Evangelien nie erwähnt hatte, den Sündenfall der gesamten Menschheit und den Beginn der Teufelsherrschaft auf Erden“ (S. 196). „Augustin dachte die Erbsünde als die durch geschlechtliche Vermehrung übertragene Fortdauer der Ursünde im Paradies. Augustin ERFAND die Erbsünde, die in der Theologie vor ihm nur ein Erbschaden war, nun als wahre Schuld, als wirkliche Sünde, die auch den Neugeborenen anhafte…“ (S. 197).
Die Konsequenz: „Im Denken Augustins kommen selbst alle Getauften nicht mehr in den Himmel.“ (S. 197) Erlösung heißt dann: Der von den Sünden der Menschen erzürnte Gott (Vater) „kann allein besänftigt werden durch die Tötung seines eigenen Sohnes, des Gottesohnes, am Kreuz“ (S. 198.) Diese abstoßende Vorstellung von einem Gott, der seinen Sohn in den Tod schickt als Erlösung der Menschen wird heute noch theologisch gelehrt, hat sich aber heute de facto wohl erledigt: Gebildete Christen glauben das einfach nicht mehr…
Aber Augustinus sagt: „Wenn Gott wollte, würden alle gerettet. Aber Gott will es nicht seit Adams Sünde; er rettet aus der Masse der Sünder nur, wen er retten will. Also geht die überwiegende Mehrheit für immer verloren“ (S. 208). An dieser Stelle muss an das Fortleben dieser theologischen Ideologie etwa im Denken des Reformators Calvins erinnert werden…

10.
Kritische Hinweise zu einigen zentralen theologischen Aussagen Augustins bietet keineswegs nur Kurt Flasch. Man muss nur die ausführliche Biographie des Historikers Peter Brown (Oxford) „Augustinus von Hippo“ lesen (auf Deutsch erschienen 1982): Auch Peter Brown beschreibt den schwierigen Charakter Augustins, seine Strenge als Bischof im Kampf gegen die große Glaubensgemeinschaft der Donatisten, seinen leidenschaftlichen, polemischen Kampf gegen Andersdenkende insgesamt. Sein Kampf galt auch kompetentem gebildeten Bischöfen wie Julian von Eclanum: Er lehnte die Erbsündenlehre Augustins ab und wurde von ihm verfolgt… Die Erbsündenlehre Augustins, die Julian von Eclanum zurecht ablehnt, beschreibt Peter Browns: „Da der Geschlechtstrieb für Augustin eine permanente Strafe war, wurde er als permanente Neigung, als triebhafte Spannung dargestellt, der man widerstehen konnte, die jedoch in Tätigkeit blieb, selbst wenn sie unterdrückt wurde“ (S. 340). Und weiter: „Der Gott des Augustinus war ein Gott, der eine Kollektivstrafe für die Sünde eines Mannes (Adam) verhängt hatte“. Die Lehre des 1. Timotheus Briefes im Neuen Testament: „Gott will, dass ALLE Menschen gerettet werden“ (1 Tim. 2,4) bemühte sich „Augustin wegzuerklären… (S. 351), also beiseite zu lassen, zu ignorieren. Und angesichts der theologischen Lehren des „liberalen“, auf die Kraft der menschlichen Freiheit setzenden Theologen Pelagius wollte er seine katholische Gemeinde wie in eine Festung einsperren, um sie vor den Angriffen des Irrlehrers zu schützen.“(S. 352). Über Pelagius contra August hat Kurt Flasch in seiner Studie „Augustin. Einführung in sein Denken“ ausführlich geschrieben (S. 176 ff.): “Als der Bischof von Rom, Zosimus, den Theologen Pelagius rehabilitierte, intrigierte Augustin solange beim kaiserlichen Hof in Ravenna, bis der Kaiser intervenierte…“ Deswegen wurde Pelagius aus Rom verbannt…“ (S. 178) und seine Anhänger auf Betreiben Augustins verfolgt. Augustin gelang es mit Bestechungen die Pelagius – Freunde einzuschränken, „gegen die verbleibenden Anhänger des Pelagius mobilisierte Augustin die Staatsgewalt“ (S. 179).

11.
Man mag auch im Buch von Peter Brown einzelne Zitate und Sentenzen finden, die einen sympathischen Augustinus zeigen: Aber im ganzen war er als Bischof ein sehr polemischer Theologe in den aufgewühlten Zeiten des 4. und 5. Jahrhunderts. Und es mag ja sein, dass seine Weisungen, also seine „Regel“ zum Zusammenleben der Priester (die so genannte Ordensregel) nach wie vor allgemein gehaltene, durchaus noch inspirierende Vorschläge enthalten, aber was bleibt denn sonst noch?
Nebenbei: Dass Augustinus von seiner Herkunft her ein Afrikaner ist, wird meines Wissens oft übersehen oder vergessen. Vielleicht wäre dieser „afrikanische Augustinus“ nicht nur eine Herausforderung für die Augustinerorden (es gibt ja mehrere), etwa indem sie ihre Klöster in Europa für Flüchtlinge aus Afrika öffnen und – wie die Jesuiten – einen „Flüchtlingsdienst“ einrichten…

12.
Henri Marrou, ein „klassischer“ Augustinus- Kenner und durchaus Augustinus – Freund, schreibt über die enorme Bedeutung Augustins in den Kirchen im 17. Jahrhundert: „Er erfüllt das ganze Jahrhundert, alle zitieren, benutzen und kommentieren ihn… es wird schließlich eine Besessenheit daraus: Man wagt nicht mehr, Vorbehalt und Kritik zu äußern, der heilige Augustinus hat immer und überall recht.“ (in Rowohlts Monographie „Augustinus“ von Henri Marrou, 1984, S. 147).

13.
Hinweise von Kurt Flasch aus einem Buch „Augustin. Einführung in sein Denken“, Reclam, 1980:
Im 17. Kapitel seiner Studie spricht Flasch vom „Zwiespalt Augustins“ (S. 403 ff.). Augustin sieht „das Böse gerade bei den `guten` Taten (S. 404). „Er bestand darauf, das Höllenfeuer sei körperliches Feuer“ (S. 419). „Solche Sätze gaben dem Kirchenglauben der westlichen Christenheit eine Buchstäblichkeit und Enge, die ihn mit der (philosophischen) Aufklärung in Konflikt brachte (S. 419). Und auch dies: „Die Gewohnheiten der Gruppe (bestimmter Christen) sollte das Sprechen einzelner normieren. Vielleicht hat Augustin an keiner anderen Stelle seinen Bruch mit dem antiken Ideal freier Rede härter und folgenreicher ausgesprochen als an dieser Stelle“ ( S. 420). „Der Militärdienst wurde bei ihm unbedenklich. Augustin konnte christliches Leben und Militärdienst erbaulich in Parallele setzen“(S. 422).

14.
Papst Leo XIV. beschwört als Augustiner seit Beginn seiner Regierung ständig den Wert der EINHEIT unter den Gläubigen. Der Papst meint, Einheit sei DIE zentrale Forderung Augustins für die Kirche auch heute. Wer sich allerdings genauer anschaut, wie im einzelnen Augustin als Bischof für die Einheit unter den vielfältigen Christen in Nordafrika damals sorgte (von der großen kirchlichen Bewegung der Donatisten war schon die Rede) und seiner katholischen Kirche auch mit Druck und Zwang zum Sieg verhalf, der hat seine Zweifel an der Relevanz der augustinischen Einheits-Idee. Sie passt angesichts der Pluralität der Kulturen und Theologien nicht mehr in unsere Zeit.

15.
Die Idee einer theologischen Einheit unter den eineinhalb Milliarden Katholiken heute ist ohnehin sehr problematisch. Denn die Vielfalt der Glaubensüberzeugungen und moralischen Vorstellungen ist unter den 1,5 Milliarden Katholiken heute so unterschiedlich, dass von einer Einheit keine Rede sein kann, Einheit im Sinne von: “Wir Katholiken glauben alle das Gleiche und haben die gleichen theologischen Prinzipien etwa zur Rolle der Frauen oder der Homosexuellen in der Kirche“ . Und eine solche Einheit „Alle glauben das Gleiche und sprechen in gleichen Formeln vom Glauben“ ist nicht nur faktisch unmöglich, sondern auch theologisch nicht wünschenswert und angesichts der Vielfalt der Kulturen auch sinnlos.

16.
Über die Bedeutung der Einheitsvorstellung beim Augustiner Papst Leo XIV. wird in Zukunft noch viel debattiert und kritisiert werden, hoffentlich.

Fußnote 1:
Es ist aber beachtlich, dass der Augustinus – begeisterte Papst Leo XIV. schon am 18.Mai 2025 in seiner ersten großen, wichtigen Predigt zur Amtseinführung betonte: “Es geht niemals darum, andere durch Zwang, religiöse Propaganda oder Machtmittel zu vereinnahmen, sondern immer und ausschließlich darum, so zu lieben, wie Jesus es getan hat.“ Und der Augustiner Papst Leo XIV. machte diese Aussage noch deutlicher: „Wir sind gerufen, allen Menschen die Liebe Gottes zu bringen, damit jene Einheit Wirklichkeit wird, die die Unterschiede nicht aufhebt, sondern die persönliche Geschichte jedes Einzelnen und die soziale und religiöse Kultur jedes Volkes zur Geltung bringt.“ Das sind hoffentlich programmatische, man möchte beinahe sagen: anti – augustinische Worte. LINK https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-05/wortlaut-predigt-von-leo-xiv-zur-amtseinfuhrung.html
Der Augustiner Papst Leo XIV. widerspricht der höchst problematischen Weisung des Bischofs Augustinus, man solle die unwilligen Menschen auch zwingen, den Glauben anzunehmen… Augustinus bezieht sich dabei auf das Gleichnis Jesu vom großen Gastmahl (Lukas14,23). Dieses Wort Jesu ist eine Einladung fremder Gäste zu einem Festmahl, es hat aber nichts mit zwanghafter Einfügung von Ketzern in die katholische Kirche zu tun, wie Augustinus dieses Jesuswort umdeutete. Augustinus versteht es als „Aufforderung zur Gewaltanwendung und er verwendet es neben anderen Argumenten als Beleg zur Billigung von Gewaltmaßnahmen gegen Häretiker. Das von Augustinus als dem erstem, doch nicht häufig verwendete Zitat hatte für die Ketzerbekämpfung in Mittelalter und Neuzeit verheerende Wirkung.“ LINK:

Fußnote 2:

Augustins Aussagen über Frauen:

“Ist Augustin auf eine gleichrangige Bewertung beider Geschlechter bedacht, so ändert sich das Bild bei der Frage nach dem Zweck der Erschaffung eines weiblichen Partners für Adam und den daraus folgenden spezifischen Aufgaben der Frau. Augustin: „Erschaffen wurde die Frau also für den Mann, aus dem Mann, mit ihrem Geschlecht, ihrer Formung und der Verschiedenheit ihrer Organe, die das Kennzeichen der Frau sind.“ Die Hilfsfunktion der Frau erfüllt sich ausschließlich in ihrer Rolle als Mutter. Die Frage nach möglichen Alternativen für die Rolle der Frau stellt Augustin sichtlich vor ein Rätsel: „Wenn die Frau nicht dem Manne zur Hilfeleistung, um Kinder hervorzubringen, gemacht worden ist, zu welcher Hilfe ist sie dann gemacht worden?“ Der Gedanke, Mann und Frau könnten durch freundschaftliche Beziehungen miteinander verbunden sein, erscheint Augustin als abwegig, schließlich birgt der Umgang mit Frauen stets die Gefahr der Erotisierung in sich, welche die Reinheit des freundschaftlichen Umgangs trüben könnte. Zudem implizierte der antike Freundschaftsgedanke die Freundschaft unter Gleichen, die allein die notwendige Einheit und Verbundenheit zu erbringen vermag.

Ihre anthropologische Bestimmung als Gehilfin des Mannes verpflichtet die Frau in der ehelichen Beziehung zu spezifischen Pflichten und Wesenszügen. Augustin entwirft das Sittenbild einer christlichen Ehefrau mit den wesentlichen Tugenden des Gehorsams und der Sittsamkeit im Rahmen ihrer Aufgabe als treusorgende Mutter der aus der Ehe entsprungenen Kinder.

Augustin beschränkt die Möglichkeiten weiblicher Selbstverwirklichung wie seine christlichen Zeitgenossen auf die Ehe, die Witwenschaft und die Jungfräulichkeit, wobei er stets die Superiorität der Jungfräulichkeit hervorhebt. Paradebeispiel für die Vollendung des „züchtig-frommen Frauentypus“ ist Maria, da sie sowohl das Ideal der Jungfräulichkeit als auch das der Ehefrau und Mutter in Reinform repräsentiert. An ihr wird auch die androzentrische Perspektive des frühchristlichen Frauenbildes deutlich, denn Maria erscheint nie als eigenständige Persönlichkeit, sondern stets nur in ihrer Beziehung zu einem männlichen Partner: Sie ist die jungfräuliche Mutter, die Braut Christi und die folgsame Gattin Josefs, und ihre Aufgaben beschränken sich auf ihre dienende mütterliche Funktion.

Sexuelle Enthaltsamkeit ist für Augustin aber nur dann von moralischer Bedeutung, wenn sie in dem höheren sittlichen Zweck der exklusiven Bindung an Gott und der Abwendung von allem Weltlichen gründet. Selbst eine mehrfach verheiratete christliche Frau ist für Augustin besser als eine jungfräuliche Häretikerin, da die spirituelle Virginität auch ohne die des Körpers realisierbar ist und umgekehrt.

Allerdings gibt der Autor Kiesel zu bedenken, dass Augustins Frauenbild auf dem Boden einer asketisch geprägten eschatologischen Naherwartung entstanden ist und demzufolge alle irdischen Beziehungen unter dem Aspekt der Vorläufigkeit und Zweitrangigkeit zu betrachten sind.”

Quelle: https://www.information-philosophie.de/augustinus-frauenbild.html.

SIEHE AUCH UNSEREN BEITRAG “AUGUSTIN EIN RIGIDER THEOLOGE der spätantiken Welt. veröffentlicht am 26.5.2025: LINK 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

Augustinus, ein problematischer Heiliger, ein rigider Theologe der spätantiken Welt

Hinweise von Christian Modehn am 26. Mai 2025

Siehe auch unseren Beitrag zur Theologie Augustins: “Für eine Befreiung von der Theologie Augustins” vom 10.6.2025: LINK

1.
Mehr als ein paar kritische theologische und philosophische Stichworte zum Denken Augustins (354-430) (und den nach ihm benannten Ordensgemeinschaften) werden hier nicht mitgeteilt. Sie laden ein, weiter zu studieren. Das riesige Werk von Augustinus umfasst 26.000 Buchseiten und 5,2 Millionen Worte: FUßNOTE 1.  Augustin war und ist einer der großen, der viel zu oft zitierten, viel zu oft studierten Theologen der Kirchen. Luther und Calvin schätzten ihn, Blaise Pascal und Karl Barth, um nur etwas die Wirkungsgeschichte anzudeuten. Man möchte sagen: Theologisch konservative Theologen waren mit Augustinus eng verbunden. Augustinus – klingt immer konservativ, innerlich, elitär.

2.
Dieser Hinweis wird publiziert, um vor einer neuen spirituellen Begeisterung für die Theologie und Spiritualität Augustins zu warnen. Denn es ist mehr als wahrscheinlich, dass angesichts des Papstes Leo XIV., Mitglied des Augustinerordens, (OSA, dies ist die die offizielle Abkürzung dieses Ordens) bald Sentenzen und Florilegien oder Ähnliches aus dem Gesamtwerk Augustins allüberall erscheinen. Zuletzt legte der große Philosoph und ehemalige Jesuit Ladislaus Boros ein spirituelles Augustin – Lese- Buch vor: „Aufstieg zu Gott“, Olten, 1982.

3.
Papst Leo XIV. hat in seinen ersten Ansprachen stets sehr nachdrücklich auf den heiligen Augustinus verwiesen. Er nannte sich sofort als Papst „ein Sohn des heiligen Augustinus“, was insofern mit einer leichten Ironie zu verstehen ist, denn der heilige Augustinus selbst hatte einen leiblichen Sohn mit Namen Adeodat, „der von Gott Gegebene.“ Der Name der Mutter, mit der Augustinus viele Jahre zusammenlebte, ist weder von ihm noch einem Zeitgenossen überliefert. Ein Beispiel für die Geltung von Frauen? Monika, die katholische Mutter Augustins, wurde von ihrem Sohn immer wieder erwähnt und sehr verehrt. Zu Adeodat: Fußnote 2.

4.
Es ist aber sehr beachtlich, dass der Augustinus – begeisterte Papst Leo XIV. selbst schon am 18.Mai 2025 in seiner ersten großen, wichtigen Predigt zur Amtseinführung betonte: “Es geht niemals darum, andere durch Zwang, religiöse Propaganda oder Machtmittel zu vereinnahmen, sondern immer und ausschließlich darum, so zu lieben, wie Jesus es getan hat.“ Und der Augustiner Papst Leo XIV. machte diese Aussage noch deutlicher: „Wir sind gerufen, allen Menschen die Liebe Gottes zu bringen, damit jene Einheit Wirklichkeit wird, die die Unterschiede nicht aufhebt, sondern die persönliche Geschichte jedes Einzelnen und die soziale und religiöse Kultur jedes Volkes zur Geltung bringt.“ Das sind hoffentlich programmatische, man möchte beinahe sagen: anti – augustinische Worte. LINK

Der Augustiner Papst Leo XIV. widerspricht also der höchst problematischen Weisung des Bischofs Augustinus, man solle die unwilligen Menschen auch zwingen, den Glauben anzunehmen… Augustinus bezieht sich dabei auf das Gleichnis Jesu vom großen Gastmahl (Lukas14,23). Dieses Wort Jesu ist eine Einladung fremder Gäste zu einem Festmahl, es hat aber nichts mit zwanghafter Einfügung von Ketzern in die katholische Kirche zu tun, wie Augustinus dieses Jesuswort umdeutete. Augustinus versteht es als „Aufforderung zur Gewaltanwendung und er verwendet es neben anderen Argumenten als Beleg zur Billigung von Gewaltmaßnahmen gegen Häretiker. Das von Augustinus  verwendete Zitat hatte für die Ketzerbekämpfung in Mittelalter und Neuzeit verheerende Wirkung.“ LINK:

5.
Damit ist eine nicht akzeptable Überzeugung Augustins erstmal durch päpstliches Wort hoffentlich erledigt und in die Archive verbannt. Die Frage aber bleibt, wie wird der Augustinerpapst Leo XIV. mit anderen problematischen theologischen Äußerungen seines Meisters Augustin umgehen. Augustiner sind eher Theologen der Mitte, des Ausgleichs, nicht der radikalen Veränderung: Luther war in dieser (!) Hinsicht anders…

Grundlegendes gilt für alles Augustinus – Studium: Kurt Flasch, der große Philosoph und Augustinus – Kenner und Augustinus – Forscher, hat zum richtigen Verständnis Augustins darauf hingewiesen: Erst nach der Taufe Augustus im Jahr 387 liegen uns Texte Augustins vor. Bis zum Jahr 397 war Augustin dem freien, vernünftigen philosophischen Denken (etwa Ciceros) eng verbunden. Er respektierte den menschlichen Willen, sah im menschlichen Verstand die Garantie der humanen Selbständigkeit.

Im Jahr 397 hingegen verfasst Augustin seine Schrift, die er dem Mailänder Bischof Simplician widmete: „Quaestiones ad Simplicianum“, „Fragen an Simplicianus.” Damit will er betonen: Es gibt eine Korrektur des eigenen theologischen Denkens bei ihm: hin zu einer rigiden Theologie der durch Gottes Gnade Erwählten. Kurz vor seinem Tod verfasst Augustin seine Revisionen zum eigenen Gesamt – Opus, „Retractationes“ genannt. In der Schrift von 397  entwickelt er seine zentrale Lehre von der göttlichen Gnade: Sie wird von Gott einigen Erwählten gewährt, vielen aber nicht. So wurde charakteristisch für Augustins Verständnis der Kirche: “Die grundlos freie Berufung einer kleinen Anzahl von Menschen zum ewigen Heil…“ (Kurt Flasch, Das philosophische Denken im Mittelalter, Reclam Verlag, 2020, S.40).

6.
Erbsünde:
Zu dem Thema ERBSÜNDE, einem entscheidenden Mittelpunkt der Theologie des Bischofs Augustinus, hat der religionsphilosophische Salon schon etliche Essays vorgelegt. Und dabei an die verheeren Folgen dieses Dogmas erinnert: LINK. Dabei haben wir uns vor allem auf die zahlreichen gründlichen Studien des unabhängig forschenden Philosophen und Philosophiehistorikers Prof. Kurt Flasch bezogen. Wir plädierten damals für die Abschaffung des Dogmas der Erbsünde: Denn die sogenannte Erlösung durch Jesus Christus lasse sich auch ohne diese leib – und sexfeindliche Erbsünden-Lehre Augustins entwickeln und verstehen. Augustinus hat seinen theologischen Gegner, Bischof Julian von Eclanum, aufs heftigste bekämpft…(Fußnote 3)
Wir wollen hier zum Thema Thema Erbsünde einige persönliche Worte Kurt Flaschs zitieren, aus einem Interview, das die Redakteurin im Deutschlandfunk, Christiane Florin im Jahr 2021, mit ihm führte: Zuerst erinnerte Kurt Flasch daran, dass nach den ausführlichen Studien der Paulusbriefe Augustins Überzeugung verstärkt wurde: Der Mensch sei verworfen, wegen der Erbsünde. Und dann sagte Flasch, nicht ohne Erregung bei diesem seinem Spezial-Forschungsthema: „Also ich kritisiere den Gott, der eine tyrannische, antihumanistische Wendung nimmt. Das ist bei Augustin so. Der späte Augustin ist antihumanistisch – wegen seiner Erbsündenlehre. Die `Augustinisten“ (die Pro – Augustin argumentierenden Forscher, CM) waren sauböse gegen mich. Das kann man schon sagen – und mit den merkwürdigsten Mitteln. Allein schon deswegen, weil ich Augustin als einen sich entwickelnden Mann dargestellt habe, als einen, der verwirft und selbst als Irrtum bezeichnet, was er bis 397, also schon im reifen Alter, gelehrt hatte. Nicht nur seine heidnische Zeit, sondern gerade seine frühchristliche Zeit hat er verurteilt. Und er hatte dann diesen Willkürgott, wie ich sage, also diesen Welttyrannen. Ja, die Augustinisten waren böse auf mich“. LINK

7.
Weltgestaltung
„Ein konkretes Programm christlicher Weltumgestaltung gar im Sinne einer Anleitung zur Ergreifung der politischen macht durch die Kirche, gar auch den Bischof von Rom, lag Augustins Denken fern“ (Flasch, Das philosophische Denken… S. 52). Augustins Buch „Der Gottesstaat“ enthielt keine Geschichtsphilosophie und keine politische Ethik. Aber das Buch verstärkte die Tendenz, den Sinn des Lebens im Jenseits zu suchen und alle irdischen Instanzen diesem jenseitigen Sinn unterzuordnen. Die irdischen Vertreter des jenseitigen Lebenssinns, also der Klerus, profitierte von dieser Instrumentalisieren des gesamten irdischen Lebens. (Ebd. . 55).

8.
Auch das Thema „Augustinus und die Frauen“ zeigt einen problematischen und heute nicht mehr vermittelbaren Augustinus. Eine Konferenz des Augustinus – Instututes des Ordens in Würzburg hatte im Jahr 2004 über „Augustins Wertschätzung der Frau“ veranstaltet. Die evangelische Theologin Larissa Carina Seelbach fasste ihre Ausführungen zusammen: „Obwohl Augustin die Unterordnung der Frau im Rahmen der etablierten Rollenverteilung nicht aufgeben wollte und an keiner Stelle eine radikale Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse forderte, erkannte er jedoch immerhin die geistige Ebenbürtigkeit der Frau. Denn für die Gottebenbildlichkeit des Menschen als «homo» trägt die reale körperliche Erscheinungsform von Mann und Frau und das soziale Gefälle zwischen beiden ja nichts aus. Die Gottebenbildlichkeit findet sich nicht im Körper, sondern im Geist von männlichen und weiblichen Menschen gleichermaßen. Folgendes lässt sich festhalten: Augustin vereinte in seiner Theologie seine persönliche Wertschätzung gegenüber Frauen mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen seiner Zeit samt deren Forderung nach weiblicher Unterordnung. Wegweisend ist, dass der einflussreichste Denker der Alten Kirche die Frau in ihrem Verhältnis zu Gott gleichgestellt sah. Gemessen am heutigen Verständnis von Gleichberechtigung wirken Augustins Bemühungen allerdings kaum bahnbrechend. Es bleibt jedoch kurzsichtig, das Frauenbild des Kirchenvaters auf ein Motto wie „Die Last mit der Lust“ bzw. „Ein Leben zwischen Lust und Liebe“ zu reduzieren. Aus seiner Zeit heraus hat Augustin ganz Entscheidendes für ein neues Verständnis der Gleichwertigkeit von Mann und Frau geleistet, denn er bestand auf der damals durchaus bahnbrechenden Feststellung: „Das weibliche Geschlecht ist ja kein Gebrechen, sondern Natur.
Eine wohlwollende Interpretation … im Augustinus – Institut des deutschen Augustiner…   LINK :

9.
Der Orden:
Hinsichtlich der Beschreibung der spezifischen Spiritualität des Augustinerordens bleiben die Erklärungen aus dem Orden selbst und auch von dem Augustinus- Fan Papst Leo XIV., der selbst etliche Jahre als oberster Prior den Orden leitete, eher sehr vage: Immer wieder wird auf das gemeinsame Leben der Ordensbrüder verwiesen, auf den Respekt der verschiedenen Begabungen, die Suche nach Einheit bei aller Verschiedenheit der Charaktere usw. Dabei wird auch daran erinnert, dass Augustinus nicht der Gründer des Ordens ist, der Orden wurde erst Mitte des 13. Jahrhunderts von Päpsten (!) gegründet und nach dem Vorbild der Franziskaner und Dominikaner als Bettelorden organisiert.

10.
Der Augustinerorden und der Augustiner Martin Luther
Der Reformator Martin Luther war Mitglied des Augustiner Ordens, damals noch offiziell „Augustiner Eremiten“ genannt. Die Zustände in den meisten Klöstern im 16. Jahrhundert, nicht nur bei den Augustinern, waren bekanntlich alles andere als vorbildlich, kein Wunder, dass viele Mönche die von Luther eröffnete Freiheit nutzten und das Kloster verließen und – wie Luther selbst – heirateten. Dadurch kam es zur Schließung vieler Klöster. Man kann sich als Beobachter nicht des Eindrucks erwehren, dass die Augustiner – etwa in Deutschland – darunter litten und leiden, dass ausgerechnet aus ihrem Orden in katholischer Sicht die Kirchenspaltung geschah. Deswegen sind sie angesichts der Hierarchie theologisch nicht die Mutigsten, Fortschrittlichsten. Luther als Erneuerer der Christenheit zu sehen unf so zu verkünden, liegt ihnen fern. Und der Orden OSA erklärt selten, warum es zwei Augustiner – Reform-Orden aus dem 16. Jahrhundert (bis heute) gibt: Die “Augustiner – Rekollekten” (OAR) und die “Augustiner- Barfüßer” (OAD). Weil der Orden OSA selbst in Spanien höchst reformbedürftig war.
Der Generalobere des Augustinerordens (OSA) in Rom, Pater Alejandro Moral, nahm 2017, im Luther – Gedenkjahr, Stellung:Der Augustinerorden bewertet die Reformation durch sein früheres Mitglied Martin Luther kritisch. Der Wittenberger Theologe habe sich nicht nur persönlich von den Augustinern abgewandt, sondern das Ordensleben an sich “mit aller Kraft verdammt” und eine Massenflucht aus den Klöstern mitbefördert. “Der Schaden für den Orden und das religiöse Leben in Deutschland war enorm”, schreibt der Generalprior des Augustinerordens, Alejandro Moral Anton, in einem Beitrag der Vatikanzeitung “Osservatore Romano.“
Der Augustiner – Orden habe “keinen Grund, den Beginn der Reformation vor 500 Jahren zu feiern, aber sicher, an ihn zu erinnern”, so Pater Moral. Der Ordensobere verwies auf “positive Aspekte”, die daraus entstanden seien – wie die Aufwertung des Individuums, die zentrale Stellung der Bibel und eine volksnahe Liturgie, aber auch die Entwicklung des Gemeinsinns und eine “gesunde Laizität”. Auch ein zentraler Punkt in Luthers Denken, die Gnade in der Rechtfertigungslehre, liege “in der augustinischen Linie“. Luther habe zweifellos eine “religiöse Krise” ausgelöst. Diese habe den Grund “zwar nicht für einen Laizismus, aber für den Prozess der Säkularisierung und der Geburt eines neuen Europa” gelegt. Der Ordensobere betonte zugleich, Luther habe bis 1521 mit “Martin Luther, Augustiner” unterzeichnet, bis 1524 sein Ordensgewand getragen und bis ans Lebensende Gewohnheiten seines Klosterlebens beibehalten. (veröffentlicht am 26.10.2017  katholisch.de).

Dass sich Augustiner innerhalb der Ökumene für eine versöhnte Verschiedenheit der verschiedenen Kirchen einsetzen ist also – bis jetzt – nicht bekannt. Sie studieren lieber höchst ausführlich das uralte Opus ihres Meisters Augustinus auch in einem eigenen Institut in Rom. Muss man ja machen: Aber ist der “Blick in die Vergangenheit” am dringendsten?

11.
In Deutschland gehören noch 32 Priester dem Augustinerorden an, in Österreich sind es drei, in Holland vielleicht noch fünf, das Durchschnittsalter wird offiziell nicht genannt. Die belgische Augustinerprovionz konnte ihr Überleben retten durch die Einreise von jungen Augustinern aus Togo und Benin, sie sind heute in Belgien bestimmend. Zentrum des Ordens in Deutschland ist Würzburg: Dort haben sie vor einigen Jahren ihre große Kirche ganz neu gestaltet, und das verdient Anerkennung. LINK
Auch wenn im Augenblick kein deutscher Augustiner als „bekannter Theologe“ oder als „Augustinus-Forscher“ hervortritt: Sehr sympathisch und für katholische Verhältnisse durchaus mutig ist, dass zwei Würzburger Augustiner sich explizit der katholischen Bewegung „Outinchurch“ für einen gerechten Umgang mit homosexuellen Priestern, Ordensfrauen, Pastoralreferenten usw. angeschlossen haben.
Der bekannteste aus Deutschland stammende Theologe des Augustinerordens war übrigens der Berliner Gregory Baum (1923-2017), der als Jude in Kanada konvertierte und dort dem Orden beitrat, später aber wieder austrat, und in einer letzten Publikationen in Montréal sich – endlich wie einige dort sagen – als queer outetete. Gregory Baum war auf dem 2. Vatikanischen Konzil tätig in der Kommission „Dialog mit Juden“. LINK

12.

Man mag es  augustinische “Ausgewogenheit” und “Liebe zur Mitte” und “Wohlwollen gegen alle” nennen, wenn jetzt bekannt wird: Papst Leo XIV. schickt den bekanntermaßen extrem reaktionären Kardinal Sarah, den expliziten Papst – Franziskus FEIND,  zu volkstümlichen folkloristischen Feierlichkeiten zu Ehren der heiligen Anna in die Bretagne. Wenn das so weitergeht… LINK zu Sarah in der Bretagne:  LINK zum reaktionärsten aller Reaktionären Kardinal Sarah.

Fußnote 1:
Das hat der Historiker Prof. Otto Wermelinger, Fribourg, 1982, mitgeteilt, vielleicht ist der Umfang der Augustinustexte jetzt noch größer geworden. Quelle: Orientierung, Jesuitenzeitschrift, Zürich, 1982, Seite 249).

Fußnote 2:
„Sohn des heiligen Augustinus“. Ein gewagtes Wort für Leute, die wissen, dass Augustinus vor seiner Bekehrung zum katholischen Glauben, in einer heterosexuellen, 13 Jahre dauernden Beziehung lebte, sein wirklicher. Sein leiblicher Sohn hieß „Adeodat“, d.h.: der von Gott – Gegebene.
Adeodat starb 390 im Alter von 18 Jahren. Er wurde wie sein Vater Augustinus 387 in Mailand getauft. Seine „Lebensgefährtin“ wurde von der damals schon katholischen Mutter Augustins, Monnika, nach Afrika zurückgeschickt, sie wollte ihren Sohn – mütterlich besorgt – lieber mit einer katholischen Frau verheiraten. Aber das gelang nicht. Sexualität war dann Augustins Sache nicht mehr. Er wurde Priester und dann Bischof von Hippo in Nordafrika, im heutigen Algerien Anaba. .
Im Augustiner – Orden wurden Adeodat und seine Mutter eher verdrängt: „Das Schweigen über Adeodat und seine Mutter, eine Konkubine, rührte möglicherweise daher, dass sie auf erschreckende Weise an die relativ ungezügelte Lust Augustins in seinen frühen Jahren erinnerten – etwas, das auch von christlichen Schriftstellern über Jahrhunderte hinweg übergangen wurde. Zu diesen Autoren gehörten Mitglieder des Ordens des Heiligen Augustinus, die Augustinus als Vorbild für das Leben in einer religiösen Gemeinschaft darstellen wollten und nicht als jemanden, der fehlbar sei.“ Quelle: LINK         Nebenbei: Immerhin nannten sich im 7. Jahrhundert zwei Päpste Adeodat.

Fußnote 3: Zum Kampf Augustins gegen seinen theologischen Gegner Bischof Julian von Eclanum: Siehe die wichtuge Studie :”Kampfplätze der Philosophie. Große Kontroversen von Augustin bis Voltaire”, von Kurt Flasch, dort die Kapitel I und II, Verlag Vittorio Klostermann, 2008, S. 11- 42.

Die in unserer Sicht beste kurze Einführung zu Augustin: Kurt Flasch, „Einführung in sein Denken“. Reclam Verlag, 1994, 480 Seiten, leider nur noch antiquarisch zu haben.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

Der Augustinermönch Papst Leo XIV. und der Augustinermönch Martin Luther

Ein Hinweis von Christian Modehn am 8. Mai 2025.

Papst Leo XIV. ist Mitglied des Augustiner – Ordens, dem auch der Reformator Martin Luther angehörte. Zu Luthers Zeiten noch „Augustiner Eremiten“ genannt.

Papst Leo XIV. und Martin Luther sind in gewisser Weise, wie es in Kirchenkreisen heißt, „Mitbrüder.“ Werden sie zerstrittene „Mitbrüder“ bleiben? Martin Luther war von 1505 -1524 Augustiner-Mönch. Seit der Zeit trug er nicht mehr die Ordenskleidung und zeigte öffentlich sein “Anderssein” als Reformator.

Ob Leo XIV. die Papstkritik seines Mitbruders Martin Luther ernst nimmt und die Ökumene als versöhnte Verschiedenheit der Kirchen und Christen voranbringt? Das wünschen sich einige an der Ökumene noch Interessierte. Ich halte es eher für unwahrscheinlich.

Papst Leo XIV. hat zwar in seiner Biografie sicher viele wichtige unterschiedliche Erfahrungen. Etwa Arme und Armut in Peru, Befreiungstheologie in Peru, Universitätserfahrungen an der Universität der Augustiner in Philadelphia USA (Villanova-Uni) sowie die Besetzung von Bischofsstühlen weltweit, organisiert von seinem einstigen „Bischofs-Ministerium“ im Vatikan…
Aber Ökumene? Vielleicht helfen etwas Gedanken des heiligen Augustinus weiter vom gemeinschaftlichen Kloster Leben in der Verschiedenheit der Mentalitäten.
Wünschen würde ich vor allem, dass ein Augustiner als Papst im 21. Jahrhundert endlich die furchtbare und falsche Erbsündenlehre des heiligen Augustinus beiseite legt, also abschafft. Aber auch das ist sogar sehr unwahrscheinlich. Dogmen werden nicht abgeschafft…Aber warten wir ab…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin